Urteil vom Landgericht Köln - 3 O 331/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beklagte befand sich in den Jahren 2007 und 2008 in der zahnärztlichen Behandlung der Beklagten. Am 29. 10. 2007 entfernte die Beklagte Zahn 44 und gliederte eine Interimsprothese ein. In der Folge fertigte sie für den Unterkiefer einen kombinierten festsitzend-herausnehmbaren Zahnersatz auf Teleskopen an. Nach der Präparation am 12. 11. 2007 wurde der Zahnersatz am 30. 11. 2007 provisorisch eingegliedert. Anschließend kam es zu weiteren Behandlungsmaßnahmen; definitiv eingegliedert wurden die Kronen jedoch nie. Nach einem letzten Termin im Februar 2008 nahm die Klägerin keine weiteren Behandlungsterminen mehr bei der Beklagten wahr.
3Unter dem 29. 7. 2008 erstattete Dr. C2 als Kassengutachter ein Gutachten, nach dem der von der Beklagten eingegliederte Zahnersatz frei von Mängeln war. Unter dem 27. 8. 2008 erstattete Dr. T ein Obergutachten. Danach hatten sich die Kronen auf den Zähne 34 und 35 gelöst, die Zähne zeigten kariösen Befall. Die Zwischenräume zwischen den Kronen seien zu stark verschlossen. Die Prothese sei beweglich, rechts bestehe Nonokklusion.
4In der Folge ließ sich die Klägerin bei einer Nachbehandlerin neu versorgen.
5Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe Zahn 44 entfernt, obwohl dafür keine Indikation vorgelegen habe. Bei der Entfernung seien Wurzel- und Zahnreste zurückgeblieben, die erst die Nachbehandlerin später entfernt habe. Rechts liege Nonokklusion vor. Durch die Befestigung der Kronen mit semi-permanentem Zement seien die Zähne 34 und 35 kariös geschädigt worden; die Beklagte habe sie auch nicht auf die Notwendigkeit einer definitiven Eingliederung hingewiesen. Wegen des fehlerhaften Zahnersatzes habe sie über 14 Monate unter Schmerzen gelitten und keine feste Nahrung zu sich nehmen können. Als weitere Folge habe der fehlerhafte Zahnersatz der Beklagten eine Störung des cranio-mandibulären Systems verursacht; sie leide daher unter Nacken- und Schulterschmerzen.
6Neben Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten verlangt die Klägerin ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.064,81 EUR.
7Die Klägerin beantragt,
89
die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 EUR;
10festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der ihr infolge der zahnärztlichen Behandlung in der Zeit vom 12. 11. 2007 bis 30. 11. 2007 entstanden ist und weiterhin entsteht, sofern diese Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind;
11die Beklagte zur Zahlung von 1.064,81 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszins der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte bestreitet einen Behandlungsfehler. Sie behauptet, die Extraktion von Zahn 44 sei erforderlich gewesen, da er kariös zerstört gewesen sei. Sie habe die Klägerin auch auf die Notwendigkeit einer definitiven Eingliederung hingewiesen; dies habe die Klägerin aber abgelehnt. Einen Termin für die feste Eingliederung habe sie erst für Juli 2008 vereinbart, dann aber nicht wahrgenommen. Die von Dr. T festgestellten Mängel ließen sich damit erklären, dass er nur den provisorisch eingegliederten Zahnersatz begutachtet habe.
15Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 7. 12. 2009 (Bl. 45 f. d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. T2 vom 30. 4. 2010 (Bl. 60 ff. d. A.) nebst Ergänzung vom 15. 9. 2010 (Bl. 96 ff. d. A.) verwiesen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht der Nachweis gelungen, dass die Beklagte sie fehlerhaft behandelt hat.
18Der Sachverständige Dr. T2, der der Kammer aus zahlreichen Verfahren als kompetenter zahnärztlicher Sachverständiger bekannt ist, konnte zur Indikation der Entfernung von Zahn 44 keine Aussage treffen; maßgeblich sei insoweit das klinische Bild. Eine OPG-Aufnahme der Beklagten vom 15. 1. 2007 zeige Sekundärkariesbefall. Da aber der Zahn als Bestandteil einer prothetischen Versorgung eingeplant gewesen sei, hätte er nur im Kiefer belassen werden dürfen, wenn die Prognose günstig gewesen sei.
19Dafür, dass nach der Extraktion ein Wurzelrest zurückgeblieben sei, konnte der Sachverständige keine Anzeichen feststellen. Die Beklagte habe lediglich eine einfache Extraktion abgerechnet, auch in den Behandlungs- und Abrechnungsunterlagen der Nachbehandlerin fänden sich keine Hinweise auf die Entfernung eines Wurzelrestes. Diese habe lediglich eine Glättung und Befreiung des knöchernen Prothesenlagers von scharfen Kanten abgerechnet, nicht aber die Entfernung von Wurzelresten oder Zahnsplittern. Auch auf einer Röntgenaufnahme vom 15. 9. 2009 sei weder ein Zahnsplitter noch eine Knochenwunde, die auf die Entfernung eines Wurzelrestes hindeute, zu erkennen.
20Die von Dr. T beschriebenen Mängel seien teilweise auf die provisorische Eingliederung der Kronen zurückzuführen. Jedenfalls hätten sie sich mit relativ geringem Aufwand beseitigen lassen.
