Urteil vom Landgericht Köln - 4 O 602/07
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
1. 62.888,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2008 zu zahlen.
2. ab Januar 2008 bis August 2014 eine monatliche Rente in Höhe von 1.687,27 € zu zahlen, fällig jeweils am 3. Werktag eines Kalendermonats im Voraus.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % de jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über das Bestehen und die Gültigkeit der Zusage einer monatlichen Rentenzahlung über zehn Jahre an die Klägerin in einem Erbpflichtteilsverzicht zwischen der Beklagten und ihrem verstorbenen Sohn.
3
Die Beklagte ist die Mutter des Herrn K, geb. am 13.02.1949 und verstorben am 25.08.2004. Die Klägerin war seit etwa dem Jahr 2000 die Lebensgefährtin des Verstorbenen. In einem notariell beurkundeten Pflichtteilsverzicht vom 19.02.2001 wurde dem Verstorbenen als Gegenleistung eine monatliche Rente in Höhe von 3.000 DM zugesagt. Der Rentenanspruch wurde indexiert. Aufgrund der Indexierung entspricht die Rente inzwischen 1.687,27 €. Diese Rente sollte für 10 Jahre an die Klägerin gezahlt werden, falls Herr K innerhalb von 10 Jahren nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses verstirbt. In dem Vertrag wurde vereinbart, dass die Klägerin vor dem Tode des Herrn K aus der Vereinbarung keine Rechte aus § 328 BGB geltend machen kann und dass die Vereinbarung bis zum Tode des Herrn K jederzeit ohne ihre Zustimmung geändert werden kann. Im Jahr 2007 wurde ein Aufgebotsverfahrens eingeleitet und ein Nachlasspfleger bestellt, um die Löschung einer Eigentümergrundschuld der Beklagten zu erreichen, die zur Sicherung des Rentenversprechens zu Gunsten von Herrn K eingetragen worden war. Der Nachlasspfleger forderte die Klägerin am 10.07.2007 zu einer Bestätigung auf, dass sie keine Ansprüche aus dem notariellen Vertrag vom 19.02.2001 herleitet. Eine entsprechende Erklärung gab die Klägerin nicht ab.
4Die Klägerin behauptet, dass sie die Beklagte im Jahr 2005 auf die Rente angesprochen habe und diese eine Zahlung abgelehnt habe. Sie ist der Ansicht, alles veranlasst zu haben, um eine baldige Zustellung der Klageschrift zu erreichen, und habe sich dabei auf den Namen der Beklagten und die Anschrift in dem Notarvertrag aus dem Jahr 2001 und in einem Grundschuldbrief verlassen.
5Die Klägerin beantragt,
61. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 62.889,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2008 zu zahlen.
72. die Beklagte zu verurteilen, ab Januar 2008 bis August 2014 eine monatliche Rente in Höhe von 1.687,27 € zu zahlen, fällig jeweils am 3. Werktag eines Kalendermonats im Voraus.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie behauptet, dass die erforderliche Genehmigung durch das Bundesamt für Wirtschaft für die Indexierung nicht eingeholt wurde. Sie behauptet außerdem, dass der Verstorbene und sie Klägerin sich 2002 getrennt und im März 2003 endgültig überworfen haben und der Verstorbene daraufhin eine neue Lebensgefährtin gefunden habe. Zwischen der Beklagten und dem Verstorbenen sei deswegen in Beisein des Bruders L vereinbart worden, dass die Klägerin keinen Rentenanspruch haben solle. Sie ist außerdem die Ansicht, die Klage sei verjährt, da die Klageschrift nicht alsbald zugestellt wurde. Sie ist darüber hinaus der Ansicht, dass die Klägerin selbst bei Bestehen des Anspruchs diesen verwirkt habe, da sie 2003 mitgeteilt hat, dass sie von dem Verstorbenen nichts mehr wissen wolle, und nach seinem Tod die Beklagte nie auf die Rente angesprochen habe.
11Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 13.08.2008 durch Vernehmung der Zeugin C und des Zeugen L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 19.11.2008 verwiesen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
14Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat seit September 2004 einen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente aufgrund des notariell beurkundeten Vertrages vom 19.02.2001 gemäß §§ 328, 2346, 311 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB.
