Urteil vom Landgericht Köln - 28 O 557/11
Tenor
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 20.7.2011, Az.: 28 O 557/11, wird hinsichtlich Ziff. 1, lit. a), 1. Unterpunkt aufgehoben und der auf den Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen. Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung mit folgendem Tenor bestätigt:
Der Verfügungsbeklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung
v e r b o t e n,
in Bezug auf den Verfügungskläger folgende in der Zeitschrift C (Ausgabe 25) vom 16.06.2011 im Rahmen des Artikels „Die Frau, die L vor Gericht gebracht hat – hier spricht sie zum ersten Mal“ veröffentlichte Äußerungen außerhalb von gerichtlichen Verfahren oder Ermittlungsverfahren zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten oder verbreiten zu lassen:
a) der Verfügungskläger habe die Verfügungsbeklagte in der Nacht vom 09.02.2010 unter Einsatz eines Messers vergewaltigt, wie nachstehend wiedergegeben:
„Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe.“
und/oder
„Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß genau: ES WAR ABER SO!“
und/oder
„In seinen Augen hat er in der besagten Nacht ja nichts falsch gemacht. Er hat nur die Machtverhältnisse wieder so hergestellt, wie sie seiner Meinung nach richtig sind.“
und/oder
„Ich habe eigentlich drei Traumata zu verarbeiten. Einmal die Tat.“;
b) der Verfügungskläger habe die Verfügungsbeklagte in der Nacht vom 09.02.2010 mit dem Tode bedroht, wie nachstehend wiedergegeben:
„Als er im Februar nachts meine Wohnung verließ, war das Letzte, was ich je von ihm gehört habe: „Wenn du was erzählst, bringe ich dich um.“ Diese Drohung hat er bis heute nicht zurückgenommen.“
jeweils wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift „ C“, Ausgabe Nr. 25 vom 16.06.2011 im Artikel unter der Überschrift „DIE FRAU, die L vor Gericht gebracht hat – hier SPRICHT sie ZUM ERSTEN MAL“.
Von den Kosten tragen die Verfügungsbeklagte 5/6 und der Verfügungskläger 1/6.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Verfügungskläger ist Moderator, Journalist und Unternehmer. Er produziert und moderierte u.a. die Sendung „X“.
3Die Beteiligten unterhielten bis zu ihrer Trennung im Februar 2010 über 11 Jahre eine Beziehung.
4Gegen den Verfügungskläger wurde aufgrund der Anzeige der Verfügungsbeklagten vor dem Landgericht Mannheim ein Strafverfahren wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung geführt, das nach insgesamt 43 Verhandlungstagen am 31.5.2011 mit einem Freispruch endete. Das Urteil war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren noch nicht rechtskräftig.
5Etwa zwei Wochen nach dem freisprechenden Urteil des Landgerichts Mannheim gewährte die Verfügungsbeklagte der Zeitschrift C ein Interview, das im Heft Nr. 25/2011 am 16.6.2011 auf S. 76 ff. unter der Überschrift „Die Frau, die L vor Gericht gebracht hat – hier spricht sie zum ersten Mal“ als Teil einer Heftstrecke von insgesamt 12 Magazinseiten veröffentlicht wurde. Die Kolumne der Chefredakteurin (S. 7) kündigte das Interview, das zugleich als Titelaufmacher diente, u.a. wie folgt an: „Manchmal fühlte sich D., als säße sie selbst auf der Anklagebank. Dazu kam die Hetzkampagne, die anonyme Verfolger gegen sie im Internet inszenierten. (…) Nach seinem Freispruch gab L der "Y" ein ausführliches Interview. Auch D. bricht jetzt erstmals ihr Schweigen.“
6Zu Beginn der Heftstrecke heißt es in einem einleitenden Kurztext u.a.: „Auch Zeitschrift C kennt die Wahrheit in diesem Drama nicht. Aber die Redaktion teilt die Meinung des Gerichts aus der Urteilsbegründung, dass auch die Sichtweise von D. gehört werden muss. Zumal L vergangene Woche erneut ein ausführliches Interview gab und seine Anwälte in zahlreichen Talkshows aufgetreten sind.“
7Die anschließende Heftstrecke gliedert sich in einen mehrseitigen redaktionellen Beitrag, das Interview mit der Verfügungsbeklagten, eine von ihr verfasste Erklärung, ein Interview mit ihrem Rechtsanwalt sowie Auszüge aus der mündlichen Urteilsbegründung des Landgerichts Mannheim. Bebildert ist die Heftstrecke u.a. mit mehreren nicht unkenntlich gemachten, z.T. ganzseitigen Fotografien der Verfügungsbeklagten.
