Urteil vom Landgericht Köln - 20 O 398/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d :
2Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte kommunale Zusatzversorgungskasse mit eigener Satzungskompetenz, die die Aufgabe wahrnimmt, den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine ergänzende Altersversorgung zu gewähren. Der 1942 geborene Kläger ist nicht Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern gehört dem Versorgungswerk der Nordrheinischen Ärzte an; bei der Beklagten besteht für ihn eine Zusatzrentenversicherung.
3Nach Erreichen der Regelaltersgrenze zum 01.10.2007 stellte der Kläger am 23.06.2008 einen Antrag auf Betriebsrentenzahlung mit Wirkung ab dem 01.10.2007. Mit Bescheid vom 29.10.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger eine monatliche Zusatzrente von 1.442,-- € für den Monat Juni 2008 bzw. 1.456,42 € ab dem Monat Juli 2008, lehnte indessen eine rückwirkende Rentenzahlung bezogen auf die Zeit vom Erreichen des Regelrentenalters an bis zum Datum der Rentenantragstellung ab.
4Der Kläger sieht die Beklagte mit Beginn des Erreichens des Regelrentenalters zur Erbringung von Rentenleistungen aus der Zusatzversicherung als verpflichtet an auf der Basis der von ihr vorgenommenen Rentenberechnung, die er der reinen Höhe nach nicht bestreitet. Es ergebe sich ein Nachzahlungsanspruch für acht Monate à 1442,-- €.
5Der Kläger beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.536,-- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.10.2008 zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie meint, im Hinblick auf die §§ 43 S. 1, 2 und 31 S. 4 RZVKS (Satzung der Rheinische Versorgungs- und Zusatzversorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände), die ihrerseits die Anwendung des § 99 SGB VI begründeten, sei die Zusatzrente erst von dem Monat des Eingangs des Rentenantrags an zu leisten; dem sei sie nachgekommen.
10Der Kläger trägt hierzu vor, die Satzung der Beklagten könne ihm gegenüber schon deshalb keine Wirkung entfalten, weil sie ihm nie zur Kenntnis gebracht worden sei. Ohnehin aber lasse sich aus der Satzung nicht entnehmen, dass § 99 SGB VI Anwendung finden solle; erst recht gelte das, weil § 52 der Satzung der Beklagten für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Betriebsrente eine zweijährige Ausschlussfrist vorsehe und vor diesem Hintergrund suggeriere, dass bei Antragstellung innerhalb dieser Frist Rechtsnachteile nicht drohten. Jedenfalls aber stelle sich eine Satzungsregelung, die ohne hinreichende Erkennbarkeit zur Anwendung des § 99 SGB VI führe, als überraschende und damit gemäß § 305 c BGB unwirksame Klausel dar.
11Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen überreichten Unterlagen, insbesondere die zur Akte gereichte aktuelle Satzung der Beklagten, Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
13Die Klage ist nicht begründet.
14Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Betriebsrente für die Zeit von Oktober 2007 bis einschließlich Mai 2008 aus §§ 43 S. 1, 2, 31 S. 1 RZVKS als der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.
15Denn die rückwirkende Rentenzahlung für die acht Monate zwischen dem Erreichen des Rentenalters und dem Zeitpunkt der Antragstellung ist im Hinblick auf §§ 43 Abs. 1, 2, 31 S. 4 RZVKS, 99 SBG VI ausgeschlossen.
16Der Anwendbarkeit dieser Satzungsnormen steht insbesondere nicht entgegen, wie der Kläger meint, dass ihm die Satzung nie ausgehändigt oder anderweit zur Kenntnis gebracht worden ist. Denn unabhängig von der konkreten Kenntnis der Satzungsbestimmungen wird bereits nach § 13 Abs. 1 S. 2 RZVKS der Inhalt der jeweiligen Mitgliedschaft durch die Satzung bestimmt. Dem Versicherten ist darüber hinaus zuzumuten, dass er sich um die Wahrnehmung seiner Rechte kümmert und sich in Zweifelsfällen Auskunft bei der Anstalt einholt. Unterlässt er dies, hat er die Folgen des Versäumnisses zu tragen (vgl. LG Karlsruhe, Urt. vom 12.12.2008, Az.: 6 O 323/07 zitiert nach JURIS für die den hier einschlägigen Regelungen der RZVKS entsprechenden Regelungen der VBLS).