15Die Forderung ist wirksam mit dem notariell beurkundeten Vertrag vom 19.02.2001 begründet worden und mit dem Tod des Pflichtteilsverzichtenden K am 25.08.2004 entstanden.
16Die möglicherweise nicht eingeholte Genehmigung für die Indexierung der Rentenhöhe hindert nicht die Wirksamkeit des Vertrags, denn auch dann ist die Klausel schwebend wirksam (vgl. Palandt/Heinrichs/Bearb.) Anh. zu § 245, § 8 PrKLG Rn. 1). Wenn, wie von der Beklagten behauptet, bisher kein Genehmigungsantrag beim Bundesamt für Wirtschaft gestellt wurde, ist nach § 9 des neuen PreisklauselG neues Recht anzuwenden, auch wenn die Klausel noch während der Geltung der alten Vorschriften vereinbart wurde. Nach § 8 PreisklauselG tritt aber die Unwirksamkeit der Preisklausel erst zum Zeitpunkt des rechtskräftig festgestellten Verstoßes gegen dieses Gesetz ein, bis zum Zeitpunkt der Unwirksamkeit bleiben die Rechtswirkungen der Preisklausel unberührt. Die fehlende Genehmigung hätte auch nach alter Rechtslage nicht zur Unwirksamkeit, sondern lediglich zur schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages geführt (Palandt/Heinrichs(Bearb.), 65. Aufl. 2006, § 245 BGB Rn. 27).
17Die Forderung ist auch nicht verjährt. § 167 ZPO hemmt eine anstehende Verjährung, wenn die Klage vor Verjährung eingereicht wurde und demnächst zugestellt wird. Dies bedeutet innerhalb eines den Umständen nach angemessenen Zeitraums zwischen dem Ablauf der versäumten Frist oder dem Eintritt der Verjährung und der verspäteten Zustellung (BGH NJW 2003, 2830, 2831; Thomas/Putzo/Hüßtege(Bearb.) ZPO § 167 Rn. 10). Die Klage war am 21.12.2007 rechtshängig, während die Forderung mit Ablauf des 31.12.2007 gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt wäre. Die Zustellung am 13.03.2008 ist in einer Gesamtschau noch als „demnächst“ anzusehen. Ein Schuldner muss auch zweieinhalb Monate nach der möglichen Verjährung noch damit rechnen, dass Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Die Rückwirkung des § 167 ZPO wird auch nicht dadurch gehindert, dass die Klage am 13.03.2008 erst mit veränderter Adresse zugestellt wurde, nachdem ein erster Zustellungsversuch am 15.01.2008 scheiterte. Zum einen ist die Länge des Zeitraums im Einzelfall verschieden und kann den Umständen nach auch mehrere Monate umfassen (BGH NJW 2006, 3206; BGH NJW 2003, 2830, 2831; BGH NJW 2001, 885, 887). Zwar ist anerkannt, dass unterlassene zumutbare Handlungen der Partei, welche die Zustellung über den angemessenen Zeitraum verzögern, die Rückwirkung hindern, wenn die Vornahme der Handlung den Verfahrensgang verkürzt hätte (BGH NJW 1992, 1821, 1822; BGH NJW-RR 2003, 599).