8Der einleitende redaktionelle Beitrag zeichnet die Geschehnisse seit Februar 2010 unter besonderer Berücksichtigung des Blickwinkels der Verfügungsbeklagten nach, wobei zahlreiche, jeweils als solche gekennzeichnete Äußerungen der Verfügungsbeklagten eingebunden werden. U.a. wird sie wie folgt zitiert:
9„Das Gericht unterstellt mir mit diesem Freispruch, dass ich so dumm und so niederträchtig sein könnte, eine solche Vergewaltigungsgeschichte zu erfinden. Mir so etwas zuzutrauen, hat mich fast noch mehr entsetzt und gedemütigt als die Geschehnisse in der Nacht vom 9. Februar. Das kann sich doch niemand ausdenken. Hätte ich alles nur erfunden, wäre ich doch nicht so dämlich gewesen, eine dermaßen dilettantische Geschichte voller Erinnerungslücken und vermeintlicher Widersprüche zu präsentieren. Dann hätte ich mir doch eine Version zurechtgelegt, die hundertprozentig wasserdicht gewesen wäre. Schon gar nicht hätte ich ein Messer als Tatwaffe ins Spiel gebracht, an dem weder eindeutige Spuren von mir selbst noch von ihm zu finden sind. Es ist so grotesk und irrsinnig, mir das zu unterstellen. (..) Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe. Ich bin keine rachsüchtige Lügnerin!“.
10Das nachfolgende Interview thematisiert erneut das Strafverfahren und dessen Auswirkungen auf das Leben der Verfügungsbeklagten. Die Verfügungsbeklagte wiederholt und bekräftigt die in ihrer Strafanzeige gegen den Verfügungskläger erhobenen Tatvorwürfe. Sie äußert sich in dem Interview – textlich nicht zusammenhängend – u.a. wie folgt:
11Zeitschrift C: War dieser Tag härter für Sie als Ihre 22-stündige Videovernehmung vor Gericht?
12Verfügungsbeklagte: „Das Plädoyer von Frau D war sehr schlimm für mich. Meine eigene Vernehmung war hart. (..) Fast unerträglich aber war für mich, die Aussagen der von L bezahlten Gutachter in der Presse lesen zu müssen. Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß genau: ES WAR ABER SO! In diesen Momenten stand ich wirklich sehr nah am Abgrund. Dieses Gefühl der totalen Ohnmacht, Wut und Verzweiflung war das Allerschlimmste für mich im gesamten Verfahren.“;
13Zeitschrift C: L war wenige Stunden nach dem Urteil schon wieder im Internet aktiv.
14Verfügungsbeklagte: „Ja, das kann er. Andere beschimpfen und bloßstellen. Für ihn sind immer alle anderen die Bösen, nur er nicht. In seinen Augen hat er in der besagten Nacht ja nichts falsch gemacht. Er hat nur die Machtverhältnisse wieder so hergestellt, wie sie seiner Meinung nach richtig sind. Er hat ja auch kein Schuldbewusstsein. Ebenso wenig empfindet er Reue, Scham oder Mitgefühl. Für ihn muss dieser Freispruch völlig logisch sein, weil er ja in seiner Welt alles richtig gemacht hat. Er fühlt sich allen Menschen überlegen. Er hasst Frauen, das hat er mir selbst gesagt. Er belügt, betrügt und manipuliert jeden um sich herum. Er ist ein Frauenverachter. Er verachtet Menschen generell. Auch wenn er in dem Interview abstreitet, wie Jekyll und Hyde zu sein – er ist es doch.“;
15Zeitschrift C: Was hätte er Ihnen tun können?
16Verfügungsbeklagte: „Als er im Februar nachts meine Wohnung verließ, war das Letzte, was ich je von ihm gehört habe: „Wenn du was erzählst, bringe ich dich um.“ Diese Drohung hat er bis heute nicht zurückgenommen.“;
17sowie
18Zeitschrift C: Zusätzlich zu der besagten Nacht müssen Sie auch noch das Ende einer elfjährigen Liebesbeziehung verarbeiten.
