Urteil vom Landgericht Köln - 11 S 436/08
Tenor
Die Berufung des Widerbeklagten und Berufungsklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 19.11.2008 – 269 C 339/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen. –
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
2Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
3Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung den Widerbeklagten verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 2.500,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2007 zu zahlen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Gründe in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
4Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers und Widerbeklagten, der die Abweisung der Widerklage weiterverfolgt und unter anderem geltend macht, dass die Versagung des Versicherungsschutzes wegen einer Unfallflucht nur zulässig sei, wenn diese im Strafverfahren festgestellt sei. Vorliegend sei jedoch das Strafverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden. Im Übrigen läge auch keine Unfallflucht im Sinne des § 142 StGB vor. Er habe weder objektiv noch subjektiv sich einer Unfallflucht schuldig gemacht. Er habe sich vom Unfallort nicht entfernt, sondern sich vielmehr dem Verletzten vorgestellt. Dieser habe ihn jedoch abgewiesen und deshalb habe er sich entfernen dürfen. Daraus ergebe sich, dass der Verletzte auf Feststellungen zu seiner Person verzichtet habe und er daher berechtigt gewesen sei, sich vom Unfallort zu entfernen. Der Tatbestand des § 142 StGB sei nicht erfüllt, wenn der andere Unfallbeteiligte und Geschädigte auf die entsprechenden Angaben und die Ermöglichung von Feststellungen an Ort und Stelle verzichte. Dementsprechend sei die irrtümliche Annahme eines solchen Verzichts ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 StGB. Es habe daher ausgereicht, dass er sich später bei der Polizei gemeldet habe. Er habe nicht die Absicht gehabt, Feststellungen zu seiner Person zu verhindern. Vielmehr sei es der Wille des Verletzten gewesen, dass er sich entferne. Im Übrigen sei er davon ausgegangen, dass allein die schlechten Witterungsverhältnisse und die überhöhte Geschwindigkeit des Motorrades zum Unfall geführt hätten, weil er die Fahrbahn bereits gereinigt hätte.
5Die Beklagte und Widerklägerin ist der Berufung entgegengetreten und hat im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
6Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie Berufung des Klägers und Widerbeklagten ist in der Sache unbegründet.
7Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht auf die Widerklage den Kläger und Widerbeklagten verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 2.500,-- € nebst Zinsen zu zahlen. Auch das weitere Vorbringen des Klägers und Widerbeklagten in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Es wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfassende Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
8Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Kläger und Widerbeklagte den objektiven Tatbestand des § 142 StGB verwirklicht hat. Dazu ist nach § 142 StGB erforderlich, dass sich ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und Geschädigten Feststellungen zu seiner Person, seinem Fahrzeug und der Art seiner Beteiligung ermöglicht. Unfallpartei im Sinne dieser Vorschrift ist jeder, der beim Unfall als Verkehrsteilnehmer oder sonst auf den Verkehr Einwirkender anwesend ist, sofern wenigstens der Verdacht einer Mitursächlichkeit für den Unfall in Frage kommt, grundsätzlich ohne Rücksicht auf Verkehrswidrigkeit seines Verhaltens oder Verschulden (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 40 Aufl., § 142, Rdnr. 29 m.w.Nw.). Da der Kläger und Widerbeklagte die Fahrbahn durch heruntergefallene Strohballen verschmutzt hat, ist er auf jeden Fall Unfallbeteiligter im Sinne dieser Norm. Ausweislich der Fotos in der Ermittlungsakte war die Straße noch mit restlichem Stroh bedeckt, auf dem der Motorradfahrer zu Fall kam. Daher hat das Amtsgericht zu Recht ausgeführt, dass nicht dem Kläger und Widerbeklagten die Möglichkeit seiner Unfallbeteiligung geradezu aufdrängen musste und seine gegenteilige Behauptung eine reine Schutzbehauptung ist. Der Kläger und Widerbeklagte hat in der Klageschrift selbst vorgetragen, dass er an dem Verkehrsunfall auf der E-Straße in Höhe Haus Nr. 8 in ####1 P, OT M beteiligt war.
9Soweit der Widerbeklagte sich auf einen Verzicht des Geschädigten auf Feststellungen zu seiner Person beruft bzw. eine Einwilligung des Verletzten zum Verlassen des Unfallortes behauptet, ist das Vorbringen ohne ausreichende Substanz. Der Kläger und Widerbeklagte hat in der Klageschrift selbst vorgetragen, dass der Geschädigte sehr abweisend gewesen sei, vermutlich weil er unter Schock stand und fortwährend rief, dass der Kläger ihn in Ruhe lassen solle. Dieses Verhalten des Geschädigten bedeutet jedoch aus objektiver Sicht nicht, dass er auf Feststellungen bezüglich der Person des Klägers, der als Mitverursacher des Unfalls in Betracht kam, verzichten wollte und mit dessen Verlassen des Unfallortes einverstanden gewesen wäre. Dies ist eine reine Schutzbehauptung des Widerbeklagten, der selbst festgestellt hätte, dass der Geschädigte unter Schock stand und wegen der Schmerzen eigentlich nur in Ruhe gelassen werden wollte und ärztlicher Hilfe bedurfte. Den Vortrag des Widerbeklagten in der Berufungsinstanz, er habe sich dem Geschädigten vorgestellt, lässt sich nicht konkret entnehmen, dass er ihm alle erforderlichen Personalien und Daten mitgeteilt hat und ist im Übrigen unsubstantiiert sowie auch verspätet.
