Urteil vom Landgericht Köln - 20 O 416/06
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 159.673,-- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.06.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 5 % und der Beklagte zu 95 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist Stiefsohn der am 03.02.2006 verstorbenen Frau T, im Folgenden Erblasserin genannt, und leiblicher Sohn deren am 03.04.1998 vorverstorbenen Ehemanns K. Der Beklagte ist der Bruder der Erblasserin. Mit notariellem Erbvertrag des Notars Dr. L in C3 vom 31.05.1976 bestimmten die Erblasserin und ihr Ehemann den Kläger zu ihrem jeweiligen Alleinerben.
3Mit seiner Klage hat der Kläger Herausgabe seiner Auffassung nach in den Nachlass fallender Gegenstände und Zahlung vom Beklagten seiner Ansicht nach unrechtmäßig erhaltener Geldbeträge geltend gemacht und hat hierzu behauptet, der Kläger besitze einen Pkw Mercedes, der der Erblasserin gehört habe, ebenso ohne Rechtsgrund wie dieser gehörenden Schmuck und drei Pelzmäntel. Einen Betrag von 3.000 € habe der Beklagte unrechtmäßig von den Girokonten der Erblasserin abgehoben. Zudem habe die Erblasserin, was zwischen den Parteien unstreitig ist, zwei Lebensversicherungen, deren Bezugsberechtigung zunächst auf ihn gelautet habe, auf den Beklagten umgestellt, worin er eine Schenkung in Benachteiligungsabsicht sieht. Die Änderung der Bezugsberechtigung sei nämlich vor dem Hintergrund erfolgt, dass er im Jahre 2001, nach dem Tod des Ehemanns der Erblasserin, mit dieser einen erbitterten Erbstreit geführt habe, worauf die Erblasserin aus Verärgerung den Beklagten begünstigt habe.
4Der Kläger hat zunächst beantragt,
5den Beklagten zu verurteilen,
61. an ihn einen Betrag von 162.673,-- € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 17.06.2006 zu zahlen;
72. das Kfz der Marke Mercedes Benz, CLK 200 Kompressor, Fahrgestellnummer ####, amtliches Kennzeichen ### an ihn herauszugeben;
83.
9a. Auskunft zu erteilen über den Schmuck der Erblasserin T, den er erlangt hat, sowie über den Verbleib der drei Pelzmäntel der Erblasserin T;
10b. Zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, die Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen erteilt zu haben;
11c. An den Kläger den gesamten sich nach der Auskunft ergebenden Schmuck sowie die drei Pelzmäntel herauszugeben.
12Nachdem der Beklagte Schmuck und Pelze an den Kläger herausgegeben, einen Teilbetrag von 1.238,30 € gezahlt hat und eine gütliche Vereinbarung in Bezug auf den Mercedes der Erblasserin gefunden worden ist, hat der Kläger seine Klage teilweise für erledigt erklärt und beantragt nunmehr,
13wie erkannt.
14Der Beklagte hat sich der teilweisen Erledigungserklärung angeschlossen und beantragt im übrigen,
15die Klage abzuweisen.
16Er meint, die Erblasserin habe ihm ihren Pkw Mercedes geschenkt. Den Betrag von 3.000 € habe er abgehoben, weil ihm die Erblasserin ihre EC-Karten nebst den zugehörigen PIN-Nummern ausgehändigt habe, weil er Besorgungen für sie getätigt habe, wofür er 1.473,50 € verauslagt habe. Zudem habe er nach der Beerdigung die Trauergäste bewirtet, was mit 288,20 € zu Buche geschlagen sei. Den Differenzbetrag von 1.238,30 € habe er im Laufe des Rechtsstreits unstreitig an den Kläger zurück überwiesen.
17Die Lebensversicherungen habe die Erblasserin ihm aus Dankbarkeit übertragen, weil beide einander sehr nahe gestanden hätten, nachdem die Erblasserin erfahren habe, dass er mangels finanzieller Mittel nicht für seine Altersversorgung vorsorgen könne.
18Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die von ihnen überreichten Unterlagen Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20Die Klage ist, soweit sie die Parteien nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben, in vollem Umfang begründet.
211.)
22Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 159.673,-- € gemäß § 2287 BGB.
23Die Voraussetzungen dieser Gesetzesbestimmung sind erfüllt, weil die Erblasserin in der Absicht, den Kläger zu benachteiligen, diesen beeinträchtigende Schenkungen gemacht hat.
