Urteil vom Landgericht Köln - 37 O 157/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin buchte mit ihrem Ehemann bei N- Weltreisen eine 23-tägige Südafrikareise für die Zeit vom 08.04.2006 bis 30.04.2006. Der Reisepreis für beide Eheleute betrug 7.432,00 €.
3Am Morgen des 12.04.2006 gegen 05.15 Uhr stürzte die Klägerin am Rande eines weitläufigen Camps auf dem Weg zu dem Ausgangspunkt des für diesen Tag vorgesehenen Pirschgangs mit Wildhütern.
4Der Pirschgang sollte um 05.15 Uhr beginnen. Die Reisegruppe, die aus 7 Teilnehmern bestand, traf sich um 05.05 Uhr am Parkplatz des Busses bei den Hütten, in denen die Reiseteilnehmer wohnten. Der Ausgangspunkt der Pirsch lag einige hundert Meter entfernt, am Rande des großen, unübersichtlichen Campgeländes. Die Reisegruppe wartete zunächst auf den Reiseleiter, den Zeugen C, und brach schließlich, nachdem der Zeuge C nicht erschien, auf. Zu diesem Zeitpunkt war es noch völlig dunkel, es brannten keine Lichter. Der Ehemann der Klägerin trug als einziger der Reisegruppe eine Taschenlampe bei sich und versuchte der Gruppe hiermit eine Orientierung auf dem Weg zu geben. Die Taschenlampe war jedoch nicht hell genug, um allen Teilnehmern gleichzeitig den Weg auszuleuchten. Die Gruppe fand den Weg zum Ausgangspunkt der Pirsch nicht und gelangte auf ein leicht ansteigendes Wiesengelände, durch das ein schmaler, etwa ein Meter breiter Pfad führte. Auf diesem im Dunkeln nur schwach zu erkennenden Pfad, teilweise neben diesem, ging die Gruppe gemeinsam weiter, wobei jeder versuchte, seinen eigenen Weg zu finden. Hierbei stieß die Klägerin gegen eine Stufe und stürzte. Der Ehemann der Klägerin, der diese Stufe nicht bemerkt hatte, befand sich zu diesem Zeitpunkt ein paar Meter voraus. Die Klägerin erlitt durch den Sturz unter anderem einen Schultergelenksbruch, der jedoch erst nach Rückreise der Klägerin am 05.05.2006 diagnostiziert wurde. Zum genauen Verletzungsumfang wird auf das ärztliche Attest vom 05.05.2006 (Anlage K 6) Bezug genommen.
5Die Klägerin begehrt neben einer Reisepreisminderung und Ersatz für vertane Urlaubszeit für sich und ihren Ehemann, der seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten hat, Schadensersatz und Schmerzensgeld.
6Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Reisepreisminderung sowie zum Schadensersatz verpflichtet. Der Reiseleiter habe am Vorabend des 12.04.2006 beiläufig erwähnt, dass er zu dem Ausflug nicht mitkommen werde und es vorzöge auszuschlafen. Nachdem er daraufhin ausdrücklich gebeten worden sei, die Reisegruppe zum Ausgangspunkt der Pirsch zu begleiten, habe er mitgeteilt, die Gruppe solle am nächsten Morgen gemeinsam zum Ausgangspunkt der Pirsch aufbrechen, falls er nicht käme, auch ohne ihn. Entsprechend dieser Anweisung sei die Gruppe dann, nachdem der Reiseleiter am nächsten Morgen nicht erschienen sei, aufgebrochen. Den Weg hätte die Gruppe mit dem Bus gefahren werden können. Zum Umfang der Studienreise habe bei den Touren die Begleitung durch den Reiseleiter zu den Ausgangspunkten gehört. Es habe jedenfalls zu den Obhuts- und Fürsorgepflichten gehört, die Reisegruppe zum Ausgangspunkt der Pirsch zu begleiten; dies umso mehr, als der Reiseleiter am Vorabend ausdrücklich gebeten worden sei, die Gruppe dorthin zu geleiten. Die fehlende Begleitung stelle sich hiernach als Vertragsverletzung und Verletzung der Fürsorge- und Obhutspflichten dar. Die Reise sei für die Klägerin ab dem 12.04.2006 ohne Erholungswert gewesen, weshalb die Beklagte 3.069,74 € an die Klägerin zu zahlen habe. Für den Ehemann der Klägerin sei der Reisepreis ab dem 5. Reisetag um mindestens 25 % zu mindern, also 767,43 €. Für Zuzahlungen für Arztkosten, Heilmittelbehandlungen und beschädigte Bekleidung seien 993,13 € zu erstatten. Das der Klägerin unter Berücksichtigung der Verletzungsfolgen zu zahlende Schmerzensgeld sei mit mindestens 7.500,00 € zu beziffern. Da die Klägerin weiterhin unter den Verletzungsfolgen leide und nicht absehbar sei, zu welchen Folgeschäden der Unfall noch führe, bestehe ein Feststellungsinteresse der Klägerin hinsichtlich zukünftiger materiellen und immaterieller Schäden.