19Verfügungsbeklagte: „Ich habe eigentlich drei Traumata zu verarbeiten. Einmal die Tat. Dann die Erkenntnis, dass die gesamte Beziehung mit L eine einzige Lüge war. Und dann die mediale Hinrichtung. Die Trauerphase bezüglich des Beziehungsendes war durch die besonderen Umstände bei mir sehr kurz. Sehr nachhaltig beschäftigt mich dagegen, dass praktisch jedes seiner Worte in den elfeinhalb Jahren gelogen war.“
20Bereits der einleitende redaktionelle Beitrag thematisiert, weshalb sich die Verfügungsbeklagte zu dem Interview entschlossen habe. Die Verfügungsbeklagte wird mit der Äußerung zitiert: „Ich hatte nie vor, in die Öffentlichkeit zu gehen. Es fällt mir auch sehr schwer (..). Aber die Ereignisse der vergangenen 16 Monate und der Freispruch zwingen mich dazu. Vor allem dieses heuchlerische Interview, das er jetzt gegeben hat. (..) Seine verlogenen Aussagen haben mich erneut darin bestätigt, dass es sich bei ihm tatsächlich um eine Person mit dissozialer Persönlichkeitsstörung handelt. Diese ganze Mitleidsmasche, er habe 97 Prozent seiner Bekannten verloren. Soll er sich doch mal fragen: warum? (..) Besonders schockiert aber hat mich seine Aussage, in seinem Leben habe es niemals Gewalt gegeben. Das müsste er doch besser wissen.“ Hier spricht die Verfügungsbeklagte ein Interview des Verfügungsklägers in der Zeitschrift „A “ vom 9.6.2011 (Nr. 24/2011) an, das etwa eine Woche vor Erscheinen der angegriffenen Äußerungen unter der Überschrift „Mich erpresst niemand mehr“ erschienen war. In dem Interview, das sich über drei ganze Seiten erstreckt, hatte sich der Verfügungskläger u.a. zu dem Tatvorwurf der Vergewaltigung geäußert: „(..) vor Gericht hatte mir mein Verteidiger R geraten zu schweigen. Was sollte ich auch mehr sagen als die kurze Wahrheit: »Ich war es nicht!« und »Ich habe keinem Menschen Gewalt angetan!« (..) Ich hätte an jedem Prozesstag hundertmal aufstehen und sagen müssen: »Das ist gelogen!« Was soll ich über lügende Zeuginnen sagen, (..)“. Ferner hatte sich der Verfügungskläger über die Verfügungsbeklagte u.a. wie folgt geäußert: „(..) das, was die Nebenklägerin mit mir gemacht hat, als sie sich den Vorwurf der Vergewaltigung ausdachte – das ist keine Verarsche. Das ist kriminell. Dafür gibt es keine Rechtfertigung“. (..) „Ich habe keinen Sprung in der Schüssel. Viel interessanter wäre doch, zu erfahren, was psychologisch in der Frau vorging, die mich einer Tat beschuldigt, die ich nicht begangen habe. Die Nebenklägerin soll ja nach dem Urteil in einem Nebenraum des Gerichts erheblich randaliert haben.“
21Wegen der weiteren Einzelheiten der Veröffentlichungen vom 9.6.2011 und vom 16.6.2011 wird auf die Anlagen ASt. 1 und AG 17 Bezug genommen.
22Ob und inwieweit sich die Beteiligten bzw. deren Rechtsanwälte bereits während des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens und in der Folgezeit gezielt mit Informationen an die Medien gewandt und sich dabei jeweils aufeinander bezogen haben, ist zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitig. Insoweit wird insbesondere – auf Verfügungsklägerseite – auf den Schriftsatz vom 8.9.2011 und die in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichte Anlage sowie – auf Seiten der Verfügungsbeklagten – auf die Widerspruchsbegründung und den Schriftsatz vom 19.9.2011, jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.
23Auf Antrag des Verfügungsklägers vom 12.7.2011 hat das Landgericht Köln der Verfügungsbeklagten durch einstweilige Verfügung vom 20.7.2011 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, in Bezug auf den Verfügungskläger folgende in der Zeitschrift C (Ausgabe 25) vom 16.06.2011 im Rahmen des Artikels „Die Frau, die L vor Gericht gebracht hat – hier spricht sie zum ersten Mal“ veröffentlichte Äußerungen außerhalb von gerichtlichen Verfahren oder Ermittlungsverfahren zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten,
241.
25a) der Verfügungskläger habe die Verfügungsbeklagte in der Nacht vom 09.02.2010 unter Einsatz eines Messers vergewaltigt, wie nachstehend wiedergegeben:
26(1) Mir so etwas zuzutrauen, hat mich fast noch mehr entsetzt und gedemütigt als die Geschehnisse in der Nacht vom 9. Februar. Das kann sich doch niemand ausdenken. Hätte ich alles nur erfunden, wäre ich doch nicht so dämlich gewesen, eine dermaßen dilettantische Geschichte voller Erinnerungslücken und vermeintlicher Widersprüche zu präsentieren.
27und/oder
28(2) Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe.
29und/oder
30(3) Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß genau: ES WAR ABER SO!
31und/oder
32(4) In seinen Augen hat er in der besagten Nacht ja nichts falsch gemacht. Er hat nur die Machtverhältnisse wieder so hergestellt, wie sie seiner Meinung nach richtig sind.
33und/oder
34(5) Ich habe eigentlich drei Traumata zu verarbeiten. Einmal die Tat.;
35b) der Verfügungskläger habe die Verfügungsbeklagte in der Nacht vom 09.02.2010 mit dem Tode bedroht, wie nachstehend wiedergegeben:
36Als er im Februar nachts meine Wohnung verließ, war das Letzte, was ich je von ihm gehört habe: „Wenn du was erzählst, bringe ich dich um.“ Diese Drohung hat er bis heute nicht zurückgenommen.
37jeweils wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift „C“, Ausgabe Nr. 25 vom 16.06.2011 im Artikel unter der Überschrift „DIE FRAU, die L vor Gericht gebracht hat – hier SPRICHT sie ZUM ERSTEN MAL“.
38Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten.
