Urteil vom Landgericht Köln - 23 O 409/07
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.076,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2007 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 434,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2008 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 28 % und die Beklagte zu 72 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskostenversicherung nach den Tarifen A14 und Z1. Dem Versicherungsverhältnis liegen die aus der Akte ersichtlichen Versicherungs- und Tarifbedingungen zugrunde.
3Die Klägerin ließ im Jahre 2006 eine umfangreiche zahnärztliche Behandlung mit einem Knochenaufbau nebst der Insertion von 10 Implantaten im Oberkiefer durchführen. Diese Behandlung wurde mit Rechnung des behandelnden Zahnarztes Dr. T vom 08.06.2006 über 12.635,46 € sowie den Rechnungen Dr. L vom 29.06.2006 über 1.673,84 € und vom 21.09.2006 über 5.629,91 € abgerechnet. Die Beklagte erstattete auf die Rechnung des Dr. T 4.445,09 € und auf die beiden Rechnungen des Dr. L 1.299,60 € und 3.408,17 €. Die vorgenommenen Leistungskürzungen erläuterte die Beklagte der Klägerin mit Leistungsabrechnung vom 18.01.2007. Weitere Leistungen lehnte sie nach weiterer Korrespondenz ab, zuletzt mit Schreiben vom 23.05.2007 unter Verweis auf die Frist des § 12 III VVG a.F..
4Die Klägerin begehrt mit der Klage die Zahlung des Restbetrages aus den drei Rechnungen von Dr. Dr. T und Dr. L. Sie ist der Auffassung, diese seien vollumfänglich erstattungsfähig. Sie behauptet, die durchgeführte Zahnbehandlung sei in vollem Umfang medizinisch notwendig gewesen. Die erbrachten Leistungen seien ordnungsgemäß entsprechend der Gebührenordnung abgerechnet worden.
5Die Klägerin beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.684,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2007 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 747,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2008 zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte ist der Auffassung, eine über die erbrachten Leistungen hinausgehende Leistungspflicht ihrerseits bestehe nicht. Sie beruft sich auf § 12 III VVG a.F.. Sie bestreitet zudem die medizinische Notwendigkeit der Einbringung der 10 Nadelimplantate und behauptet, eine Cover-Denture-Prothese sei vorliegend ausreichend gewesen, um die Kriterien zur Wiederherstellung der Kaufunktion, der Hygienefähigkeit und der Ästhetik zu erfüllen. Außerdem berge eine solche Lösung geringere Risiken für den Patienten. Die Beklagte bestreitet ferner die medizinische Notwendigkeit, die Implantation bzw. den Knochenaufbau/Sinuslift unter Narkose durchzuführen sowie in Ermangelung aussagekräftiger wissenschaftlicher Studien die medizinische Notwendigkeit der Durchführung des PRGF-Verfahrens. Die Beklagte bestreitet weiterhin die medizinische Notwendigkeit der Einbringung von Langzeitprovisorien aus Edelmetall und will die Klägerin auf Langzeitprovisorien aus Nichtedelmetall verweisen. Sie macht darüber hinaus tarifliche und gebührenrechtliche Einwendungen gegen die streitgegenständlichen Rechnungen geltend. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.02.2008 Bezug genommen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
11Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 23.04.2008 in Verbindung mit dem Beschluss vom 22.01.2009 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und schriftliche Ergänzung desselben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 20.10.2008 sowie die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 02.07.2009 Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist zulässig und überwiegend Umfang begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte in dem tenorierten Umfang aus dem zwischen den Parteien bestehenden Krankheitskostenversicherungsvertrag in Verbindung mit §§ 1, 49 VVG a.F., 1 I, II AVB.
14Dem Anspruch der Klägerin steht nicht § 12 III VVG a.F. entgegen. Die vorgenannte Frist ist gewahrt. Beklagte hat die Erbringung von Leistungen mit Schreiben vom 23.05.2007 abgelehnt. Die Klage ist – vorab per Telefax – am 23.11.2007 bei Gericht eingegangen.
15Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte der Klägerin über die bereits vorprozessual erbrachten Erstattungsleistungen hinaus weitere Leistungen schuldet. Die Kammer folgt insoweit in vollem Umfang den in jeder Hinsicht überzeugenden und nachvollziehbaren medizinischen Feststellungen des Sachverständigen, an dessen Sachkunde die Kammer keine Zweifel hat. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beträge:
16Aus der Rechnung des Dr. T vom 08.06.2006 über 12.635,46 € ist von der Beklagten ein weiterer Betrag in Höhe von 2.954,61 € zu erstatten. Erstattungsfähig sind nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zunächst die Kosten für die 10Nadelimplantate. Dies betrifft nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien einen Betrag von 1.849,35 € (80 % von 2.311,69 €). Zwar hat die Beklagte die medizinische Notwendigkeit der Einbringung der 10 Nadelimplantate bestritten vor dem Hintergrund, eine Cover-Denture-Prothese sei zur Wiederherstellung der Kaufunktion in der Einheilperiode ausreichend. Auch der Sachverständige hat zu erkennen gegeben, dass grundsätzlich die Kaufunktion in der Einheilperiode auch mittels eines herausnehmbaren Zahnersatzes gewährleistet werden könne, nicht jedoch im vorliegenden Fall, in dem es sinnvoll gewesen sei, den basalen Auflagedruck einer herausnehmbaren Prothese zu reduzieren, indem zumindest ein Teil der Kaufkraft nicht durch die Prothesenbasis, sondern durch die Hilfsimplantate aufgefangen werde. Danach ist nach den medizinischen Feststellungen des Sachverständigen die gewählte Versorgung mit Nadelimplantaten zwar nicht zwingend notwendig, jedoch möglich. Auf der Grundlage dieser Feststellungen des Sachverständigen war die Einbringung von Nadelimplantaten medizinisch notwendig. Soweit der Sachverständige zu erkennen gegeben hat, dass aus medizinischer Sicht die Insertion von nur 6 anstelle von 10 Implantaten ausreichend gewesen wäre, führt dies in rechtlicher Hinsicht nicht dazu, dass die medizinische Notwendigkeit der kostenintensiveren Behandlungsmethode mittels 10 Implantaten zu verneinen wäre. Denn es handelt sich bei den von der Beklagten und ihr folgend vom Sachverständigen insoweit angestellten Erwägungen um reine Kostenerwägungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit außer Betracht bleiben (BGH VersR 2003, 581). Der Versicherungsnehmer ist keineswegs gehalten, unter mehreren möglichen Behandlungsmethode die kostengünstigste zu wählen. Dass aber das bei der Klägerin angewandte Behandlungskonzept mit 10 Nadelimplantaten nicht gleichermaßen geeignet wäre wie das vom Sachverständigen für ebenso möglich gehaltene Behandlungskonzept mit 6 Nadelimplantaten, folgt aus dem Sachverständigengutachten nicht. Erstattungsfähig sind nach den Feststellungen des Sachverständigen des weiteren die Kosten der Anästhesie, allerdings nur in der tariflichen Höhe von 67,80 € (80 % des Rechnungsbetrages). Die Anästhesie als solche hat der Sachverständige als medizinisch notwendig angesehen. Er hat jedoch zu erkennen gegeben, dass die Narkose zum Zwecke der Vornahme eines implantologisch-chirurgischen Eingriffs. Daher sind die Kosten der Anästhesie entgegen der klägerseits vertretenen Auffassung nur mit dem für den implantologischen Eingriff selbst vereinbarten Erstattungsprozentsatz zu erstatten. Ebenfalls erstattungsfähig ist nach den Feststellungen des Sachverständigen der viermalige Ansatz der Gebührenziffer 2442 GOÄ in Höhe von 587,54 € (80 % von 734,42 €), nicht hingegen die Gebührenziffern 532 und 533 GOZ. Hinsichtlich der Kosten des PRGF-/PRP-Verfahrens (Gebührenziffer 2732a GOÄ) besteht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ebenfalls eine medizinische Notwendigkeit (betrifft 80 % von 562,40 €, somit 449,92 €). Insoweit ist zu sehen, dass eine Beschleunigung der primären Knochenbildung und damit eine Beschleunigung des Heilungsprozesses von der Beklagten bereits nicht bestritten worden ist. Dieser Effekt ist auch von dem Sachverständigen in seinem Gutachten unter Verweis auf Untersuchungen, die aufgezeigt haben, dass die knöcherne Wundheilung nach Knochenaugmentation und Implantatinsertion bei Verwendung des PRGF-Verfahrens in der Anfangsphase um 10 % schneller vonstatten geht, bestätigt worden. Soweit der Sachverständige eine medizinische Notwendigkeit dennoch mit der Erwägung verneint und das Verfahren in den Bereich der Verlangensleistungen gerückt hat, dass eine zwingende medizinische Notwendigkeit nicht zu erkennen sei und sich die Vorteile des Verfahrens nach Ablauf eines Jahres gegenüber der Vorgehensweise ohne Verwendung des Verfahrens anglichen, liegt dem eine fehlerhafte rechtliche Wertung des Sachverständigen zugrunde. Für die Bejahung der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlungsmethode ist nicht maßgebend, ob sie zwingend medizinisch notwendig ist. Ausreichend ist, dass es vertretbar ist, sie als medizinisch notwendig anzusehen, wobei Kostenerwägungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes außer Betracht zu bleiben haben. Daran kann aber angesichts der letztlich unstreitigen Vorteile des PRGF-Verfahrens in der initialen Phase der Behandlung aus Sicht der Kammer nicht gezweifelt werden.
