Urteil vom Landgericht Köln - 28 O 29/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger zu 2), der Geschäftsführer der Klägerin zu 1) ist, ist Psychophysiognomiker. Er will anhand der Physiognomie des menschlichen Schädels Persönlichkeitsmerkmale und Charaktereigenschaften eines Menschen erkennen. Hierzu will er ein wissenschaftliches System entwickelt haben, an dem er der Klägerin zu 1) die Verwertungsrechte eingeräumt habe. Mit diesem System wenden sich die Kläger in erster Linie an die Personalabteilungen von Unternehmen, die mit dessen Hilfe erkennen können sollen, ob ein Bewerber für die Besetzung einer bestimmten Stelle geeignet ist.
3Im Jahr 2002 hatte die Klägerin zu 1), die seinerzeit noch unter „R System GmbH“ firmierte, angedacht, das System wissenschaftlich überprüfen zu lassen und sich deshalb an den Beklagten zu 1) gewandt, der das Institut für Managementpsychologie an der Universität K leitet. Dieser unterbreitete mit Schreiben vom 09.09.2002 ein entsprechendes Angebot, das „in Vorbereitung auf eine möglicherweise später mit Ihnen separat zu vereinbarende wissenschaftliche Überprüfung Ihres diagnostischen Systems“ vorsah, „erste Datenerhebungen zur Validierung Ihres Systems vorzubereiten und nach Möglichkeit durchzuführen“. Zudem bot der Beklagte zu 1) die Unterstützung „bei der Suche nach international anerkannten Experten für die Beteiligung an einer gemeinsamen wissenschaftlichen Überprüfung Ihres Systems“ an. Wörtlich hieß es im Weiteren:
4„Dieses Angebot schließt ausdrücklich die Vereinbarung eines Forschungsprojektes zur Validierung Ihres Systems nicht ein. Beide Parteien bewahren bis zur Vereinbarung eines solchen Projektes den Medien gegenüber Stillschweigen über eine Zusammenarbeit.“
5Wegen der Einzelheiten des Angebotes wird auf das als Anlage 1 zur Klageschrift zur Akte gereichte Schreiben vom 09.09.2002 verwiesen (Bl. 10 d.A.).
6Dieses Angebot nahm die Klägerin zu 1) an. Der Beklagte zu 1) rechnete hierüber am 02.11.2002 vollständig ab. Am 09.12.2002 wurde dann das avisierte Forschungsprojekt vereinbart, an dem auch Prof. Dr. T3 vom Institut für Management Diagnostik in C beteiligt wurde. Im Rahmen dieser Beziehungen wurden dem Kläger zu 2) u.a. etwa 60 Fotos von Probanden gezeigt, die dieser bewerten sollte. Die Parteien streiten insoweit darüber, ob dies noch Teil der dem Angebot vom 09.09.2002 unterliegenden Vorbereitungshandlungen oder Teil des später vereinbarten Forschungsprojektes war.
7Die Methode der Kläger sieht sich einiger Kritik ausgesetzt. U.a. hat auch die Beklagte zu 2), eine Publizistin, sich in diversen Veröffentlichungen zwischen den Jahren 2006 – 2008 mit der Methode und dem Kläger zu 2) auseinandergesetzt. So heißt es in einem Artikel „Lange Nase, spitzes Kinn, schon ist der Bewerber drin“, der in der Zeitschrift „CASH“ vom 22.02.2007 erschienen ist:
8„Auch Rs Fähigkeiten hielten bisher keiner einzigen empirischen Überprüfung stand. F, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität K, testete zusammen mit T3 die diagnostische Kompetenz von R, indem sie ihm 60 Fotos von Personen vorlegten und seine Beurteilungen mit den Ergebnissen eines wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests verglichen. Fs Fazit: „Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“ T3 ist noch deutlicher: „Rs Behauptungen sind kompletter Unsinn.““
9Wegen der Einzelheiten des Artikels wird auf Bl. 47 d.A. verwiesen.