39Der Verfügungskläger ist der Auffassung, dass die angegriffenen Äußerungen ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. §§ 823 Abs. 1, 2 BGB, 186 StGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verletzten. Er sei, wie allgemein bekannt, erstinstanzlich vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden und müsse sich daher im Lichte der Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 EMRK in der Öffentlichkeit nicht als Täter einer Vergewaltigung bezeichnen lassen. Auch aus seiner zuvor in der „Y“ vom 9.6.2011 erschienenen Interviewäußerung leite sich keine Berechtigung der Verfügungsbeklagten her, ihren Tatvorwurf plakativ öffentlich aufrechtzuerhalten. Die Verfügungsbeklagte könne schon deshalb kein „Recht auf Gegenschlag“ für sich in Anspruch nehmen, weil sie durch die Strafanzeige den ersten Angriff ausgeführt habe und jede weitere öffentliche Äußerung des Verfügungsklägers bereits als hierauf bezogener Gegenschlag zu werten sei. Gegen eine Rechtfertigung der Verfügungsbeklagten im Sinne einer Wahrnehmung berechtigter Interessen spreche es, dass die Verfügungsbeklagte die Äußerungen nicht als Verfahrensbeteiligte im Rahmen eines Verfahrens getätigt habe. Jedenfalls würden ihre Äußerungen die Grenze einer angemessenen Gegenrede überschreiten.
40Der Verfügungskläger beantragt nunmehr,
41die einstweilige Verfügung vom 20.7.2011 zu bestätigen.
42Die Verfügungsbeklagte beantragt,
43die einstweilige Verfügung vom 20.7.2011 unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufzuheben.
44Sie hält die angegriffenen Äußerungen für zulässig im Sinne eines „Gegenschlages“ gegen die vorherigen Interviewäußerungen des Verfügungsklägers, insbesondere in der "Y" vom 9.6.2011. Ihre Tatsachenbehauptungen seien ungeachtet des Freispruchs des Verfügungsklägers durch das Landgericht Mannheim jedenfalls nicht erwiesen unwahr, da das Landgericht nicht festgestellt habe, dass ihre Aussage unzutreffend sei, sondern diese vielmehr nur nicht als ausreichende Basis für eine strafrechtliche Verurteilung angesehen habe.
45Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
46Entscheidungsgründe:
47Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten war die einstweilige Verfügung vom 20.7.2011 auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, was – mit Ausnahme von Ziff. 1, lit. a), 1. Unterpunkt – zu deren Bestätigung führte, weil der Verfügungskläger im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens glaubhaft gemacht hat, dass im Übrigen ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund gegen die Verfügungsbeklagte wegen ihrer streitgegenständlichen Äußerungen aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 BGB, § 186 StGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG besteht.
48Hinsichtlich der Äußerung, die Gegenstand von Ziff. 1, lit. a), 1. Unterpunkt war, war die einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten dagegen aufzuheben, weil sich die einstweilige Verfügung nach nochmaliger Überprüfung unter Berücksichtigung des Vortrages der Verfügungsbeklagten im Widerspruchsverfahren in diesem Punkt als nicht gerechtfertigt erweist, §§ 924, 925, 936 ZPO.
491.
50Die angegriffen Äußerungen verletzen – mit Ausnahme der Äußerung gemäß Ziff. 1, lit. a), 1. Unterpunkt – den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 BGB, § 186 StGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, so dass ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht.
51a.
52Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Sprau, in: Palandt, BGB, 70. Aufl., § 823 Rn. 95). Stehen sich – wie hier – als widerstreitende Interessen die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Eine Tatsachenbehauptung bezieht sich auf etwas Geschehenes oder einen gegenwärtigen Zustand und steht deshalb grundsätzlich dem Beweis offen, d.h. ihre Wahrheit oder Unwahrheit ist grundsätzlich mit den in der Prozessordnung vorgesehenen Beweismitteln überprüfbar. Werturteile sind demgegenüber durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens und Meinens geprägt und deshalb dem Beweis nicht zugänglich. Hat eine Äußerung in diesem Sinne sowohl einen tatsächlichen Gehalt als auch einen wertenden Charakter, hängt ihre Einordnung in die eine oder andere Kategorie davon ab, ob der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt oder ob das nicht der Fall ist, d.h. ob der in einem Werturteil enthaltene Tatsachenkern nur unbestimmt angedeutet ist oder ob sich das Werturteil als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt (BGH, GRUR 1972, 435 (439)).
53Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Äußerungen teils als Meinungsäußerungen, teils als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren.
54Die Äußerungen gemäß Ziff. 1, lit. a), Unterpunkte 1, 2 und 4 sind als Meinungsäußerungen einzuordnen.
55Zwar enthalten auch diese Äußerungen die jedenfalls implizite Tatsachenbehauptung der Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger habe die ihm vorgeworfene schwere Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung tatsächlich begangen. Ihr Bedeutungsgehalt wird jedoch jeweils von einem Element wertender Stellungnahme überformt und geprägt.
