Urteil vom Landgericht Köln - 8 O 46/06
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 110.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.07.2005 zu zahlen.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger gegenüber den klägerischen Prozessbevollmächtigten von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 880,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2005 freizustellen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 130.000,00 €.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Frage, ob und in welcher Höhe der Beklagte, einer der damaligen Kommanditisten der inzwischen insolventen L GmbH & Co KG, noch seine Einlage zu erbringen hat.
3Der Kläger ist mit Beschluss des AG Hameln (37 IN 79/05) vom 23.06.2005 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der L GmbH & Co KG (im folgenden: Insolvenzschuldnerin) bestellt worden.
4Die Insolvenzschuldnerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 18.12.2004 gegründet. In diesem Vertrag heißt es auszugsweise:
5§ 3 (3): Die Gesellschaft beginnt am 18. Dezember 2004
6§ 4 (2) Kommanditisten sind ....Herr C, mit einer Einlage von 500.000,00 €... Die vorgenannten Einlagen der Kommanditisten entsprechen der Hafteinlage.
7(3) Die Kommanditisten verpflichten sich zur Einzahlung der Kommanditeinlage.
8§ 6 (2) Für die Kommanditisten werden folgende Konten geführt:
9a) Festeinlage = Kapitalkonto I
10b) Gesellschafter-Verrechnungskosten für Entnahmen und Einlagen usw. = Kapitalkonto II
11c) Verlustkonto = Kapitalkonto III
12(3) Die Einlagen aller Gesellschafter auf den Kapitalkonten I und II werden jährlich verzinst..."
13Wegen des weiteren Inhalts des Gesellschaftsvertrags wird auf Bl. 3-12 AH Bezug genommen.
14Ebenfalls mit Datum vom 18.12.2004 schloss der Beklagte mit Herrn T, einem Unternehmensberater, dessen genaue Einbindung in die geplante Gesellschaft zwischen den Parteien streitig ist, einen notariellen Treuhandvertrag, wonach der Beklagte seinen Kommanditanteil nur treuhänderisch für Herrn T halten sollte und in welchem es auszugsweise heißt:
15"§ 1 ... der Treuhänder übt sämtliche Gesellschafterrechte ... in eigenem Namen aus. Sämtliche der der treuhänderisch übernommenen Kommanditeinlage jeweils innewohnenden und alle sonstigen mit ihr in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten gehen im Innenverhältnis ausschließlich für Rechnung des Treugebers.
16....
17§ 3 ... der Treugeber verpflichtet sich hiermit, den Treuhänder freizustellen von allen Verpflichtungen, die sich für den Treuhänder aus seiner Stellung als Kommanditist... ergeben.".
18Wegen des weiteren Inhalts des Treuhandvertrags wird auf Bl. 138-142 AH Bezug genommen.
19Die Insolvenzschuldnerin wurde am 09.01.2005 in das Handelsregister eingetragen; den im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zweck insbesondere des Vertriebs regenerativer Energieversorgung nahm sie nicht auf. Es erfolgten Tätigkeiten der Innenorganisation und des Aufbaus eines Vertriebs, bis am 03.06.2005 die IKK Westfalen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellte.
20Der Kläger ist der Ansicht, nach dem Gesellschaftsvertrag sei der Beklagte zur Bareinzahlung der Kommanditeinlage verpflichtet. Gegenstand der Klage sind – neben Freistellung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten – ein Teil der Kommanditeinlagezahlungspflicht in Höhe von 110.000,- € der insgesamt seiner Ansicht nach noch geschuldeten 500.000,- €.
21Er beantragt,
22wie erkannt.
23Der Beklagte beantragt
24die Klage abzuweisen.
25Widerklagend beantragt er,
26den Kläger zu verurteilen, den Beklagten von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 880,10 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2005 freizustellen.
27Der Kläger beantragt,
28die Widerklage abzuweisen.
29Der Beklagte ist der Ansicht, eine Barzahlungspflicht ließe sich dem Gesellschaftsvertrag nicht entnehmen. Er beruft sich darauf, die Einlagepflicht durch Verrechnung von Gegenansprüchen in voller Höhe erbracht zu haben. Hierzu behauptet er, Herr W habe in der Vorgründungsphase der Gesellschaft Leistungen erbracht: bis zum 30.09.2004 habe man die zu gründende Gesellschaft noch mit "Photovoltaik" geführt. Unter dieser Bezeichnung hätten verschiedene Gesellschafter mit Herr W Vorgespräche mit Blick auf die spätere Gründung geführt. Diese hätten letztlich zu einem Beratervertrag vom 23.10.2004 (Bl. 20 ff. AH) geführt, der zwischen Herrn W und der "zu gründenden Gesellschaft, Arbeitstitel: ‚J’, vertreten durch den Steuerberater S", abgeschlossen und in welchem u.a. eine Vergütung von 1.200,00 €/Personentag (§ 4) vereinbart worden sei. Den Vertrag und die hieraus resultierenden Verpflichtungen habe die zu gründende Gesellschaft übernehmen sollen.
