Urteil vom Landgericht Köln - 3 O 113/11
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.773,06 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz jährlich seit dem 19.11.2010 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus und im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen über nominal 140.255,00 EUR (Konto-Nr. ###6) und 293.516,00 EUR (Konto-Nr. ###) keine Ansprüche gegen den Kläger zustehen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit den Risikolebensversicherungen bei der C Lebensversicherung AG, Vers-Nr. ###3, und bei der A Lebensversicherung AG, Vers-Nr. ###1, freizugeben.
4. Die Ansprüche Ziffer 1-3 stehen unter dem Vorbehalt einer Übertragung Zug um Zug aller Ansprüche des Klägers aus dem Versicherungsvertrag mit der K, Vers-Nr. ###4, sowie dem Angebot des Verzichts auf alle Rückübertragungsansprüche aus der mit der Beklagten getroffenen Sicherungsvereinbarung zu der eben genannten Versicherung.
5. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Übertragungsangebotes aller Ansprüche des Klägers aus dem Versicherungsvertrag mit der K, Vers-Nr. ###4, sowie des Verzichtsangebotes auf alle Rückübertragungsansprüche aus der mit der Beklagten getroffenen Sicherungsvereinbarung zu der eben genannten Versicherung in Verzug befindet.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 84 % und der Kläger 16 %.
8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Rückabwicklung zweier mit der Beklagten im Jahre 2004 geschlossener Darlehensverträge aufgrund eines im Jahre 2010 erklärten Widerrufes.
3Unter zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Umständen schlossen der Kläger und die Beklagte im Dezember 2004 zwei auf den 14.12.2004 datierte Darlehensverträge über nominal 140.255,00 EUR (Konto-Nr. ###6) und 293.516,00 EUR (Konto-Nr. ###2). Wegen der weiteren diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Ablichtungen der Darlehensverträge (Anlagenkonvolut K 4, Bl. 49 ff. d.A.) Bezug genommen.
4Mit den Darlehensverträgen erhielt der Kläger auch eine Widerrufsbelehrung folgenden Inhalts:
5„Widerrufsbelehrung M-kasse
6Verbraucher: Darlehens-/Kreditkonto Nr.###2 ###6
7Herrn G
8Z-Straße 25 Der Widerruf kann auch für ein einzelnes Konto erfolgen.
9##### Y
10Widerrufsbelehrung zu1 Darlehensverträgen ###2 und ###6 vom 14.12.2004
11Widerrufsrecht
12Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen²
13ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (Name und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse).
14M-kasse, I-Straße, ####2 Köln bzw. ####@##.##
Widerrufsfolgen
15Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.
Finanzierte Geschäfte
16Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.
17Können Sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner erklären.
18Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert, gilt Folgendes: Wenn Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgeben können, haben Sie dafür ggf. Wertersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind auf Kosten und Gefahr Ihres Vertragspartners zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt. Wenn Ihrem Vertragspartner das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist, können Sie sich wegen der Rückabwicklung nicht nur an diesen, sondern auch an uns halten.
19Ort, Datum Unterschrift des Verbrauchers
20Ihre M-kasse
21Hinweis: Jeder Verbraucher enthält ein Exemplar der Widerrufsbelehrung.
221 Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z.B. Darlehensvertrag vom... ²Bitte Frist im Einzelfall prüfen“
23Die Darlehensbeträge in Höhe von insgesamt netto 390.393,90 EUR wurden von der Beklagten sodann vereinbarungsgemäß direkt an die B Investment Group Ltd. und die K Allg. Vers. AG ausgezahlt.
24Hintergrund der Auszahlung an die Versicherungsgesellschaften war ein vom Kläger verfolgtes Anlagemodell, die sogenannte Sicherheits-Kompakt-Rente (SKR).
25Dieses von der sogenannten Schnee-Gruppe initiierte Anlagemodell hatte den Erwerb einer Rentenversicherung mit möglichst geringem Einsatz von Eigenkapital durch überwiegend darlehensfinanzierte Einzahlungen in eine Kapitallebensversicherung und eine Rentenversicherung zum Ziel.
