Urteil vom Landgericht Köln - 2 O 282/06
Tenor
Der Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 3.073,84 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2006 zu zahlen,
Der Beklagte zu 2. wird verurteilen, an den Kläger 3.322,31 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt dieser 50 %, der Beklagte zu 1. 24 % und der Beklagte zu 2. 26 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. trägt der Kläger 52 %, der Beklagte zu 1. 48 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. trägt der Kläger 48 %, der Beklagte zu 2. 52 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils vollstreckende Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung aus einem zwischen den Parteien bestehenden Steuerberatungsvertrag geltend.
3Der Kläger war seit 1998 Mandant des Beklagten zu 2., der seinerzeit eine eigene Steuerberaterpraxis betrieb. Inhalt des Mandatsverhältnisses war die steuerliche Beratung und die Erstellung der erforderlichen Steuererklärungen.
4Der Kläger ist von seiner Ehefrau geschieden. Am 16.06.1994 schloss der Kläger mit seiner damaligen Ehefrau eine Scheidungsfolgenvereinbarung. Inhalt der Scheidungsfolgenvereinbarung war u. a. eine dahingehende Unterhaltsregelung, dass der Kläger sich verpflichtete, an seine geschiedene Ehefrau monatliche Unterhaltszahlungen, frei von Steuern oder sonstigen Belastungen, zu zahlen. Der Kläger hatte sich darüber hinaus verpflichtete, alle steuerlichen oder sonstigen Vorteile in Anspruch zu nehmen, um sein maßgebliches Nettoeinkommen möglichst zu erhöhen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Scheidungsfolgenvereinbarung wird auf den Inhalt der Urkunde des Notars G in Köln vom 16.06.1994 – Ur.-Nr. 744/1994 –, Bl. 6 ff. d. A., Bezug genommen.
5Der Beklagte zu 2. riet dem Kläger in der Folgezeit, die Unterhaltszahlungen an dessen geschiedene Ehefrau als Sonderausgabenabzug gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen. Hierzu füllte der Beklagte zu 2. die Anlage U aus und reichte sie nach Unterzeichnung durch den Kläger beim Finanzamt ein.
6Im Laufe des Jahres 1999/2000 stellte der Kläger beim Besuch des Beklagten zu 2. fest, dass dort dessen Kanzlei mit einem Kanzleischild des Beklagten zu 1. versehen war. Der Beklagte zu 2. hatte dem Beklagten zu 1. seine Steuerberaterpraxis zum 01.04.2001 vollständig übertragen. Der Beklagte zu 2. erklärte dem Kläger, dass er ihn weiterhin steuerlich beraten werde. Die Steuererklärungen des Klägers wurden in der Folge von dem Beklagten zu 1. ausgefertigt und abgerechnet. Die Einkommensteuererklärung für das Veranlagungsjahr 1999 wurde mit dem Kanzleistempel des Beklagten zu 2. gefertigt (Bl. 60, 62 d. A.). Die Einkommensteuererklärung des Klägers für das Veranlagungsjahr 2000 trägt hingegen den Kanzleistempel des Beklagten zu 1. (Bl. 60, 61. d. A.).
7Der Kläger beendete das bestehende Mandat am 06.02.2006. Hintergrund der Mandatsbeendigung war der Umstand, dass der Kläger von seiner geschiedenen Ehefrau für den steuerlichen Nachteil aus der Besteuerung der Unterhaltsleistungen für das Jahr 1999 und das Jahr 2000 in Höhe der Klageforderung in Anspruch genommen wurde.
8Die steuerliche Überprüfung seitens des Klägers ergab, dass dieser aufgrund – angeblich - falscher Beratung für die steuerlichen Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 gem. der notariellen Vereinbarung vom 16.06.1994 seiner geschiedenen Ehefrau einen Betrag in Höhe von 6.396,15 € erstatten muss, und zwar für das Jahr 1999 3.322,31 €, für das Jahr 2000 3.073,84 €. Die von dem Kläger veranlassten Berechnungen ergaben, dass sich der Sonderausgabenabzug der Unterhaltsleistungen für den Kläger für die Jahre 1999 und 2000 steuerlich nicht mehr auswirkt hatte. Festzusetzende Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag betrugen für die Jahre 1999 und 2000 unter Berücksichtigung der Grundtabelle 0,00 DM, auch ohne Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben. Dies ergab sich daraus, dass sich das zu versteuernde Einkommen des Klägers in den vorgenannten Veranlagungszeiträumen erheblich reduziert hatte, so dass der Sonderausgabenabzug für den Kläger überflüssig war.
9Dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau wurde die Problematik erst im Rahmen der neuerlichen steuerlichen Beratung des Klägers im Jahr 2005 bekannt. Nachdem der Kläger ihn über die – angebliche - Falschberatung informiert hatte, versuchte der Beklagte zu 2. Ende des Jahres 2005 im Ergebnis erfolglos, die Aufhebung der Anlage U für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zu erreichen. Das Finanzamt verwies mit Schreiben vom 12.10.2005 darauf, dass gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG der Widerruf der Anlage U nur vor Beginn des Kalenderjahres erfolgen könne, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten solle. Eine verfahrensrechtliche Korrektur des Einkommensteuerbescheides 1999 war nicht möglich, da die Festsetzungsfrist für 1999 am 31.12.2004 abgelaufen war.
10Mit Schreiben vom 31.03.2006 forderte der Klägervertreter die Beklagten unter Fristsetzung zum 10.04.2006 vergeblich auf, die Schadensersatzansprüche des Klägers schriftlich anzuerkennen.
11Der Kläger behauptet, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass ab dem 01.04.2001 die Steuerberaterpraxis des Beklagten zu 2. auf den Beklagten zu 1. durch Verkauf übergegangen sei. Der Beklagte zu 2. habe ihm vielmehr lediglich mitgeteilt, dass quasi eine Umfirmierung stattgefunden habe, die aber keine Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und auf deren Zusammenarbeit habe. Von einem Verkauf oder einer Übertragung der Praxis auf den Beklagten zu 1. sei nicht die Rede gewesen. Er sei sowohl vor als auch nach dem 01.04.2001 ausschließlich von dem Beklagten zu 2. beraten worden.
12Der Kläger behauptet, dem Beklagten zu 2. sei der Inhalt der Scheidungsfolgenvereinbarung seit Beginn des Mandatsverhältnisses bekannt gewesen. Der Kläger meint, aufgrund der Tatsache, dass der Beklagte zu 2. ihm geraten habe, weiterhin die Anlage U auszufüllen und beim Finanzamt einzureichen, hätten die der geschiedenen Ehefrau zugewandten Unterhaltsleistungen von dieser versteuert werden müssen. Hätte der Beklagte zu 2. ihn pflichtgemäß darüber informiert, dass die für die Jahre 1999 und 2000 geltend gemachten Sonderausgabenabzüge für die Unterhaltsleistungen sich nicht steuerlich auswirkten und ein Sonderausgabenabzug somit nicht geltend zu machen sei, wären die seiner geschiedenen Ehefrau zugeflossenen Unterhaltsbeiträge von dieser auch nicht zu versteuern gewesen. Ein Sonderausgabenabzug und korrespondierend die Versteuerung werde nur dann vorgenommen, wenn ein entsprechender Antrag gestellt worden sei. Hätten die Beklagten, insbesondere der Beklagte zu 2., ihn korrekt über die Auswirkungen einer solchen Antragstellung informiert, hätte er diesen Antrag nicht gestellt. Die Antragstellung sei unabdingbare Voraussetzung für einen Sonderausgabenabzug im Sinne von § 10 Abs. 1 EStG. Weitere Voraussetzung sei die Zustimmung des Empfängers. Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 2. habe ihn, den Kläger, auch nicht darauf hingewiesen, dass sich für den Veranlagungszeitraum 1999 und 2000 der Sonderausgabenabzug für ihn nicht mehr auswirke. Die Jahressteuererklärung seiner geschiedenen Ehefrau sei auch nicht vor Erstellung seiner Jahressteuererklärung beim Finanzamt eingereicht worden. Als ihm und seiner Ehefrau im Jahr 2005 die Problematik bekannt geworden sei, sei es nicht mehr möglich gewesen beim zuständigen Finanzamt der Ehefrau des Klägers den Wegfall der Versteuerung der Anlage U für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zu erreichen, wie das Finanzamt L unstreitig mit Schreiben vom 12.10.2005 unter Hinweis auf § 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG und auf die Festsetzungsfrist gem. §§ 169, 170 A0 mitteilte.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.396,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2006 zu zahlen,
15hilfsweise:
161. den Beklagten zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 3.073,84 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2006 zu zahlen,
172. den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 3.322,31 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2006 zu zahlen.
