Urteil vom Landgericht Köln - 15 O 380/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einer Geldanlage in Anspruch. Der Kläger, der mit der Bezeichnung "I-J O US-Kapitalanlagen" korrespondiert, unterhielt seit dem 20.01.2003 ein Girokonto bei der Beklagten. Am 23.06.2004 eröffnete er zusätzlich ein Wertpapier-Depot Nr. #####/####/0. Ebenfalls am 23.06.2004 unterzeichnete der Kläger eine Risikoanalyse, nach welcher er sich mit einer Einstufung in die Risikoklasse 4 einverstanden erklärte (Bl. 45 d.A.). Die Einstufung in diese Risikoklasse erfolgte nach einem hinsichtlich seines Inhalts streitigen Gesprächs der Zeugin N, einer Mitarbeiterin der Beklagten, mit dem Kläger. Am 25.06.2004 überwies der Kläger von seinem bei der Z-bank geführten Konto 64.000,00 € auf das Konto bei der Beklagten. Mit Faxschreiben vom gleichen Tag erteilte der Kläger unter Hinweis auf Ausdrucke aus dem Internet-Anleihenanalysedienst OnVista den Auftrag zum Kauf von Anleihen ANONYM 7,25 % im Nominalwert von 45.000,00 € und von Anleihen ANONYM 8,375 % im Nominalwert von 18.000,00 € zum 05.07.2004. Die Beklagte führte die Kauforder aus. Am 06.07.2004 orderte der Kläger, nachdem der Kurs von 110,15 auf 109,40 gefallen war, weitere 8,375 %-Anleihen im Nominalwert von 5.000,00 €. Am 16.09.2004 verkaufte der Kläger die 8,375 %-Anleihe zu einem Kurs von 113,00 und kaufte diese erneut am 01.10.2004 zu einem Kurs von 111,00. Als der Kläger im Februar 2005 seitens eines Dritten auf eine drohende Insolvenz der Firma ANONYM hingewiesen wurde, rief der Kläger bei der Zeugin N an. Diese teilte dem Kläger mit, es sei alles in Ordnung, er brauche sich keine Sorgen zu machen. Beide Anleihen verkaufte der Kläger schließlich am 31.05.2005, nachdem diese auf einen Kurs von 81,00 (7,25 %-Anleihe) bzw. 80,00 (8,325%-Anleihe) gefallen waren. Wegen der Einzelheiten des An- und Verkaufs wird auf die Abrechnungen der Beklagten (Bl.51 ff. d.A.) verwiesen.
3Der Kläger begehrt wegen der erlittenen Kursverluste, die er in Höhe der Klageforderung näher beziffert, Schadensersatz von der Beklagten. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte hafte aus fehlerhafter Anlageberatung sowie aufgrund einer Pflichtverletzung ihr obliegender Vermögensbetreuung.