26Das System der SKR besteht im Kern daraus, dass einerseits eine Lebensversicherung und andererseits eine Rentenversicherung abgeschlossen werden. Die Beiträge für beide Versicherungen sind durch Einmalzahlungen zu leisten, die bis auf einen relativ geringen Eigenkapitalanteil durch ein endfälliges Darlehen finanziert werden. Dabei bezieht der Versicherungsnehmer aus der Rentenversicherung sofort eine – hier vierteljährlich auszuzahlende - Rente, die neben den nach dem Modell zu erzielenden Steuervorteilen dazu dient, während der Laufzeit des Darlehensvertrages die Zinslast aus dem Darlehen abzudecken. Mit der Ablaufleistung aus der Lebensversicherung als sogenanntem Tilgungsinstrument soll bei Endfälligkeit das Darlehen abgelöst werden. Schließlich gehört zum System der SKR eine Risikolebensversicherung, die die Rückzahlung des Darlehens im Fall des Todes der versicherten Person während der vereinbarten Laufzeit des Darlehensvertrages sichert. Ziel ist, dass dem Anleger nach Ablauf des Darlehens ein evtl. Überschuss aus der Aufbauleistung aus der Lebensversicherung und in jedem Fall der Anspruch aus der Rentenversicherung zur freien Verfügung steht.
27Entsprechend diesem System schloss der Kläger eine Kapitallebensversicherung bei der B Investment Group Ltd. (Versicherungs-Nr. ####) über 250.956,00 EUR und eine Rentenversicherung bei der K (Versicherungs-Nr. ###4) über 154.918,00 EUR ab. Zur Finanzierung der Einmalbeiträge in die Lebens- und die Rentenversicherung schloss der Kläger mit der Beklagten die vorbenannten Darlehensverträge über einen Gesamtbetrag von netto 390.393,90 EUR ab. Zuzüglich eines Eigenkapitalbeitrages in Höhe von 35.232,00 EUR, den der Kläger vor dem 31.12.2004 an die Beklagte leistete, ergab sich mit den Darlehen ein Gesamtbetrag von 425.625,90 EUR, von dem an die K 154.918,00 EUR, an die B 250.956,00 EUR und an die Schnee-Gruppe für dortige Gebühren insgesamt 19.751,90 EUR flossen. Zur Sicherung der Darlehensforderungen erhielt die Beklagte unmittelbar die Originalpolicen zu der Kapitallebensversicherung bei der B, der Rentenversicherung bei der K sowie einer Risikolebensversicherung bei der C Lebensversicherung AG (Versicherungs-Nr. ###3) über 150.000,00 EUR und einer Risikolebensversicherung bei der A Lebensversicherung AG (Versicherungs-Nr. ###1) über 60.000,00 EUR.
28Die weiteren Einzelheiten hinsichtlich der Vermittlung dieses Anlagemodells an den Kläger und insbesondere der Beteiligung der Beklagten hieran sind zwischen den Parteien streitig.
29Nachdem die Kapitallebensversicherung bei der B einen wirtschaftlich unbefriedigenden Verlauf nahm, kamen die Parteien überein, die Lebensversicherung aufzulösen, was zum Stichtag 07.12.2009 erfolgte. Die B kehrte an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 249.291,92 EUR aus, der vereinbarungsgemäß zur sofortigen Teilrückzahlung des Darlehens über nominal 293.516,00 EUR (Konto ###2) verwendet wurde.
30Der Kläger leistete ferner Zuzahlungen für die Zinsen an die Beklagte und begann nach Kündigung der Kapitallebensversicherung die Darlehen annuitätisch zu tilgen. Unstreitig betrug nach Angaben der Beklagten die Restforderung aus den beiden Darlehen zum Stichtag des 31.12.2010 zumindest 181.000,00 EUR.
31Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2010 erklärte der Beklagte unter Berufung auf ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB den Widerruf der Darlehensverträge und forderte die Beklagte auf, das bisher eingezahlte Eigenkapital Zug-um-Zug gegen Übertragung der Ansprüche aus der Rentenversicherung und der Risikolebensversicherung zurückzuzahlen und setzte der Beklagten Frist zum 05.11.2010 das Widerrufsrecht und den Rückabwicklungsanspruch dem Grunde nach anzuerkennen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.11.2010 wies die Beklagte das Widerrufsrecht und die daran anknüpfenden vom Kläger geltend gemachten Ansprüche zurück.
32Der Kläger ist der Ansicht, bei den streitgegenständlichen Darlehensverträgen und der sog. Schneerente handele es sich um verbundene Geschäfte. Hierzu trägt er vor, die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe sich bei der Anbahnung und Abwicklung der beiden Darlehensverträge bzw. der Versicherungspolicen der Verkäuferin der Sicherheits-Kompakt-Rente bedient. Die Beklagte habe Kenntnis davon gehabt, dass das Darlehen ausschließlich der Realisierung des SKR-Modells dienen sollte, es somit Bestandteil des Anlagemodells gewesen sei und dass das Anlagekonzept insgesamt nur bei einer Zusage der Beklagten abgewickelt werden würde. Insbesondere habe der Kläger auch keinerlei Möglichkeit der anderweitigen Verwendung der Darlehensbeträge gehabt.
