Urteil vom Landgericht Köln - 26 O 219/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T A T B E S T A N D :
2Am 29.10.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung unter anderem nach Maßgabe des Versicherungsantrags vom 29.10.2003, des Versicherungsscheins vom 13.11.2003 und der Tarifbestimmungen für die BUV (Bl. 13 ff d.A.), aus der er mit der vorliegenden Klage Leistungen seit dem 01.11.2007 sowie Feststellung des Fortbestandes des Vertrages begehrt.
3Beginn der Versicherung war der 01.11.2003, Ablauf der Versicherung der 01.11.202. Bei bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit waren Prämienbefreiung sowie Zahlung einer Rente in Höhe von jährlich 12.000,00 € versichert. Desweiteren wurde zwischen den Parteien eine Beitragsdynamik mit Erhöhung des Versicherungsschutzes vereinbart.
4Im Rahmen des Versicherungsantrags vom 29.10.2003 (Bl. 9 ff d.A.) befinden sich die streitgegenständlichen Fragen 5 und 6, die wie folgt lauten:
5Frage 5:
6„Fanden in den letzten 5 Jahren auf Grund von Beschwerden oder Erkrankungen ambulante oder stationäre Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen durch Ärzte, Heilpraktiker, Psychotherapeuten statt?“
7„Herz-/Kreislaufsystem (z.B. Herzbeschwerden, erhöhter Blutdruck) Bewegungsapparat (z.B. Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Rheuma), Atmungs-, Verdauungs-. Harn- oder Geschlechtsorgane, Psyche, Sucht, Nerven, Gehirn, Rückenmark, Blut, Stoffwechsel (z.B. Diabetes, Blutfette, Gicht), Drüsen, Schilddrüse, Sinne (z.B. Augen, Ohren), Haut, Allergien.“
8Diese Frage beantwortete der Kläger mit „ja“.
9Frage 6:
10„Bestehen körperliche oder geistige Beeinträchtigungen oder chronische Erkrankungen? (z.B. Unfallfolgen, Amputationen, Versteifungen, Bandscheibenschädigung, Rückgratverkrümmung, Stoffwechselstörungen, Diabetes, Hörstörungen, Sehstörungen, Fehlsichtigkeit von mehr als 6 Dioptrien).“
11Diese Frage beantwortete der Kläger mit „nein“.
12In Ergänzung zur Frage 5 gab der Kläger auf einem entsprechend vorgesehen Feld an:
13„Polizeiarzt X“ sowie „laufende Kontrolle, kerngesund“.
14Bereits in den Jahren 2002-2003 war der Kläger in Behandlung wegen Psyche, Erschöpfungszustand, Belastungshypertonie und Schlafstörung (27.09., 16.10., 07.11., 18.12.2002 und 16.01.2003 sowie 03.02.2003) bei Dr. H und wegen der Hypertonie (Behandlung u.a. am 28.08. und ab dem 09.09.2002) bei Dr. M. Wegen Hypertonie wurde nach Auskunft des Medizinischen Dienstes der Zentralen Polizeidirektion nicht nur die Probezeit der Klägers verlängert, sondern am 24.09.2002 auch die MEK-Tauglichkeit verneint.
15Mit Schreiben vom 14.01.2008 übersandte der Kläger das ihm seitens der Beklagten vorgelegte Formular zu Angaben und Erklärungen zur Berufsunfähigkeit an diese zurück, wonach er zum Dipl.-Verwaltungs-Fachwirt (FH) Polizeikommissar und zum Bürokaufmann ausgebildet wurde und in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Personenschützer (MEK) beim LKA Niedersachsen seit 10/2007 aufgrund von Hypertonie berufsunfähig sei. Nunmehr ist der Kläger in der Sachbearbeitung beim LKA-Niedersachsen in Vollzeit für ca. 2.000,00 € netto im Monat eingesetzt.
16Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 13.02.2008 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Mit weiterem Schreiben vom 11.06.2008 bestätigte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag. Sie lehnte jedwede Leistung ab und verwies auf die Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG a.F.
17Der Kläger behauptet, er sei erst im Laufe des Jahres 2007 an Bluthochdruck bei festgestellten Werten von 160 zu 120 mm/hg erkrankt. Er habe sich daraufhin in entsprechende ärztliche Heilbehandlung geben.