17Aus der Rechnung des Dr. L vom 29.06.2006 über 1.673,84 € ist nach den Feststellungen des Sachverständigen über die erfolgten Erstattungsleistungen hinaus die Gebührenziffer 517 GOZ in Höhe von 25,86 € (80 % von 32,33 €) erstattungsfähig, nicht hingegen die Gebührenziffer 831 GOÄ.
18Aus der Rechnung des Dr. L vom 21.09.2006 über 5.629,91 € ist ein weiterer Betrag in Höhe von 1.095,76 € von der Beklagten zu erstatten. Dies betrifft zum einen Beträge in Höhe von 575,75 € (80 % von 719,69 €) und 68,06 € an Material- und Laborkosten für die Nadelimplantate, die aufgrund der medizinischen Notwendigkeit der eingebrachten Nadelimplantate grundsätzlich und nach den Feststellungen des Sachverständigen auch gesondert berechnungsfähig sind. Zu erstatten ist nach den Feststellungen des Sachverständigen ferner die Gebührenziffer 517 GOZ in Höhe von 51,73 € (80 % von 64,66 €). Erstattungsfähig sind entgegen der beklagtenseits vertretenen Auffassung auch die Edelmetalllegierungen der Langzeitprovisorien in Höhe von 400,22 € (80 % von 500,28 €). Zwar ist den medizinischen Ausführungen des Sachverständigen zu entnehmen, dass Nichtedelmetalllegierungen ebenfalls möglich und ausreichend gewesen wären. Dies führt indes in rechtlicher Hinsicht nicht zu einer Verneinung der medizinischen Notwendigkeit der gewählten Verwendung von Edelmetalllegierungen. Denn auch insoweit handelt es sich bei den von der Beklagten und ihr folgend dem Sachverständigen angestellten Erwägungen um reine Kostenerwägungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH VersR 2003, 581) im Rahmen der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit nicht zu berücksichtigen sind. Dass Edelmetalllegierungen vorliegend nicht ebenso geeignet gewesen wären wie Nichtedelmetalllegierungen, behauptet die Beklagte nicht. Dies lässt sich auch den medizinischen Feststellungen des Sachverständigen nicht entnehmen.
19Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 284 ff. BGB. Die Beklagte ist am 23.05.2007 in Verzug gekommen, nachdem sie mit Schreiben von diesem Tage die Erbringung weiterer Erstattungsleistungen ernsthaft und endgültig abgelehnt und die Frist des § 12 III VVG a.F. in Gang gesetzt hat. Ein früherer Verzug ist seitens der Klägerin nicht substantiiert dargetan.
20Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, allerdings nur in der tenorierten Höhe. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind mit anwaltlichem Schreiben vom 06.11.2007 und damit nach Eintritt des Verzuges an die Beklagte herangetreten. Für diese vorgerichtliche Tätigkeit sind Kosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 4.076,23 € entstanden. Denn nur in dieser Höhe sind vorprozessual begründete Ansprüche geltend gemacht worden. Hinreichende Umstände, die eine höhere Geschäftsgebühr als 1,3 rechtfertigen könnten, sind klägerseits nicht vorgetragen worden. Die Klägerin ist hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten auch aktivlegitimiert. Dass eine Rechtsschutzversicherung die – zudem an die Klägerin gerichtete – Rechnung bezahlt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten erfolgt ins Blaue hinein. Die Klägerin hat die an sie gerichtete Gebührenrechnung auch am 31.03.2008 bezahlt. Den diesbezüglichen Vortrag hat die Beklagte nicht mehr bestritten. Ein Bestreiten wäre auch gemäß § 250 BGB unerheblich, nachdem die Beklagte spätestens in der Klageerwiderung zu erkennen gegeben hat, dass sie die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten ernsthaft und endgültig ablehnt.
21Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
22Streitwert: 5.684,14 €
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