10In einem Artikel in der Zeitschrift „Psychologie Heute“ vom März 2008 unter der Überschrift „Geheimsystem der Menschenkenntnis“ heißt es u.a.:
11„Auch Rs Fähigkeiten hielten bisher keiner empirischen Überprüfung stand. So testete F, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität K, gemeinsam mit seinem Doktorvater T3 die diagnostische Kompetenz des Physiognomikers. Dazu legten sie ihm rund 60 Fotos von Personen vor. Gleichzeitig machten diese Personen den wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstest NEO-FFI, der die sogenannten Big Five – also die fünf wesentlichen Perönlichkeitsmerkmale wie beispielsweise Extraversion und Gewissenhaftigkeit – misst. R bekam eine Beschreibung der Big Five und interpretierte die Gesichter dann anhand seines Systems. Fs Fazit: „Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“ T3 wird noch deutlicher: „Rs Behauptungen sind nicht haltbar. Das ist kompletter Unsinn.““
12Wegen der Einzelheiten des Artikels wird auf Bl. 14 d.A. verwiesen.
13Gegen diese Darstellung wenden sich die Kläger und begehren Unterlassung, Auskunft, Erstattung der Abmahnkosten und Feststellung der Schadensersatzpflicht. Sie meinen, der Beklagte zu 1) hafte der Klägerin zu 1) gegenüber bereits deshalb, weil er gegen die in dem Angebot vom 09.09.2002 ausdrücklich vorgesehen Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen habe. Im Übrigen folgten die Ansprüche beider Kläger gegenüber beiden Beklagten aber auch aus Deliktsrecht, denn bei den angegriffenen Äußerungen handele es sich um unwahre und kreditgefährdende Tatsachenbehauptungen. Unzutreffend sei bereits, dass die „Fähigkeiten“ oder „Kompetenz“ des Klägers zu 2) untersucht worden seien; es gehe nicht um seine Fähigkeiten, sondern um das von ihm entwickelte System. Es sei auch nicht zutreffend, daß der Kläger zu 2) bzw. sein System getestet worden seien; es seien lediglich Vorbereitungsarbeiten dazu getroffen worden, das System der Kläger zu untersuchen. Die Formulierung „Rs Fähigkeiten hielten bislang keiner einzigen empirischen Überprüfung stand“, erwecke zudem den unzutreffenden Eindruck als habe bereits es bereits eine erhebliche Anzahl empirischer Überprüfungen gegeben, durch die die Untauglichkeit des klägerischen Systems belegt sei. Tatsächlich sei keine einzige solche Untersuchung bekannt.
14Mit Schreiben vom 26.06.2009 ließen die Kläger den Beklagten zu 1) anwaltlich abmahmen und forderten ihn unter Fristsetzung bis zum 10.07.2009 erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zum Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von EUR 200.000,00 zuzüglich Auslagenpauschale auf. Mit gleichem Inhalt ließen die Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 23.12.2010 schließlich auch die Beklagte zu 2) unter Fristsetzung bis zum 29.12.2010 erfolglos abmahnen.
15Die Kläger haben die Klage zunächst gegen den Beklagten zu 1) gerichtet und sodann auf die Beklagte zu 2) erweitert. Sie beantragen zuletzt,
161. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, es zu unterlassen, die nachfolgenden Äußerungen zu tätigen oder verbreiten zu lassen:
17Auch Rs Fähigkeiten hielten bisher keiner einzigen empirischen Überprüfung stand. So testete F, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität K, gemeinsam mit seinem Doktorvater T3 die diagnostische Kompetenz von R, indem sie ihm 60 Fotos von Personen vorlegten und seine Beurteilungen mit den Ergebnissen eines wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests verglichen. Fs Fazit: „Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“.
18hilfsweise
19den Beklagten zu 1) zu verurteilen, es zu unterlassen, durch die Äußerung:
20Auch Rs Fähigkeiten hielten bisher keiner einzigen empirischen Überprüfung stand. So testete F, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität K, gemeinsam mit seinem Doktorvater T3 die diagnostische Kompetenz von R, indem sie ihm 60 Fotos von Personen vorlegten und seine Beurteilungen mit den Ergebnissen eines wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests verglichen. Fs Fazit: „Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“.
21den Eindruck zu erwecken, es habe mehrere empirische Überprüfungen gegeben.