18Die Beklagten beantragen,
19die Klage abzuweisen.
20 21Die Beklagten behaupten, dem Kläger sei bekannt gewesen, dass ab dem 01.04.2001 die Praxis des Beklagten zu 2. an den Beklagten zu 1. durch Verkauf übergegangen sei. Der Beklagte zu 2. habe dem Kläger zugesichert, dass er ihn auch weiterhin steuerlich beraten werde, jedoch nur als Vertreter des nunmehrigen Kanzleiinhabers, des Beklagten zu 1. Da zumindest die Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2000 nach dem 01.04.2001 gefertigt worden sei, sei dem Kläger spätestens seit Erstellung dieser Steuererklärung bekannt gewesen, dass nunmehr der Beklagte zu 1. für ihn tätig sei. Die Beklagten haben zunächst eingeräumt, über die bestehende notarielle Vereinbarung des Klägers mit seiner Ehefrau informiert gewesen zu sein. Nachfolgend haben sie dies bestritten und behauptet, der Kläger habe dem Beklagten zu 2. die mit seiner Ehefrau getroffene notarielle Vereinbarung per PDF-Datei am 18.11.2005 zugesandt. Die Beklagten meinen zudem, der Beklagte zu 2. sei an den bestehenden steuerlichen Sachverhalt gebunden gewesen, da der Kläger in dem Jahr 1998 und den Folgejahren die bereits von seiner Ehefrau unterschriebene Anlage U zur Einkommensteuererklärung vorgelegt habe. Die Ehefrau des Klägers habe mithin ihre Einkommensteuererklärung nebst Anlage U bereits dem Finanzamt eingereicht gehabt, wodurch die Bindung an den bestehenden steuerlichen Sachverhalt entstanden sei. Die Beklagten behaupten, nachdem die Einkünfte des Klägers sich ab dem Veranlagungszeitraum 1999 und 2000 verringert hätten, sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass sich der Sonderausgabenabzug für ihn nicht mehr auswirke. An der steuerlichen Konsequenz hätten die Beklagten nichts mehr ändern können, da die Ehefrau des Klägers die Anlage U bereits vor Erstellung der Jahressteuererklärung für den Kläger beim Finanzamt eingereicht habe. Insoweit sei eine Bindung an den feststehenden Sachverhalt entstanden. Die Ehefrau des Klägers habe ihrerseits die Unterhaltszahlung des Klägers als Einnahme deklariert und habe sie daher im Rahmen ihrer Einkommensteuer zu versteuern gehabt. Daraus folge, dass der Kläger diese Zahlungen als Sonderausgabe habe in Ansatz bringen müssen, selbst wenn diese sich nicht mehr steuergünstig auswirkten. Anders wäre es nur dann gewesen, wenn die Ehefrau des Klägers mit der Einreichung der Anlage U solange gewartet hätte, bis der Kläger selbst seine Steuererklärung in geänderter Form – ohne Sonderausgabenabzug - dem Finanzamt eingereicht hätte. Der Beklagte zu 2. habe dem Kläger noch geraten, beim zuständigen Finanzamt der Ehefrau des Klägers den Wegfall der Versteuerung der Anlage U für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zu erreichen. Dies habe der Kläger auch versucht, jedoch habe sich das Finanzamt der Ehefrau des Klägers darauf nicht mehr eingelassen. Möglicherweise hätte die Ehefrau des Klägers durch Einlegung eines Einspruchs gegen die jeweiligen Steuerbescheide eine Schadensminderung bei dem Kläger erreichen können.