24Eine Schenkung liegt einerseits in dem Abschluss einer Lebensversicherung mit der Vertragsnummer #####/#### bei der Q-Versicherung, beginnend mit dem 01.07.1998, für die von Vornherein im Falle des Todes der Erblasserin der Beklagte bezugsberechtigt sein sollte. Weiterhin hat die Erblasserin dem Beklagten auch die Erträge aus der bereits am 19.02.1997 abgeschlossenen Lebensversicherung, geführt bei der Q-Versicherung unter der Vertragsnummer #####/####, schenkweise zugewandt. Soweit der Beklagte die Auffassung vertreten hat, eine Schenkung der Erblasserin in Bezug auf die Erträge aus der letztgenannten Versicherung komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Lebensversicherung bereits vor dem Tod des Ehemanns der Erblasserin abgeschlossen worden sei und die Erblasserin zunächst diesem eine Bezugsberechtigung eingeräumt habe, verkennt er, dass die Erblasserin erst am 24.04.2001 (Bl. 49 Anlagenband), mithin nach dem Tod ihres Ehegatten, die Bezugsberechtigung zugunsten des Beklagten geändert hat, was die Schenkung erst begründet.
25Ebenfalls zu bejahen ist die Absicht der Erblasserin, den Kläger mit den vorgenannten Schenkungen zu benachteiligen. Vorliegend spricht bereits viel für die Benachteiligungsabsicht, weil unstreitig die jeweiligen Änderungen der Bezugsberechtigung jedenfalls in zeitlichem Zusammenhang mit einer zwischen dem Kläger und der Erblasserin geführten Erbauseinandersetzung betreffend den Nachlass des Ehemanns der Erblasserin standen.
26Hierauf kommt es indessen nicht entscheidend an, weil vom Bestehen der Benachteiligungsabsicht bereits dann auszugehen ist, wenn feststeht, dass für die unentgeltliche Zuwendung ein rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse nicht bestand; dabei hat der Begünstigte die für die Zuwendung maßgeblichen Umstände darzulegen (BGH NJW 1986, 1755 ff) und gegebenenfalls die Umstände zu beweisen, die aus seiner Sicht für den Erblasser Beweggrund für die Schenkung waren und eine lebzeitiges Eigeninteresse begründeten (Vgl. BGH MDR 2006, 29 ff.).
27Daran fehlt es vorliegend.
28Der Beklagte hat keine Umstände dargetan, aus denen sich ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an den den Beklagten begünstigenden Schenkungen entnehmen lässt.
29Stets kann ein Eigeninteresse zu bejahen sein, wenn der Erblasser beabsichtigt, den Beschenkten mit der Zuwendung zu einem ihm selbst vorteilhaften Verhalten zu motivieren, etwa um seine eigene Pflege im Alter oder aber seine Versorgung sicherzustellen. Hiervon kann vorliegend bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Erblasserin dem Beklagten von den seit langem zu seinen Gunsten bestehenden Bezugsberechtigungen unstreitig erst wenige Tage vor ihrem Tod überhaupt erzählt hat. Die Einräumung der jeweiligen Bezugsberechtigung hat die Erblasserin damit über Jahre hinweg geheim gehalten.
30Wäre es ihr hingegen darum gegangen, den Beklagten zu einem ihr vorteilhaften Verhalten zu veranlassen, so hätte nichts näher gelegen, als ihm die Bestimmung der Bezugsberechtigung zeitnah mitzuteilen um sodann abzuwarten, ob ihre Erwartungen erfüllt würden.
31Auch hat die Kammer geprüft, ob sich ein anerkennenswertes Eigeninteresse der Erblasserin an den Schenkungen ergibt, weil die Erblasserin sich hierzu aus persönlichen Rücksichten, etwa auch dem Wunsch, ihrem Bruder helfen zu wollen, verpflichtet glaubte, denn auch der durch einen Erbvertrag gebundene Erblasser bleibt hierzu berechtigt, soweit er die Vermögenssubstanz nicht unangemessen beeinträchtigt (vgl. MüKo-Musielak, BGB 4. Auflage, § 2287 Rdnr. 16). Indessen ist eine solche Schenkung aufgrund persönlicher Rücksichten vorliegend auch in Ansehung des Vortrags des Beklagten, es sei der Erblasserin ein Anliegen gewesen, seine Altersversorgung zu sichern, nicht anzunehmen. Denn mit der gebotenen Vertragstreue lassen sich nur solche Zuwendungen vereinbaren, die nicht die Vermögenssubstanz vollständig aushöhlen. Aus der zur Akte gereichten Nachlassübersicht (Bl. 65 Anlagenband) ergibt sich hingegen, dass die Zuwendungen die Vermögenssubstanz weitgehend beeinträchtigen. Der bereinigte Nachlass beläuft sich auf einen Betrag von 287.752,28 €. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass eine Schenkung über 159.673,-- € im Verhältnis hierzu eine erhebliche Beschränkung darstellt.
32Letztendlich hat die Kammer nicht übersehen, dass auch der vertraglich gebundene Erblasser noch zu Pflicht- und Anstandsschenkungen berechtigt bleibt. Dass jedoch solche nicht vorliegen ergibt sich ebenfalls zwanglos aus einem Vergleich der Höhe des Nachlasses mit dem Betrag der Schenkungen.