30Der Beklagte behauptet weiter, ab dem 15.03.2004 habe Herr W seine gesamte Arbeitskraft im Rahmen dieses Vertrags eingesetzt. Er habe werthaltige Leistungen erbracht, die abgerechnet worden seien wie nachfolgend dargestellt:
31
| Datum | Rechnungshöhe |
| 30. September 2004 | 187.920,00 € |
| 30. September 2004 | 274,10 € |
| 30. September 2004 | 280,04 € |
| 30. September 2004 | 59,16 € |
| 30. September 2004 | 2.467,10 € |
| 30. September 2004 | 792,18 € |
| 30. September 2004 | 6.246,01 € |
| 30. September 2004 | 110,03 € |
| 30. September 2004 | 220,05 € |
| 30. September 2004 | 286,07 € |
| 30. September 2004 | 330,03 € |
| 30. September 2004 | 660,05 € |
| 30. September 2004 | 660,05 € |
| 30. September 2004 | 660,05 € |
| 31. Oktober 2004 | 2.617,31 € |
| 31. Oktober 2004 | 660,05 € |
| 31. Oktober 2004 | 43.152,00 € |
| 4. November 2004 | 5.568,00 € |
| 30. November 2004 | 30.624,00 € |
| 30. November 2004 | 12.064,00 € |
| 30. November 2004 | 5.090,52 € |
| 30. November 2004 | 660,05 € |
| 17. Dezember 2004 | 23.664,00 € |
| 17. Dezember 2004 | 7.888,00 € |
| 17. Dezember 2004 | 3.262,59 € |
| 17. Dezember 2004 | 374,08 € |
| 17. Dezember 2004 | 1.043,07 € |
| 17. Dezember 2004 | 1.827,00 € |
| 31. Dezember 2004 | 19.488,00 € |
| 31. Dezember 2004 | 6.496,00 € |
| 31. Dezember 2004 | 1.807,75 € |
| 31. Dezember 2004 | 47,40 € |
| 31. Dezember 2004 | 286,06 € |
| 31. Dezember 2004 | 166,11 € |
| 31. Dezember 2004 | 435,00 € |
| 31. Dezember 2004 | 139.200,00 € |
| 31. Januar 2005 | 43.152,00 € |
| 31. Januar 2005 | 9.490,91 € |
| 31. Januar 2005 | 660,21 € |
| 28. Februar 2005 | 38.976,00 € |
| 28. Februar 2005 | 3.170,40 € |
| 28. Februar 2005 | 660,21 € |
| 28. Februar 2005 | 1.432,83 € |
| 28. Februar 2005 | 3.393,00 € |
| 28. Februar 2005 | 12.470,69 € |
| SUMME: | 620.792,16 € |
32
Diese Ansprüche habe er mit Wirkung zum 09.03.2005 zur Verrechnung mit der Einlage gestellt.
33Der Kläger behauptet hierzu, Herr S habe keine Vertretungsmacht für die Gesellschaft besessen; ferner ist er der Ansicht, mangels Tätigkeit am Markt und wegen noch wechselnden Gesellschafterbestandes habe keine Vorgesellschaft bestanden, die hätte Vertragspartner werden können.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
35Entscheidungsgründe
36Die zulässige Klage hat in vollem Umfang Erfolg, die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.
37Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 110.000,00 € aus § 171 Abs. 2 HGB zu, welcher insbesondere nicht dadurch erloschen ist, dass die Kommanditeinlage geleistet worden wäre, § 171 Abs. 1 2. HS HGB.
38Die Verpflichtung des Beklagten zur Erbringung der Einlage wird zunächst nicht davon berührt, dass ein Treuhandverhältnis bestand. Ein solches ändert nichts an den Verpflichtungen des Gesellschafters, die diesen auch in der Funktion als Treuhänder treffen (vgl. Baumbach/Hopt, 32. Aufl. (2006), § 105, Rn. 31).
39Dies gilt selbst dann, wenn – wie hier vom Beklagten behauptet wird – die Gesellschafter vorliegend einverstanden gewesen wären. Ein solches Einverständnis hätte, selbst bei unterstelltem Vorliegen, nur das Innenverhältnis der Gesellschafter betroffen, nicht aber die Gläubiger oder sonstige Dritte (vgl. Baumbach/Hopt, a.a.O., § 105, Rn. 34).
40Diese Einlage hat der Beklagte indes nicht erbracht.
