Urteil vom Landgericht Köln - 20 O 68/09
Tenor
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Euskirchen
vom 14.01.2009 (Aktenzeichen 08-6726987) wird in Höhe von
1.209,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
04.12.2008 aufrechterhalten.
Im Übrigen wird er aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Mahnverfahrens. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 89 % und der Beklagte zu 11 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Rückstände aus Energie- und Wasserlieferungen der Klägerin an den Beklagten.
3Der Beklagte bewohnte ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 150 m² und bezog von der Klägerin als regionalem Energieversorger seit dem 16.11.2001 und bis zu seinem Auszug am 31.07.2008 Strom, Gas und Wasser. Den entsprechenden Energie- und Wasserlieferungsverträgen lagen im streitgegenständlichen Zeitraum die StromGVV, GasGVV und AVBWasserV nebst den dazugehörigen ergänzenden Bedingungen der Klägerin zugrunde.
4Am 16.08.2007 wurde der Gaszähler in dem Wohngebäude durch einen neuen Zähler ausgetauscht.
5Mit Rechnung vom 20.06.2008 rechnete die Klägerin für den Zeitraum vom 05.10.2006 bis zum 05.10.2007 gegenüber dem Beklagten ab. Für die Rechnung über 10.117,90 € ergab sich abzüglich der bereits geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von 990,00 € ein noch offener Restbetrag in Höhe von 9.127,90 €, der von dem Beklagten nicht beglichen wurde. Maßgeblich für den hohen Rechnungsbetrag war ein in der Abrechnung ausgewiesener Gasverbrauch von 159.150 kWh, der für sich allein einen Betrag von 9.513,12 € ausmachte.
6Mit Rechnung vom 13.08.2008 rechnete die Klägerin ihre Energie- und Wasserlieferungen für den Folgezeitraum vom 06.10.2007 bis zum 31.07.2008 ab. Für diesen Zeitraum – in dem der Beklagte keine Abschläge leistete – ergab sich ein noch offener Betrag in Höhe von 1.675,74 €, auf den der Beklagte keine Zahlungen erbrachte.
7Mehrere Mahnungen und ein Inkassoversuch durch den Außendienst der Klägerin blieben erfolglos.
8Die Klägerin behauptet, der hohe Gasverbrauch im Zeitraum 05.10.2006 bis 05.10.2007 ergebe sich aus wahrscheinlich fehlerhaften Ablesungen in der Vergangenheit. So habe der Beklagte selbst die Zählerstände abgelesen und dabei häufig unplausibel niedrige Stände mitgeteilt. Der hohe Zählerstand beruhe auf der im Zuge des Wechsels des Gaszählers erstmalig von der Klägerin selbst vorgenommenen Ablesung.
9Die Klägerin hat bezüglich der offenen Beträge für die Lieferung von Strom, Wasser und Erdgas sowie pauschalierte Kosten für Mahnungen und einen Inkassoversuch am 02.12.2008 beim Amtsgericht Euskirchen einen Mahnbescheid beantragt, der am 04.12.2008 zugestellt wurde, und hat anschließend einen entsprechenden Vollstreckungsbescheid erwirkt, der am 14.01.2009 erlassen und dem Beklagten am 16.01.2009 zugestellt wurde. Gegen diesen Vollstreckungsbescheid hat der Beklagte mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 21.01.2009, bei Gericht eingegangen am 22.01.2009, Einspruch eingelegt und diesen mit Schriftsatz vom 16.03.2009 begründet.
10Die Klägerin beantragt,
11den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Euskirchen vom 12.01.2009, dem Beklagten zugestellt am 14.01.2009, Az: 08-6726987-0-8, aufrecht zu erhalten.
12Der Beklagte beantragt,
13den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
14Er bestreitet die Zählerstände und den jeweils berechneten Verbrauch von Strom, Gas und Wasser. Hinsichtlich des enormen Gasverbrauchs vermutet er, dass der ausgetauschte Zähler defekt sei.
15Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 28.09.2009 (Bl. 51 d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen H (Bl. 71 ff. d.A.) verwiesen.
16Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2009 (Bl. 36 ff. d.A.) und vom 11.07.2009 (Bl. 99 ff. d.A.) Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist nur in dem tenorierten Umfang begründet.
19I.) Der gemäß §§ 700, 338 ZPO statthafte Einspruch gegen den laut Zustellungsurkunde am 16.01.2009 zugestellten Vollstreckungsbescheid wurde am 22.01.2009 form- und fristgerecht im Sinne der §§ 339, 340 ZPO eingelegt.
20II.) Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.169,53 € aus dem zwischen den Parteien bestehenden Energielieferungs- und Versorgungsvertrag gemäß §§ 433 Abs. 2, 453 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Abrechnung vom 13.08.2008 (Bl. 33 ff. des Anlagenhefts) für den Zeitraum vom 06.10.2007 bis zum 31.07.2008. Die Einwände gegen diese Abrechnung, insbesondere das pauschale Bestreiten des Verbrauchs und der zugrundegelegten Zählerstände, sind unsubstantiiert. Der Beklagte ist mit diesen Einwendungen nach § 17 Abs. 1 GasGVV, § 17 StromGVV bzw. § 30 AVBWasserV ausgeschlossen. Anzeichen für eine Fehlerhaftigkeit der Rechnungen wurden nicht vorgetragen und ergeben sich auch nicht aus den Umständen. Allein die Möglichkeit, dass es im Rahmen der Übermittlung der Zählerstände zu Fehlern gekommen sein könnte, reicht nicht aus. Darüber hinausgehende Bedenken gegen die Rechnungen hat der Beklagte nicht vorgebracht.
21III.) Ein Anspruch auf Zahlung von 9.113,42 € aus der Abrechnung vom 20.06.2008 für den Zeitraum vom 05.10.2006 bis zum 05.10.2007 besteht hingegen nicht. Die gegen die Gasrechnung in diesem Zeitraum erhobenen Einwendungen des Beklagten sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 GasGVV erheblich. Es besteht die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers. Zudem ist der in der Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum und die in diesem Verfahren vorgenommene Prüfung der Messeinrichtungen konnte die ordnungsgemäße Funktion des relevanten Zählers nicht bestätigen, da die Klägerin den betreffenden Zähler nicht mehr ausfindig machen konnte.
22Die Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers ergibt sich hier aus dem in der Rechnung ausgewiesenen exorbitant hohen Verbrauch an Gas für den streitgegenständlichen Zeitraum. Zwar begründet grundsätzlich auch ein erhöhter Verbrauch keinen offensichtlichen Fehler. Der Einwendungsausschluss soll gerade eine zügige Durchsetzung von offenen Rechnungen erleichtern, um Energieversorgungsunternehmen eine verlässliche und kostengünstige Versorgung der Bevölkerung mit Energie und Wasser zu ermöglichen. Dem ist mit einer restriktiven Handhabung der in § 17 GasGVV genannten Einwendungen Rechnung zu tragen. Andererseits muss nach dem eindeutigen Wortlaut ein offensichtlicher Fehler nicht vorliegen, vielmehr reicht die ernsthafte Möglichkeit eines solchen Fehlers aus. Hier liegt die Menge an verbrauchten Kilowattstunden beim Erdgas ca. 26 Mal über dem Vorjahresverbrauch und übersteigt auch den Verbrauch in dem darauf folgenden Abrechnungszeitraum etwa um das 20-fache. Damit besteht aus Sicht des durchschnittlichen Kunden die ernsthafte Möglichkeit, dass der Klägerin ein Rechen- oder Übertragungsfehler unterlaufen ist, etwa das Verschieben um eine Dezimalstelle, oder dass der Zähler einen Defekt hatte. Der angegebene Verbrauch ist für ein normalgroßes Einfamilienhaus derart überhöht, dass ein übliches Schwanken durch exzessive Nutzung oder besonders kalte Jahreszeiten nicht angenommen werden kann. Die von der Klägerin vorgebrachten Umstände, die für eine Manipulierung durch den Beklagten sprechen sollen – etwa ein verdächtiges Verhalten bei telefonisch übermittelten Zählerständen oder die Abwesenheit bei Ableseterminen – begründen keine hohe Wahrscheinlichkeit für ein betrügerisches Vorgehen des Beklagten und bleiben damit spekulativ. Die Klägerin hätte hier zudem schon zum damaligen Zeitpunkt auf eine Ablesung durch ihre Mitarbeiter bestehen und einen Anspruch auf Duldung notfalls auch gerichtlich durchsetzen können.