18Herr T2, ein Außerdienstmitarbeiter der Beklagten, habe am 29.10.2003, im Beisein des Zeugen I, eigenhändig das Antragsformular zum Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung ausgefüllt. Der Kläger habe den Antrag lediglich unterzeichnet. Die Ergänzung zu Frage 5 solle dahingehend verstanden werden, dass nähere Auskünfte der Polizeiarzt „X“, erteilen könne, welcher ihn laufend kontrolliere und er zuletzt als kerngesund bezeichnet worden sei. Der Kläger behauptet, die Beklagte könne so jederzeit aufgrund der Angaben des Klägers und der unterzeichneten Schweigepflichtentbindungserklärung näherere Informationen zum Gesundheitszustand beim Polizeiarzt „X“ einholen.
19Hinsichtlich der Frage 6, ob körperliche oder geistige Beeinträchtigungen oder chronische Erkrankungen bestehen, habe der Kläger die Frage mit „nein“ beantwortet, da er im Zeitpunkt der Antragstellung am 29.10.2003 nicht unter körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen oder chronischen Erkrankungen gelitten habe.
20Im Übrigen habe der Kläger beim Beratungsgespräch mit dem Außendienstmitarbeiter Herr T2 auf die zurückliegende Problematik des Bluthochdruckes im Jahr 2002 hingewiesen. Herr T2 habe sich dahingehend geäußert, dass es so, wie er das Formular ausgefüllt habe, ausreichen würde. Falls der Versicherer noch Fragen wegen eines Ausschlusses in dieser Sache habe, werde sich dieser an den Polizeiarzt wenden.
21Weiterhin habe sich Herr T2 auf die Frage des Klägers, warum die HDI Versicherung so etwa speziell versichere, obwohl das Risiko doch sehr hoch sei, geantwortet: „Ist doch egal – Sie haben eine tolle Versicherung und ich eine Provision.“
22Der Kläger ist daher der Ansicht, dass er den Außendienstmitarbeiter Herr T2 ausreichend auf die Diagnose „Hypertonus“ hingewiesen habe und insoweit dessen Kenntnis der Beklagten zuzurechnen sei.
23Der Kläger beantragt unter Einbeziehung der vertraglich vereinbarten Dynamik
241. festzustellen, dass der seitens der Beklagten mit Schreiben vom 13.02.2008 erklärte und mit Schreiben vom 11.06.2008 bestätigte Rücktritt von der Berufsunfähigkeitsversicherung Nr.: #### gegenüber dem Kläger unwirksam ist und der Vertrag daher zu unveränderten Bedingungen zwischen den Parteien fortbesteht,
252. festzustellen, dass die mit Schriftsatz vom 09.02.2009 und Schreiben vom 10.02.2009 von der Beklagten erklärte Anfechtung bezüglich der Berufsunfähigkeitsversicherung Nr. #### gegenüber dem Kläger unwirksam ist und der Vertrag daher zu unveränderten Bedingungen zwischen den Parteien fortbesteht,
263. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum vom 01.11.2007 bis 31.10.2008 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von insgesamt 13.497,48 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus einem Betrag in Höhe von 4.499,16 € seit dem 01.03.2008 und aus jeweils 1.124,79 € seit dem 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008, 01.07.2008, 01.08.2008, 01.09.2008, 01.10.2008 und 01.11.2008 zu zahlen,
274. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab Dezember 2008 eine monatliche Rente in Höhe von 1.124,79 € bis längstens 31.10.2028 zu zahlen.
285. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 2.429,27 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 13.12.2008 als vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte ist der Ansicht, dass die geltend gemachten Ansprüche des Klägers nicht bestehen, da die Beklagte vom Vertrag zurückgetreten sei bzw. diesen angefochten habe und auch eine Leistungspflicht nach § 21 VVG a.F. im Hinblick auf den Rücktritt nicht bestehe. Der Rücktritt bzw. die Anfechtung stützt die Beklagte auf das Verschweigen gefahrerheblicher Umstände bei Antragstellung, gemäß § 16 Abs. 1 VVG a.F. Hierzu behauptet sie, dass im Versicherungsantrag vom 29.10.2003 die Antragsfragen Nr. 5 und 6 falsch beantwortet worden seien.
32Soweit der Kläger behaupte, zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht an körperlichen Beeinträchtigungen oder chronischen Erkrankungen gelitten zu haben, sei dies angesichts der bereits erfolgten Behandlungen wegen Psyche, Erschöpfungszustand, Belastungshypertonie und Schlafstörung (27.09., 16.10., 07.11., 18.12.2002 und 16.01. sowie 05.02.2003) bei Dr. H und wegen Hypertonie (28.08. und ab dem 09.09.2002) bei Dr. M unrichtig.