4Er trägt vor, es habe sich bei dem überwiegenden Teil des angelegten Geldes, nämlich in Höhe von 52.000,00 €, um das Geld seiner von ihm betreuten Mutter gehandelt. Er habe der Zeugin N schon bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme und auch bei dem nachfolgenden persönlichen Gespräch am 23.06.2004 mitgeteilt, dass es sich um Mündelgeld handle, welches er in Pfandbriefe anlegen wolle. Die Zeugin N habe ihm mitgeteilt, sie habe "etwas Besseres" als Pfandbriefe. In dem persönlichen Beratungsgespräch am 23.06.2004 habe die Zeugin eine Anlageliste verschiedener Emittenten ausgedruckt und ihm die Anlage des gesamten Geldes in die später erworbenen ANONYM-Anleihen empfohlen. Er habe die Risikoanalyse auf Drängen der Zeugin unterzeichnet, da sie ihn darauf hingewiesen habe, dass er ansonsten diese Anleihen nicht erwerben könne. Die Zeugin habe jedoch erklärt, die Anleihen seien eine sichere Geldanlage. Zwar handle der Kläger mit US-Kapitalanlagen, jedoch sei die streitgegenständliche Anleihe eine Anlageform, die der Kläger nicht vertreibe. Aufgrund dessen habe er sich ratsuchend an die Beklagte gewandt. Deren Beratung durch die Zeugin N sei fehlerhaft gewesen. Es handele sich bei den angeratenen Anleihen um die einzigen unbesicherten ANONYM-Anleihen. Hierauf sowie auf das Kursrisiko habe die Anlageberaterin hinweisen müssen. Überdies sei Insidern bekannt gewesen, dass die Pensionslasten von ANONYM in Gefahr gewesen seien. Die Beklagte habe 51 % der Anteile der HNBD Bank übernommen und ihren Kunden die ungesicherten Anleihen verkauft, um selbst die gesicherten zu übernehmen. Aufgrund des Erwerbs dieser Anteile sei die Beklagte auch über die nicht ausreichenden Pensionsrückstellungen und den hieraus resultierenden Aktienverfall informiert gewesen. Hätte der Kläger diese Informationen erhalten, hätte er das Mündelgeld in eine gesicherte Anleihe investiert. Zudem habe die Zeugin N im Februar 2005 einen weiteren Vermögensschaden verursacht, indem sie den Kläger auf dessen besorgte telefonische Nachfrage wegen drohender Insolvenz von ANONYM beabsichtigt habe. Hinsichtlich der Schadenshöhe müsse der Kläger die Zinsgewinne nicht schadensmindernd berücksichtigen.
5Der Kläger beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.451,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2005 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 480,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2005 zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte behauptet, der Kläger sei als versierter Anleger aufgetreten, der bereits seit 5-10 Jahren Geldanlagen in sämtlichen in Betracht kommenden in- und ausländischen Geschäftsarten – zum Teil auf Kreditbasis – getätigt habe. Er habe als Anlageziel "Ertrag" und seine Anlagestrategie als "Konservativ", jedoch mit der Bereitschaft, für einen höheren Ertrag ein höheres Risiko in Kauf zu nehmen, angegeben. Der Beklagten sei weder eine Generalvollmacht des Klägers für seine Mutter noch dessen Absicht, Mündelgelder der Mutter anzulegen, bekannt gewesen. Im Anschluss an die Risikoklassifizierung sei über die Geldanlageprodukte gesprochen worden. Der Kläger habe sich für hoch verzinste Anleihen interessiert und allein in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass er mit den Zinserträgen seine Mutter unterstützen wolle. Der Kläger habe gesagt, dass Fonds mit Unternehmensanleihen für ihn nicht in Betracht kämen, jedoch Anleihen des Unternehmens ANONYM ihm interessant erscheinen würden. Damit habe das Gespräch geendet. Die vom Kläger wenige Tage darauf erworbenen Anleihen seien der Risikoklasse 2 zuzuordnen. Da der Kläger nur Depot-Kunde gewesen sei und kein Vermögensverwaltungsvertrag vorgelegen habe, habe eine Betreuung bzw. Nachberatungspflicht nicht bestanden. Es hätten sich letztlich die Risiken der vom Kläger erworbenen Anleihe verwirklicht. Selbst wenn nach Anfrage des Klägers von einem Verkauf abgeraten worden sei, sei dies lediglich eine Empfehlung hinsichtlich einer nicht vorhersehbaren Börsenentwicklung und begründe keinen Schadensersatzanspruch. Im Übrigen habe der in US-Anlagen kundige Kläger die Entwicklung selbst genauestens verfolgt. Außerdem seien von dem durch die Kursverluste erlittenen Schaden die durch den Verkauf im September 2004 erzielten Gewinne ebenso wie die erzielten Zinsen abzuziehen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte haftet dem Kläger nicht aus einem Beratungsverschulden bei Kapitalanlagevermittlung, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.