7Die Klägerin beantragt,
81.
9die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessenen Betrag, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der aber 3.837,17 € nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.09.2006, sowie weitere 993,13 € und weitere 457,62 € zu zahlen;
102.
11die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das den Betrag von 7.500,00 € jedoch nicht unterschreiten soll, zu zahlen;
123.
13festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Reiseunfall in Südafrika am 12.04.2006 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Ansicht, sie treffe kein Organisationsverschulden. Der Reiseleiter habe von der Parkverwaltung keine Genehmigung für die Begleitung der Gruppe erhalten, was nicht im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters liege. Die Gruppe sollte daher von den Wildhütern um 05.15 Uhr an dem am Vortrag vereinbarten Treffpunkt übernommen werden. Die Gruppe sei instruiert worden, auf keinen Fall ohne die Wildhüter in der Dunkelheit allein loszugehen. Die Gruppe sei jedoch eigenmächtig aufgebrochen. Der Reiseveranstalter schulde nicht, die Teilnehmer ständig "an die Hand zu nehmen". Die Klägerin sei auf ein überwiegendes Mitverschulden zu verweisen, da sie sich einerseits in die Obhut ihres Ehemannes, der die Taschenlampe bei sich trug, hätte begeben können; sie andererseits auf eigene Gefahr handelte.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien zur Akte gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie dem nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 30.11.2007 verwiesen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die zulässige Klage ist unbegründet.
20Zwar ist die Beklagte weiterhin passivlegitimiert. Der Verkauf der Vertriebsmarke N- Weltreisen, bei der es sich nicht um eine eigenständige juristische Person handelt, führt ohne Zustimmung des betreffenden Gläubigers nicht zu einem Austausch der Schuldnerin (§ 415 Abs. 1 Satz 1 BGB).
21Die Klägerin hat gegen die Beklagte jedoch weder vertragliche noch deliktische Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche und auch keine Reisepreisminderungsansprüche. Eine Haftung der Beklagten käme aufgrund reisevertraglicher Obhuts- und Fürsorgepflichten, deren Verletzung auch einen Reisemangel begründen kann (BGH NJW 2006, 2918; OLG Köln, Urteil vom 20.10.2006 – 16 U 40/06), in Betracht. Eine zur Haftung der Beklagten führende Verletzung der Obhuts- und Fürsorgepflicht liegt indes nicht vor.
22Hierbei kann dahinstehen, ob reisevertraglichen Minderungs- und Schadensersatzansprüchen ein fehlendes Abhilfeverlangen der Klägerin gemäß §§ 651 c Abs. 2, 651 d Abs. 2 BGB entgegensteht, mit der Folge, dass allein deliktische Ansprüche in Betracht kämen. Denn durch den Sturz der Klägerin auf ihrem Weg in der Dunkelheit über das Wiesegelände hat sich das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht, ohne dass die Beklagte bzw. deren Leistungsträger vor Ort eine daneben verbleibende Verantwortung an dem Sturz trifft.
