Urteil vom Landgericht Köln - 23 S 6/08
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.11.2007, Az. 118 C 266/06, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit einer Lasik-Augenoperation.
4Die 1976 geborene Klägerin unterhält bei der Beklagten eine private Krankheitskostenzusatzversicherung, die unter anderem bei ambulanten Operationen, für die die gesetzliche Krankenkasse keine Vorleistungen erbringt, eine hälftige Erstattung der Aufwendungen für ärztliche Leistungen vorsieht. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zugrunde, die die Rahmenbedingungen RB/KK 94 und die Tarifbedingungen TB/KK 94 beinhalten.
5Die Klägerin war weitsichtig mit einer Sehschwäche von rechts und links jeweils +4,25 Dioptrin sowie einer Hornhautverkrümmung. Sie ließ am 31.08.2005 eine Lasik-Operation an beiden Augen durchführen. Diese Operation verursachte Kosten in Höhe von insgesamt 5.282,81 €. Mit der Klage verfolgt die Klägerin die Erstattung der Hälfte dieser Kosten.
6Die Klägerin behauptet, die vorgenommene Lasik-Behandlung sei medizinisch notwendig gewesen. Eine Verweisung auf Hilfsmittel wie Brille oder Kontaktlinsen sei nicht zulässig, da die Benutzung dieser Hilfsmittel bereits nicht als Heilbehandlung einzustufen sei, während eine Lasik-Behandlung eine echte Heilbehandlung darstelle. Zudem hätten etwaige Kostengesichtspunkte bei der Frage der medizinischen Notwendigkeit außer Betracht zu bleiben, so dass eine allgemeine Nachrangigkeit der Lasik-Behandlung gegenüber der Benutzung von Brille oder Kontaktlinsen nicht angenommen werden dürfe. Überdies habe bei ihr eine Kontaktlinsenunverträglichkeit bestanden. Auch sei aufgrund ihrer hohen Fehlsichtigkeit bei einer Korrektur durch eine Brille das Gesichtsfeld stark eingeschränkt gewesen. Ein normales Sehen sei lediglich wie durch einen Bilderrahmen möglich gewesen. Aufgrund der hohen erforderlichen Korrekturwirkung sei es zu einer starken Lupenbildung mit Sehverzerrungen im Blickfeld gekommen.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte unter Abänderung des am 14.11.2007 verkündeten Urteils des AG Köln – Az. 118 C 266/06 – zu verurteilen, an sie 2.641,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2005 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. I. Das erkennende Gericht hat zusätzlich eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 19.02.2007 und die ergänzende Stellungnahme vom 29.06.2008 verwiesen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
13II.
14Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgemäß eingelegt und fristgemäß begründet worden. Die Berufungsbegründungschrift enthält auch die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO erforderlichen Angaben.
15Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die amtsgerichtliche Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da sie zulässig, aber nicht begründet ist.
16Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der hälftigen Kosten der Lasik-Augenoperation gegen die Beklagte. Ein Erstattungsanspruch aus §§ 1, 49, 178 b Abs. 1 VVG a.F., § 1 AVB i. V. m. den Tarifbedingungen setzt die Vornahme einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen voraus. Ob das Vorliegen eines Krankheitsfalles bei einer einfachen Fehlsichtigkeit bereits verneint werden kann (so LG Mannheim, VersR 2008, 1200), kann dahinstehen. Denn jedenfalls war die vorgenommene Lasik-Behandlung nicht medizinisch notwendig.
17Eine Heilbehandlung ist dann medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen (BGH, VersR 1979, 221; 1991, 987; 1996, 1224). Vertretbar ist die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung, wenn sie sowohl in begründeter und nachvollziehbarer wie wissenschaftlich fundierter Vorgehensweise das zugrundeliegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate geeignete Therapie anwendet. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu bessern oder zu lindern (BGH, VersR 2003, 581). Bei der Lasik-Behandlung, die mittlerweile eine anerkannte Methode zur Verbesserung der Sehfähigkeit darstellt, ist die bloße Geeignetheit zur Linderung der Krankheit allerdings nicht gleichbedeutend mit einer medizinischen Notwendigkeit (vgl. LG Mannheim, VersR 2008, 1200; Hütt, VersR 2007, 1402; anders LG Dortmund, VersR 2007, 1401). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann für Behandlungen, deren Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist, die medizinische Notwendigkeit nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (BGH, VersR 1996, 1224; BGH, VersR 2005, 1673). Ähnliche Überlegungen und Abwägungen sind bei der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Lasik-Behandlung anzustellen. Aufgrund der Ungewissheit des tatsächlich vollständigen Ausgleichs der Fehlsichtigkeit durch die Operation sowie der damit verbundenen Risiken sind erhöhte Anforderungen zu stellen. Erforderlich für die Annahme der medizinischen Notwendigkeit ist, dass die Sehfähigkeit im gesamten Lebensbereich nicht mehr in ausreichendem Maße durch das Tragen einer Brille oder Kontaktlinse gewährleistet ist (LG Köln, VersR 2007,1402).