10Der Kläger und Widerbeklagte hat den Tatbestand der Unfallflucht gemäß § 142 StGB auch subjektiv erfüllt, wofür auch ein dolfus eventualis ausreicht. Für einen bedingten Vorsatz muss sich der Täter nicht ganz belanglose Fremdschäden als möglich vorgestellt haben (vgl. BGH, VRS 37, 263; NZV 97, 125). Es genügt, wenn der Täter es für möglich hält und billigt, dass durch sein Entfernen die gebotenen Feststellungen verhindert oder erschwert werden können. Vorliegend ist der Kläger und Widerbeklagte selbst zum Unfallverletzten gegangen und hat gesehen, dass dieser schwer verletzt war und unter Schock stand. Es musste sich ihm auch aufdrängen, dass er durch die von ihm verursachte Straßenglätte aufgrund der Verschmutzungen zu dem Unfall beigetragen haben konnte. Dies hat das Amtsgericht insoweit zutreffend in der angefochtenen Entscheidung festgestellt. Die vorhandene Straßenglätte infolge der Verschmutzungen ergibt sich auch aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte und den sich dort befindlichen Fotos. Für den dolfus eventualis ist nicht erforderlich, dass die Straßenglätte die einzige Ursache für den Sturz des Geschädigten war.
11Entgegen der Auffassung des Klägers und Widerbeklagten ist auch nicht erforderlich, dass er im Strafverfahren nach § 142 StGB verurteilt wird. Vorliegend ist zwar das Strafverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden. Dies besagt jedoch nichts darüber, ob tatsächlich eine Unfallflucht des Klägers und Widerbeklagten im konkreten Fall vorgelegen hat, was die Kammer in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
12Nach alledem steht zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass der Kläger und Widerbeklagte zumindest bedingt vorsätzlich sich vom Unfallort entfernt hat, obwohl er den Sturz des Motorradfahrers gesehen und mit dem Geschädigten gesprochen hat. Der Kläger hat damit seine Aufklärungspflichten gemäß § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB verletzt. Um seiner Aufklärungsobliegenheit nachzukommen, hat der Versicherungsnehmer alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Dazu gehört auch beim Unfall, an dem der Versicherungsnehmer mit dem versicherten Fahrzeug beteiligt ist, die Strafvorschrift des § 142 StGB zu beachten und nach ihr zu handeln. Die Leistungsfreiheit der Beklagten setzt auch nicht den Umstand eines erheblichen Verschuldens des Versicherungsnehmers voraus. So ist zwar vor der Neufassung des § 7 V AKB die sogenannte Relevanzrechtsprechung entwickelt worden, wonach die Leistungsfreiheit des Versicherer zur Voraussetzung hat, dass dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden vorzuwerfen sei (vgl. BGHZ 53, 160, 164; BGH, VersR 1982, 182 ff.). Dies basierte auf der Erwägung, dass die völlige Leistungsfreiheit des Versicherers nach dem sogenannten "Alles oder Nichts"-Prinzip eine zu harte Strafe für den Versicherungsnehmer sein kann, wenn sie ihn ohne Rücksicht darauf trifft, ob dem Versicherer durch eine Obliegenheitsverletzung überhaupt Nachteile entstanden sind (vgl. BGHZ 84, 87). Durch die Einführung der – an den Regelungen der §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 1, 3 KfzTPfVV angebundenen – Höchstbeträge für die Leistungsfreiheit nach § 7 V Abs. 2, 3 AKB ist die Drohung der vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers für den Versicherungsnehmer jedoch gerade in Fällen hoher Schäden weitgehend abgemildert. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung ist daher ein erhebliches Verschulden des Versicherungsnehmers nicht mehr Voraussetzung der Leistungsfreiheit des Versicherers (vgl. BGH DAR 2006, 89 ff.). Der Kläger und Widerbeklagte hat daher, als er die Unfallstelle verlassen und gegen seine Aufklärungsobliegenheit verletzt hat, gegen die ihm nach § 7 AKB obliegende Verpflichtung verstoßen, wodurch die Beklagte als Haftpflichtversicherung ohne das Hinzutreten eines weiteren Erfordernisses leistungsfrei geworden ist und von ihm im Regress ein Betrag von 2.500,-- € zurückfordern kann.
13Nach alledem war die Berufung des Klägers und Widerbeklagten zurückzuweisen.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
15Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
16Die Revision war gemäß § 543 ZPO mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.
17Berufungsstreitwert: 2.500,-- €.
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