33Obwohl der Kläger bei Antragstellung nach Beschwerden oder Erkrankungen oder Behandlungen in den letzten 5 Jahren sowie nach körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen sowie nach chronischen Erkrankungen gefragt worden sei, habe er die vorgenannten Umstände nicht angegeben. Vielmehr habe er mitgeteilt „kerngesund“ zu sein und Polizeiarzt „X“, obwohl ein solcher Arzt nicht existiere.
34Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
35E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
36Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung in Form von ausstehenden und künftigen Rentenzahlung ab November 2007 bis längstens 31.10.2028.
37Die Beklagte ist von dem zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrag vom 29.10.2003 nicht nur wirksam gemäß § 16 Abs. 2 VVG a.F. zurückgetreten, sondern hat diesen auch wirksam angefochten.
38Denn entgegen § 16 Abs. 1 VVG a.F. hat der Kläger bei der Schließung der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, der Beklagten angezeigt. So befand sich der Kläger in kurzen Abständen vor Antragstellung in Behandlung wegen Psyche, Erschöpfungszustand, Belastungshypertonie und Schlafstörung (27.09., 16.10., 07.11., 18.12.2002 und 16.01. sowie 05.02.2003) bei Dr. H und wegen Hypertonie (28.08. und ab dem 09.09.2002) bei Dr. M. Es wurden Medikamente eingenommen und Entspannungsverfahren angeraten. Wegen der Hypertonie wurde nicht nur die Probezeit des Klägers verlängert, sondern am 24.09.2002 auch die MEK-Tauglichkeit verneint. Diese vorgenannten Behandlungen bzw. die Verneinung der MEK-Tauglichkeit wurden nicht in das Antragsformular an der entsprechenden Ergänzungsmöglichkeit zur Frage 5 aufgenommen. Der Kläger hat die ihm gestellten Antragsfragen damit falsch bzw. unvollständig beantwortet und mithin ihm bekannte Umstände verschwiegen. Eine objektive Anzeigepflichtverletzung ist zu bejahen.
39Diese Umstände sind gefahrerheblich. Sie sind geeignet, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben, § 16 Abs. 1 S. 2 VVG a.F. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich, § 16 Abs. 1 S. 3 VVG. Hierbei ist es der Entscheidung des Versicherers überlassen, ob und in welchem Umfang er von der Möglichkeit Gebrauch macht, schriftliche Fragen nach gefahrerheblichen Umständen zu stellen (BGH, Urteil v. 16.10.1996, VersR 1996, 1529). Der Versicherte hat diese Fragen grundsätzlich erschöpfend zu beantworten. Er darf sich daher bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen. Doch findet diese weitgefasste Pflicht zur Offenbarung ihre Grenze bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen (BGH VersR 1994, 1457; VersR 1994, 711; BGH, NJW-RR 2003, 1106).
40Die Beschwerden des Klägers sind nach Auffassung des Gerichts nicht als leicht einzustufen, zumal diese wiederholt aufgetreten sind. So erkennt die Rechtsprechung eine Gefahrerheblichkeit für den Fall von Bluthochdruck an, selbst wenn dieser durch Medikamente aussichtsreich behandelt werden kann (OLG Karlsruhe VersR 1992, 1251; OLG Karlsruhe, Urteil v. 30.06.2005, 12 U 47/05; OLG Düsseldorf, 27.08.2002, r+s 2005, 164 = VersR 2004, 988; OLG Saarbrücken, Urteil v. 13.12.2000, VersR 2001, 751), bei psychischen Beschwerden (OLG Hamm r+s 2005, 226; OLG Koblenz, Urteil v. 27.09.2002, 10 U 1775/00) sowie allgemein beim Auftreten einer Vielzahl von Einzelsymptomen, die auf eine ernsthafte Erkrankung schließen lassen (OLG Köln, VersR 2004, 1255). Entsprechend dem Vortrag der Beklagten hätte diese bei Kenntnis der wahren Situation den Versicherungsantrag nicht, zumindest aber zu anderen Konditionen angenommen. Überdies liegt die Gefahrerheblichkeit „auf der Hand“.
