Urteil vom Landgericht Köln - 8 O 60/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin macht gegen die Beklagte Zahlungsansprüche im Wege des Urkundenprozesses geltend.
3Die Klägerin betreibt in dem Objekt Opernterrassen, C- Str. 2-4, ####1 Köln, die gewerbliche Nutzung von Räumlichkeiten als Veranstaltungsfläche. Die Beklagte veranstaltet gewerblich Partys im gesamten Bundesgebiet, deren Zielgruppe insbesondere Schüler und Schülerinnen der gymnasialen Oberstufe sind.
4Mit schriftlichem Vertrag vom 21.11.2008 vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin der Beklagten ihre Räumlichkeiten für zwei "Abipartys" zum Gesamtpreis von 12.000,00 € zzgl. Mehrwertsteuer zur Verfügung stellen sollte (Bl. 1 ff AH). Die Abipartys sollten am 19.12.2008 und am 23.02.2009 stattfinden. Zahlungen sollten jeweils in Höhe von 6.000,00 € zzgl. Mehrwertsteuer am 05.12.2008 und am 08.02.2009 erfolgen. Der Vertrag, der auf Seiten der Klägerin von deren Geschäftsführer Herrn L und auf Seiten der Beklagten von deren Geschäftsführer B unterzeichnet wurde, sieht in § 16 vor, dass Änderungen und/oder Ergänzungen des Vertrages der Schriftform ebenso bedürfen, wie die Änderung der Schriftform selbst. Ferner sollen keine mündlichen Nebenabreden getroffen worden sein. Eine Bestimmung bezüglich der Kapazität der Räumlichkeiten enthält der Vertragstext nicht. Ausweislich einer von der Beklagten vorgelegten und von der Klägerin nicht bestrittenen Mitteilung des Bauaufsichtsamts der Stadt Köln ist der Klägerin eine Nutzung der Opernterrassen von maximal 900 Besuchern genehmigt worden (Bl. 32 d.A.).
5Am 02.12.2008 erteilte die Klägerin der Beklagten zwei Rechnungen über die vertraglichen vereinbarten Beträge zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten. Die Beklagte leistete am 17.12.2008 die erste Teilzahlung in Höhe von 7.140,00 € (6.000,00 € zzgl. Mehrwertsteuer). Am 19.12.2008 veranstaltete die Beklagte die geplante Abiparty.
6Am 22.01.2009 kam es zu einer Besprechung zwischen Herrn T, einem Mitarbeiter der Beklagten, und Herrn L seitens der Klägerin.
7Die für den 23.02.2009 vorgesehene Party führte die Beklagte nicht durch. Auch leistete sie die für den 09.02.2009 vorgesehene zweite Teilzahlung nicht. Vielmehr übersandte die Beklagte der Klägerin unter dem 02.02.2009 ein Schreiben, in welchem sie die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund, hilfsweise den Rücktritt und ebenso hilfsweise die Anfechtung des Vertrages erklärte (Bl. 28 AH). Dies begründete die Beklagte damit, dass ihr eine Kapazität von 2.500 Personen ausdrücklich zugesichert worden sei, sich aber nun herausgestellt habe, dass die Kapazität weitaus geringer sei.
8Die Klägerin beantragt,
9- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.140,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2009 zu zahlen.
- Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 661,16 € Anwaltsgebühren für die Inanspruchnahme außergerichtlicher anwaltlicher Hilfe vor Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie behauptet, der Geschäftsführer der Klägerin, Herr L, habe ausdrücklich zugesichert, dass die Opernterrassen eine Kapazität von 2.500 Personen hätten. Er habe sich aber geweigert, dies in den Vertrag aufzunehmen. Bei der Durchführung der Veranstaltung vom 19.12.2008 habe sich dann herausgestellt, dass diese Kapazität bei weitem nicht gegeben war. Dies sei Herrn L bei der Besprechung vom 22.01.2009 auch mitgeteilt worden. Die Klägerin habe dabei vorgeschlagen, den Vertrag einvernehmlich aufzuheben. Herr L habe dies überdenken und sich zeitnah zurückmelden wollen, was aber nicht geschehen sei.