17Der Zeitpunkt des Versicherungsfalls bei nicht gesetzlich versicherten Personen bestimmt sich satzungsgemäß nach §§ 43 S. 1, 2 und 31 RZVKS. Dies führt, entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten, zur Anwendbarkeit des § 99 SGB VI. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass es bei Nicht-Sozialrentnern naturgemäß keinen tatsächlichen Versicherungsfall im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht geben kann. Grundsätzlich verweist aber § 43 S. 1 und S. 2 RZVKS auch hinsichtlich des Versicherungsfalls trotzdem auf § 31 RZVKS und damit auf das gesetzliche Rentenversicherungsrecht, mithin auch auf § 99 SGB VI. Dass die konkret anzuwendenden Normen des Sozialgesetzbuchs in der Satzung nicht im Einzelnen aufgelistet sind, rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Die Regelung des § 31 S. 4 RZVKS stellt eine gegenüber früheren Fassungen der Satzung geänderte und insoweit „schlanke“, grundsätzlich aber dennoch inhaltsgleiche, Regelung zu § 30 Abs. 3 RZVKS a.F. dar. In der letztgenannten, früheren Satzungsbestimmung wurden die Versicherungsfälle des gesetzlichen Rentenversicherungsrechts, die auf nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte Mitglieder der Beklagten Anwendung finden sollten, noch katalogartig im Einzelnen aufgeführt. Mit der nunmehrigen generellen Bezugnahme auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung sollte indessen eine inhaltliche Änderung der anwendbaren Rechtsvorschriften nicht verbunden sein. Der Umformulierung kamen vielmehr allein regelungstechnische Gründe zu; ebenso war die Vereinfachung des Umfangs der Satzung beabsichtigt (vgl. hierzu LG Karlsruhe, a.a.O.). Dies vor dem Hintergrund, dass aufgrund der Vielfalt der berufsständischen Versicherungssysteme und der möglichen Vertragsgestaltungen die Möglichkeit erheblicher Abweichungen bei der Vertragsdurchführung im Einzelfall besteht.
18Die damit anzunehmende grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung muss zur Anwendbarkeit auch des § 99 SGB VI führen und damit den Versicherungsbeginn an den Zeitpunkt der Antragstellung koppeln.
19Eine andere Beurteilung ist nicht, wie der Kläger meint, gerechtfertigt, weil es sich bei den Bestimmungen des §§ 43, 31 RZVKS, durch die auch Nicht-Sozialrentner den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherungen unterworfen werden, um eine überraschende Klausel handelt, die nach § 305 c BGB geeignet wäre, die Unwirksamkeit der entsprechenden Satzungsbestimmung zu begründen.
20Die Beklagte weist im Gegenteil zu Recht darauf hin, dass die vom Kläger beanstandete Satzungsbestimmung im Hinblick auf § 310 Abs. 4 BGB einer Inhaltskontrolle nach dem Recht allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht unterworfen ist.
21§§ 43 und 31 RZVKS beruhen nämlich auf den weitgehend wort- und sinngleichen tarifvertraglichen Regelungen der §§ 5 und 14 ATV und somit auf maßgebenden Grundentscheidungen der Tarifpartner, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als solche der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. vom 03.07.2008, Az.: 12 U 8/08, zitiert nach JURIS).
22Bei der Umsetzung und inhaltlichen Ausgestaltung solcher Grundentscheidungen genießt der Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, die die Gerichte grundsätzlich zu respektieren haben. Insoweit wirkt der Schutz der Tarifautonomie fort, die den Tarifvertragsparteien für ihre Grundentscheidung besondere Beurteilungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume eröffnet. Unbeschadet dessen dürfen auch solche Satzungsänderungen nicht gegen die Grundrechte und grundgesetzliche Wertentscheidungen verstoßen. Da die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, ist die gerichtliche Kontrolle ihrer Satzungsbestimmungen jedenfalls darauf zu erstrecken, ob ein Verstoß gegen das Grundgesetz vorliegt (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.).
23Nach diesem Maßstab sind die hier einschlägigen Satzungsbestimmungen, die zur Einbeziehung des § 99 SGB VI führen, nicht zu beanstanden.
