Urteil vom Landgericht Köln - 25 O 407/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
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T A T B E S T A N D:
2Der am 13.01.1958 geborene Kläger nimmt die Beklagte wegen des Vorwurfs von Behandlungsfehlern im Zusammenhang mit einer Facetteninfiltration sowie wegen unzureichender Aufklärung über Eingriff und Risiken dieser Behandlung auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Der Kläger begab sich am 26.05.2007, am Samstag vor Pfingsten wegen starker Rückenschmerzen in das Haus der Beklagten. Der Kläger litt zu diesem Zeitpunkt bereits seit vielen Jahren unter rezidivierenden lumbalgieformen Rückenbeschwerden. Als Gas- und Wasserinstallateur war er in besonderer Weise körperlichen Belastungen ausgesetzt. Der Kläger wurde über die Notfallambulanz in die stationäre chirurgische Abteilung der Beklagten übernommen. Bei der Aufnahme litt der Kläger unter akuten lumbalen Schmerzen mit Ausstrahlung in die Beine. Bei der Aufnahme wurden keine neuromuskulären Defizite festgestellt. Neben der körperlichen Untersuchung erfolgte eine Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule in zwei Ebenen sowie ein Aufnahmelabor, das keinen wesentlichen pathologischen Befund ergab. Der Kläger erhielt eine Schmerzinfusion, den sogenannten „Würzburger Schmerztropf“. Die Schmerztherapie wurde sodann in den nächsten Tagen fortgesetzt. Bei ausbleibender relevanter Verbesserung der Beschwerdesituation wurde bei dem Kläger am 29.05.2007 eine durch Bildwandler gestützte Infiltration der Facettengelenke L 4 bis S 1 beidseits durchgeführt. In den Behandlungsunterlagen findet sich in der Kurve des Patienten für den 4. Stationären Behandlungstag , den 29.5.2007 folgender handschriftlicher Eintrag: „Pat.(ient) über Inf(iltration) aufgeklärt nach Verlauf ggf heute oder morgen“. Die Infiltration erfolgte im Operationssaal, da hier die notwendigen Röntgengeräte vorhanden waren. Nachdem sich zunächst eine Verbesserung der lokalen Schmerzsituation ergeben hatte, klagte der Kläger am darauffolgenden Tag über starke Schmerzen in der Schulter. Es wurde daraufhin eine Erweiterung der Schmerzmedikation veranlasst und am 31.05.2007 eine Infiltration der rechten Schulter vorgenommen. Am 03.06.2007 wurde bei dem Kläger erstmals ein Anstieg der Temperatur festgestellt. Bei einem weiteren Temperaturanstieg am darauffolgenden Tag wurde eine Laborkontrolle durchgeführt. Die Laborkontrolle zeigte einen leichten Anstieg der Leukozyten und des CRP-Werts. In den folgenden Tagen klagte der Kläger wieder über vermehrte lumbale Beschwerden und es wurde ein erneuter Anstieg der Temperatur mit Fieberentwicklung festgestellt. Eine antibiotische Behandlung mit Unacid wurde begonnen. Bei klinischem Verdacht auf eine Spondylodiszitis wurde eine MRT-Diagnostik der Lendenwirbelsäule eingeleitet, die auf Veranlassung der Beklagten im S-Hospital in G am 06.06.2007 stattfand. Hierin bestätigte sich der Verdacht auf eine Spondylodiszitis der Etage L 5/S 1. Daraufhin wurde der Patient in die neurochirurgische Abteilung der Universitätsklinik Köln zur Weiterbehandlung verlegt.
3Am 07.06.2007 erfolgte die neurochirurgische Entlastung in Form einer Flavektomie (operatives Abtragen des Ligamentum flavum). Postoperativ wurde der Kläger für eine Nacht auf der Intensivstation überwacht und konnte in der Folge im stabilen Allgemeinzustand auf die Station verlegt werden. Eine intravenöse Antibiose-Gabe erfolgte über 6 Wochen; die Entzündungsparameter zeigten sich im Verlauf rückläufig. Es wurde sodann langsam mit einer Mobilisation des Klägers wieder begonnen. Am 20.07.2007 konnte der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen werden. Es wurden wöchentliche laborchemische Kontrollen der Entzündungswerte empfohlen sowie eine erneute MRT-Verlaufskontrolle 4 Wochen nach Entlassung.