222. dem Beklagten zu 1) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung nach Ziffer 1 ein vom Gericht festzusetzendes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren) anzudrohen;
233. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.744,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.07.2009 zu zahlen;
244. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, den Klägern sämtlichen über Ziffer 3 hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der diesen infolge der Äußerungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist oder noch entstehen wird;
255. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, den Klägern Auskunft zu erteilen, wann, in welchem Umfang und wem gegenüber er Äußerungen gemäß Ziffer 1 getätigt hat und wann, über welches Medium, mit welcher Auflage solche Äußerungen verbreitet wurden;
266. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, es zu unterlassen, die nachfolgenden Äußerungen zu verbreiten oder verbreiten zu lassen:
27Auch Rs Fähigkeiten hielten bisher keiner einzigen empirischen Überprüfung stand. So testete F, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität K, gemeinsam mit seinem Doktorvater T3 die diagnostische Kompetenz von R, indem sie ihm 60 Fotos von Personen vorlegten und seine Beurteilungen mit den Ergebnissen eines wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests verglichen. Fs Fazit: „Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“.
28hilfsweise
29die Beklagte zu 2) zu verurteilen, es zu unterlassen, durch die Äußerung:
30Auch Rs Fähigkeiten hielten bisher keiner einzigen empirischen Überprüfung stand. So testete F, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität K, gemeinsam mit seinem Doktorvater T3 die diagnostische Kompetenz von R, indem sie ihm 60 Fotos von Personen vorlegten und seine Beurteilungen mit den Ergebnissen eines wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests verglichen. Fs Fazit: „Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“.
31den Eindruck zu erwecken, es habe mehrere empirische Überprüfungen gegeben.
327. der Beklagten zu 2) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung nach Ziffer 1 ein vom Gericht festzusetzendes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren) anzudrohen;
338. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.744,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.12.2010 zu zahlen;
349. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Klägern sämtlichen über Ziffer 8 hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der diesen infolge der Äußerungen gemäß Ziffer 6 entstanden ist oder noch entstehen wird;
3510. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Klägern Auskunft zu erteilen, wann, in welchem Umfang und wem gegenüber sie Äußerungen gemäß Ziffer 6 getätigt hat und wann, über welches Medium, mit welcher Auflage solche Äußerungen unter ihrem Namen oder in ihrem Auftrag verbreitet wurden.
36Die Beklagten beantragen,
37die Klage abzuweisen.
38Der Beklagte zu 1) bestreitet bereits, die angegriffenen Äußerungen getätigt zu haben. Weiterhin bestreitet er, daß die Klägerin zu 1) Rechtsnachfolgerin der R System GmbH und damit Vertragspartnerin aufgrund des Angebotes vom 09.09.2002 sei; überdies habe die dort vereinbarte Verschwiegenheitsverpflichtung nur einseitig zu Lasten der R System GmbH gelten sollen, um seine wissenschaftliche Reputation nicht zu gefährden. Abgesehen davon unterfielen die Äußerungen auch deshalb nicht einer etwaigen Verschwiegenheitsverpflichtung, weil sie bereits dem anschließenden Forschungsprojekt zuzuordnen seien.
39Beide Beklagten halten die Klageerweiterung für unzulässig. Es sei zum einen nicht erkennbar, dass es sich bei der Person, die den Klageerweiterungsschriftsatz für den Prozeßbevollmächtigten der Kläger unterschrieben habe, um eine zugelassene Rechtsanwältin handele; zum anderen sei die Klageerweiterung auch nicht sachdienlich.
40In der Sache sind die Beklagten der Auffassung, die Klägerin zu 1) sei durch die Äußerungen schon nicht betroffen und deshalb nicht aktivlegitimiert. Die Äußerungen enthielten überdies schon deshalb keine unwahren Tatsachenbehauptungen, da das angebliche System der Kläger nicht existiere und deshalb weder das System noch Berichte darüber dem Beweise zugänglich seien und deshalb bloße Meinungsäußerungen seien. Aber auch soweit man sie als Tatsachenbehauptung einordnen wollte, seien die Äußerungen zutreffend, denn tatsächlich habe bislang keine einzige wissenschaftliche Überprüfung des angeblichen Systems stattgefunden und dieses mithin auch keiner einzigen Untersuchung standgehalten. Dies ergebe sich überdies auch aus dem Zusammenhang, indem darauf verwiesen werde, daß der Beklagte zu 1) dem Kläger zu 2) 60 Fotos zur Beurteilung vorgelegt habe. Bei dem abschließenden Fazit handele es sich ohnehin um eine freie wissenschaftliche Meinungsäußerung.
