Urteil vom Landgericht Köln - 3 O 68/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger begehrt die Rückabwicklung zweier mit der Beklagten im Jahre 2005 geschlossener Darlehensverträge aufgrund eines im Jahre 2010 erklärten Widerrufes.
3Unter zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Umständen schlossen der Kläger und die Beklagte spätestens Anfang September 2005 zwei auf den 29.08.2005 datierte Darlehensverträge über nominal 500.100,-- € (Konto-Nr. #####/####) und 173.100,-- € (Konto-Nr. #####/####). Wegen der weiteren diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Ablichtungen der Darlehensverträge (Anlagenkonvolut K 5, Bl. 48-54 d.GA) Bezug genommen.
4Im Termin, in dem dem Kläger die bereits vorbereiteten Darlehensverträge zur Unterschrift vorgelegt wurden, erhielt er auch eine Widerrufsbelehrung folgenden Inhalts:
5„Widerrufsbelehrung Sparkasse L, I-Straße, ##### Köln
6Verbraucher: Darlehens-/Kreditkonto Nr.#####/#### #####/####
7O,
8Feldstr. 18, ##### Der Widerruf kann auch für ein einzelnes Konto erfolgen
9U
10Widerrufsbelehrung zu1 Darlehensvertrag vom 29.08.2005
11Widerrufsrecht
12Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen²
13ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (Name und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse).
14Sparkasse L, I-Straße, ##### Köln bzw. ####@##.##
Widerrufsfolgen
15Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.
Finanzierte Geschäfte
16Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.
17Können Sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner erklären.
18Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert, gilt Folgendes: Wenn Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgeben können, haben Sie dafür ggf. Wertersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind auf Kosten und Gefahr Ihres Vertragspartners zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt. Wenn Ihrem Vertragspartner das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist, können Sie sich wegen der Rückabwicklung nicht nur an diesen, sondern auch an uns halten.
19Ort, Datum Unterschrift des Verbrauchers
20Ihre Sparkasse L
21Hinweis: Jeder Verbraucher enthält ein Exemplar der Widerrufsbelehrung.
221 Bezeichnung des konkret betroffenen Gechäfts, z.B. Darlehensvertrag vom... ²Bitte Frist im Einzelfall prüfen“
23Die Darlehensbeträge in Höhe von insgesamt netto 605.880,00 € wurden von der Beklagten bis zum 04.11.2005 vereinbarungsgemäß direkt an die Z Allg. Vers. AG und die C/E ausgezahlt. Hintergrund der Auszahlung an die Versicherungsgesellschaften war ein vom Beklagten verfolgtes Anlagemodell, die sogenannte Sicherheits-Kompakt-Rente. Dieses von der sogenannten Schnee-Gruppe initiierte Anlagemodell hatte den Erwerb einer Rentenversicherung mit möglichst geringem Einsatz von Eigenkapital durch überwiegend darlehensfinanzierte Einzahlungen in eine Kapitallebensversicherung und eine Rentenversicherung zum Ziel. Die weiteren Einzelheiten hinsichtlich der Vermittlung dieses Anlagemodells an den Kläger und insbesondere der Beteiligung der Beklagten hieran sind zwischen den Parteien streitig.
24Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 2. September 2010 erklärte der Beklagte unter Berufung auf ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB den Widerruf der Darlehensverträge.
25Der Kläger ist der Ansicht, bei den streitgegenständlichen Darlehensverträgen und der sog. Schneerente handele es sich um verbundene Geschäfte. Hierzu trägt er vor, die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe sich bei der Anbahnung und Abwicklung der beiden Darlehensverträge bzw. der Versicherungspolicen der Verkäuferin der Sicherheits-Kompakt-Rente bedient. Die Beklagte habe Kenntnis davon gehabt, dass das Darlehen ausschließlich der Realisierung des SKR-Modells dienen sollte, es somit Bestandteil des Anlagemodells gewesen sei und dass das Anlagekonzept insgesamt nur bei einer Zusage der Beklagten abgewickelt werden würde. Insbesondere habe der Kläger auch keinerlei Möglichkeit der anderweitigen Verwendung der Darlehensbeträge gehabt.