18Dem widerspricht auch nicht der Grundsatz, dass Kostengesichtspunkte bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit nicht zu berücksichtigen sind, letztere vielmehr allein aus medizinischer Sicht zu beurteilen ist (BGH, VersR 2003, 581). Denn zu den medizinischen Gesichtspunkten sind auch die Risiken und Erfolgsaussichten zu zählen, die mit der jeweiligen Behandlung verbunden sind. Es sind die im Einzelfall bestehenden Risiken und Erfolgsaussichten einer Behandlung mit dem Grad der Belastung durch die Erkrankung abzuwägen (LG Mannheim, VersR 2008, 1200; vgl. LG München, VersR 2007, 1073). Die Risiken einer Lasik-Operation, bei der ein Teil der Hornhaut mittels eines Lasers abgenommen wird, um eine Brechkraftveränderung der Hornhaut zu erzielen und so die Sehkraft zu verbessern, reichen von einer Verschlechterung des Sehvermögens bis zu einem vollständigen Verlust der Sehkraft. Es kommt hinzu, dass auch bei erfolgreichem Verlauf ein vollständiges und insbesondere dauerhaftes Ausgleichen der Fehlsichtigkeit nicht sicher erwartet werden kann, sondern vielfach lediglich eine Verbesserung der Sehfähigkeit eintritt, die weiterhin das Tragen einer Brille erforderlich macht. Zugleich ist zweifelhaft, ob mittels einer Lasik-Behandlung – soweit die Behandlung zum vollständigen Ausgleich der Fehlsichtigkeit führt – eine Heilung der Erkrankung erreicht werden kann (so LG Dortmund, VersR 2007, 1401; Gedigk/Zach, VersR 2008, 993) oder ob die Behandlung lediglich – ähnlich einer Brille – eine Korrektur der Fehlsichtigkeit durch einen operativen Eingriff in die Hornhaut bedeutet, ohne die Ursache der Fehlsichtigkeit zu beheben (LG Mannheim, VersR 2008, 1200). In Anbetracht der relativ hohen, mit der Lasik-Behandlung einhergehenden Risiken und der Unsicherheiten in Bezug auf den Behandlungserfolg muss auch die aufgrund der Fehlsichtigkeit vorliegende Belastung des Versicherungsnehmers hoch sein. Dies ist nach Auffassung der Kammer dann der Fall, wenn die Fehlsichtigkeit nicht durch die Versorgung mit einer Brille oder Kontaktlinsen ausgeglichen werden kann oder eine solche Versorgung nicht zumutbar ist. Erst dann ist eine Lasik-Behandlung medizinisch notwendig.
19Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Indikation bei der Klägerin nicht gegeben war. Als besondere Indikation behauptet sie eine Kontaktlinsenunverträglichkeit und ein nur eingeschränktes Sehvermögen mit Brille. Der Sachverständige Dr. I kommt in seinem Gutachten vom 19.02.2007 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.06.2008 in nachvollziehbarer und überzeugender Weise zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin keine Kontaktlinsenunverträglichkeit vorgelegen habe. So habe der die Klägerin behandelnde Arzt die behauptete Kontaktlinsenunverträglichkeit nicht geprüft. Bei einer möglichen Tragedauer von 5-6 Stunden täglich könne nicht von einer generellen Kontaklinsenunverträglichkeit ausgegangen werden. Zudem trage die Klägerin die selbe Kontaktlinsenart seit 1997. Zur Feststellung einer Unverträglichkeit hätte zunächst die Versorgung mit neuen, hochwertigeren Linsen sowie mit künstlicher Tränenflüssigkeit versucht werden müssen, was die Tragedauer vermutlich verlängert hätte. Auch eine massive Sehverschlechterung bei Tragen einer Brille konnte der Sachverständige nicht feststellen. Mit Brille habe sich eine Sehfähigkeit von 80 % auf dem rechten und 100 % auf dem linken Auge ergeben. Auch generell sei eine Brillenversorgung bei einer mittleren Weitsicht von etwa 5 Dioptrin problemlos möglich. Weitere Aussagen über die Verursachung von Druckstellen oder Kopfschmerzen durch die Brille seien nicht möglich, da die Brille der Klägerin entsorgt worden und keine Fotos vorhanden seien.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
21Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 ZPO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Zudem erfordert die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, da diese für eine Vielzahl weiterer Verfahren von Bedeutung sein kann.
22Die Festsetzung des Berufungsstreitwertes beruht auf den § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.
23Streitwert: 2.641,41 €
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Referenzen
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