33Er ist der Ansicht, der erklärte Widerruf sei wirksam, weil die Widerrufsbelehrung insbesondere im Hinblick auf die unzureichende Belehrung bezüglich der Widerrufsfolgen bei derartigen verbundenen Geschäften unzureichend sei und eine Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt habe. Die Belehrung enthalte zu den Widerrufsfolgen lediglich eine unzureichende allgemeine Wiedergabe der Rechtslage und überlasse die Prüfung, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt, unzulässigerweise dem Verbraucher. Diese Hinweise seien auch missverständlich, unvollständig und weckten bei dem Verbraucher ein für ihn nachteiliges Missverständnis der Rechtslage.
34Zudem sei auch die verwendete Formulierung zum Beginn der Widerrufsfrist irreführend.
35Die Beklagte sei daher ihm gegenüber zur Rückabwicklung der Darlehensverträge verpflichtet.
36Der Kläger behauptet, an die Beklagte neben dem anfänglichen Eigenkapitalbeitrag in Höhe von 35.232,00 EUR in dem Zeitraum vom 29.09.2005 bis 30.06.2011 für Zinsen, Tilgung und Bankgebühren einen Gesamtbetrag in Höhe von 24.240,64 EUR (gemäß der Übersicht Anlage K12 Bl. 80 d.A.) gezahlt zu haben.
37Er begehrt vor der Beklagten Zahlung von 73.301,97 EUR, wobei sich der geltend gemachte Betrag aus dem Vorgenannten Gesamtaufwand in Höhe von 59.472,64 EUR zuzüglich einer geltend gemachten Nutzungsentschädigung (5 %-Punkte über Basiszins aus 35.232,00 EUR vom 01.01.2005 bis 05.11.2010 – insgesamt 13.829,33 EUR) ergibt. Ferner begehrt er auf diesen Betrag Verzugszinsen ab dem 05.11.2010 und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.419,19 EUR nebst Zinsen. Des Weiteren begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen keine Rechte mehr zustehen und die Freigabe aller Ansprüche aus den Risikolebensversicherungen bei der C Lebensversicherung AG und der A Lebensversicherung AG. Er macht die Ansprüche jeweils Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Versicherung bei der K und dem Angebot des Verzichts auf Rückübertragungsansprüche aus der mit der Beklagten getroffenen Sicherungsvereinbarung geltend. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
38Er meint, Steuervorteile seien nicht mindernd in Abzug zu bringen.
39Der Kläger beantragt,
401. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 73.301,97 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 05.11.2010 zu bezahlen.
412. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus und im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen über nominal € 140.255,00 (Konto-Nr. ###6) und € 293.516,00 (Konto-Nr. ###) keine Ansprüche gegen den Kläger zustehen.
423. Die Beklagte wird verurteilt, alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit den Risikolebensversicherungen bei der C Lebensversicherung AG, Vers-Nr. ###3, und bei der A Lebensversicherung AG, Vers-Nr. ###1, freizugeben.
434. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 4.419,19 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
445. Die Ansprüche Ziffer 1-4 stehen unter dem Vorbehalt einer Übertragung Zug um Zug aller Ansprüche des Klägers aus dem Versicherungsvertrag mit der K, Vers-Nr. ###4, sowie dem Angebot des Verzichts auf alle Rückübertragungsansprüche aus der mit der Beklagten getroffenen Sicherungsvereinbarung zu der eben genannten Versicherung.
456. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Übertragungsangebotes aller Ansprüche des Klägers aus dem Versicherungsvertrag mit der K, Vers-Nr. ###4, sowie des Verzichtsangebotes auf alle Rückübertragungsansprüche aus der mit der Beklagten getroffenen Sicherungsvereinbarung zu der eben genannten Versicherung in Verzug befindet.
46Die Beklagte beantragt,
47die Klage abzuweisen.
48Die Beklagte meint, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückabwicklung zu.
49Sie hält die Widerrufsbelehrung für wirksam und den Widerruf daher für verfristet. Ferner ist sie der Ansicht, dass es sich nicht um verbundene Verträge handele.
50Sie bestreitet die vom Kläger vorgetragenen Zinsaufwendungen laut der Zahlungsübersicht des Klägers.
51Sie meint, der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Verzinsung des von ihm eingesetzten Eigenkapitals.
52Hilfsweise macht sie geltend, dass der Kläger sich steuerliche Vorteile anrechnen lassen müsse, die sie mit 41.528,91 EUR auf 117 % des investierten Eigenkapitals in Höhe von 35.232,00 EUR berechnet. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf Bl. 147 d.A. verwiesen.
53Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 30.01.2012 hat der Kläger unter Bezugnahme auf eine von seinem Steuerberater erstellte Übersicht (Anlage K17, Bl. 228 rück d.A.) vorgetragen, in dem Zeitraum von 2003 bis 2010 durch die Schnee-Rente eine Steuerersparnis in Höhe von 30.169,77 EUR erzielt zu haben.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
55Entscheidungsgründe:
56Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
57I.
58Dem Kläger stand ein Widerrufsrecht gemäß den §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zu, welches er mit Schreiben vom 19.10.2010 wirksam ausgeübt hat.
59Der Widerruf wurde auch rechtzeitig erklärt, weil mangels ordnungsgemäßer Belehrung der Lauf der Widerrufsfrist nicht begonnen hatte (§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB)
60Auf die streitgegenständlichen, nach dem 01.11.2002 entstandenen Darlehensverträge sind die §§ 355, 358, 495 BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung vom 02.12.2004 anwendbar.
61Nach Art. 229 § 22 Abs. 1 EGBGB in der Fassung vom 29.07.2009 sind auf vor dem 11. Juni 2010 entstandene Schuldverhältnisse die ab 11.06.2010 geltenden Neuregelungen der Neufassung vom 29.07.2009 nicht anwendbar, sondern das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung jeweils in der bis dahin geltenden Fassung. Daher sind gem. Art. 25 Abs. 3 Nr. 1 OLGVertrÄndG und Art 229 § 9 EGBGB die vorgenannten Vorschriften maßgeblich.
62Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH (U. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10 juris) war hier davon auszugehen, dass die Widerrufsbelehrungen nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB genügten. Vor dem Hintergrund der vorgenannten Entscheidung des BGH hält die Kammer an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung in früheren Entscheidungen nicht mehr fest.
63Eine Widerrufsbelehrung muss umfassend, inhaltlich richtig, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (BGH U. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10 juris, mwN.)
64Unzureichend war die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung jedenfalls hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist, über den der Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB eindeutig zu informieren ist (BGH U. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10 juris, mwN.). Die von der Beklagten verwendete Formulierung, die Frist beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung", belehrt den Verbraucher nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" (BGH U. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10 juris, mwN.) beginnen, der Beginn des Fristlaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (BGH U. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10 juris, mwN.).
65Aus den BGH Urteilen vom 13. Januar 2009 (BGH XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 Rn. 19 und XI ZR 508/07, juris Rn. 17) ergab sich nichts anderes. Soweit der BGH dort in der Verwendung des Formulierungszusatzes "frühestens" in einer Widerrufsbelehrung keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot gesehen hat, enthielten die betreffenden Belehrungstexte jeweils weitere klarstellende Zusätze über einen hinausgeschobenen Beginn der Widerrufsfrist ("jedoch nicht bevor …") (BGH U. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10 juris). Um einen solchen Fall handelte es sich vorliegend jedoch nicht.
66Weitere klarstellende Zusätze waren hier in der Widerrufsbelehrung nicht enthalten.
67Es hätte ein Hinweis darauf enthalten sein müssen, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt, bevor dem Kläger eine Vertragsurkunde o.a. zur Verfügung gestellt worden ist, weil es sich hier um schriftlich abzuschließende Verbraucherdarlehensverträge (§ 492 BGB) handelte, § 355 Abs. 2 S. 3 BGB.
68II.
69Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 1. August 2002 (BGBl. I S. 2958, 2959) war der Beklagten verwehrt, weil sie gegenüber dem Kläger für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entspricht.
70Denn die Widerrufsbelehrung enthielt insoweit eine textliche Abweichung vom Muster. Der Zusatz hinsichtlich finanzierter Geschäfte lautet dort im Satz 2 (Bl. 57):
71„… wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen.“
72Die Musterbelehrung enthält hier den Text „wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen“
73Es konnte dahingestellt bleiben, ob die vollständige Verwendung des in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelten Musters für die Widerrufsbelehrung in der hier geltenden ursprünglichen Fassung einen Vertrauensschutz zu Gunsten des Verwenders mit der Folge begründet, dass der Verbraucher sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, die Widerrufsfrist sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden.
74Denn nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dann wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmer sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH U. v. 28.06.2011 – XI ZR 349/10 juris, mwN.), was hier nicht der Fall war.
75Ob das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung nichtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in jeder Hinsicht entspricht, hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang bislang offen gelassen (BGH, U. v 01.12.2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und v. 02.02.2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21). Diese Frage bedurfte hier indessen keiner Entscheidung.