23Selbst wenn man mit der Klägerin von einer Vertragspflicht, vor allem resultierend aus einer Fürsorgepflicht der Beklagten ausgeht, die Reisegruppe durch die Dunkelheit zum Ausgangspunkt der Pirsch zu geleiten, oblag es der Klägerin, sich nicht ohne ortskundige Begleitung in völliger Dunkelheit und ohne genaue Wegkenntnis über ein weitläufiges, unübersichtliches Campgelände auf den Weg zu machen. Der Klägerin musste bewusst sein, dass das Aufbrechen ohne die ortskundige Begleitung durch den Reiseleiter, vor allem aber ohne ausreichende Sicht in völliger Dunkelheit, die naheliegende Gefahr eines Sturzes bedeutet. Vor diesem Schaden oblag es der Klägerin sich zu bewahren und nicht in die Dunkelheit, jedenfalls nicht ohne ausreichende Ausleuchtung des Weges aufzubrechen, weshalb der Sturz aus einem gänzlich überlagernden Mitverschulden der Klägerin resultiert. Den Reiseleiter hätte die Kläger bzw. die Reisegruppe ausdrücklich einerseits am Vorabend, jedenfalls in den Morgenstunden auffordern müssen, entweder selbst die Gruppe zu begleiten oder für eine ortskundige Begleitung zu sorgen. Dies lag umso näher, als der Reiseleiter am Vorabend ankündigte, nicht mitzukommen. In dieser Situation hätte die Klägerin unmissverständlich klarstellen können, dass sie ohne ortskundige Begleitung nicht losgehen werde. Der Beklagten wäre dann zwar zuzurechnen, wenn das Programm dieses Reisetages wegen des trotzdem nicht erscheinenden Reiseleiters ausfallen würde. Wer jedoch in dieser Situation sich gleichwohl in die jedem offenkundige Gefahr begibt, in der Dunkelheit einen unbekannten Weg über ein weitläufiges, unübersichtliches Campgelände und ein Wiesengelände einzuschlagen, handelt in dem erkannten und durch das Losgehen bewusst eingegangenen allgemeinen Lebensrisiko eines Sturzes. Der Reisende, der einen unbekannten Weg in der Dunkelheit einschlägt, muss damit rechnen, dass auf dem Campgelände, vor allem aber auf dem Wiesengelände Stolpergefahren unterschiedlichster Art lauern. Verwirklicht sich die Gefahr, indem sich auf dem unbekannten Weg durch die Dunkelheit ein Sturz ereignet, gehört dies zu dem privaten Unfall- und Verletzungsrisiko des Reisenden und stellt ein natürliches Lebensrisiko dar, das Fälle umfasst, mit deren Auftreten auch im privaten Alltag gerechnet werden muss und die nicht reisespezifisch sind.
24Unbeschadet des Umstandes, dass allein das Losgehen ohne ortskundige Begleitung und ohne ausreichende Ausleuchtung des unbekannten Weges zu einem gänzlich überlagernden Mitverschulden an dem auf dem Weg eingetretenen Sturz führt, oblag es der Klägerin zudem, sich nur so fortzubewegen, wie ein Ausleuchten des unbekannten Weges durch das Licht der von ihrem Ehemann mitgeführten Taschenlampe ihr dies ermöglichte. Statt sich jedoch nur dann fortzubewegen, wenn der Schein der Taschenlampe den Weg ausleuchtet, also zu sehen ist, wohin man tritt, ging die Klägerin auch dann weiter, als ihr Ehemann dem anderen Teil der Gruppe den Weg leuchtete. In dieser Situation stürzte sie. Auch dieses Verhalten führt zu einem vollständig überlagernden Mitverschulden der Klägerin am Sturz.
25Da abgesehen von dem Unfallereignis keine weiteren Reisemängel gerügt wurden, scheitern nach alldem sowohl vertragliche, als auch deliktische Ansprüche am dargelegten gänzlich überwiegenden Mitverschulden der Klägerin am Sturz. Die Klage war hiernach auch hinsichtlich des Feststellungsantrags abzuweisen.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.
27Streitwert:
28Antrag zu 1) 4.830,30 € (vorgerichtl. RA-Gebühren sind nicht streitwertrelevant)
29Antrag zu 2) 7.500,00 €
30Antrag zu 3) 2.000,00 €
3114.330,30 €
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Referenzen
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