56Die Äußerung gemäß lit. a), Unterpunkt 1 der einstweiligen Verfügung ist unter Berücksichtigung des unmittelbaren Äußerungszusammenhangs insgesamt als Meinungsäußerung einzuordnen. Die angegriffene Passage des ersten Satzes nimmt Teil an der Gesamtaussage des im Übrigen nicht angegriffenen Satzes, einem wertenden Vergleich zweier, nach der Behauptung der Verfügungsklägerin im angegriffenen zweite Satzteil („Geschehnisse in der Nacht vom 9. Februar“) real existierenden Verletzungshandlungen. Daher ist auch der angegriffene Satzteil als Meinungsäußerung einzustufen. S. 2 und 3 der angegriffenen Äußerung („Das kann sich doch niemand ausdenken. Hätte ich alles nur erfunden, wäre ich doch nicht so dämlich gewesen, eine dermaßen dilettantische Geschichte voller Erinnerungslücken und vermeintlicher Widersprüche zu präsentieren.“) weist zwar ebenfalls starken tatsächlichen Bezug auf, jedoch steht bei wertender Betrachtung die Stellungnahme der Verfügungsbeklagten im Vordergrund, dass und warum das Landgericht Mannheim aus Gründen der inneren Logik ihrer Tatsachenschilderung hätte folgen müssen.
57Die Äußerung gemäß lit. a), Unterpunkt 2 der einstweiligen Verfügung stellt sich ebenfalls als Meinungsäußerung dar, weil im Vordergrund der Aussage die komplexe Bewertung steht, wonach sich aus der Kenntnis der beiden Beteiligten der zwingende Schluss ergebe, dass die Tatsachenbehauptungen der Verfügungsbeklagten zutreffen müssten.
58Schließlich ist auch die Äußerung gemäß lit. a), Unterpunkt 4 als Meinungsäußerung einzustufen. Zwar wird vordergründig eine innere Tatsache behauptet, nämlich eine bestimmte Einordnung des Geschehens durch den Verfügungskläger nach den Kategorien „recht“ oder „unrecht“. Der eigentliche Bedeutungskern der Äußerung besteht jedoch darin, dass die Verfügungsbeklagte die behauptete innere Wertung des Verfügungsklägers unter moralischen Gesichtspunkten kritisch nachvollzieht. Daher kann der Äußerungskern nicht als „wahr“ oder „unwahr“, sondern lediglich als „richtig“ oder „falsch“ bewertet werden.
59Demgegenüber sind die Äußerungen gemäß Ziff. 1, lit. a), Unterpunkte 3 und 5 sowie lit. b) der einstweiligen Verfügung als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren.
60In den Äußerungen gemäß lit. a) Unterpunkt 3 und lit. b) werden jeweils Behauptungen über tatsächliche Abläufe aufgestellt. Der Behauptungscharakter der Äußerungen – im Fall von lit. a), Unterpunkt 3 durch Großdruck hervorgehoben: „ES WAR ABER SO!“ – tritt hinter kein Element der Wertung oder Stellungnahme zurück.
61Der Schwerpunkt der Äußerung zu lit. a), Unterpunkt 5 liegt ebenfalls im tatsächlichen Bereich. Zwar ist es eine komplexe Bewertungsfrage, ob die von der Verfügungsbeklagten geschilderte Tat ein Trauma-auslösendes Ereignis darstellt. Im Vordergrund der Äußerung steht jedoch die Behauptung des apodiktisch als „die Tat“ bezeichneten tatsächlichen Vorgangs.
62b.
63Alle angegriffenen Äußerungen betreffen den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers, weil sie nach dem Verständnis des durchschnittlichen Lesers jedenfalls auch die für den Verfügungskläger ehrabschneidende Aussage enthalten, dieser sei Täter einer schweren Vergewaltigung und Nötigung.
64Inhalt und Grenzen des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich der Rechtswidrigkeit des Eingriffs ergeben sich – entsprechend seiner Natur als offener Tatbestand – erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer.
65Die angegriffenen Äußerungen der Verfügungsbeklagten fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Tatsachenbehauptungen genießen Schutz im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG zumindest insoweit, als sie noch etwas zur Meinungsbildung beitragen können, was im Fall einer bewusst oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptung nicht mehr der Fall ist (vgl. BVerfG, NJW 1994, 1779; 2000, 199 (200)). Auch bei einer mit einer Tatsachenbehauptung verbundenen Meinungsäußerung kann die Schutzwürdigkeit vom Wahrheitsgehalt der ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen abhängen (BVerfG, NJW 1994, 1779). Dies ist hier wegen der außerordentlichen Bedeutung der zugrundeliegenden Tatsachenbehauptungen für die wertenden Äußerungen der Verfügungsbeklagten in Ziff. 1, lit. a), Unterpunkte 1, 2 und 4 der Fall.