41Schließlich scheiterten sämtliche Ansprüche aber auch daran, dass Verjährung eingetreten sei; zumindest seien die Ansprüche verwirkt.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
43Entscheidungsgründe
44Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
45I.
46Die Klage ist zulässig.
47Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln, die in Hinblick auf den für die deliktischen Ansprüche geltenden § 32 ZPO ohnehin nur hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche zweifelhaft gewesen ist, bedarf keiner weiteren Erörterung, nachdem der Beklagte zu 1), die von ihm erhobene Rüge nicht weiter aufrechterhält.
48Auch an der Wirksamkeit der Klageerweiterung auf die Beklagte zu 2) bestehen keine Bedenken. Der Klageerweiterungsschriftsatz ist ordnungsgemäß unterzeichnet worden; der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat insoweit dargetan, daß die Unterzeichnerin dieses Schriftsatzes zugelassene Rechtsanwältin ist. Die Klageerweiterung auf die Beklagte zu 2) ist auch zulässig; es handelt sich zumindest um eine sachdienliche objektive und subjektive Klagehäufung. Der zugrunde liegende Sachverhalt ist identisch.
49II.
50Die Klage ist jedoch unbegründet. Den Klägern stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche weder aus Vertragsrecht noch aus Deliktsrecht zu. Damit ist auch kein Raum für die hieran anknüpfenden weiterhin geltend gemachten Annexansprüche.
511. Ansprüche aufgrund einer Verletzung etwaiger vertraglicher Verschwiegenheitspflichten bestehen nicht.
52a) Soweit sich die Kläger auf die Verletzung einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht berufen, könnten daraus resultierende Ansprüche von vornherein nur im Verhältnis zwischen der Klägerin zu 1) als Rechtsnachfolgerin der R System GmbH und dem Beklagten zu 1) bestehen, der seine Leistungen dieser gegenüber angeboten hat. Insoweit wäre die Klägerin zu 1) auch grundsätzlich aktivlegitimiert. Ausweislich der zur Akte gereichten Handelsregisterauszüge (Anlage LLR 8, Bl. 132ff d.A.) handelt es sich um dieselbe Gesellschaft, die nach Umfirmierung und Sitzverlegung von Langenhagen nunmehr unter der Firma J GmbH in Düsseldorf anhängig ist und beim Amtsgericht Düsseldorf unter der Registernummer HRB #### geführt wird. Dies ergibt sich aus dem Verweis in Spalte 6 des Registerauszuges Bl. 132 d.A.
53b) Allerdings bestehen in der Sache vertragliche Ansprüche aus § 280 BGB nicht. Die Verschwiegenheitsverpflichtung umfaßt die streitgegenständlichen Äußerungen nicht.
54aa) Die Kammer geht insoweit zwar im Ausgangspunkt zunächst davon aus, daß sich der Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) auf der Basis des Angebotes vom 09.09.2002 vertraglich verpflichtet hat, gegenüber den Medien Stillschweigen über eine Zusammenarbeit zu bewahren.
55Soweit sich der Beklagte zu 1 in diesem Zusammenhang darauf beruft, daß es ihm vorrangig darum gegangen sei, seinen wissenschaftlichen Ruf nicht zu beschädigen, wenn sich der Kläger auf ihn bezieht, verfängt dies nicht. Eine lediglich einseitige Verpflichtung der Klägerin zu 1) ist schon deshalb nicht anzunehmen, da es ausdrücklich heißt, „Beide Parteien“ bewahren Stillschweigen.