13Zwar war die Zeugin N gegenüber dem Kläger im Rahmen der Kapitalanlage zur Beratung aufgrund eines Anlageberatungsvertrages verpflichtet. Die ihr insoweit obliegenden Pflichten hat sie jedoch nicht schuldhaft verletzt.
14Der Beratungsvertrag verpflichtet den Vermittler zu vollständiger und richtiger Information über diejenigen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten der Kapitalanlage von besonderer Bedeutung sind (BGH NJW 1982, 1095, 1096). Die Anlageberatung hängt vom gegebenenfalls zu erfragenden Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft ab (BGH, Urteil vom 21.03.2006, in: WM 2006, 851 ff.; BGH, Urteil vom 27.02.1996, in: WM 1996, 664 f.; BGH, Urteil vom 06.07.1993, in: WM 1993, 1455 ff.). Kommt ein Kunde mit klaren Vorstellungen zur Bank, reduziert sich der Umfang der Beratung. Dies gilt auch für die Ermittlung des Wissensstandes. Dieser Ermittlung bedarf es nicht, wenn der Kunde deutliche Vorstellungen von dem gewünschten Anlagegeschäft hat (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2006, aaO). Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind nach alldem von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageobjekt beziehen. Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflicht hängt hiernach von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Urteil vom 06.07.1993, aaO).
15Unter Berücksichtigung dieser einzelfallabhängigen Beurteilungsfaktoren des Umfangs der Beratungspflicht vermag die Kammer eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten nicht zu erkennen. Vielmehr stellte sich der Kläger aus Sicht der Beklagten als nicht beratungsbedürftig in Bezug auf die streitgegenständlichen US-Unternehmensanleihen dar.
16Vorliegend trat der schon seinerzeit unter der Bezeichnung "US-Kapitalanlagen Neuen" auftretende Kläger (vgl. Telefaxkennung der Kauforder vom 25.06.2004, Bl. 46 d.A.) an die Beklagte heran und unterzeichnete die Risikoanalyse vom 23.06.2004 mit einer Eingruppierung seines Anlageverhaltens in die Risikoklasse 4, der zweithöchsten von fünf Risikoklassen. Der Kläger trat als erfahrener US-Kapitalanleger auf, und erklärte, wie seine Unterschrift unter die Risikoanalyse belegt, die Bereitschaft, ein hohes Risiko bei der Geldanlage einzugehen. Einem sich derart gerierenden Anleger muss die Beklagte nicht darauf hinweisen, dass eine hochverzinste Unternehmensanleihe, die nach Klägervortrag sogar in die zweithöchste von 5 Risikoklassen eingruppiert ist, keine mündelsiche Anlage darstellt. Die Beklagte durfte bei dem so auftretenden und agierenden Kläger, der auch seine späteren Kauforder ausdrücklich nicht auf eine Anlageempfehlung sondern auf eigenständig recherchierte OnVista-Ausdrucke bezog, davon ausgehen, dass er hinsichtlich derartiger US-Anleihen versiert ist und über einen Wissensstand verfügt, der es ihm ohne weitere Beratung ermöglicht, das Risiko dieser Geldanlage einzuschätzen. Dem Kläger mit seinem Wissen als US-Kapitalanleger musste demgegenüber, selbst wenn man den bestrittenen Vortrag zugrunde legt, er habe ausdrücklich eine mündelsichere Anlage angefragt, unzweifelhaft erkennbar sein, dass die gekauften hochverzinsten Anleihen nicht mündelsicher sind und dem Risiko von Kursverlusten unterliegen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden sein will, es handele sich um Anleihen der Risikoklasse 4. Erkennbar durfte der Kläger dann jedoch nicht darauf vertrauen, derartige hochverzinste Anleihen seien risikolos. Dass auch der Kläger um das Kursrisiko gewusst haben muss, zeigt sein Anlageverhalten in Gestalt des Verkaufs der Anleihen im September und des Neukaufs im Oktober 2004, mit dem er Kursschwankungen bewusst zur Gewinnerzielung ausnutzte.