76III.
77Bei den Darlehensverträgen und den Versicherungsverträgen handelte es sich auch um verbundene Verträge im Sinne des § 358 BGB.
78Ein Vertrag über die Erbringung einer Leistung und ein Darlehensvertrag sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des andern Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden, § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB.
79Die Verträge bildeten im vorliegenden Fall eine wirtschaftliche Einheit. Ob eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, ist, wenn eine solche Einheit nicht nach § 358 Abs. 3 S. 2 BGB zwingend vermutet wird, anhand der Umstände des Einzelfalls zu bewerten.
80Die zwingende Vermutung des § 358 Abs. 3 S. 2 1. Alt. BGB griff im vorliegenden Fall nicht, weil die jeweiligen Versicherungen nicht von der Beklagten selbst, sondern von Dritten Unternehmen angeboten wurden, so dass hier kein Fall vorlag, in dem der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert.
81Ein verbundenes Geschäft kann auch ohne das Eingreifen der Vermutung des § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB vorliegen, wenn das Darlehen und der durch dieses finanzierte Vertrag aufgrund anderer Umstände eine wirtschaftliche Einheit bilden (§ 358 Abs. 3 Satz 1 BGB), wenn sie also über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus derart miteinander verbunden sind, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre. Die Verträge müssen sich hiernach wechselseitig bedingen bzw. der eine Vertrag seinen Sinn erst durch den anderen erhalten. Dazu bedarf es der Verknüpfung beider Verträge durch konkrete Umstände, die sich nicht wie notwendige Tatbestandsmerkmale abschließend umschreiben lassen, sondern im Einzelfall verschieden sein oder gar fehlen können, wenn sich die wirtschaftliche Einheit aus anderen Umständen ergibt. Zu diesen Indizien gehören die Zweckbindung des Darlehens zur Finanzierung eines bestimmten Geschäfts, durch die dem Darlehensnehmer die freie Verfügbarkeit über die Darlehensvaluta genommen wird, der zeitgleiche Abschluss beider Verträge, das Verwenden einheitlicher Formulare mit konkreten wechselseitigen Hinweisen auf den jeweils anderen Vertrag, die Einschaltung derselben Vertriebsorganisation durch Darlehensgeber und Unternehmer sowie das Abhängigmachen des Wirksamwerdens des Erwerbsvertrages vom Zustandekommen des Finanzierungsvertrages mit einer vom Unternehmer vorgegebenen Bank (vgl. BGH U. v. 15.12.2008 XI ZR 45/09, NJW 2010, 531).
82Nach diesen Maßstäben lag hier ein verbundenes Geschäft vor.
83Die vom Kläger aufgenommenen Darlehen dienten der Finanzierung der bei den Lebens- und Rentenversicherern zu leistenden Einmaleinlagen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig, ergibt sich aber auch aus dem Darlehensverträgen (Anlagenkonvolut 4 Bl. 49 und 53 d.A.). In diesen ist als Verwendungszweck die „Finanzierung einer Sicherheits-Kompakt-Rente“ genannt.
84Gleichzeitig hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass mit dem Anlagemodell Risiken verbunden sein können (Bl. 51 und 56 d.A.) und in den Anlagen zu den Darlehensverträgen aufgenommen, dass der Kläger jeweils die „Wichtigen Hinweise zur Sicherheits-Kompakt-Rente“, Chancen und Risikodarstellungen etc. zur Kenntnis genommen hat. (Bl. 51 und 56 d.A.).
85Der Renten- bzw. Lebensversicherungsvertrag und die Darlehensverträge bildeten auch eine wirtschaftliche Einheit.
86Durch das Anlagekonzept der Sicherheits-Kompakt-Rente waren die Verträge derart miteinander verknüpft, dass ein Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre. Beide Verträge waren wechselseitig bedingt und erhielten erst durch den Abschluss des anderen einen Sinn. Das Konzept der Sicherheits-Kompakt-Rente beruht gerade auf einer Fremdfinanzierung. Durch sie sollen Steuervorteile erzielt werden, die zusammen mit den Auszahlungen aus der Renten- und Lebensversicherung die Zinsen decken und durch überschießende Erträge zur Vermögensbildung führen. Beide Verträge stellen damit unverzichtbare Elemente eines einheitlichen Anlagemodells dar.
87Die Verträge nehmen auch teilweise aufeinander Bezug und sind aufeinander abgestimmt. Der Darlehensvertrag erwähnt als Verwendungszweck die „Sicherheits-Kompakt-Rente“ und verlangt zudem die offene Abtretung der Rechte und Ansprüche aus den entsprechenden Versicherungen (K, B, C Bl. 52 und 55 d.A.).