56Die Verschwiegenheitsverpflichtung betrifft auch nicht nur den Umstand einer Zusammenarbeit, sondern auch deren Ergebnisse. Zwar betrifft das „Stillschweigen“ nach der Formulierung eine „Zusammenarbeit“. Über eine geplante oder tatsächliche Zusammenarbeit wird indes nicht berichtet. Die Erklärungen befassen sich lediglich mit dem Ergebnis von Untersuchungen. Nach Auffassung der Kammer sind allerdings auch diese von der Verschwiegenheitsverpflichtung umfaßt, soweit sie aus der „Zusammenarbeit“ gewonnen wurden. Dies ist bereits vor dem Hintergrund des von dem Beklagten zu 1) selbst angeführten Zwecks anzunehmen: denn wenn danach der Beklagte nicht gewollt hat, daß sich der Kläger zum Beleg seiner Methode auf ihn beruft, gilt dies nach Auffassung der Kammer auch umgekehrt dahingehend, daß der Beklagte keine Erkenntnisse zur Widerlegung der Methode verbreiten darf, die ihm aus just diesem Vertragsverhältnis bekannt geworden sind.
57Soweit der Beklagte zu 1) in diesem Zusammenhang dartut, die Äußerungen bezögen sich auf Erkenntnisse, die im Rahmen des anschließenden Forschungsprojektes gewonnen worden seien und deshalb nicht der Verschwiegenheitsverpflichtung aus dem Angebot vom 09.09.2002 unterfielen, ist dieser Umstand zwischen den Parteien streitig und verhilft dem Beklagten daher nicht. Letztlich kann dies aber aus den nachstehenden Erwägungen auch offenbleiben.
58bb) Denn in dem Angebot vom 09.09.2002, auf das sich die Klägerin zu 1) zur Begründung der Verschwiegenheitsverpflichtung beruft, heißt es
59„Dieses Angebot schließt ausdrücklich die Vereinbarung eines Forschungsprojektes zur Validierung Ihres Systems nicht ein. Beide Parteien bewahren bis zur Vereinbarung eines solchen Projektes den Medien gegenüber Stillschweigen über eine Zusammenarbeit.“
60Aus dieser Formulierung folgt, daß die Verschwiegenheitsverpflichtung nur solange und soweit gelten sollte, als es nicht zu der Vereinbarung eines an die unter dem 09.09.2002 angebotenen Vorbereitungshandlungen anschließenden Forschungsprojektes zur Validierung des Systems der Kläger kommen sollte. Die Verschwiegenheitsverpflichtung war danach befristet bis zu einer bzw. auflösend bedingt auf eine Vereinbarung eines entsprechenden Forschungsprojektes. Eine solche Vereinbarung ist nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag indes unter dem 09.12.2002 erfolgt. Damit aber entfiel die Wirkung der Verschwiegenheitserklärung: beide Parteien durften ab diesem Zeitpunkt über die Zusammenarbeit berichten – die Kläger hätten werblich einsetzen können, dass sie ihr System durch den Beklagten zu 1) wissenschaftlich überprüfen ließen und der Beklagte zu 1) durfte seinerseits die Ergebnisse dieser Prüfung wissenschaftlich verwerten und in den wissenschaftlichen Diskurs einbringen. Dies betraf nicht nur Ergebnisse und Erkenntnisse, die ab diesem Zeitpunkt zutage getreten waren, sondern schon nach der Formulierung die gesamte Zusammenarbeit der Parteien und damit auch Ergebnisse, die schon im Rahmen der aufgrund des Angebotes vom 09.09.2002 erbrachten Vorbereitungshandlungen gewonnen worden sind. Es ist daher für die Entscheidung unerheblich, ob die in den angegriffenen Äußerungen erwähnte Vorlage der Fotografien Teil der Vorbereitungshandlungen oder Teil des Forschungsprojektes war.
612. Die angegriffenen Äußerungen greifen weiterhin weder in das allgemeine (Unternehmens-) Persönlichkeitsrecht der Kläger ein (§§ 823, 1004, Art. 1, 2 GG) noch stellen sie sich als kreditgefährdend (§ 824 BGB) bzw. als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 BGB) dar.