17Auch folgt aus dem vom Kläger gerügten unterlassenen Hinweis auf die zum Zeitpunkt des Ankaufs angeblich bekannten Befürchtungen hinsichtlich der Schuldenquote und unzureichender Rückstellungen des Unternehmens ANONYM keine Beratungspflichtverletzung. Es kann hierbei dahinstehen, dass die Darlegung des Klägers, welche Kenntnis die Beklagte woraus hätte erlangen müssen, unsubstantiiert ist. Denn bei den benannten Daten handelt es sich um Unternehmensdaten, die bei der gewählten Risikoeinstufung nicht aufklärungsbedürftig sind. Eines Eingehens darauf, dass die Beklagte auch insoweit auf mangelndes Beratungsbedürfnis des Klägers vertrauen durfte, bedarf es daneben nicht.
18Aus Vorstehendem folgt zudem, dass selbst bei Annahme eines Beratungsfehlers der Beklagten ein Mitverschulden des Klägers vorliegt, welches gänzlich überwiegt. Die Beklagte durfte jedenfalls davon ausgehen, dass der bei seiner Geldanlage ausweislich der von ihm unterzeichneten Risikoanalyse risikobereite und fachlich kundige Kläger sich vor Ankauf über die Anleihen informiert und einer etwaigen Anlageempfehlung nicht ungeprüft folgt.
19Auch haftet die Beklagte nicht aufgrund des telefonischen Hinweises der Zeugin N im Februar 2005 aus falscher Beratung. Die Äußerungen der Zeugin N, es bestehe kein Grund zur Besorgnis, sie werde sich melden, sobald sie etwas über Konkurs oder Kursverfall höre, rechtfertigen keinen Schadensersatzanspruch für die nach diesem Telefonat eingetretenen (weiteren) Verluste. Der Kläger unterhielt bei der Beklagten lediglich ein Wertpapierdepot. Eine Vermögensbetreuung schuldete die Beklagte nicht, weshalb ihr die Erteilung von Informationen über Umstände, die sich auf die bereits getroffene Anlageentscheidung beziehen, nicht oblag. Die vorgenannte Äußerung der Zeugin N im Februar 2005 erfolgte erkennbar auch nicht im Rahmen einer Vermögensbetreuung, sondern allein im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragene Besorgnis einer drohenden Insolvenz des Unternehmens ANONYM. Da eine Insolvenz nicht eintrat, war die Zeugin nicht gehalten, den Kläger nach dem Telefonat im Februar 2005 über den weiteren Kursverlauf zu informieren. Vielmehr hielt der Kläger ohne Weiteres den Kursverlauf der Anleihen eigenständig nach, wie auch sein Schreiben vom 04.04.2005 belegt. Hiernach ist – unbeschadet fehlender Vermögensbetreuungspflicht der Beklagten – nicht ersichtlich, dass eine Information der Beklagten über den ohnehin bekannten Kursabfall zu einer früheren Verkaufsentscheidung des Klägers und damit zu einem geringeren Schaden geführt hätte. Dass die Zeugin N im Februar 2005 ausdrücklich von einem Verkauf der Anleihen abgeraten habe, trägt der Kläger demgegenüber nicht vor. Selbst wenn die Zeugin sich jedoch so geäußert haben sollte, liegt darin kein Verschulden, sollten die Kurse gleichwohl fallen. Ein derartiger Rat der Zeugin N wäre allein von seiner Vertretbarkeit ex ante zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2006, a.a.O.). Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, dass der Kurs der Anleihen schon im Februar 2005 erkennbar einzubrechen drohte und eine langfristige Kurserholung nicht zu erwarten war.
20Mangels Schadensersatzanspruchs bedarf es keines Eingehens auf die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Schadens.
21Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.
22Streitwert: 18.451,20 €
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