26Er ist der Ansicht, der erklärte Widerruf sei wirksam, weil die Widerrufsbelehrung insbesondere im Hinblick auf die unzureichende Belehrung bezüglich der Widerrufsfolgen bei derartigen verbundenen Geschäften unzureichend sei und eine Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt habe. Die Belehrung enthalte zu den Widerrufsfolgen lediglich eine unzureichende allgemeine Wiedergabe der Rechtslage und überlasse die Prüfung, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt, unzulässigerweise dem Verbraucher. Diese Hinweise seien auch missverständlich, unvollständig und weckten bei dem Verbraucher ein für ihn nachteiliges Missverständnis der Rechtslage.
27Zudem sei auch die verwendete Formulierung zum Beginn der Widerrufsfrist irreführend.
28Die Beklagte sei daher ihm gegenüber zur Rückabwicklung der Darlehensverträge verpflichtet.
29Der Kläger beantragt:
301. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 64.551,62 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 14.09.2010 zu bezahlen.
312. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus und im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen über nominal € 500.100,00 (Konto-Nr. #####/####) und € 173.100,00 (Konto-Nr. #####/####) keine Ansprüche gegen den Kläger zustehen.
323. Die Beklagte wird verurteilt, alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit der Risikolebensversicherung bei der K Lebensversicherung AG, Vers-Nr. #####, freizugeben.
334. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 7.726,44 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
345. Die Ansprüche Ziffer 1-4 stehen unter dem Vorbehalt einer Übertragung Zug um Zug aller Ansprüche des Klägers aus dem Versicherungsvertrag mit der Z, VersNr. ####, sowie dem Angebot des Verzichts auf alle Rückübertragungsansprüche aus der mit der Beklagten getroffenen Sicherungsvereinbarung zur genannten Versicherung.
356. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Übertragungsangebotes aller Ansprüche des Klägers aus dem Versicherungsvertrag mit der Z, VersNr. ####, sowie des Verzichtsangebotes auf alle Rückübertragungsansprüche aus der mit der Beklagten getroffenen Sicherungsvereinbarung zur genannten Versicherung in Verzug befindet.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Die Beklagte hält die Belehrung für wirksam und den Widerruf daher für verfristet. Ferner ist sie der Ansicht, dass es sich nicht um verbundene Verträge handele.
39Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
41I. Die Klage ist unbegründet.
42Der vom Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 2. September 2010 erklärte Widerruf der Darlehnsverträge ist unwirksam, da dieser verfristet erfolgte.
43Die dem Kläger bei Unterzeichnung übergebene Widerrufsbelehrung genügte den gesetzlichen Anforderungen. Hierfür kann es offen bleiben, ob die Darlehensverträge und die sog. Schnee-Rente eine wirtschaftliche Einheit bilden, da die Belehrung auch in diesem Falle ausreichend gewesen ist.
441. Auf die streitgegenständlichen, nach dem 01.11.2002 entstandenen Darlehensverträge sind die §§ 355, 358, 495 BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung vom 02.12.2004 anwendbar.
45Nach Art. 229 § 22 Abs. 1 EGBGB in der Fassung vom 29.07.2009 sind auf vor dem 11. Juni 2010 entstandene Schuldverhältnisse die ab 11.06.2010 geltenden Neuregelungen der Neufassung vom 29.07.2009 nicht anwendbar, sondern das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung jeweils in der bis dahin geltenden Fassung. Daher sind gem. Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 OLGVertrÄndG und Art 229 § 9 EGBGB die vorgenannten Vorschriften maßgeblich.
462. Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung genügt entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung den Anforderungen der § 355 Abs. 2, 358 Abs. 5 BGB.