88In dem Versicherungsantrag Wealthmaster Noble (Anlage K3 Bl. 46 d.A.) ist als Versicherungsgrund ausdrücklich „Tilgung einer Rentenfinanzierung“ angegeben.
89Darauf, ob es zwischen der Beklagten und der Schnee Gruppe Vertriebsabsprachen gab, oder auf die zwischen den Parteien streitigen genauen Umstände der Beantragung der Versicherungen und Darlehen kam es hiernach für die Entscheidung nicht mehr an.
90Allein der Umstand, dass die Beklagte in die Anlagen zu den Darlehensverträgen jeweils einen Passus aufgenommen hatte „Die Sparkasse stellt dem Darlehensnehmer die Darlehen im Hinblick auf seine persönliche Bonität und unabhängig von der Anlageentscheidung (Mittelverwendung) zur Verfügung.“ (Bl. 51 und 56 d.A.) sprach nicht dafür, dass die Darlehen selbständig waren. Denn die Kammer geht davon aus, dass eine Bonitätsprüfung auch bei einem verbundenen Geschäft im Regelfall ohnehin durchgeführt wird.
91IV.
92Die Finanzierungsverträge haben sich durch den wirksamen Widerruf in Rückabwicklungsverhältnisse umgewandelt. Die Rechtsfolgen richten sich nach den §§ 357, 358, 346 ff. BGB.
93Hiernach hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung der der von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsraten sowie den gezahlten Eigenanteil.
94Der Eigenkapitalbeitrag des Klägers beträgt unstreitig 35.232,00 EUR.
95Für Zinsen und Tilgung sowie Bankgebühren war der vom Kläger vorgetragene Betrag in Höhe von 24.240,64 EUR anzusetzen.
96Soweit die Beklagte die Aufstellung der entsprechenden Beträge durch den Kläger lediglich einfach bestritten hat, war das Bestreiten nicht hinreichend substantiiert. Als Bank, der die geltend gemachten Zins- und Tilgungsleistungen und Bankgebühren zugeflossen sind, hätte es der Beklagten oblegen, dem klägerischen Vortrag substantiiert entgegen zu treten.
97Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe von 5 Prozentpunkten per anno auf den Eigenkapitalbeitrag von 35.232,00 EUR für den Zeitraum von 01.01.2005 bis 05.11.2010, insgesamt ein Betrag in Höhe von 13.829,33 EUR zu. Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 357, 346 Abs. 1 BGB. Zwar sind nach § 346 Abs. 1 BGB nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben. Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei Banken aber zu vermuten, dass sie Nutzungen in Höhe des Verzugszinses des § 288 Abs. 1 S. 2 BGB gezogen haben, die sie als Nutzungsersatz herauszugeben haben (BGH U. v. 10.03.2009 – XI ZR 33/08, NJW 2009, 3572).
98Der Kläger musste sich einen Betrag in Höhe von 41.528,91 EUR in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen.
99Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrages im Rahmen eines verbundenen Geschäfts der Rückzahlungsanspruch um unverfallbare Steuervorteile zu mindern, weil es mit dem Sinn und Zweck des Widerrufsregelungen nicht zu vereinbaren ist, wenn ein Anleger nach Rückabwicklung einer kreditfinanzierten Anlage besser stünde als er ohne diese Anlage gestanden hätte (BGH U. v. 24.04.2007 XI ZR 17/06, NJW 2007, 2401 zum HWiG).
100Steuervorteile gehörten vorliegend zum Gesamtkonzept der Anlage. Insoweit enthalten die „Wichtigen Hinweise zur Sicherheits-Kompakt-Rente“ (Anlage B1, Bl. 149 d.A.) insbesondere Hinweise auf Werbungskosten.
101Da es dem Anleger bei kreditfinanzierten Renten- und Lebensversicherungen gerade auch auf die Steuervorteile ankommt, ist es bei Rückgängigmachung der Anlageentscheidung nach dem Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung nicht nur konsequent, sondern auch geboten, bei der Berechnung des Rückzahlungsanspruchs des Anlegers auch die ihm endgültig verbleibenden Steuervorteile anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
102Mit dem Sinn der Rückabwicklung nach § 358 BGB wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Anleger nach Rückabwicklung einer kreditfinanzierten Altersvorsorge besser stünde, als er ohne diese Anlage gestanden hätte. Erfolgte Ausschüttungen oder Rentenzahlungen hat der Kläger hier folgerichtig auch berücksichtigt, wobei diese ohnehin unmittelbar an die Beklagte zur Darlehenstilgung geflossen sind. Folgerichtig muss das aber auch für Steuervorteile gelten, die der Anleger aus der mit der Anlage verbundenen Werbungskosten gezogen hat. Denn wenn er diese Vorteile behalten dürfte, stünde er sich nach der Rückabwicklung besser, als er ohne die Anlage stehen würde. Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht und ist es nicht widerspruchsfrei, bleibende Steuervorteile nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs nur im Rahmen von Schadensersatzansprüchen zu berücksichtigen, nicht dagegen bei der Rückabwicklung nach § 358 BGB (vgl. hierzu BGH U. v. 24.04.2007 XI ZR 17/06, NJW 2007, 2401 zum HWiG).