14Die Beklagte hat hilfsweise die Aufrechnung mit einer von ihr hinterlegten Kaution in Höhe von 1.785,00 € erklärt. Die Kautionsforderung ist zwischen den Parteien unstreitig.
15In der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2010 ist der Geschäftsführer der Beklagten, Herr B, nach § 141 ZPO persönlich angehört worden. Bezüglich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.01.2010 verwiesen (Bl. 33 ff d.A.). Die Klägerin, für die das persönliche Erscheinen eines geeigneten Vertreters zum Zwecke der Sachverhaltsaufklärung angeordnet worden war, hat sich im Termin durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Nach Abschluss der persönlichen Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten hat der Prozessbevollmächtige der Klägerin einer Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten widersprochen. Der Beklagtenvertreter hat sodann beantragt, den Geschäftsführer der Klägerin, Herrn L, als Partei zu vernehmen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat insoweit erklärt, dass auch hiermit kein Einverständnis besteht.
16Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die im Urkundenprozess zulässige Klage ist unbegründet.
19I.
20Der Klägerin steht kein Anspruch auf Leistung der ursprünglich für den 08.02.2009 vorgesehenen zweiten Teilzahlung aus dem schriftlichen Vertrag vom 21.11.2008 zu.
21Die Beklagte ist von dem am 21.11.2008 geschlossenen Vertrag, der die Überlassung der Räumlichkeiten der Klägerin für den 19.12.2008 und 23.02.2009 vorsah mit Schreiben vom 02.02.2009 nach §§ 323 Abs. 1, Abs. 4 BGB wirksam zurückgetreten. Nach Durchführung der Veranstaltung vom 19.12.2008 war für die Klägerin nach insoweit unwidersprochenem Vortrag klar, dass die Räumlichkeit nicht über eine Kapazität von 2.500 Personen verfügt. Diese Kapazität war jedoch von der Klägerin noch vor Unterzeichnung des Vertrages vom 21.11.2008 auf Nachfrage der Beklagten zugesichert worden, so dass dies auch Vertragsbestandteil geworden war. Zu dieser Überzeugung ist das Gericht im Rahmen der nach § 286 ZPO freien Beweiswürdigung gelangt. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung kommt auch im Urkundenprozess zur Anwendung, lediglich die zur Verfügung stehenden Beweismittel sind beschränkt (Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 597 Rn.5).
22Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die vom Kläger in Kopie übersandte Vertragsurkunde zunächst dafür spricht, dass keine konkrete Kapazität vereinbart worden war. Weder ist eine Kapazität im schriftlichen Vertrag ausdrücklich angesprochen worden, noch sollen gemäß § 16 mündliche Nebenabreden getroffen worden sein. Gemäß § 416 ZPO besteht hier die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde, so dass die Beweislast für die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Urkunde auf Seiten der Beklagten liegt (Zöller-Greger, aaO, § 416 Rn. 10). Der Beweis ist hier erbracht worden. Das Gericht ist nach der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls ein solch hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Geschäftsführer der Klägerin, Herr L, hier eine Kapazität von 2.500 Personen zusichert hatte, dass Zweifeln insoweit Schweigen geboten ist.
23Zu dieser Würdigung führt zunächst, dass der Geschäftsführer der Beklagten, Herr B, im Termin vom 15.01.2010 plausibel schildern konnte, wie und warum es zu dem Vertragsschluss ohne Einbeziehung der Kapazität kam. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die persönliche Anhörung nach § 141 ZPO nicht als Beweismittel verwertet werden kann. Eine Verwertung im Rahmen der Beweiswürdigung kann das Gericht dennoch vornehmen (BGH Urt. v. 03.12.1991, Az.: VI ZR 48/91, Rn. 25 bei Juris), zumal die Frage der Plausibilität des Parteivortrages zunächst eine Frage des Parteivortrages an sich ist und erst in einem zweiten Schritt durch Beweismittel untermauert oder erschüttert werden kann. Von Bedeutung ist hier, dass es dem Gericht zunächst widersinnig erschien, dass die Beklagte nicht auf die Aufnahme der Kapazität in den Vertrag bestanden hatte oder die Lokalität diesbezüglich überprüft hatte. Insoweit konnte das Gericht die Schilderung des Herrn B aber nachvollziehen, dass die Beklagte die Aufnahme in den Vertrag zwar zu erreichen versucht hatte, letztlich aber den Vertrag aus wirtschaftlichen Erwägungen auch ohne diesen Passus abschloss, da die Planungen bereits weit vorangeschritten waren und eine Absage der Party wirtschaftlich keinen Sinn mehr gemacht hätte. Herr B hat insoweit auch erklärt, dass die Beklagte in Köln ansonsten ihre Veranstaltungen in einer anderen Räumlichkeit durchführt, diese aber ausnahmsweise nicht zur Verfügung stand. Auch hat Herr B geschildert, dass Zweifel an der Größe der Lokalität bestanden, die ausreichende Kapazität aber auf diesbezügliche Nachfrage zugesichert worden sei.