33Aufgrund der Schenkungen in Benachteiligungsabsicht ist der Beklagte verpflichtet, den zugesprochenen Betrag zu zahlen. Nicht etwa beschränkt sich der Anspruch, wie der Beklagte meint, auf die Höhe der von der Erblasserin aufgewandten Prämienleistungen.
34Aufgrund der in § 2287 BGB enthaltenen Rechtsfolgenverweisung ist nach § 818 Abs. 2 BGB der Wert des Erlangten zu ersetzen (vgl. MüKo-Musielak, a.a.O., Rdnr. 21). Der Wert ist aber der Betrag, mit dem die Lebensversicherungen im Todesfall valutierten und der sich, zwischen den Parteien unstreitig, auf den zugesprochenen Betrag beläuft. Die vom Beklagten insoweit angeführte Entscheidung BGH FamRZ 1976, 616 kann bereits deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen, weil sie nicht den auf Wertersatz gerichteten Anspruch des § 2287 BGB betrifft, sondern auf § 2325 BGB abstellt. Bei letztgenannter Vorschrift ist entscheidend, um welchen Betrag der Nachlass gemindert ist. Das können nur die Prämien sein. Hiervon abweichend ordnet § 2287 BGB aber die Wertherausgabe an, stellt also gerade nicht auf die aufgewendeten Beträge ab.
352.)
36Der Zinsanspruch ist aufgrund der ausgesprochenen Mahnung aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gerechtfertigt.
373.)
38Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, soweit der Rechtsstreit streitig entschieden wurde, weil der Kläger insoweit in vollem Umfang obsiegt hat.
39Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat sich die Kammer an den Grundsätzen des § 91 a ZPO ausgerichtet und entsprechend der Wahrscheinlichkeit des Obsiegens oder aber Unterliegens im Zeitpunkt der Erledigungserklärung entschieden.
40Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass im Hinblick auf den Schmuck und die Pelze unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch des Beklagten erkennbar ist, sodass der Kläger wegen des vormaligen Klageantrags zu 3.) im Falle streitiger Entscheidung aller Voraussicht nach obsiegt hätte. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten kommt in Bezug auf die Pelzmäntel auch nicht die Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO in Betracht, weil der Beklagte jedenfalls auch insoweit zunächst Klageabweisung beantragt und nicht sofort anerkannt hat.
41Soweit die Parteien den Antrag auf Herausgabe des Fahrzeugs übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat die Kammer im Rahmen der Kostenentscheidung die anfallenden Kosten jeweils hälftig berücksichtigt. Dies entsprach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt der Erledigungserklärung, weil insoweit die Beweisaufnahme, deren Ausgang ungewiss war, hätte fortgeführt werden müssen.
42Wegen des Geldbetrages von 3.000,-- € hat die Kammer differenziert und wegen eines Teilbetrages von 1.238,30 € ein voraussichtliches Unterliegen des Beklagten im Falle streitiger Entscheidung angenommen, weil insoweit nichts dafür ersichtlich ist, dass der Beklagte Ansprüche auf den im Verlaufe des Verfahrens zurückgezahlten Betrag hatte.
43Wegen des darüber hinausgehenden Betrages von 1.761,30 € war hingegen der Kläger mit den Kosten zu belasten, weil der Beklagte substantiiert Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag dargetan hat, soweit die Bewirtung der Trauergäste bei der Beerdigung betroffen ist, die nach § 1968 BGB dem Kläger oblegen hätte. Im Hinblick auf den weiteren Differenzbetrag hat der Beklagte substantiiert Aufwendungen für Aufträge der Erblasserin vorgetragen, sodass auch insoweit viel dafür spricht, dass der Beklagte hier bei streitiger Entscheidung obsiegt hätte.
44Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
45Eine Abwendungsbefugnis für den Kläger im Hinblick auf die zugunsten des Beklagten bestehende Vollstreckungsmöglichkeit wegen der Kosten war nicht auszusprechen, weil die Kostenentscheidung insoweit ausschließlich auf § 91 a ZPO beruht, Beschlüsse nach § 91 a ZPO indessen bereits vor Eintritt der Rechtskraft nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO i.V.m. § 91 a Abs. 2 S. 1 ZPO kraft Gesetzes vollstreckbar sind, ohne dass es einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf. Weil in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass dem Vollstreckungsgläubiger durch die bei nur teilweiser Erledigung im Urteil zu treffende Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO kein Nachteil entstehen darf, kommt die Anordnung einer Sicherheitsleistung oder einer Abwendungsbefugnis insoweit nicht in Betracht.
46Streitwert:
47bis 27.03.2007: 222.673,-- € (159.673,-- € + 3.000,-- € + 20.000,-- € + 15.000,-- € + 25.000,-- €)
48ab 28.03.2007: 221.434,70 €
49ab 14.11.2007: 159.673,--€
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