47Auch wenn der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung erfordert (vgl. BGH NJW 1994, 1800 f., BGH NJW-RR 2009, 709 ff. m.w.N.), dürfen an die hiernach erforderliche Widerrufsbelehrung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH NJW 1994, 1800 f.). Es ist hierbei nämlich zu berücksichtigen, dass durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23.07.2002 im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 13.12.2001, Az. C-481/99, unter anderem die bis zu diesem Zeitpunkt geltende Regelung, dass das Widerrufsrecht unabhängig von der Frage der Ordnungsmäßigkeit der Belehrung 6 Monate nach Vertragsschluss erlosch, dahingehend abgeändert wurde, dass dies nur im Falle einer ordnungsgemäßen Belehrung eintritt. Diese Rechtsfolge hielt der Gesetzgeber für den Unternehmer nur dann für zumutbar, „wenn die Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht leicht und sicher möglich ist“ (s. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum OLGVertrÄndG, Bundestags-Drucksache 14/9266, S. 45). Um insoweit bestehende Unsicherheiten zu beseitigen und dem Unternehmer ein Muster an die Hand zu geben, wurde mit Art. 245 EGBG die Ermächtigung für den Erlass eines solchen Musters geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses a.a.O.) auf dessen Grundlage durch Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO eine Musterbelehrung erlassen wurde.
48In der streitgegenständlichen Belehrung ist nach dieser Prämisse unter Wahrung der Textform in hinreichender Art und Weise umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig über das Bestehen des Widerrufsrechtes, die erforderliche Form der Widerrufserklärung, die Widerrufsfrist, die Verträge, auf die sich die Belehrung bezieht, Namen und Anschrift des Widerrufsempfängers und die Rechtsfolgen nach § 358 Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 BGB belehrt worden.
49a) Die Formulierung des mit „Widerrufsrecht“ überschriebenen ersten Absatzes der Belehrung einschließlich der vom Kläger als irreführend gerügten Formulierung „Die Frist beginnt frühestens“, die mit dem diesbezüglichen Absatz der Musterbelehrung Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO identisch ist, ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung als Information über den Fristbeginn hinreichend und nicht irreführend. Es ist nicht erforderlich, den Beginn der Widerrufsfrist durch konkrete Kalenderdaten und/oder Wochentage zu bezeichnen, sondern es reicht aus, wenn die Widerrufsbelehrung das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, nämlich die Aushändigung der Vertragsurkunde (vgl. BGH NJW 1994, 1800 f.), was vorliegend erfolgt ist. Der Zusatz „frühestens“ ist nicht generell irreführend (vgl. BGH NJW-RR 2009, 709 ff.) und war vorliegend – anders als in dem der vom Kläger angeführten Entscheidung des BGH vom 10.03.2009 – XI ZR 33/08 – zu Grunde liegenden Fall nicht geeignet einen falschen, dem Verbraucher nachteiligen Eindruck vom Beginn der Widerrufsfrist zu vermitteln. Der vorgenannten Entscheidung des BGH lag nämlich folgende, vom vorliegenden Fall deutlich abweichende Formulierung zum Fristbeginn zugrunde:
50„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.“
51b) Die Belehrung unter dem Absatz: „Finanzierte Geschäfte“ genügt auch den Anforderungen an die gemäß § 358 Abs. 5 BGB bei verbundenen Verträgen erforderliche Belehrung über Rechtsfolgen nach § 358 Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 BGB:
52Wie oben bereits dargestellt, dürfen an die Belehrung keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Es ist daher ausreichend, wenn der Unternehmer dem Verbraucher in der Belehrung lediglich einen Überblick über die Rechtsfolgen des Widerrufs gibt; eine komplette Darstellung der komplizierten und teilweise umstrittenen Rechtslage kann nicht erwartet werden (vgl. Kaiser in Staudinger, BGB – Neubearbeitung 2003, EGBGB Art 245 Rn. 18 m.w.N.).