24Für diese plausiblen Schilderungen spricht zunächst, dass die Beklagte der Klägerin unter dem 02.02.2009 ein Schreiben übersandt hat, in welchem sie die außerordentliche Kündigung unter Bezugnahme auf die von ihr behauptete Zusicherung der Kapazität erklärte. Dieses Schreiben ist von der Klägerin nicht bestritten worden. Die Klägerin hat sich zur Behauptung einer Zusicherung bezüglich der Kapazität lediglich in kurzer und pauschaler Form dahingehend eingelassen, dass es keine Zusicherungen gegeben habe und dass für sie nicht nachvollziehbar sei, warum die Beklagte die Veranstaltung am 23.02.2009 nicht durchgeführt habe. Das Gericht vermag hierin jedenfalls kein ausreichendes Bestreiten des vorgelegten Schreibens zu erkennen. Wäre ein solches Schreiben nie bei der Klägerin eingetroffen, so wäre es nur naheliegend gewesen, dies explizit klarzustellen. Die Klägerin formuliert hier nach Ansicht des Gerichts lediglich ausweichend in Bezug auf die außerordentliche Kündigung, "die die Beklagte nunmehr vorlegt". Ein ausreichendes Bestreiten vermag das Gericht hierin nicht zu erkennen, wobei das Gericht nicht verkennt, dass ein solches Bestreiten durch die Wahl der vorsichtig gewählten Formulierungen möglicher Weise intendiert war. Selbst wenn man der Auffassung wäre, der Vortrag wäre demnach streitig zu stellen gewesen, würde es das Gericht im Übrigen aufgrund der mangelnden Überzeugungskraft des Bestreitens für wahrscheinlich halten, dass das Schreiben in dieser Form zur Kenntnis der Klägerin gelangt war.
25Auch diese Wahrscheinlichkeit würde in Zusammenhang mit den weiteren vorliegenden Indizien für die Überzeugungsbildung des Gerichts ausreichen. Denn auch die Besprechung vom 22.01.2009 wird von der Klägerin nicht explizit zurückgewiesen. Wenn es aber keine Besprechung am 22.01.2009 gegeben hätte oder diese einen anderen als den von der Beklagten vorgetragenen Inhalt gehabt hätte, so hätte es nahegelegen, dies von Seiten der Klägerin explizit klarzustellen. Die Klägerin hat aber abgesehen von ihrem pauschalen Bestreiten einer Zusicherung der Kapazität nicht zur Aufklärung des streitigen Sachverhalts beigetragen. Auch dieses Verhalten unterliegt der freien Beweiswürdigung. Die Überzeugungsbildung des Gerichts beruht hier auch zu einem wesentlichen Teil auf diesem Verhalten der Klägerin. Denn diese hat zunächst ihr nach § 447 ZPO erforderliches Einverständnis mit einer Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten verweigert. Da eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO im Urkundenprozess nicht möglich war, blieb der Beklagten hier zur Beweisführung nur der von ihr gestellte Antrag auf Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin, Herrn L, nach § 446 ZPO. Dieser in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag war auch nicht verspätet, da das persönliche Erscheinen eines geeigneten Vertreters der Klägerin zum Termin angeordnet war und die Beklagte daher davon ausgehen konnte, dass ein entsprechender Antrag auch im Termin gestellt werden konnte. Damit, dass von Seiten der Klägerin niemand erscheinen würde, musste die Beklagte nicht rechnen.