66Ist eine äußerungsrelevante Tatsache nicht erwiesen unwahr, ist in der Abwägung nach den Rechtsprechungsgrundsätzen aus den Entscheidungen BVerfG, NJW 1990, 1058 (1060) – Wünschelrute und BVerfG, NJW 1999, 1322 (1324) – Helnwein grundsätzlich zugunsten des Inanspruchgenommenen davon auszugehen, dass die ihrer Meinungsäußerung zugrundeliegenden bzw. explizit behaupteten Tatsachen wahr sind und von dieser Unterstellung aus sodann zu fragen, ob die Behauptung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen (vgl. § 193 StGB) erfolgt ist. Grund für diese Privilegierung ist, dass ansonsten risikofrei nur noch unumstößliche Wahrheiten geäußert werden könnten, was vom Grundrechtsgebrauch abschrecken würde (BVerfG, NJW 1999, 1322 (1324)). Wie die Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht hat, sind die äußerungsrelevanten Tatsachen, d.h. die Frage, ob der Verfügungskläger eine Vergewaltigung und schwere Körperverletzung zu ihren Lasten begangen habe, jedenfalls nicht erwiesen unwahr. Zu Recht verweist sie darauf, dass das freisprechende Urteil des Landgerichts Mannheim sie ausweislich der mündlichen Begründung nicht der falschen Verdächtigung überführt sieht.
67Die Privilegierung greift auch in dem – hier vorliegenden – Fall ein, dass der Äußernde die Wahrheit oder Unwahrheit der streitigen Tatsachen aus eigener Wahrnehmung kennt. Insoweit besteht aus Sicht des Äußernden zwar keine tatsächliche Ungewissheit, wohl aber eine Unsicherheit hinsichtlich der äußerungsrechtlichen Bewertung seiner Aussagen durch das nicht aus eigener Wahrnehmung tatsachenkundige Gericht. Diese Ungewissheit würde sich auf die Grundrechtsausübung in vergleichbarer Weise hemmend auswirken, was unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks entscheidend für das Eingreifen der Privilegierung spricht.
68Ob bei unterstellter Wahrheit der Behauptungstatsachen eine Wahrnehmung berechtigter Interessen seitens der Äußernden i.S.v. § 193 StGB vorliegt, richtet sich nach einer Einzelfallabwägung, wobei zu beachten ist, dass in Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren, eine Vermutung zugunsten der freien Rede spricht (BVerfG 1994, 1779 (1780)).
69Für die Angemessenheit der Äußerungen der Verfügungsbeklagten spricht grundsätzlich die Qualität ihrer verletzten Interessen: Durch die Ausführungen des Verfügungsklägers im Interview mit der Zeitschrift „A “ sah sich die Verfügungsbeklagte dem öffentlichen Verdacht ausgesetzt, sie habe den Verfügungskläger vorsätzlich falsch eines Verbrechens beschuldigt, was eine Straftat darstellen würde. Unter dem Gesichtspunkt der Qualität ihrer verletzten Interessen fließt darüber hinaus letztlich auch zu Gunsten der Verfügungsbeklagten in die Abwägung ein, dass bereits die als wahr unterstellte Tat einer schweren Vergewaltigung bei ihr als Opfer potentiell gravierende psychische Folgen hinterlassen hätte und der Verfügungskläger – im Rahmen der Unterstellung: Täter der Vergewaltigung – mit seiner Äußerung in der "Y" erneut in diese Kerbe geschlagen hätte. Allerdings kann umgekehrt nicht außer Betracht bleiben, dass die Anschuldigungen der Verfügungsbeklagten, die sie selbst exkulpieren, zugleich den schwerwiegenden Verbrechensvorwurf gegen den erstinstanzlich freigesprochenen Verfügungskläger wiederholen, der vor dem Gesetz als unschuldig anzusehen ist. Von den gravierenden Interessen, die demnach auf beiden Seiten betroffen sind, überwiegt keines a priori das andere. Ziel der Einzelfallabwägung muss es daher sein, den vorhandenen Interessengegensatz in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen.
70In diesem Rahmen spricht zunächst für die Angemessenheit der angegriffenen Äußerungen der Verfügungsbeklagten, dass sie ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit ansprechen. Ungeachtet der Tatsache, dass die von ihr thematisierten Vorgänge zunächst einmal nur das Verhältnis zwischen den Parteien betreffen, hat die Öffentlichkeit hieran lebhaften Anteil genommen, seit die Vorwürfe gegen den prominenten Verfügungskläger im Ermittlungsverfahren bekannt wurden. Nicht zuletzt war das gegen den Verfügungskläger gerichtete Verfahren Anlass einer breiten Diskussion über derartige Strafverfahren im Allgemeinen, insbesondere auch über die Situation der die Strafanzeige erstattenden Frau. Dessen ungeachtet gehen die Äußerungen der Verfügungsbeklagten in ihrer Detailtiefe und der emotionalisierenden Darstellungsweise über das reine Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinaus, das sich mit der Auskunft begnügen könnte, der Tatbestand der Vergewaltigung sei aus ihrer Sicht erfüllt, und befriedigen insoweit ein bloßes Unterhaltungsinteresse.