41Der Kläger handelte ferner auch arglistig. Ihm war bekannt, dass er unter den verschwiegenen Umständen gelitten hat. Ausreichend für Arglist ist bereits bedingter Vorsatz im Sinne eines „Für-möglich-Haltens“ (OLG- Karlsruhe OLG-Report 2005, 456 m.w.N. zur BGH-Rechtsprechung; OLG Nürnberg, 02.05.2006, VersR 2006, 1627). Indiz für die Absicht des Täuschenden auf die Entschließung des Geschädigten einzuwirken sind Art und Schwere der verschwiegenen Erkrankung (vgl. OLG Koblenz, NVersZ 1999, 472, 473; OLG Düsseldorf, 13.02.2007 – I-4 U 91/06), die zeitliche Nähe zur Antragstellung (OLG Hamm, VersR 2002, 342) sowie die Bedeutung der unrichtigen und unvollständigen Angaben (OLG Saarbrücken, VersR 1996, 488; OLG Köln, 29.08.2001, 5 U 27/01) gerade im Hinblick auf die Tätigkeit. Seit bereits über einem Jahr vor Antragstellung litt der Kläger an psychischen Beeinträchtigungen, Erschöpfungszustand, Belastungshypertonie und Schlafstörungen. Die Hypertonie wurde mit Medikamenten behandelt und es wurden Entspannungsverfahren angeraten. Wegen der Hypertonie wurde sogar seine Probezeit verlängert und festgestellt, dass er die MEK-Tauglichkeit nicht mehr erfüllt. Arglist ist somit durch Art, Umfang, Bedeutung und zeitliche Nähe der verschwiegenen Umstände indiziert und durch den völlig unzutreffenden Zusatz „laufende Kontrollen, kerngesund“ belegt.
42Hiergegen kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, die Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, nähere Informationen beim Polizeiarzt „X“ zu erfragen, ein Unterlassen ginge zu ihren Lasten. Unabhängig von der Tatsache, dass ein Polizeiarzt „X“ nicht existiert, ergibt sich eine Risikoprüfungspflicht für den Versicherer nur, wenn im Rahmen der sachgerechten Risikoeinschätzung erkennbare Unklarheiten bestehen, die es durch Nachfrage zu beheben gilt (OLG Frankfurt, NVersZ 2001, 115; OLG Koblenz, VersR 2004, 849; OLG Saarbrücken, OLG-Report 2004, 592, 594). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. In dem der Kläger sich für „kerngesund“ erklärte und ferner eine „laufende Kontrolle“ angab, durfte die Beklagte davon ausgehen, dass keine Beschwerden oder Erkrankungen bzw. körperliche oder geistige Beeinträchtigungen usw. vorlagen. Den Angaben des Klägers waren die verschwiegenen Umstände, vor allem seine Nichterfüllung der Tauglichkeitskriterien des MEK nicht einmal im Ansatz zu entnehmen.
43Der Einwand des Klägers, wonach das Antragsgespräch nicht ordnungsgemäß abgelaufen sei, führt nicht zum Ausschluss des Rücktritts- und Anfechtungsrechts der Beklagten. Zutreffend ist die Auffassung des Klägers in Bezug auf die sog. „Auge-und Ohr-Rechtsprechung“ des BGH, wonach der Antragsteller mit jeder auch nur mündlichen Erklärung seine vorvertragliche Anzeigepflicht erfüllen kann (erstmals BGH, Urteil v. 11.11.1987, VersR 1988, 234). So steht bei der Entgegennahme eines Antrages auf Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller der empfangsbevollmächtigte Vermittlungsagent als das Auge und Ohr des Versicherers gegenüber (ständige Rechtsprechung BGH, Urteil v. 23.05.1989, VersR 1989, 883; BGH, Urteil v. 21.11.1989, VersR 1990, 77; BGH, Urteil v. 29.11.1989, VersR 1990, 150; BGH, Urteil v. 11.11.1992, VersR 1993, 871; BGH, Urteil v. 14.07.1993, VersR 1993, 1089; BGH Urteil v. 22.09.1999, VersR 1999, 1481; BGH, Urteil v. 19.09.2001, VersR 2001, 1498; BGH, Urteil v. 10.10.2001, VersR 2001, 1541; BGH, Urteil v. 03.07.2002, VersR 2002, 1089).