18Eine solche schuldhafte Herbeiführung ist auch bei der Angabe einer unzureichenden oder mangelhaften Anschrift der Beklagen gegeben (BGH NJW 1971, 891; BGH NJW 2001, 885, 887). Dies ist aber nur der Fall, sofern diese nicht auf den Gegner zurückzuführen ist. Sowohl in dem notariell beurkundeten Pflichtteilsverzicht wie auch in dem Grundschuldbrief wurde die Beklagte als M, wohnhaft O-Straße 354 in 50769 Köln bezeichnet. Da die Klägerin vor kurzem noch Kontakt zu der Beklagten und deren Familienangehörigen hatte, musste sie nicht von einer Adressänderung ausgehen. Weiterhin erfordert die korrekte Adressangabe eine so konkrete und genaue Bezeichnung, dass von der ernsthaften Möglichkeit ausgegangen werden kann, die Zustellung durch Übergabe werde gelingen (NJW 2001, 885, 887). Mit der Bezeichnung „O-Straße 354“ anstatt von „O-Straße 354 a“ war die Adresse nur geringfügig falsch benannt. Eine Zustellung hätte trotzdem gelingen können, besonders angesichts der Tatsache dass weitere Familienangehörige der Beklagte mit dem selben Nachnamen in der O-Straße 352 wohnen. Zuletzt ist es ausreichend, dass der Antragsteller um alsbaldige Zustellung bemüht war (Musielak ZPO § 167 Rn. 7). Dies war bei der Klägerin der Fall, denn sie hat sich kurz nach der Unzustellbarkeitsmitteilung mit den Mietern des Nachbarobjektes der O-Straße 354 zur Klärung der Wohnsituation in Verbindung gesetzt. Im Schreiben vom 29.01.2008 hat sie dem Gericht die Wohnsituation beschrieben, hilfsweise andere Zustellungsarten beantragt und außerdem eine Einwohnermeldeamtsanfrage gestellt, deren Ergebnis sie dem Gericht am 06.03.2008 mitteilte.
19Die Forderung ist auch nicht nachträglich durch Änderung der Pflichtteilsverzichtserklärung untergegangen. Es kann letztlich dahinstehen, ob eine solche Änderung der notariellen Form bedurft hätte. Es entspricht insoweit zunächst der herrschenden Meinung, dass bei einem Pflichtteilsverzicht gemäß § 2346 BGB nicht nur der Erb- und Pflichtteilsverzicht als abstraktes Rechtsgeschäft, sondern auch das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft der notariellen Beurkundung gemäß § 2348 BGB bedürfen (Juris LG Bonn 2. Zivilkammer, Urteil vom 03.09.1998 Palandt/Edenhofer(Bearb.) § 2346 Rn. 6; Münchener Kommentar zum BGB/Strobel § 2348 BGB Rn. 2). Diese Form wurde bei der Pflichtteilsverzichtvereinbarung vom 19.02.2001 beachtet. Für die mögliche Abänderung des Verpflichtungsgeschäfts und damit der Rentenbestimmung zugunsten der Klägerin wurde zwar vertraglich keine Form vereinbart. Auch nachträgliche Änderungen eines Rechtsgeschäfts sind aber in der Regel formbedürftig (BGH NJW 1973, 37; BGH NJW 1974, 271; Palandt/Heinrichs/Ellenberger(Bearb.) BGB § 125 Rn. 8 ; Juris-PK Heckmann § 125 Rn. 11). Zweck der Beurkundungspflicht eines Erbverzichts und des damit verbundenen Verpflichtungsvertrages ist nicht zuletzt auch eine Beweisfunktion (Münchener Kommentar zum BGB/Strobel § 2348 BGB Rn. 1). Dies gilt grundsätzlich auch zugunsten der durch einen solchen Vertrag begünstigte Dritten. Ob für die Auslobung einer Ersatz-Rente für die Klägerin jedoch auch die für die Formbedürftigkeit maßgebliche Wechselbezüglichkeit des Pflichtteilsverzichts besteht, erscheint zweifelhaft, kann jedoch letztlich unentschieden bleiben.
20Denn auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass die Vertragsparteien der Pflichtteilsverzichtvereinbarung vom 19.02.2001 eine Aufhebung des die Klägerin begünstigenden Teils vereinbart haben. Die Zeugin C selbst war bei einem solchen Gespräch nicht zugegen. Der Erblasser hat ihr gegenüber nur eine entsprechende Absicht angeben, von der sie nicht wusste, ob er sie auch ausgeführt hatte. Der Zeuge L hat lediglich die gegenüber seiner Mutter geäußerte Absicht des Erblassers angegeben, die Klägerin aus dem Vertrag nicht mehr begünstigen zu wollen und stattdessen die Zeugin C als Begünstigte einzusetzen. Die Mutter des Erblassers, die Beklagte, habe dies jedoch abgelehnt und gesagt, er solle sie damit in Ruhe lassen. Dies genügt nach der Ansicht des Gerichts nicht, um eine Abänderungs- oder Aufhebungsvereinbarung annehmen zu können. Es ist danach nicht erwiesen, dass die Beklagte mit ihrem Sohn die teilweise Aufhebung der Pflichtteilsverzichtvereinbarung vom 19.02.2001 vereinbart hätte. Der einseitig geäußerte Wunsch des Erblassers genügt insoweit nicht, so dass die Vernehmung der von der Klägerin gegenbeweislich hierzu benannten Zeugen nicht erforderlich war. Notwendig ist vielmehr eine klare Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien; den Beweis hierfür hat die Beklagte nicht erbringen können.
21Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht dadurch untergegangen, dass sie möglicherweise zum Zeitpunkt des Versterbens des Erbteilsverzichtenden nicht mehr dessen Lebensgefährtin war. Zwar wird die Klägerin in dem notariell beurkundeten Pflichtteilsverzicht als Lebensgefährtin von Herrn K bezeichnet. In dem Vertrag befindet sich jedoch keine Bestimmung, dass die Klägerin nicht mehr berechtigt sein soll, wenn sie zum Zeitpunkt des Todes nicht mehr die Lebensgefährtin von Herrn K ist. Dagegen sieht der Vertrag vor, dass Zahlungen an die Klägerin nur dann zu leisten sind, falls sie Herrn K überlebt. Weiterhin ist festgehalten, dass die Vereinbarung bis zum Tod von Herrn K jederzeit ohne Zustimmung der Klägerin geändert werden kann. Der Vertrag sieht demnach Einschränkungen für die Berechtigung der Klägerin vor. Daher ist davon auszugehen dass bewusst keine Einschränkung für die Auflösung der Beziehung zwischen Herrn K und der Klägerin getroffen wurde.
22Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch Verwirkung nach § 242 BGB untergegangen. Ein Recht ist dann als verwirkt anzusehen, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten dufte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (BGHZ 43, 289 292; BGHZ 84, 280, 281; BGH NJW 2006, 219, 220). Eine Verwirkung ist nicht darin zu sehen, dass die Klägerin angeblich vor Klageerhebung die Beklagte nie auf die Rente angesprochen hat. Grundsätzlich steht es dem Berechtigten frei, bei der Geltendmachung seiner Rechte die durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Fristen voll auszunutzen (Palandt/Heinrichs(Bearb.) § 242 BGB Rn. 87). Dies ist vorliegend geschehen, da die Klage kurz vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist eingereicht wurde. Auch lässt die Verteidigungsbereitschaft der Beklagten erkennen, dass ein Einfordern der Rente nicht erfolgreich gewesen wäre. Weiterhin war ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin den Anspruch noch geltend machen wird, dass diese im Juli 2007 nach Aufforderung des Nachlasspflegers keine Bestätigung abgab, dass sie keine Ansprüche aus dem notariellen Vertrag vom 19.02.2001 herleite. Zuletzt ist nicht erkennbar, inwiefern die Beklagte sich auf die vermeintliche Nichtausübung des Rechts eingerichtet hat, so dass die verspätete Ausübung des Rechts als eine mit Treu und Glauben nicht mehr vereinbare Härte erscheint.
23Soweit die Klägerin in ihrem Schreiben vom 18.03.2003 zum Ausdruck bringt, nie wieder etwas von dem Pflichtteilsverzichtenden hören zu wollen, ist davon auszugehen, dass dem Schreiben ein Beziehungsstreit mit emotionalen Verletzungen zugrunde lag. Ein Verhalten der Klägerin, aus dem eine Verwirkung des Anspruchs zu schließen wäre, kann dem nicht entnommen werden, zumal sich beide Parteien laut Vortrag der Klägerin später wieder versöhnt haben. Der Erklärung ist erst recht nicht zu entnehmen, dass die Klägerin auf eventuelle finanzielle Ansprüche verzichtet.
24Aus dem Vorgesagten ergibt sich folgender Anspruch der Klägerin:
252004 4 Monate à 1.533,88 € 6.135,52 €
262005 12 Monate à 1.533,88 € 18.406,56 €
272006 12 Monate à 1.533,88 € 18.406,56 €
282007 2 Monate à 1.533,88 € 3.066,67 €
292007 10 Monate à 1.687,27 € 16.872,70
30Gesamt: 62.888,01 €
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
32Streitwert : 133.754,44 €
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Referenzen
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