24Einen – denkbaren – Verstoß gegen sich aus Art. 14 GG ergebende Rechte erachtet die Kammer bereits deshalb nicht für gegeben, weil die Koppelung von Antragstellung und Versicherungsbeginn nicht schlechthin zur dauerhaften Versagung jeglicher Betriebsrentenleistung führt. In Rede steht vielmehr lediglich ein Übergangszeitraum von acht Monaten. Insoweit handelt es sich, bezogen auf das Zusatzversorgungsversprechen schlechthin, um einen Nachteil von beschränkter Intensität, der jedenfalls nicht in den eigentumsrechtlich geschützten Kern eingreift. Ohnehin ist ein bestimmter Leistungsbeginn vom Grundrechtsschutz nicht umfasst (vgl. etwa VersR 2005, 210; OLG Karlsruhe a.a.O., jeweils m.w.N.).
25Erst recht gelten die vorstehenden Erwägungen, nachdem auch die früher einschlägigen Regelungen zum Beginn der Zusatzversorgungsrente für Nicht-Sozialrentner auf die Antragstellung des jeweiligen Versicherten abstellten, wie sich bereits aus § 30 Abs. 2 KZVKS a.F. ergibt. Durch die Satzungsänderung, der nunmehr allein der enumerative Charakter in Bezug genommener Rechtsnormen fehlt, ist somit eine dem Kläger ungünstigere Rechtslage nicht herbeigeführt worden.
26Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG bestehen Bedenken ebenfalls nicht.
27Dass nach §§ 43, 31 S. 4 RZVKS i.V.m. § 99 Abs. 1 SGB VI der Eintritt des Versicherungsfalls von der Antragstellung abhängig ist, erscheint weder willkürlich noch sachlich ungerechtfertigt. Bei nicht gesetzlich versicherten Mitgliedern der Beklagten ist keine Entscheidung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung über den Eintritt des Versicherungsfalls und den Beginn einer Rente vorhanden, an den die Satzung anknüpfen könnte.
28Ohnehin ist zu beachten, dass bei der Ordnung von Massenerscheinungen und bei der Regelung hochkomplizierter Materien wie der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein können Zudem können derartige Bestimmungen das Versorgungssystem vereinfachen und die Durchschaubarkeit erhöhen (vgl. dazu OLG Karlsruhe, a.a.O.)
29Die Antragstellung ist dem Versicherten zudem ohne weiteres zumutbar, weil durch sie die Geltendmachung und Durchsetzung des Rentenanspruchs nicht in unzulässiger Weise erschwert wird
30Aus dem vom Kläger schließlich in Bezug genommenen § 52 Absatz 1 RZVKS folgt ihm Günstiges schließlich ebenfalls nicht. Diese Satzungsbestimmung regelt schon ihrem Wortlaut nach lediglich die „Ausschlussfrist“ für einen bereits bestehenden „Anspruch auf Betriebsrente“, hingegen nicht die hier umstrittene Frage, wann ein solcher Anspruch auf Betriebsrente entsteht. § 52 RZVKS trifft des halb keine Bestimmungen für das Eintreten des Versicherungsfalls, sondern setzt diesen als bereits eingetreten voraus; hierin liegt der falsche Argumentationsansatz des Klägers (vgl. LG Karlsruhe, a.a.O.; AG Köln, Urt. vom 02.02.2009, Az.: 139 C 473/08 zitiert nach JURIS).
31Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte im vorliegenden Fall den Zeitpunkt des Betriebsrentenbeginns für den Kläger richtig bestimmt.
32Der Kläger gehört zu den Mitgliedern der Beklagten, die in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versichert sind. Deshalb ist in seinem Fall, wie sich aus § 43 S. 1 und 2 RZVKS ergibt, die jeweilige Regelung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend anzuwenden, soweit in den §§ 16 bis 42 RZVKS darauf Bezug genommen wird, was in § 31 S. 4 RZVKS der Fall ist. Die letztgenannte Satzungsbestimmung verweist, wie bereits ausgeführt, auf die Regelung des § 99 SGB VI. Diese Gesetzesbestimmung sieht wiederum vor, dass bei verspäteter - d.h. um mehr als drei Monate nach Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen verzögerter - Antragstellung die Rente aus einer eigenen Versicherung erst von dem Kalendermonat an geleistet wird, in dem die Rente beantragt wird. Dementsprechend hat der Kläger, der hier mit einer Verzögerung von acht Monaten nach dem unstreitigen Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erstmals bei der Beklagten die Zusatzrente beantragt hat, Anspruch auf Leistungen der Beklagten erst ab eben diesem Monat, mithin ab Juni 2008.
33Weil bereits die Hauptforderung nicht begründet ist, kann es auch der Zinsanspruch nicht sein.
34Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.
35Streitwert:
36Bis 13.000 €
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