103Entgegen der Auffassung des Klägers, der unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH zur Anrechnung von Steuervorteilen im Rahmen schadensrechtlicher Rückabwicklung fremdfinanzierter Fondsbeteiligungen meint, Steuervorteile seien vorliegend nicht anzurechnen, weil hier keine außergewöhnlichen Steuervorteile vorlägen, war eine Anrechnung vorzunehmen.
104Denn die Rechtsprechung des BGH zur Anrechnung von Steuervorteilen auf die sich der Kläger bezieht, betrifft Fälle, in denen die Rückabwicklung nicht aufgrund eines Widerrufs, wie hier, erfolgte, sondern aufgrund schuldhafter Schädigung durch Falschberatung.
105Zur schadensrechtlichen Rückabwicklung ist nach der Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen, ob eine spätere Minderung oder Beseitigung des eingetretenen Vermögensschadens den Schadensersatzanspruch beeinflusst. Danach seien Wegfall oder Minderung des Schadens nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen. Außerdem müsse die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und dürfe weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten. Zu solchen auf den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden Vorteilen gehören grundsätzlich auch Steuern, die der Geschädigte infolge der Schädigung erspart hat (BGH U. v. 15.07.2010 – III ZR 336/08, juris).
106Eine Anrechnung von Steuervorteilen komme grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs zu einer Besteuerung führe, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nehme (BGH U. v. 01.03.2011 – XI ZR 96/09, juris, mwN.). Da das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach freier Überzeugung zu entscheiden habe und eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Besteuerungszeiträumen häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordere, müssten in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung auswirkt (BGH U. v. 01.03.2011 – XI ZR 96/09, juris).
107In diesem Zusammenhang spricht der BGH von nicht hinnehmbaren Erschwerungen der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs; denn dem Geschädigten werde angesonnen, bereits im anhängigen Verfahren die Abtretung seiner Ansprüche aus der Beteiligung Zug um Zug gegen eine nicht vollständige Schadensersatzleistung anzubieten, obwohl er nicht den vollen ihm gebührenden Ersatz erhalte; er müsste über einen weiteren Zeitraum das Risiko tragen, dass der Schädiger die noch ausstehende Ersatzleistung erbringen wird (BGH U. v. 15.07.2010 – III ZR 336/08, juris). Dem BGH geht es hier insbesondere darum, dem Geschädigten nicht das Insolvenzrisiko des Schädigers aufzubürden (BGH U. v. 01.03.2011 – XI ZR 96/09, juris).
108Im Fall der schadensrechtlichen Rückabwicklung entspricht es auch der Billigkeit, das Risiko dem Schädiger und nicht dem Geschädigten aufzubürden, da den Schädiger hier ein schuldhaftes schädigendes Verhalten vorzuwerfen ist.
109Vorliegend hat der Kläger die geltend gemachten Ansprüche indessen nicht auf schuldhafte Pflichtverletzungen der Beklagten durch Falschberatung oder Ähnliches gestützt, sondern ein ihm zustehendes Widerrufsrecht ausgeübt.
110Hier ist die Situation anders zu beurteilen. Denn das Widerrufsrecht ermöglicht es dem Verbraucher sich von einem eingegangenen Vertrag zu lösen, weil er seine Meinung geändert hat beziehungsweise nachträglich bei Abwägung des Für und Wider zu einer anderen Einschätzung gelangt, als bei Abschluss des Vertrages. Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher vor einer möglicherweise übereilt eingegangenen vertraglichen Bindung schützen. Der durch das Widerrufsrecht gewährleistete Verbraucherschutz begründet sich aber nicht in einer Pflichtverletzung oder schuldhaften Schädigung durch den Vertragspartner, sondern darin, es dem Verbraucher letztlich zu ermöglichen sich, abweichend vom Grundsatz, dass eingegangene Verträge zu erfüllen sind, von einer eingegangenen vertraglichen Bindung zu lösen, weil er es sich anders überlegt hat. Wenn aber die Rückabwicklung nicht auf einem schuldhaften Verhalten des anderen Vertragspartners beruht, sondern auf einer nachträglich geänderten Einschätzung des Verbrauchers, entspricht es nicht der Billigkeit, dem anderen Vertragspartner eventuelle Risiken von Unwägbarkeiten hinsichtlich der Erstattungsleistungen aufzubürden und den Verbraucher ihm gegenüber risikolos zu stellen.