71Hinsichtlich der Tatsachenbehauptungen gemäß lit. a), Unterpunkt 3 und 5 sowie der Meinungsäußerung gemäß lit. a), Unterpunkt 2 spricht der – gemessen am Informationsgehalt – vorhandene Überschuss an emotionalisierenden Darstellungselementen in der Abwägung entscheidend gegen eine Angemessenheit der Äußerungen. Für die Wiederherstellung der öffentlichen Reputation der Verfügungsbeklagten wäre eine auf die wesentlichen Fakten beschränkte, sachliche Äußerung ausreichend gewesen, die den Verfügungskläger erheblich weniger belastet hätte. Über eine solche schonende Interessenwahrnehmung gehen die genannten Äußerungen deutlich hinaus. Dies ergibt sich hinsichtlich lit. a), Unterpunkt 2, 3 und 5 aus Duktus und Inhalt der Äußerungen, so der erregten ausrufähnlichen Äußerung „ES WAR ABER SO!“ in lit. a), Unterpunkt 3), im Übrigen aus der emotionalisierend-dramatisierenden Darstellungsweise, so in „diesen Wahnsinn“ in lit. a), Unterpunkt 2, und „Traumata“ im Äußerungszusammenhang zu lit. a), Unterpunkt 5.
72Hinsichtlich der Äußerungen gemäß lit. a) Unterpunkt 4 und lit. b) spricht der über das Mitteilungserhebliche, d.h. für die Rehabilitierung der Verfügungsbeklagten Notwendige hinausgehende Detaillierungsgrad der Äußerungen in der Abwägung entscheidend gegen die Angemessenheit der Äußerungen. Soweit die Verfügungsbeklagte dort bekundet: „In seinen Augen hat er in der besagten Nacht ja nichts falsch gemacht. Er hat nur die Machtverhältnisse wieder so hergestellt, wie sie seiner Meinung nach richtig sind.“ und „Als er im Februar nachts meine Wohnung verließ, war das Letzte, was ich je von ihm gehört habe: „Wenn du was erzählst, bringe ich dich um.“ Diese Drohung hat er bis heute nicht zurückgenommen.“, ist ihre Darstellung nicht auf eine Darstellung der wesentlichen Fakten beschränkt. Vielmehr stellen die Äußerungen eine ins Detail gehende und gerade hierdurch emotionalisierende Situationsschilderung dar, die der im Zeitpunkt der Äußerung erstinstanzlich, wenn auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht rechtskräftig, freigesprochene Verfügungskläger nicht hinnehmen muss. Gegen eine Angemessenheit der Äußerung gemäß lit. b) spricht überdies, dass die Verfügungsbeklagte im Verfügungsverfahren zu der behaupteten Nötigung nicht weiter vorgetragen hat, obwohl ihr im Lichte der Helnwein-Entscheidung des BVerfG jedenfalls die Glaubhaftmachung oblegen hätte, dass ihre Behauptung nicht erwiesen unwahr ist.
73Auch unter Berücksichtigung des sog. „Rechts auf Gegenschlag“ stellen die genannten Äußerungen keine berechtigte Interessenwahrnehmung i.S.v. § 193 StGB dar. Zwar ist der Verfügungsbeklagten nicht schon deshalb ein „Recht auf Gegenschlag“ versagt, weil sie durch ihre Strafanzeige das Ermittlungsverfahren gegen den Verfügungskläger ausgelöst hat. Hiergegen spricht bereits, dass die Strafanzeige nicht mit einer öffentlichen Äußerung verbunden war. Vielmehr verhält es sich so, dass die öffentlichen Äußerungen beider Parteien der jeweiligen Gegenseite potentiell je aufs Neue ein Recht auf einen äußerungsrechtlichen Gegenschlag eröffnen. Dementsprechend ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob ein Gegenschlag vorliegt, der eine adäquate Reaktion auf eine Ausgangsäußerung darstellt. Hiergegen spricht vorliegend entscheidend, dass die einzelnen Äußerungen der Verfügungsbeklagten sich nicht erkennbar auf konkrete Aussagen des Verfügungsklägers im "Y"-Interview beziehen. Die Verfügungsbeklagte wird zwar an einer Stelle des redaktionellen Beitrags zitiert, „dieses heuchlerische Interview“ des Verfügungsklägers habe sie dazu bewogen, sich nunmehr selbst öffentlich zu äußern. Weiter führt sie dort aus: „Seine verlogenen Aussagen haben mich erneut darin bestätigt, dass es sich bei ihm tatsächlich um eine Person mit dissozialer Persönlichkeitsstörung handelt (…)“. Eine vergleichbare Bezugnahme auf das Interview des Verfügungsklägers fehlt in den streitgegenständlichen Äußerungen jedoch. Weder ist ein solcher Bezug durch einen etwaigen textlichen Zusammenhang zu der genannten Passage hergestellt – die angegriffenen Äußerungen stehen an unterschiedlichen Stellen des redaktionellen Beitrags bzw. des Interviews – noch ergibt er sich aus einem entsprechenden Rückbezug.
