Urteil vom Landgericht Köln - 89 O 37/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist durch einen Agenturvertrag vom 14./20.7.2001 seit dem 1.8.2001 als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig. Sie vermittelt für die Beklagte Reisen und verfügt dafür über ein Reisebüro und beschäftigt daneben mehrere Hundert Handelsvertreter. In dem Agenturvertrag heißt es unter Ziffer 4.:
3„Der VP erhält für die Vermittlung eine Provision, die in Anlage 1 dieses Vertrages geregelt ist. Änderungen bleiben LTT mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten vorbehalten …“.
4In der bezüglich des Touristikjahres 2008/2009 (= Geschäftsjahr) aktuellen, als „Anlage 1 zum Agenturvertrag der U Touristik GmbH für den stationären Reisebürovertrieb“ überschriebenen Regelung ist festgelegt, dass die Klägerin von der Beklagten eine Grundprovision in Höhe von 11% des erreichten Umsatzvolumens des laufenden Geschäftsjahres erhält, soweit der Umsatz einen Betrag von 150.000,00 € übersteigt. Zudem ist eine Staffelprovision auf den Gesamtumsatz vereinbart, die bei einem Umsatzvolumen von über 500.000,00 € im Geschäftsjahr 2% betragen sollte.
5Die jeweils aktuelle Anlage, die auch im „Infonet“ genannten Intranet der Beklagten, auf das die Klägerin Zugriff hat, eingestellt ist, versandte die Beklagte zum Beginn jedes Geschäftsjahres an ihre Handelsvertreter und so auch an die Klägerin.
6Mit E-Mail vom 16.5.2006 kündigte die Beklagte der Klägerin eine Änderung der Provisionsregelung für den nichtstationären Betrieb und eine Kündigung der bestehenden Regelungen an.
7Für die Touristikjahre 2006/2007 und 2007/2008 schlossen die Parteien jeweils eine Rahmenvereinbarung, die auf den 31.10.2007 bzw. auf den 31.10.2008 befristet war. In der Präambel dieser beiden Rahmenvereinbarungen heißt es:
8„Diese Vereinbarung ergänzt den zwischen U Touristik und dem Partner bestehenden Agenturvertrag nebst Anlagen.“
9Unter Ziffer II der Rahmenvereinbarungen werden die Konditionen, insbesondere die Höhe der Provisionen geregelt. Es ist jeweils eine Grundprovision in Höhe von 11% vereinbart. In der Rahmenvereinbarung für das Touristikjahr 2006/2007 ist daneben eine gestaffelte Zusatzprovision abhängig vom Umsatz im Verhältnis zum Vorjahresumsatz vereinbart. In der Rahmenvereinbarung für das Touristikjahr 2007/2008 ist eine gestaffelte Zusatzprovision für Umsätze über 4.000.000,00 € (0,50%) und über 4.500.000,00 € (1,00%) vereinbart.
10Bezüglich des hier streitigen Touristikjahres 2008/2009 haben die Parteien über eine gesonderte Vereinbarung verhandelt, ohne dass eine solche letztlich getroffen worden ist.
11Die Klägerin hat im Touristikjahr 2008/2009 einen Umsatz von insgesamt 3.776.443,00 € gegenüber 4.557.670,00 € im Vorjahr für die Beklagte vermittelt. Die Beklagte hat dafür insgesamt 11% Provision zzgl. Mehrwertsteuer an die Klägerin gezahlt.
12Die Klägerin ist bis heute für die Beklagte tätig.
13Die Klägerin ist der Ansicht, dass im Hinblick darauf, dass die letzte Rahmenvereinbarung zum 31.8.2008 ausgelaufen und eine neue Vereinbarung nicht getroffen worden sei, für das Touristikjahr 2008/2009 die im Infonet der Beklagten veröffentlichten und ihr übersandten Provisionsregelungen der Anlage 1zum Agenturvertrag der U Touristik GmbH für den stationären Reisebürovertrieb gelten. Somit stünden ihr noch 2% Provision auf den vermittelten Umsatz von 3.776.443,00 € zu, die sie mit 89.879,58 € brutto berechnet.