53Der Einwand des Klägers, die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung enthalte bei genauer Betrachtung keine entsprechenden Hinweise, sondern lediglich eine allgemeine Wiedergabe der Rechtslage und überlasse es daher dem Verbraucher, den Sachverhalt zunächst selbst zu subsumieren, um so zu den Rechtsfolgen zu gelangen, was nicht den Anforderungen an eine effektive Belehrung entspreche, greift daher nicht ein. Der nach den o.g. Grundsätzen erforderliche Überblick wird durch den „Finanzierte Geschäfte“ überschriebenen Absatz gewahrt.
54aa) Von daher greift auch der Einwand des Klägers, dass aus der Belehrung nicht eindeutig hervorgehe, dass bzw. ob es sich vorliegend um ein verbundenes Geschäft handele und ihm keine einzige wirksame Widerrufsbelehrung für Verbraucherkreditverträge bekannt sei, die die Prüfung des Vorliegens eines verbundenen Geschäfts bzw. die Ermittlung der damit im Einzelfall verbundenen Rechtsfolgen dem Verbraucher überlassen hätte, nicht durch.
55Bei einer komplizierten Rechtslage, bei der Zweifel über die Auslegung bestehen – wie der Frage des Vorliegens eines verbundenen Geschäfts – ist eine Belehrung, die dem Verbraucher die Beurteilung überlässt, ob das von ihm abgeschlossene Geschäft hierunter fällt, nicht missverständlich; ausreichend ist nach § 355 BGB insoweit, dass durch die Belehrung dem Verbraucher ermöglicht wird, sich eine Meinung zu bilden und auf eine Klärung hinzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.2009 – VIII ZR 219/08 – zu dem Fall einer Belehrung, die dem Verbraucher die Beurteilung überlässt, ob die von ihm erworbene Ware unter einen Ausschlusstatbestand nach § 312d Abs. 4 BGB fällt). Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Belehrung. Insofern ist auch unschädlich, wenn tatsächlich kein verbundenes Geschäft vorliegen sollte.
56Von daher ist auch die verwendete Formulierung zum Vorliegen des verbundenen Geschäfts „Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen“, welche vom Kläger als unzulässige Erhöhung der Anforderungen an ein verbundenes Geschäft gerügt wird, nicht zu beanstanden. Aus der Formulierung „insbesondere“ kommt hinreichend zum Ausdruck, dass nicht nur in diesem Falle ein verbundenes Geschäft vorliegen kann.
57bb) Entgegen der Auffassung des Klägers war daher auch ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass der Darlehnsgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem finanzierten Vertrag eintritt, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist, nicht erforderlich.
58cc) Ebenso wenig ist daher der nach Auffassung des Klägers erforderliche ausdrückliche Hinweis, dass nach § 358 Abs. 1 und Abs. 2 BGB der Widerruf des anderen Vertrags auch den Darlehensvertrag erfasst, nach § 358 Abs. 5 BGB erforderlich.
59Der vom Kläger diesbezüglich angeführten Entscheidung des BGH vom 15.12.2009, Az.: XI ZR 45/09, die sich in erster Linie mit der Frage beschäftigt, ob ein Darlehnsvertrag und ein Restschuldversicherungsvertrag verbundene Geschäfte sein können, lässt sich das Erfordernis eines derartigen Hinweises in einer Widerrufsbelehrung gemäß § 358 Abs. 5 BGB nicht entnehmen; aus dieser Entscheidung folgt lediglich, dass bei verbundenen Geschäften im Sinne des § 358 Abs. 3 BGB der § 358 Abs. 5 BGB anzuwenden ist und nicht der erforderliche Inhalt der Belehrung.
60Insoweit ist auch die vom Kläger gerügte Formulierung, dass auch ein anderer widerrufbarer Vertrag widerrufen werden müsse, wenn diesem gegenüber auch ein Widerrufsrecht besteht – die im übrigen insoweit ebenfalls mit der Musterbelehrung identisch ist – nicht zu beanstanden.