23Darüber hinaus liegt hier wegen des hohen Verbrauchs auch eine Berechtigung zur Zahlungsverweigerung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GasGVV vor. Es liegt auch kein „ersichtlicher Grund“ für den hohen Verbrauch vor, die Verdächtigungen bleiben auch hier spekulativ. Die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit b) GasGVV lagen jedenfalls während des Verfahrens vor, da der Beklagte mit seinem Bestreiten der ordnungsgemäßen Funktion des Zählers konkludent eine Überprüfung des streitgegenständlichen Zählers verlangt hat.
24Eine Überprüfung des streitgegenständlichen Zählers konnte durch den Sachverständigen nicht erfolgen, da der betreffende Zähler von der Klägerin nicht mehr aufgefunden werden konnte. Damit konnte die Richtigkeit des in Frage stehenden Gasverbrauchs nicht verifiziert werden. Der abgelesene Zählerstand konnte den in der Rechnung ausgewiesenen Gasverbrauch nicht beweisen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser auf einem Defekt des Zählers beruht. Eine solche Konstellation ist vom Wortlaut des § 18 GasGVV nicht erfasst, diese unbeabsichtigte Lücke kann aber sachgerecht durch eine entsprechende Anwendung des § 18 GasGVV geschlossen werden. So ist § 18 GasGVV nicht nur dann anwendbar, wenn eine Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen vorliegt, sondern auch dann, wenn eine Messeinrichtung gar nicht anzeigt. Dies ist aber mit einem Abhandenkommen einer Messeinrichtung vergleichbar. In diesem Falle wäre der Verbrauch durch Schätzung des Versorgers entsprechend § 18 GasGVV zu ermitteln. Eine Schätzung hat die Klägerin aber trotz entsprechender Hinweise des Gerichts nicht abgegeben.
25Da der tatsächliche Gasverbrauch somit nicht ermittelt werden kann und die übrigen Posten der Rechnung durch die Abschlagszahlungen abgegolten sind, erwächst der Klägerin aus dem Zeitraum vom 05.10.2006 bis zum 05.10.2007 kein Nachforderungsanspruch.
26IV.) Der Anspruch auf Erstattung der pauschalierten Kosten für zwei Mahnungen und einen Inkassogang in Höhe von insgesamt 34,30 € ergibt sich aus § 17 Abs. 2 StromGVV bzw. aus dem gleichlautenden § 17 Abs. 2 GasGVV jeweils in Verbindung mit Ziffer 4 der ergänzenden Bedingungen zur Strom- bzw. GasGVV der Klägerin sowie aus § 27 AVBWasserV in Verbindung mit Ziffer 8 der ergänzenden Bedingungen zur AVBWasserV der Klägerin. Der Beklagte hat diese Kosten auch verursacht, da er seine Einwände nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GasGVV erst im hiesigen Verfahren vorgebracht hat. Zuvor hat er schlicht nicht gezahlt, ohne seine Bedenken gegen die Richtigkeit der Rechnungen gegenüber der Klägerin darzulegen. Auch die Bankrücklastkosten in Höhe von 6,00 € für die fehlgeschlagenen Abbuchungen sind nach § 280 BGB zu ersetzen.
27V.) Der Zinsanspruch besteht ab Zustellung des Mahnbescheids, § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB, da sich der Beklagte erst ab diesem Zeitpunkt mit der Zahlung der Rechnung vom 13.08.2008 in Verzug befand.
28VI.) Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29Streitwert: 10.282,95 Euro.
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Referenzen
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