26Eine Parteivernehmung des Geschäftsführers der Klägerin wäre hier somit in einem Folgetermin grundsätzlich in Betracht gekommen. Der Urkundenprozess beschränkt zwar die Art der Beweismittel, ist aber nicht auf die Verwendung nur sofort zur Verfügung stehender Beweismittel ausgelegt (Musielak-Voit, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 595 Rn. 8; Stein/Jonas-Schlosser, ZPO, Band 5/2, 21. Aufl. 1993, § 595 Rn. 2a). Ein diesbezüglicher Beweisbeschluss kam aber nicht mehr in Betracht nachdem der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung bereits für die Klägerin erklärt hatte, dass mit einer Parteivernehmung des Herrn L kein Einverständnis bestünde.
27Die Klägerin hat somit die weitere Beweisführung der Beklagten vereitelt. Diese Vereitelung ist bereits ein starkes Indiz für die Richtigkeit der von der Beklagten behaupteten Zusicherung, wobei aber nach § 446 ZPO auch die für die Weigerung vorgebrachten Gründe oder Umstände zu würdigen sind. Das OLG Düsseldorf hat daher auch aus der Weigerung von Vorstandsmitgliedern einer Bank, eine Parteivernehmung zu Vorgängen in der Bank durchführen zu lassen, keine nachteiligen Schlussfolgerungen gezogen. Das OLG hat dies damit begründet, dass Vorstände nicht zwangsläufig Kenntnis von einzelnen Vorgängen ihrer Bank haben müssen (WM 1981, 369, 379). Vorliegend sind für die Verweigerung der Parteivernehmung jedoch keinerlei Gründe vorgetragen worden. Selbst wenn das Gericht zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass Herr L oder ein anderer Vertreter aus zwingenden Gründen nicht zum Verhandlungstermin vom 15.01.2010 erscheinen konnten, so ist nicht einsehbar, warum dies nicht in einem Folgetermin hätte geschehen können. Anders als im Fall des OLG Düsseldorf war es hier auch zwingend so, dass Herr L zu der streitigen Zusicherung eine Aussage hätte machen können. Denn nach dem Vortrag der Beklagten soll die Zusicherung von ihm selbst abgegeben worden sein. Dass hierüber dem Gericht keine unmittelbare Auskunft im Rahmen einer förmlichen Parteivernehmung gegeben werden soll, lässt für das Gericht auch unter Berücksichtigung der bereits genannten Indizien nur die Schlussfolgerung zu, dass der Beweis vereitelt und die streitige Behauptung der Beklagten als wahr anzusehen ist (vgl. zur Bewertung der Beweisvereitelung auch Stein/Jonas-Schlosser, aaO, § 599 Rn. 1)
28Die Zusicherung ist auch Vertragsbestandteil geworden. Soweit § 16 eine sogenannte doppelte Schriftformklausel beinhaltet, so bezieht diese sich ihrem Wortlaut nach nur auf Änderungen und/oder Ergänzungen, nicht jedoch auf bereits getroffene Nebenabreden. Soweit bestimmt ist, dass mündliche Nebenabreden nicht getroffen wurden, so ist darin schon vom Wortlaut her keine Aufhebung bereits getroffener Abreden zu erkennen. Vielmehr verstärkt sich hierdurch die bereits dargestellte Beweislast der Beklagten. Dies wurde im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt (s.o.).
29Dass die Opernterrassen von Anfang an nicht über die vertraglich zugesicherte Kapazität verfügten, stand der Wirksamkeit des Vertrages nach § 311a Abs. 1 BGB nicht im Wege. Da die unzureichende Kapazität nach der Veranstaltung vom 19.12.2008 für die Beklagte feststand und die zur Verfügung Stellung der Opernterrassen in dieser geschuldeten Form seitens der Klägerin nicht möglich war, konnte die Beklagte bereits vor dem geplanten zweiten Termin durch das Schreiben vom 02.02.2009 gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 4 BGB wirksam zurücktreten.
30II.
31Da der Klägerin kein Zahlungsanspruch zusteht, ist auch kein Anspruch bezüglich der als Nebenforderung geltend gemachten Rechtsanwaltskosten gegeben.
32Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.
33Streitwert: 7.140,00 €
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