62Im Einzelnen gilt Folgendes:
63a) Zur Geltendmachung solcher Ansprüche wären im Ausgangspunkt beide Kläger befugt. Die Kläger stützen sich darauf, daß ihr System zur Persönlichkeitserfassung unter Mitteilung falscher Tatsachen kritisiert werde. Davon ist zum einen die Klägerin zu 1) als diejenige betroffen, die die wirtschaftliche Verwertung des Geschäftsmodells vornimmt. Deshalb ist es unerheblich, ob sie namentlich benannt ist. Es ist aber auch der Kläger zu 2) als derjenige betroffen, der das Geschäftsmodell entwickelt und der Klägerin zu 1) zur Auswertung überlassen hat. Er profitiert hiervon wirtschaftlich, wird aber überdies auch persönlich mit dem System verbunden. Dies zeigt sich auch daran, daß die Artikel ihn persönlich benennen, was bereits alleine seine Aktivlegitimation begründet.
64b) Der Beklagte zu 1) ist jedoch bereits von vorneherein nur in beschränktem Maße passivlegitimiert. Die angegriffenen Äußerungen stammen aus Artikeln der Beklagten zu 2). Unmittelbar dem Beklagten zu 1) kann deshalb nur das Zitat
65„Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“
66zugeschrieben werden. Hierbei handelt es sich aber um eine zulässige Schlußfolgerung und wissenschaftliche Meinungsäußerung, derentwegen ein Unterlassungsanspruch nicht in Betracht kommt.
67Die übrigen Ausführungen mögen zwar Tatsachenbehauptungen sein; sie können dem Beklagten indes nicht ohne Weiteres zugeschrieben werden, da sie Teil eines von der Beklagten zu 2) verfaßten redaktionellen Artikels sind. Daß der Beklagte zu 1), dasjenige, was hier zur Unterlassung begehrt wird, so geäußert hat, haben die Kläger nicht dargetan. Der Vortrag der Kläger hierzu und der entsprechende Beweisantritt ist als Ausforschung unzulässig (Bl. 129).
68So ist schon nicht dargetan, daß der Beklagte zu 1) geäußert haben soll
69„Auch Rs Fähigkeiten hielten bisher keiner empirischen Überprüfung stand.“
70Dies drängt sich auch nicht aus den Umständen auf. Im Gegenteil handelt es sich danach eher um eine Äußerung der Beklagten zu 2), da der Beklagte zu 1) erst im folgendem zum Beleg dieser These angeführt wird. Ob er in diesem Zusammenhang dann gegenüber der Beklagten zu 2) geäußert hat, daß man dem Kläger zu 2) 60 Fotos vorgelegt habe, ist ebenfalls nicht eindeutig; zwar sind dies Informationen, die aus dem Auftragsverhältnis mit der Klägerin zu 1) stammen; dies rechtfertigt für sich betrachtet gleichwohl nicht zwingend den Schluß, daß die Beklagte zu 2) diese Informationen von dem Beklagten zu 1) hat; genauso gut könnten diese von dem weiterhin zitierten Professor T3 oder sonstigen Personen stammen. Im Übrigen ist diese Aussage unstreitig zutreffend und schon deshalb nicht deliktsrechtlich verbotsfähig.
71Gleiches gilt im Ergebnis für die weitere Aussage, daß Rs „Beurteilungen mit den Ergebnissen eines wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests verglichen“ worden seien; auch diesbezüglich ist nicht dargetan, dass dies tatsächlich von dem Beklagten zu 1) gegenüber der Beklagten zu 2) geäußert worden ist. Überdies haben die beweispflichtigen Kläger nicht dargelegt, dass diese Äußerung unwahr sei.
72b) Die Beklagte zu 2) ist vollumfänglich passivlegitimiert. Allerdings verletzen die Äußerungen die Kläger nicht rechtswidrig in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, noch sind sie kreditgefährdend oder greifen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Es handelt sich vielmehr um wahre Tatsachenbehauptungen sowie zulässige Meinungsäußerungen im wissenschaftlichen Diskurs. Im Einzelnen gilt Folgendes:
73aa) Die Aussage
74„Auch Rs Fähigkeiten hielten bisher keiner einzigen empirischen Überprüfung stand.“
75ist für sich betrachtet zutreffend. Die Kläger selbst gestehen zu, daß ihr System nach ihrer Kenntnis bislang nicht empirisch untersucht worden sei. Entsprechend kann es einer solchen Überprüfung auch nicht standgehalten haben.