61Hierzu ist zunächst zu beachten, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2005 § 358 Abs. 2 S. 2 BGB in der seinerzeit gültigen Fassung vom 23.07.2002 folgendermaßen lautete: "Kann der Verbraucher die auf den Abschluss des verbundenen Vertrags gerichtete Willenserklärung nach Maßgabe dieses Untertitels widerrufen, gilt allein Absatz 1 und sein Widerrufsrecht aus § 495 Abs. 1 ist ausgeschlossen.“, worüber nach § 358 Abs. 5 BGB in der Fassung vom 23.07.2002 ebenfalls zu belehren war. Dem kam die beanstandete Formulierung nach.
62Abgesehen davon wird hierdurch auch kein für den Verbraucher nachteiliges Missverständnis dahingehend geweckt, der Verbraucher bleibe bei einem wirksamem Widerruf des finanzierten Geschäfts entgegen § 358 Abs. 1, § 358 Abs. 2 Satz 2 BGB an den Darlehensvertrag gebunden.
63Die insoweit vom Kläger angeführte Entscheidung des BGH vom 23.06.2009, XI ZR 156/08 (BGH NJW 2009, 3020 f.) betraf eine gänzlich andere Formulierung der Widerrufsbelehrung, nämlich:
64„Ich bin darüber belehrt worden, dass ich meine auf den Abschluss dieses Verbraucherdarlehensvertrages gerichtete Willenserklärung binnen 2 Wochen widerrufen kann, sofern dieses Recht nicht nach Satz 3 ausgeschlossen ist. Widerrufe ich diesen Verbraucherdarlehensvertrag, so bin ich auch an meine auf den Abschluss des verbundenen Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden. Steht mir für den verbundenen Vertrag ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, so ist mein Recht zum Widerruf dieses Verbraucherdarlehensvertrages ausgeschlossen. Erkläre ich dennoch den Widerruf dieses Verbraucherdarlehensvertrages gegenüber der Bank, so gilt dies als Widerruf des verbundenen Vertrages gegenüber dem Unternehmen."
65Im Gegensatz zur streitgegenständlichen Formulierung wird hierdurch tatsächlich der unzutreffende Eindruck erweckt, der Verbraucher könne sich in bestimmten Fällen ausschließlich von den Bindungen des finanzierten Geschäfts, nicht aber von den Bindungen des Darlehnsvertrags lösen, da sein Widerrufsrecht in Bezug auf den Darlehnsvertrag wegen des nach der gesetzlichen Regelung vorrangigen Widerrufs in Bezug auf das finanzierte Geschäft ausgeschlossen sei.
66dd) Schließlich greift daher auch der vom Kläger erhobene Einwand, die Angaben zu den Widerrufsfolgen widersprüchlich bzw. unvollständig, da nach den Angaben unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" im Falle eines Widerrufs die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren sein, was im konkreten Fall bedeuten würde, dass das Darlehen zurückzuzahlen wäre, was zwar den Widerrufsfolgen bei einem einfachen Darlehensverhältnis, aber eben nicht bei einem verbundenen Vertrag bzw. einem finanzierten Geschäft entspreche, nicht durch.
67c) Soweit der Kläger mit dem Anlagenkonvolut K14 gerichtliche Entscheidung zum Beleg seiner Rechtsansicht, dass die Musterbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoVO bei einem Widerspruch zu den Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht zur Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung führen kann überreicht hat, gaben diese der Kammer keine Veranlassung zu abweichender Beurteilung, da diese Rechtsfrage vorliegend nicht entscheidungserheblich war.
683. Da die mit den Darlehensvertragsentwürfen spätestens Anfang September 2005 vorgelegte Widerrufsbelehrung die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB in Gang gesetzt hat, war der mit Schreiben vom 2. September 2010 erklärte Widerruf verfristet und damit unwirksam.
69II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.
70Streitwert:
71Antrag zu 1): 64551,62 €
72Antrag zu 2) und 3): 265.145,00 € (offene Forderung, derer sich die Beklagteberühmt; Antrag zu 3) ohne separaten Ansatz wegen wirtschaftlicher Identität)
73Antrag zu 4) und 5): kein Ansatz, da nicht streitwerterhöhend
74Antrag zu 6): 5.000,00 €
75Gesamt: 334.696,62 €
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Referenzen
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