44Keine Wissenszurechnung ist allerdings gegeben, wenn der Agent bei der Ausführung des Antrages mit dem Antragsteller bewusst zum Nachteil des Versicherers zusammenwirkt (sog. „Kollusives Verhalten“ - BGH, Urteil v. 14.07.1993, VersR 1993, 1089). Eine solche Kollusion liegt vor, wenn Agent und Versicherungsnahmen arglistig zum Nachteil des Versicherers zusammenwirken, was voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer von dem treuwidrigen Verhalten des Versicherungsagenten weiß. Vorliegend hat die Beklagte diesen Beweis nicht geführt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Versicherungsnehmer gewollt oder auch nur gewilligt hätte, dass der Agent die ihm offenbarten Vorerkrankungen im Antragsformular unberechtigt unerwähnt ließ. Vielmehr hat er sich unwiderlegt dahin eingelassen, der Versicherungsagent habe ihn durch seine Äußerungen davon überzeugt, dass die Umstände für die Risikoeinschätzung des Versicherers unwesentlich seien (BGH, Urteil v. 30.01.2002, VersR 2002, 425).
45Gegen einen erkennbaren Missbrauch des Agenten hat die Rechtsprechung den Versicherer jedoch geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch macht, so dass beim Antragsteller begründete Zweifel entstehen müssen, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt (BGH, NJW 1966, 911). Dieser Grundsatz hat auch für den Agenten bei der Aufnahme eines Versicherungsantrages zu gelten (Voit, Anmerkung zu BGH, 16.10.1996, LM H.2/1997, § 16 VVG (Nr. 21)). Voraussetzung ist, dass es für den Versicherungsnehmer evident ist, dass der Agent seine Wissensvertretungsmacht missbraucht. Ein solcher evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Agenten liegt vor, wenn es um schwerwiegende Umstände geht und daher evident ist, dass der Agent den Vertrag durch unrichtige Hinweise „unter Dach und Fach“ bringen will (OLG Koblenz, 09.12.2005, 10 U 975/04). Entsprechend dem Vortrag des Klägers liegt ein solcher Fall vor. So habe sich Herr T2 im Laufe des Beratungsgespräche auf die Frage nach dem hohen Risiko für die HDI Versicherung dahingehend geäußert: „Ist doch egal – Sie haben eine tolle Versicherung und ich eine Provision.“
46Der Kläger hat erkannt, dass die schriftlich formulierten Gesundheitsfragen nicht richtig beantwortet waren und dass auf Betreiben des Agenten, die von ihm selbst als „schwerwiegend“ erkannte Hypertonie, seine sonstigen Erkrankungen und sämtliche Behandlungen der Beklagten verborgen bleiben sollten. Dass der Agent bei einem solchen Verhalten seine Vollmacht gröblich missbrauchte, war offensichtlich und gab auch dem Kläger Anlass zu begründeten Zweifeln, die trotz der ihm zuteil gewordenen Belehrungen des Agenten nicht ausgeräumt worden sein können. In Kenntnis dieser Umstände hat der Kläger durch seine Unterschrift unter dem grob falsch ausgefüllten Antrag das Verhalten des Agenten gebilligt.
47Die Zurechnung des Wissens des Agenten im Rahmen der Antragsaufnahme ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn ein redlicher Antragsteller dem Agenten vollständig Auskunft über erfragte gefahrerhebliche Umstände gibt und damit dem Versicherer eine ordnungsgemäße Risikoprüfung ermöglicht. Genau diesen Schutz verdient der Kläger vorliegend nicht. Der Kläger handelte arglistig. Der Vorwurf arglistigen Verhaltens trifft den Kläger, da er erkennt und billigt hatte, dass Herr T2 erhebliche Umstände dem Versicherer vorenthalten wird, um ihm zur Antragsannahme zu bewegen. Hierfür reicht sogar auf Seiten des Antragstellers bedingter Vorsatz aus (vgl. OLG Hamm, 26.11.2004, r+s 2005, 236). Die Erklärung des Herrn T2, dass der Versicherer bei etwaigen Nachfragen sich an den Polizeiarzt wenden werde und die Empfehlung der Angabe nur des Polizeiarztes „X“ eröffnen dem Kläger ungeachtet eines kollusiven Zusammenwirken das Bewusstsein, dass der Beklagten erhebliche Gefahrumstände nicht zur Kenntnis gebracht werden würden. Eine Wissenszurechnung findet trotz Auge-und-Ohr-Rechtsprechung gerade nicht statt (vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 24.10.2002, NJW-RR 2003, 315).
48Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.
49Streitwert:
501. Feststellung Fortbestand
51(13.497,48 € x 3,5 x 20%=) 9.448,24 €
522. Monatsrenten
53(Rückstände 13.497,48 € + künftige Leistungen
5413.497,48 € x 3,5 =) 60.738,66 €
55gesamt: 70.186,90 €
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