76Zwar kann der Aussageinhalt bei Betrachtung der Aussage in Alleinstellung nicht nur so verstanden werden, daß das System bislang wissenschaftlich nicht belegt sei, sondern auch dahingehend, es hätten bereits empirische Untersuchungen stattgefunden, die die Funktionsfähigkeit des Systems widerlegt hätten. Die Betrachtung in Alleinstellung verbietet sich jedoch. Die Aussage ist in ihrem Äußerungszusammenhang zu beurteilen. In diesem aber wird eine mögliche Mehrdeutigkeit aufgelöst. So heißt es im Anschluß entweder:
77„F, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität K, testete zusammen mit T3 die diagnostische Kompetenz von R, indem sie ihm 60 Fotos von Personen vorlegten und seine Beurteilungen mit den Ergebnissen eines wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests verglichen. Fs Fazit: „Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“ T3 ist noch deutlicher: „Rs Behauptungen sind kompletter Unsinn.““
78oder
79„So testete F, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität K, gemeinsam mit seinem Dotorvater T3 die diagnostische Kompetenz des Physiognomikers. Dazu legten sie ihm rund 60 Fotos von Personen vor. Gleichzeitig machten diese Personen den wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstest NEO-FFI, der die sogenannten Big Five – also die fünf wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale wie beispielsweise Extraversion und Gewissenhaftigkeit – misst. R bekam eine Beschreibung der Big Five und interpretierte die Gesichter dann anhand seines Systems. Fs Fazit: „Die Analyse konnte nicht belegen, dass Rs System etwas erfaßt, was wir unter Persönlichkeitsmerkmal verstehen.“ T3 wird noch deutlicher: „Rs Behauptungen sind nicht haltbar. Das ist kompletter Unsinn.““
80Mit diesen Zusätzen wird der erste Satz unmittelbar und für den Leser erkennbar auf den nachfolgend dargestellten Test bezogen. Der erste Satz stellt sich in diesem Zusammenhang letztlich als wertende Zusammenfassung dar und erhält im Angesicht der folgenden Sätze überdies das Gepräge einer Meinungsäußerung.
81bb) Soweit mitgeteilt wird, daß man dem Kläger zu 2) 60 Fotos vorgelegt habe, trifft dies zu.
82cc) Der Satzteil „und seine Beurteilungen mit den Ergebnissen eines wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests verglichen.“ trifft ebenfalls zu. Das ergibt sich aus der als Anlage B2 vorgelegten Studie (Bl. 88 d.A.). Zwar mag diese erst nach den hier streitigen Veröffentlichungen veröffentlicht worden sein. Sie bezieht sich aber auf die Untersuchungen aus dem Jahr 2002. Die Beurteilungen des Klägers zu 2) wurden also tatsächlich mit den Ergebnissen des NEO-FFI-Tests verglichen.
83dd) Soweit die Kläger sich gegen die Aussage wenden „So testete“ mit der Begründung, ein Test habe nicht stattgefunden, so ist dies als zulässige Bewertung dessen zu qualifizieren, was im Jahr 2002 zwischen dem Kläger zu 2) und dem Beklagten zu 1) erfolgt ist.
84ee) Das abschließende Zitat stellt eine zulässige Meinungsäußerung im wissenschaftlichen Diskurs dar.
85III.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.
87IV.
88Streitwert: EUR 120.000,00
89Bei der Bemessung des Streitwertes hat die Kammer berücksichtigt, dass Kläger keine konkreten Darlegungen tätigen, dass der von ihnen angegebene Streitwert, angesichts der potentiellen Eingriffsfolgen angemessen wäre. Es handelt sich überdies um Aussagen, die in einen wissenschaftlichen Diskurs eingebettet sind. Angesichts dessen ist nach Auffassung der Kammer für die Unterlassung ein Streitwert von je EUR 25.000,00 bezogen auf jeden Kläger und jeden Beklagten und für die Annexe von je EUR 10.000,00 bezogen auf jeden Beklagten angemessen, mithin in der Summe EUR 120.000,00.
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