22Die Beklagten meinen, der Umstand, dass der Widerruf der Anlage U gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht habe erfolgen können, könne ihnen nicht angelastet werden. Den Beklagten sei die Einkommenssituation für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zu diesen Fristen – 31.12.1998 bzw. 31.12.1999 - nicht bekannt gewesen. Eine Korrektur der Steuererklärungen wäre möglich gewesen, da dem Kläger diese lange vor Ablauf der Festsetzungsfrist – 31.12.2004 vorgelegen hätten.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Klage ist gegen den Beklagten zu 2. in Höhe eines Betrages von 3.322,31 € begründet, gegen den Beklagten zu 1. in Höhe eines Betrages von 3.073,84 €. Insoweit hat der Kläger gegen den jeweiligen Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in der vorgenannten Höhe aus positiver Vertragsverletzung des zwischen den Parteien bestehenden Steuerberatungsvertrages. Unbegründet ist die Klage hingegen, soweit der Kläger die Beklagten über die vorgenannten Beträge hinausgehend gesamtschuldnerisch auf die Erstattung des ihm entstandenen Steuerschadens für die Jahre 1999 und 2000 in Höhe von insgesamt 6.396,15 € in Anspruch nimmt. Die Voraussetzungen für eine gesamtschuldnerische Haftung beider Beklagter für die Steuerschäden beider streitgegenständlicher Jahre hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen.
26Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch bezüglich des für das Jahr 1999 entstandenen Steuerschadens richtet sich ausschließlich gegen den Beklagten zu 2., nicht jedoch auch gegen den Beklagten zu 1. Für das Veranlagungsjahr 1999 war der Beklagte zu 2. nach dem Vortrag des Klägers der allein zuständige Steuerberater des Klägers, der zu diesem Zeitpunkt eine eigene Praxis betrieb. Dazu passt weiter der Umstand, dass die Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr 1999 den Stempel des Beklagten zu 2. trägt. Bei dieser Sachlage ist auch nur der Beklagte zu 2. haftbar für den aus einer Falschberatung in dem genannten Veranlagungszeitraum entstandenen Steuerschaden. Der Kläger trägt insoweit auch nicht vor, woraus sich die Haftung des Beklagten zu 1. für einen aus einer Falschberatung im Veranlagungszeitraum 1999 entstandenen Schaden ergeben soll.
27Für einen aus einer Falschberatung betreffend den Veranlagungszeitraum 2000 entstandenen Steuerschaden des Klägers ist hingegen ausschließlich der Beklagte zu 1. haftbar, nicht hingegen der Beklagte zu 2. Der Beklagte zu 2. hat seine Steuerberatungspraxis zum 01.04.2001 an den Beklagten zu 1. veräußert. Die Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr 2000 wurde nach diesem Zeitpunkt, am 08.06.2001, von dem Beklagten zu 1. gefertigt, wie sich dem vorgelegten Deckblatt der entsprechenden Einkommensteuererklärung entnehmen lässt (Bl. 63 d. A.). Dem Vortrag des Klägers ist weiter zu entnehmen, dass er sich mit dem Wechsel des Vertragspartners auf Beklagtenseite konkludent einverstanden erklärt hat. Der Kläger selbst trägt vor, dass er im Verlaufe des Jahres 1999/2000 bei einem Besuch des Beklagten zu 2. in dessen Kanzlei festgestellt habe, dass diese mit einem Kanzleischild des Beklagten zu 1. versehen war. Dementsprechend erhielten die Steuererklärungen in der Folgezeit einen Kanzleistempel des Beklagten zu 1., die geleisteten Arbeiten wurden von dem Beklagten zu 1. abgerechnet, wenn auch der Beklagte zu 2. den Kläger weiterhin beriet. Aus diesen Umständen ist zu folgern, dass der Kläger erkannt hatte, dass die Steuerberaterkanzlei von dem Beklagten zu 2. auf den Beklagten zu 1. übergegangen war, der Beklagte zu 1. nunmehr sein Vertragspartner war, obwohl der Beklagte zu 2. ihn weiterhin – nunmehr als Mitarbeiter des Beklagten zu 1. – steuerlich beriet und er hiermit einverstanden war, da er die Beratung der Beklagten weiterhin in Anspruch nahm und er die Rechnungen des Beklagten zu 1. beglich. Damit haftet der Beklagte zu 1. für die Folgen einer Falschberatung im Zusammenhang mit der unter dem 08.06.2001 erstellten Einkommensteuererklärung des