21Weiter führte der Sachverständige aus, die Beschwerden, die die Klägerin ihm gegenüber geschildert habe, ließen sich als übliche Anpassungsschwierigkeiten an neuen Zahnersatz interpretieren. Ansätze für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Behandlung durch die Beklagte und Nacken- und Schulterbeschwerden sehe er nicht; insbesondere hätte dann die Eingliederung des neuen Zahnersatzes durch die Nachbehandlerin zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden führen müssen.
22Auf den Einwand der Klägerin, er habe Modelle aus der Praxis der Beklagten nicht ausgewertet, hat der Sachverständige ausgeführt, die Modelle ließen im vorliegenden Fall keine sichere Aussage zu.
23Die Kammer hat keine Bedenken, diese in sich schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Danach ist ein Behandlungsfehler nicht nachgewiesen. Hinsichtlich des angeblichen Wurzelrestes nach der Extraktion von Zahn 44 hat der Sachverständige in seinem Hauptgutachten ein Röntgenbild vom 3. 11. 2007 erwähnt, das ihm aber nicht vorgelegen habe. Die Beklagte weist insoweit darauf hin, dass sie unter diesem Datum lediglich die Abrechnung eines Röntgenbildes nachgeholt habe, das sie tatsächlich bereits am 15. 1. 2007 – also vor der Extraktion des Zahnes – angefertigt habe.
24Soweit die Klägerin die Nachbehandlerin als Zeugin dafür benennt, dass diese einen Wurzelrest entfernt habe, so gibt es nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Behandlungsdokumentation, sowohl der der Beklagten als auch der der Nachbehandlerin, keinerlei Hinweise darauf. Im Übrigen hätte, selbst wenn die Beklagte einen Wurzelrest übersehen haben sollte, dies für die Klägerin keine Folgen gehabt: Besondere Beschwerden für Zahn 44 trägt sie nicht vor, und am 13. 5. 2009 – an dem Datum, an dem der Rest durch die Nachbehandlerin entfernt worden sein soll – stand ohnehin eine Behandlung in Gestalt einer Parodontalbehandlung im dritten Quadranten an.
25Aus den im Gutachten Dr. T beschriebenen Mängeln kann die Klägerin keine Rechte herleiten: Diese hätten sich durch relativ geringen Aufwand beseitigen lassen. Dass für die Klägerin eine Nachbesserung durch die Beklagte unzumutbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Da die Arbeiten an dem herausnehmbaren Zahnersatz durchzuführen gewesen wären, wären damit auch keine besonderen Beeinträchtigungen der Klägerin verbunden gewesen, so dass ein Schmerzensgeld nicht in Betracht kommt. Auch eine Feststellung scheidet aus, nachdem die Klägerin neu versorgt worden ist.
26Soweit die Mängel darauf zurückzuführen sind, dass die Klägerin die Kronen nicht definitiv einzementieren ließ, so bestreitet sie zwar einen entsprechenden Hinweis der Beklagten. Aus der Behandlungskartei der Beklagten lässt sich jedoch entnehmen, dass am 27. 2. 2008 die definitive Eingliederung besprochen worden ist; die Klägerin werde sich in drei Wochen melden und einen Termin vereinbaren. Der Termin wurde dann erst für Juli vereinbart und ohne Begründung nicht wahrgenommen. Dieses Verhalten der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Solange die Klägerin nicht zu erkennen gab, dass sie die definitive Eingliederung ablehnte, sondern diese im Gegenteil von beiden Seiten bereits geplant war, bestand für die Beklagte auch kein Anlass, die Klägerin auf die Folgen hinzuweisen, die eine zu lange provisorische Eingliederung haben konnte. Abgesehen davon, dass der Hinweis auf die beabsichtige definitive Eingliederung durch die Dokumentation der Beklagten bewiesen wird, hat die Klägerin – die für ihren entgegenstehenden Vortrag beweisbelastet ist – insoweit keinen Beweis angetreten.
27Mit Schriftsatz vom 17. 11. 2010 hat die Klägerin weiter vorgetragen und behauptet nunmehr, ein Behandlungsfehler liege darin, dass die Beklagte vor und bei der Behandlung keine funktionsanalytischen Untersuchungen vorgenommen habe.
28Dieser Einwand ist zu spät erhoben worden: Das Ergänzungsgutachten ging der Klägerin am 11. 10. mit einer Stellungnahmefrist von vier Wochen zu, so dass die Frist am 8. 11. ablief. Im Zeitraum bis zum Termin vom 23. 11. konnte die Kammer auch keine ergänzenden Beweiserhebungen mehr veranlassen; eine Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens war schon deshalb nicht möglich, weil dafür im Termin am 23. 11. keine Zeit zur Verfügung gestanden hätte.
29In der Sache ist der Einwand im Übrigen unbegründet: Funktionsanalytische Maßnahmen vor der Behandlung sind erforderlich, wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Sachverständigen Dr. T3 in einem anderen Verfahren ergibt, wenn eine Zahnbehandlung bei bestehender und bekannter CMD-Problematik durchgeführt wird. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte: Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin in der Klageschrift (dort S. 3) traten die entsprechenden Beschwerden seit Mitte 2008 – also nach Abschluss der Behandlung bei der Beklagten – auf; die Klägerin führt sie ja gerade auf die Behandlung durch die Beklagte zurück. Nach der von der Klägerin als Anlage 4 vorgelegten ärztlichen Bescheinigung ihres Orthopäden stellte sie sich sogar erst im April 2009 mit entsprechenden Beschwerden bei ihm vor.
30Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
31Streitwert: 11.000 EUR
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.