111Darüber hinaus war auch von dem Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung zugeflossenen außergewöhnlichen Steuervorteilen auszugehen, weil dem eingesetzten Eigenkapitalanteil des Klägers in Höhe von 35.232,00 EUR zumindest unstreitige Steuervorteilen in Höhe von 30.169,77 EUR gegenüberstehen, was rund 86 % des eingesetzten Eigenkapitals entspricht.
112Nach vorstehenden Erwägungen waren die erzielten Steuervorteile auf die Erstattungsleistungen anzurechnen.
113Es war dabei von Steuervorteilen in Höhe von 41.528,91 EUR auszugehen. Denn die Beklagte hat den von ihr Berechneten Betrag ausreichend substantiiert dargelegt. Dem Kläger oblag es im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast den seiner Auffassung nach zutreffenden Betrag substantiiert darzulegen, wozu ihm die Kammer Gelegenheit eingeräumt hat. Der Kläger hat zwar konkrete Beträge vorgetragen, diese aber nicht nachvollziehbar belegt. Die Kammer lässt hierbei nicht unberücksichtigt, dass zwar keine übertriebenen Anforderungen an die Substantiierung zu stellen sind. Es wäre dem Kläger jedoch ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen, die erzielten Steuervorteile durch die Vorlage von Steuerbescheiden und Steuererklärungen zu belegen, was er nicht getan hat.
114V.
1151.
116Danach ergab sich im Hinblick auf den Antrag zu 1) ein Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 31.773,06 EUR nach folgender Berechnung:
117Eigenkapitalbeitrag: 35.232,00 EUR
118Zinsen, Tilgung, Bankgebühren 24.240,64 EUR
119Nutzungsentschädigung 13.829,33 EUR
120abzgl. Steuervorteile - 41.528,91 EUR
12131.773,06 EUR
122Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 357 Abs. 1 S.2 u. 3, 286 Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz aus 31.773,06 EUR seit dem 19.11.2010.
1232.
124Der Antrag zu 2) war begründet, da sich die Beklagte unstreitig weiterer Forderungen aus den Darlehen berühmt hat, die ihr indessen wegen des wirksam erklärten Widerrufs nicht mehr zustanden.
1253.
126Der Antrag zu 3) war begründet, weil im Rahmen der Rückabwicklung auch die besicherten Lebensversicherungen freizugeben sind.
1274.
128Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stand dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu. Denn die Beklagte befand sich bei der Beauftragung des Bevollmächtigten des Klägers nicht in Verzug. Ein solcher Anspruch bestand auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs bezüglich Kosten der Rechtsverfolgung, weil hier kein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wurde, als Teil dessen die Ersatzpflicht von Kosten der Rechtsverfolgung bestünde. Auch im Hinblick auf die begehrte Feststellung, dass der Beklagten keine Ansprüche aus den Darlehen gegen den Kläger zustehen, ergab sich kein entsprechender Erstattungsanspruch, weil sich das ursprüngliche Vertragsverhältnis erst durch den mit anwaltlichem Schreiben vom 19.10.2010 erklärten Widerruf des Klägers in ein Rückgewährverhältnis umgewandelt hat.
1295.
130Der Kläger kann die Rückabwicklung nur Zug um Zug gegen Übertragung der jeweiligen noch bestehenden Versicherungsverträge an die Beklagte verlangen (§ 348 BGB). Dies hat er in seinen Klageanträgen berücksichtigt.
1316.
132Der Antrag zu 6) war begründet, weil der Kläger der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 19.10.2010 die Übertragung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen angeboten und die Beklagte das Angebot nicht angenommen hat, § 293 BGB.
133VI.
134Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs.1, 709 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
135Streitwert: 259.301,97 EUR
136Antrag zu 1): 73.301,97 EUR
137Antrag zu 2) und 3): 181.000,00 EUR
138(offene Forderung, derer sich die Beklagte berühmt; Antrag zu 3) ohne separaten Ansatz wegen wirtschaftlicher Identität)
139Antrag zu 4) und 5): (kein Ansatz, da nicht streitwerterhöhend)
140Antrag zu 6): 5.000,00 EUR
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