14Weiterhin ist sie der Ansicht, dass ihr ein Erstattungsanspruch wegen der aufgewendeten außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.680,10 € gegen die Beklagte zustehe.
15Die Klägerin beantragt,
16die Beklagte zu verurteilen, an sie 91.599,25 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten übe dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2009 aus 89.879,15 € und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.1.2010 aus 1.680,10 € zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich die letzte Rahmenvereinbarung dadurch verlängert habe, dass die Parteien ohne eine neue Regelung zu treffen, die Geschäftsbeziehung einvernehmlich fortgesetzt haben. Die in ihrem Infonet veröffentlichen Regelungen würden schon deshalb nicht eingreifen, da die Klägerin die Vermittlungen nicht über einen stationären Reisebürovertrieb, sondern durch einen Strukturbetrieb vornehme.
Entscheidungsgründe
20Die zulässige Klage ist unbegründet.
21Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf weitere 2% Provision aus dem für die Beklagte vermittelten Umsatz von 3.776.443,00 € in Höhe von brutto 89.879,58 € nicht zu.
22Für die Höhe der Provisionen der Klägerin ist der Agenturvertrag in Verbindung mit der Rahmenvereinbarung vom 31.10.2007 maßgeblich. Zwar ist in dieser Rahmenvereinbarung unter I. 1. ausdrücklich geregelt, dass sie für das Touristikjahr 2007/2008 gültig ist und mit Ablauf des 31.10.2008 endet, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf. Dennoch ist von einer Fortgeltung dieser Rahmenvereinbarung auch für das Touristikjahr 2008/2009 auszugehen.
23Da nach Ablauf der Befristung der Rahmenvereinbarung die Geschäftstätigkeit der Parteien miteinander einvernehmlich fortgeführt worden ist, ist in entsprechender Anwendung von § 89 Abs. 3 HGB von einer Fortgeltung der Rahmenvereinbarung auszugehen.
24Zunächst liegt eine anderweitige Vereinbarung zwischen den Parteien nicht vor. Die zwischen ihnen geführten Verhandlungen bezüglich einer Regelung für das Touristikjahr 2008/2009 haben zu keinem Ergebnis geführt. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass das jeweils letzte Angebot einer der Parteien dadurch, dass sich die andere Seite länger nicht mehr dazu geäußert hat, Vertragsgrundlage geworden ist. Dem Schweigen kommt insoweit kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zu. Insoweit kann auch dahinstehen, ob die Klägerin auf das Angebot der Beklagten vom 18.12.2008 am 19.12.2008 geantwortet hat, bzw. ob die Beklagte die E-Mail der Klägerin vom 19.12.2008 erhalten hat.