Klägers für den Veranlagungszeitraum 2000, da er in diesem Zeitraum der Vertragspartner des Klägers war. Der Beklagte zu 1. haftet für eine Falschberatung des Klägers durch den Beklagten zu 2. in diesem Zeitraum gem. § 278 BGB, da er den Beklagten zu 2. als seinen Erfüllungsgehilfen die Einkommensteuererklärung des Klägers für den Veranlagungszeitraum 2000 erstellen ließ. Der Beklagte zu 2. hingegen haftet dem Kläger nicht aus dem bestehenden Steuerberatungsvertrag, da dieser zu dieser Zeit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1. bestand. Der Beklagte zu 2. handelte bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2000 des Klägers nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, sondern nur im Namen und auf Rechnung des Beklagten zu 1. als neuem Praxisinhaber (vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl. Rdnr. 832).
28Der Kläger trägt schlüssig vor, dass der Beklagte zu 2. die ihm obliegenden Beratungspflichten für das Veranlagungsjahr 1999 und für das Jahr 2000 – insoweit als Erfüllungsgehilfe des Beklagten zu 1. – schuldhaft verletzt hat.
29Fehlerhaft war der Rat des Beklagten zu 2. an den Kläger die Unterhaltsleistungen an dessen geschiedene Ehefrau in den Jahren 1999 und 2000 als Sonderausgabenabzug gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend zu machen, da sich der Sonderausgabenabzug angesichts des gesunkenen Einkommens des Klägers für ihn nicht steuergünstig auswirkte, er aber bewirkte, dass die Unterhaltszahlungen des Klägers an seine geschiedene Ehefrau gem. § 22 EStG steuerpflichtig wurden, wofür der Kläger aufgrund der getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung einzustehen hat.
30Der erteilte Auftrag, die erforderlichen Steuererklärungen zu erstellen, verpflichtete den jeweiligen Beklagten, den Sachverhalt zu erforschen, die Rechtslage zu prüfen und den Kläger dahingehend zu beraten, welches der für ihn sicherste Weg war, und ihn vor Schaden zu bewahren (vgl. Zugehör, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur zivilrechtlichen Haftung der steuerlichen Berater, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 4 zu Heft 42/2000, S. 8 ff.; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rdnr, 143, 229, 234 m. w. N.). Daraus folgt, dass der Beklagte zu 2. verpflichtet war, den für die Beurteilung der Rechtslage relevanten Sachverhalt von dem Kläger zu erfragen und ihn auf dieser Grundlage steuerlich zutreffend zu beraten.
31Der Beklagte zu 2. war bei der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung gehalten, die Umstände zu ermitteln, die den vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen zugrunde lagen. War der Beklagte zu 2. dieser Pflicht nachgekommen, wusste er von der von dem Kläger und seiner Ehefrau am 16.06.1994 getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung und ihrem Inhalt. Wusste er dies nicht, hat er bereits gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung schuldhaft verstoßen. Im Übrigen haben die Beklagten zunächst eingeräumt, die Scheidungsfolgenvereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau gekannt zu haben, Bl. 41 d. A. Dieser Vortrag lässt sich nur so verstehen, dass der Beklagte zu 2. in den streitgegenständlichen Veranlagungszeiträumen Kenntnis von der Scheidungsfolgenvereinbarung hatte, denn nur insoweit ist diese Kenntnis im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits relevant. Soweit die Beklagten nun vortragen, dass dem Beklagten zu 2. die notarielle Vereinbarung nicht bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der ersten Steuererklärung vorgelegen habe, sie sei per PDF-Datei am 18.11.2005 übersandt worden (Bl. 58 d. A.), stellen die Beklagten nicht klar, wie sich dies mit ihrem ursprünglichen Vortrag, die Scheidungsfolgenvereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau sei ihnen bekannt gewesen, vereinbaren lässt. Da die Beklagten sich insoweit mit ihrem ursprünglichen Vortrag ohne nähere Erklärung in Widerspruch setzen, ist ihr nunmehriges Bestreiten unbeachtlich.