41Hierbei kann dahinstehen, ob – was der Kläger bestreitet – die abgerechneten Leistungen des Herrn W überhaupt werthaltig gewesen sind. Gewisse Zweifel hieran resultieren allerdings bereits aus dem Umstand, dass – buchungstechnisch durch eine nicht chronologische Auflistung der Verrechnungen (Bl. 136 f. AH) nicht unmittelbar ersichtlich – letztlich eine Vielzahl von Rechnungen an gleichen Tagen erstellt wurden. So wird beispielsweise der Zeitraum Januar bis September 2004, obgleich bereits fakturiert, mit einer "Nachrechnung" vom 31.12.2004 erneut und in weiterem Umfang in Rechnung gestellt. Auch der Umstand, dass – worauf der Kläger zu Recht verweist - Herr W trotz eigener Krankheit in einigen Wochen des November 2004 nicht nur, wie der Beklagte meint, die Leistungen seines Büros in Rechnung stellt (Bl. 47 AH, Anl. B10, Rechnung vom 30.11.2004), sondern auch seine eigenen Arbeiten in einem Zeitraum eigener Krankheit (Bl. 45 AH, Anl. B9, Rechnung vom 30.11.2004), spricht nicht für eine Werthaltigkeit der dort abgerechneten Dienste, ebenso wenig wie der Umstand, dass identische Zeiträume zum Teil in getrennten Rechnungen aufgelistet sind (exemplarisch B12, B13, Bl. 51, 53 AH).
42Ebenso kann dahinstehen, ob überhaupt Ansprüche gegenüber der Insolvenzschuldnerin bestanden; eine Vorgründungsgesellschaft oder eine Vorgesellschaft ist jedenfalls, gerade angesichts des urkundlich belegten Beginns der Gesellschaft am 18.12.2004, ebenso wenig hinreichend vorgetragen wie auch das hierfür weiterhin erforderliche Vertretungsverhältnis durch Herrn S.
43Zuletzt ist unerheblich, dass der Beklagte nicht erklärt hat, welche der (die Einlagesumme von 500.000,00 € in ihrem Gesamtbetrag übersteigenden) streitigen Ansprüche er zur Verrechnung erklärt.
44Die Einlage ist nämlich bereits deshalb nicht durch Verrechnung erloschen, weil, worauf nicht nur bereits der Kläger hingewiesen hat, sondern auch das Gericht in der mündlichen Verhandlung erwähnte, die streitigen Ansprüche nicht dem Beklagten, sondern weiterhin Herrn W zustehen, so dass es an der für eine Aufrechnung erforderlichen Gegenseitigkeit fehlt, § 387 BGB, und die Gesellschaft daher schon aus diesem Grunde nicht die Befreiung von Verbindlichkeiten erlangt hat.
45Eine Aufrechnungsbefugnis ergibt sich insbesondere, anders als der Beklagte meint, nicht aus dem Treuhandverhältnis. Dieses regelt allein die Wahrnehmung der Gesellschafteraufgaben durch den Treuhänder und stellt diesen (im Innenverhältnis) von Ansprüchen frei. Ein solcher etwaiger Anspruch des Beklagten gegen Herrn W hat aber nicht zur Folge, dass ohne weitere Vereinbarungen der Beklagte nun seinerseits berechtigt wäre, mit Ansprüchen, für die – so sie bestehen – Herr W aktivlegitimiert ist, die Aufrechnung zu erklären. Eine so weitgehende Verfügungsbefugnis lässt sich ebenso wenig der Treuhandvereinbarung entnehmen wie eine – ohnehin nicht vorgetragene – Abtretung der Ansprüche.
46Lediglich ergänzend verweist das Gericht daher darauf, dass es weiterhin dafür hält, dass nach dem Wortlaut der die Einlagepflicht betreffenden Klausel des § 4 die Einlage in bar geschuldet, eine – ansonsten, wie dem Beklagten zuzugeben ist, mögliche – Erbringung der Einlage durch Verrechnung also hier gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem notariell beurkundeten Vertragswortlaut einer "Einzahlung" (statt "Erbringung") der Einlage, sondern auch aus der Zusammenschau mit § 6 des Vertrages, wonach die Einlagen auf einem zu verzinsenden Kapitalkonto geführt werden. Eine Verzinsung bei unbaren Einlageleistungen wäre jedoch ohne weitere und hier nicht getroffene Regelungen im Vertrag kaum denkbar.
47Die Widerklage ist zwar zulässig (arg. e § 506 ZPO, vgl. Zöller-Vollkommer, 25. Aufl. (2005), § 33, Rn. 12), bleibt aber aus obigen Erwägungen ohne Erfolg. Da der Beklagte zu Recht in Anspruch genommen wird, steht ihm ein Freistellungsanspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu.
48Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 BGB, wobei das Gericht den Antrag des Klägers sinngemäß auf die gesetzliche Prozentbezeichnung korrigiert hat (vgl. OLG Hamm, Urt. vom 05.04.2005 - 21 U 149/04 – NJW 2005, 2238).
49Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
50Streitwert: bis zum 20.04.2006: 110.880,10 €
51Danach: 111.760,20 € (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG)
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