25Mit Ablauf der Befristung der Rahmenvereinbarung vom 31.10.2007 ist auch nicht die Regelung zur Provisionshöhe gemäß der aktuellen Anlage 1 zum Agenturvertrag der U Touristik GmbH für den stationären Reisebürovertrieb Grundlage der Zusammenarbeit geworden. Zunächst ist in den Rahmenvereinbarungen nicht ausdrücklich geregelt, dass nach Ablauf der Befristung wieder die aktuelle Anlage 1 zum Agenturvertrag zwischen den Parteien gelten solle. Darüber hinaus gilt Folgendes: Zwar war ursprünglich zwischen den Parteien gemäß Ziffer 4 des Agenturvertrages vereinbart, dass sich die Provisionshöhe nach der jeweils aktuellen Anlage 1 zum Agenturvertrag richtet. Davon haben sich die Parteien aber durch die getroffenen Rahmenvereinbarungen losgesagt. Das ergibt sich aus dem Kontext, in dem diese getroffen worden sind. Der ersten Rahmenvereinbarung vom 15.8.2006 ging die E-Mail der Beklagten vom 16.5.2008 voraus, in dem diese die Klägerin darauf hinweist, dass von ihr für das kommende Touristikjahr eine Provisionsregelung für den nichtstationären Vertrieb angestrebt werde und die Klägerin insoweit mit einer Kündigung des bestehenden Vertrages und dem Angebot einer individuellen Regelung rechnen könne. Davon sah sich die Klägerin auch betroffen, wie sich aus ihrer Reaktion mit E-Mail ebenfalls vom 16.5.2008 ergibt, in der es heißt: „Ich hoffe mal, dass es nicht allzu schlimm wird für uns.“ In der Rahmenvereinbarung selbst sind dann unter „III. Sonstige Vereinbarungen“ Regelungen aufgenommen, die mobile Reiseverkäufer/Mitarbeiter betreffen, während weder in dem Agenturvertrag selbst, noch in der für das Touristikjahr 2008/2009 aktuellen Anlage 1– die beide auf den stationären Vermittlungsbetrieb ausgerichtet sind - Vereinbarungen bezüglich dieser Mitarbeitergruppe enthalten sind. Das spricht aber dafür, dass mit der Rahmenvereinbarung der Absicht der Beklagten, hinsichtlich der nichtstationären Vermittlung eine gesonderte Regelung vorzunehmen, umgesetzt worden ist. Ob daneben auch weitere Umstände mitursächlich für die Rahmenvereinbarung und ihre konkrete Ausgestaltung waren, kann dahinstehen. Dass auch die Klägerin davon ausging, dass mit den Rahmenvereinbarungen eine Regelung für den nichtstationären Vertrieb vereinbart wurde und auch zukünftig eine solche Regelung getroffen werden sollte, ergibt sich auch aus ihrer eigenen E-Mail vom 17.12.2008. Darin führt sie u.a. aus: „Es wäre für uns ein Leichtes die Umsätze auf Reisebüros umzusteuern. Aber wir haben immer fair miteinander gehandelt. Deshalb werden wir das nicht machen.“ Daraus ergibt sich, dass auch die Klägerin davon ausgeht, dass der ursprüngliche Agenturvertrag und die zu diesem gehörenden Anlagen jedenfalls jetzt nicht mehr Grundlage für die Verprovisionierung des Umsatzes aus dem nichtstationären Vertrieb sind. Sie weist nämlich gerade nicht darauf hin, dass ohne eine erneute Vereinbarung die aktuelle Anlage 1 zum Agenturvertrag Gültigkeit habe, sondern zeigt auf, dass sie in der Lage ist, ihren Umsatz so umzusteuern, dass er unter diese Regelung fällt.
26Demgegenüber kommt der Einordnung der Klägerin unter der Rubrik „einzelne Reisebüros“ bei Anschreiben und im Infonet der Beklagten keine besondere Bedeutung zu. Diese lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass der Agenturvertrag als solcher weiter besteht.
27Soweit die Klägerin vorträgt, dass sich an ihrer Struktur von Anfang an nichts geändert habe, steht das nicht entgegen. Aus dem Schreiben vom 16.5.2008 ergibt sich nämlich nur, dass die Beklagte hinsichtlich des nichtstationären Vertriebs eine neue Regelung vereinbaren will, nicht aber, dass durch Veränderung bei der Klägerin eine solche notwendig geworden ist.
28Der Feststellung, dass mit den Rahmenvereinbarungen eine Regelung für den nichtstationären Vertrieb getroffen worden ist, steht auch nicht entgegen, dass die geschlossenen Rahmenvereinbarungen jeweils auf ein Jahr befristet waren. Dies lässt sich zwanglos damit erklären, dass diese – wie das auch zuvor mit der Anlage 1 zum Agenturvertrag geschah – jeweils den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden konnten.