32War den Beklagten die zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau geschlossene Scheidungsfolgenvereinbarung bekannt oder hätte sie ihnen bei der gebotenen Erforschung des relevanten Sachverhaltes bekannt sein müssen, so waren sie gehalten, Jahr für Jahr prüfen, ob die Geltendmachung eines Sonderausgabenabzuges nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG für den Kläger sinnvoll war, um den für den Kläger günstigsten steuerlichen Weg aufzuzeigen. Die Geltendmachung des Sonderausgabenabzugs war nur dann sinnvoll, wenn der Kläger Einkommen hatte, bei dem der Sonderausgabenabzug zum Zuge kommen konnte. In den Jahren 1999 und 2000 war das unstreitig nicht der Fall. Sie hätten ihm dann den Rat erteilen müssen, den Antrag auf Sonderausgabenabzug für diese Jahre nicht zu stellen, da dies ihm selbst keine Vorteile brachte, für die Ehefrau aber die Pflicht zur Versteuerung der Unterhaltszahlungen gem. § 22 EStG mit sich brachte, wobei der Kläger seiner geschiedenen Ehefrau diese Steuern aufgrund der geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung wiederum erstatten musste.
33Die Beklagten sind zu Unrecht der Ansicht, dass sie an den steuerlichen Konsequenzen nichts mehr hätten ändern können, da die Ehefrau des Klägers bereits vor ihrer Beratung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum, ihre Steuererklärung abgegeben und den Unterhalt als Einnahme deklariert habe. Dies ist ohne Bedeutung, da ohne den Antrag des Klägers nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Unterhaltszahlungen auf Seiten seiner Ehefrau nicht steuerpflichtig gem. § 22 EStG gewesen wären. Die Steuerpflicht bezüglich der Unterhaltszahlungen seitens der Ehefrau des Klägers entstand – nachdem die Ehefrau zugestimmt hatte - erst durch die Stellung des Antrags auf Sondersteuerabzug auf Seiten des Klägers (Herrmann/Heuer/Raubach-Kulosa, EStG u KStG, Kommentar, § 10 EStG, Rdnr. 61; Schmidt-Heinicke, EStG, 18. Aufl., § 10 Rdnr. 53 ff, § 22 Rdnr. 90).
34Wenn die Beklagten einwenden, der Kläger hätte für eine Korrektur der Steuererklärungen sorgen können, da ihm die Steuererklärungen – gemeint sind wohl die Steuerbescheide – lange vor Ablauf der Festsetzungsfrist vorgelegen hätten, kann ihnen nicht gefolgt werden. Der Kläger konnte ohne anderweitige Beratung, die erst 2005 erfolgte, nicht erkennen, dass ihm durch eine Falschberatung der Beklagten ein Schaden entstanden sein könnte. Die Beklagten verkennen auch, dass ein einmal nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG gestellter Antrag nicht mehr zurückgenommen werden kann, § 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Die ergangenen Steuerbescheide waren somit richtig und konnten nicht korrigiert werden.
35Durch die Falschberatung ist dem Kläger für das Jahr 1999 – unstreitig - ein Schaden in Höhe von 3.322,31 € entstanden, den der Beklagte zu 2. zu erstatten hat, für das Jahr 2000 ein solcher in Höhe von 3.073,84 €, für den der Beklagte zu 1. haftbar ist.
36Die Zinsforderung folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
37Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
38Streitwert: 6.396,15 €
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