74Eine Bezugnahme der angegriffenen Äußerungen auf konkrete Äußerungen des Verfügungsklägers in dem "Y"-Interview lässt sich ebenfalls nicht daraus herleiten, dass die Kolumne der Chefredakteurin bzw. der die Heftstrecke einleitende Kurztext hierauf verweisen. Denn dies geschieht rein pauschal durch die Ankündigung, die Sicht der Verfügungsbeklagten solle zu Gehör gebracht werden, nachdem zuvor der Verfügungskläger mit einem ausführlichen Interview an die Öffentlichkeit getreten sei.
75Eine Rechtfertigung der streitgegenständlichen Äußerungen ergibt sich schließlich auch nicht aus einem etwaigen „Dritt-Gegenschlag“ gegen öffentliche Äußerungen der Rechtsbeistände des Verfügungsklägers oder sonstige Dritte (vgl. hierzu allgemein BVerfGE, NJW 1969, 227 – Tonjäger). Denn die Verfügungsbeklagte spricht insoweit nur allgemein – ohne konkrete Bezugnahme auf einzelne Äußerungen bestimmter Akteure – von einer medialen „Hetzkampagne“ zu ihren Lasten.
76c.
77Dagegen besteht kein Verfügungsanspruch, soweit der Verfügungskläger Unterlassung der Äußerung gemäß Ziff. 1, lit. a), Unterpunkt 1 der einstweiligen Verfügung begehrt. Diese Meinungsäußerung („Mir so etwas zuzutrauen, hat mich fast noch mehr entsetzt und gedemütigt als die Geschehnisse in der Nacht vom 9. Februar. Das kann sich doch niemand ausdenken. Hätte ich alles nur erfunden, wäre ich doch nicht so dämlich gewesen, eine dermaßen dilettantische Geschichte voller Erinnerungslücken und vermeintlicher Widersprüche zu präsentieren“) verletzt den Verfügungskläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Im Rahmen der Interessenabwägung spricht für eine Zulässigkeit der Äußerung entscheidend, dass sie sich – anders als die weiteren streitgegenständlichen Äußerungen – im Kern auf die für die Wiederherstellung ihrer öffentlichen Reputation erforderliche Aussage beschränkt, wonach sie die Tatvorwürfe gegen den Verfügungskläger nicht erfunden habe („Geschehnisse in der Nacht vom 9. Februar“). Soweit die angegriffene Meinungsäußerung auch hier eine Dramatisierung enthält (so insbesondere: „entsetzt und gedemütigt“ im Äußerungszusammenhang zu dem angegriffenen Satzteil von S.1 sowie in S. 2 und 3), bezieht sich diese nicht auf den Tatvorwurf der Verfügungsbeklagten, sondern auf ihre Bewertung der Beweiswürdigung durch das Landgericht Mannheim. Der den Verfügungskläger beeinträchtigende Aussagekern beschränkt sich demnach letztlich auf das, was auch der Verfügungskläger im Schriftsatz vom 8.9.2011 mit Verweis auf die Entscheidung OLG Köln, AfP 1991, 438 der Verfügungsbeklagten zugestehen will und in Gestalt der Äußerung „Ich bin keine rachsüchtige Lügnerin!“, die auf die Äußerung zu lit. a), Unterpunkt 1) folgt, unbeanstandet gelassen hat: Zu äußern, sie halte den Antragsteller trotz des Freispruchs für schuldig oder der Antragssteller lüge, wenn er sie der Falschaussage bezichtige. Denn auch wenn die angegriffene Äußerung nicht ausdrücklich auf eine bestimmte Behauptung des Verfügungsklägers im Interview mit der "Y" Bezug nimmt, so ist im Rahmen der Abwägung doch zu berücksichtigen, dass ihre Äußerung sich unmittelbar seinen Anwürfen bzw. Behauptungen („Ich war es nicht“, „[als] die Nebenklägerin (..) sich den Vorwurf der Vergewaltigung ausdachte“ und „die mich einer Tat beschuldigt, die ich nicht begangen habe“) entgegenstellt und gemessen an diesen auch nicht unverhältnismäßig erscheint.
78d.
79Soweit ein Verfügungsanspruch besteht, ist die Wiederholungsgefahr durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert.
802.
81Ein Verfügungsgrund besteht ebenfalls. Die erforderliche Dringlichkeit liegt vor, da die Verfügungsbeklagte in einer in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers beeinträchtigenden Weise die streitgegenständliche Äußerungen am 16.6.2011 veröffentlicht und der Verfügungskläger den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 12.7.2011 bei Gericht anhängig gemacht hat. Durch das weitere Verbreiten der streitgegenständlichen Äußerungen droht dem Verfügungskläger auch ein erheblicher Schaden.
823.
83Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil wirkt wie die ursprüngliche einstweilige Verfügung und ist daher ohne besonderen Ausspruch mit der Verkündung sofort vollstreckbar (Zöller/Vollkommer, 28. Aufl. 2010, § 925 ZPO Rn. 9). Soweit das Urteil die einstweilige Verfügung des Gerichts vom 20.7.2011 aufhebt, folgt die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
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