29Aus dem Umstand, dass die bezüglich des Touristikjahres 2008/2009 aktuelle Anlage 1 zum Agenturvertrag ins Infonet der Beklagten eingestellt war, ergibt sich nichts anderes. Insbesondere kann darin kein Angebot an die Klägerin gesehen werden, den Vertrag nur zu diesen Bedingungen fortzusetzen. Insbesondere richtet sich diese Einstellung nicht gezielt an die Klägerin. Vielmehr ist in der Einstellung ins Infonet lediglich eine Information aller Handelsvertreter der Beklagten, die darauf Zugriff haben, zu sehen.
30Auch aus der Übersendung der für das Touristikjahr 2008/2009 maßgeblichen Anlage 1 zum Agenturvertrag vor Beginn des Touristikjahres an die Klägerin ergibt sich nichts anderes. Auch in den Geschäftsjahren, für die eine Rahmenvereinbarung getroffen worden ist, wurde die entsprechende aktuelle Anlage 1 zum Agenturvertrag an die Klägerin übersandt. Zudem befanden sich die Parteien in Verhandlungen über konkrete Bedingungen, die jedenfalls den Regelungen der Anlage 1 zum Agenturvertrag nicht entsprachen. Somit konnte die Klägerin die Übersendung der Anlage 1 nicht als Angebot ansehen. Selbst wenn man darin aber ein Angebot sehen wollte, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Klägerin dieses Angebot angenommen hat.
31Nach alledem haben die Parteien das Vertragsverhältnis fortgesetzt, ohne dass Vereinbarungen zur Provisionshöhe getroffen waren.
32Der Anwendung des § 89 Abs. 3 HGB steht auch nicht entgegen, dass hier nicht der Vertrag selbst befristet war, sondern nur die besonderen Vereinbarungen, insbesondere bezüglich der Provisionen, die in der jeweiligen Rahmenvereinbarung geregelt sind. Nach Sinn und Zweck der Norm ist der Rechtsgedanke des § 89 Abs. 3 HGB aber auf diesen Fall entsprechend anzuwenden. Zweck des § 89 Abs. 3 HGB ist es, bei einer Fortsetzung des an sich aufgrund der zeitlichen Befristung beendeten Vertragsverhältnisses, den Vertragsparteien Rechtssicherheit zu geben, auf welcher Grundlage diese Fortsetzung erfolgt. Dieser Grundsatz erlangt aber auch im hier vorliegenden Fall Bedeutung. In den Rahmenvereinbarungen wird zum einen die Provisionshöhe festgelegt, zum anderen finden sich – wie oben ausgeführt – darin Regelungen betreffend die mobilen Mitarbeiter. Gerade die Schaffung von besonderen Regelungen bezüglich des nichtstationären Vertriebs war – wie oben ausgeführt - Grund für den Abschluss der Rahmenvereinbarungen. Damit handelt es sich bei den in der Rahmenvereinbarung vom 31.10.2007 getroffenen Regelungen um ganz wesentliche Bestimmungen im Rahmen des Vertragsverhältnisses der Parteien. Für diese ist der Rechtsgedanke, der der Regelung des § 89 Abs. 3 HGB zugrunde liegt, aufgrund der vergleichbaren Interessenlage in gleichem Maße von Bedeutung.
33Soweit die Klägerin hilfsweise für den Fall, dass von einer Geltung der aktuellen Anlage 1 zum Agenturvertrag nicht auszugehen ist, darauf abstellt, dass mangels konkreter Vereinbarung die übliche Provision zu zahlen ist, kann dem nach der hier vertretenen Auffassung nicht gefolgt werden, da aufgrund der Weitergeltung der Rahmenvereinbarung vom 31.10.2007 eine Regelung gegeben ist.
34Aus der Rahmenvereinbarung vom 31.10.2007 ergibt sich kein weiterer Provisionsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte, da ein Umsatzvolumen über 4.000.000,00 €, bei dem eine Zusatzprovision zu zahlen wäre, unstreitig von der Klägerin nicht erreicht worden ist.
35Nach alledem besteht der geltend gemachte Anspruch nicht. Somit kommen auch ein Zinsanspruch und ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten nicht in Betracht.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
37Streitwert: 89.879,58 €
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