4Der Kläger ist der Ansicht, dass seine Behandlung im Hause der Beklagten insgesamt nicht lege artis erfolgt sei. In Bezug auf die Infektion trägt der Kläger vor, dass die Ansteckung mit dem Erreger staphylococcus aureus dem Risiko des beklagten Krankenhauses zuzuordnen sei und dass die Beklagte daher den Nachweis zu erbringen hätte, dass im konkreten Fall alle möglichen und zumutbaren Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden seien. Der Kläger erhebt die Aufklärungsrüge. Hierzu behauptet der Kläger, dass ihm nicht erläutert worden sei, warum eine Facetteninfiltration durchgeführt würde. Vielmehr sei er davon ausgegangen, dass eine intervertebrale Spritze verabreicht würde, wie er sie bereits zu früheren Zeitpunkten erhalten hatte. Über Komplikationen der Facetteninfiltration sei mit dem Kläger nicht gesprochen worden. Selbst wenn man die Behauptung der Beklagten als wahr unterstellen wollte, so wäre ein solches Aufklärungsgespräch jedenfalls im Hinblick auf den noch am gleichen Vormittag stattgefundenen Eingriff zu spät erfolgt. Für den Fall, dass ihm die möglichen Komplikationen der Facetteninfiltration mitgeteilt worden wäre, so hätte er sich gegen einen solchen Eingriff ausgesprochen, da ihm als Selbständigem das Risiko eines längeren krankheitsbedingten Ausfalls und einer möglichen dauerhaften Schädigung viel zu groß gewesen wäre.
5Der Kläger beantragt,
61. die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes zu verurteilen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber einen Betrag von 15.000,-- € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift,
72. die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 2.442,01 € zu verurteilen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift,
83. die Beklagte zur Zahlung der dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 492,54 € zu verurteilen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie bestreitet das Vorliegen von Behandlungsfehlern und trägt vor, dass der Kläger über die Ausführung und die Risiken einer Facetteninfiltration ausführlich aufgeklärt worden sei. Zu dem Eingriff sei der Kläger in einen aseptischen Operationstrakt verbracht worden, woraufhin unter sterilen Kautelen und unter Zuhilfenahme eines Bildwandlers die streitgegenständliche Facetteninfiltration durchgeführt worden sei. Die genannte Risikoaufklärung sei am Morgen des Eingriffs erfolgt; bei der Facetteninfiltration habe es sich um einen kleineren ambulanten Eingriff gehandelt; daher sei eine Aufklärung am Tag des Eingriffs nicht zu beanstanden.
12Die Beklagte beruft sich im Übrigen auf die hypothetische Einwilligung des Klägers.
13Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie die zur Gerichtsakte gereichten Behandlungsunterlagen Bezug genommen.
14Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 05.07.2011 (Bl. 58 f. d.A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. med. Z vom 04.10.2011 (Bl. 84 f. d.A.) sowie auf das Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2012 (Bl. 157 f. d.A.) verwiesen.
15E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
16Die zulässige Klage ist nicht begründet.
17Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist ein Behandlungsfehler nicht bewiesen. Damit folgt die Kammer dem Ergebnis, zu dem der Sachverständige Dr. med. Z nach sorgfältiger Auseinandersetzung mit den Behandlungsunterlagen und dem Vortrag der Parteien gekommen ist. Die Facetteninfiltration sei, nachdem es unter der Anwendung von Schmerzinfusionen zu keiner signifikanten Besserung gekommen sei, im Sinne einer Stufentherapie angemessen gewesen und nicht zu beanstanden. Eine weitergehende Diagnostik als die stattgehabte Röntgendiagnostik sei für derartige Therapiemaßnahmen nicht erforderlich. Zwar sei das detaillierte Vorgehen im Rahmen der Infiltrationsbehandlung den Behandlungsunterlagen nicht zu entnehmen; es handele sich aber um eine standardisierte Infiltration, die auch keiner näheren Beschreibung im Sinne eines Operationsberichtes bedürfe. Auch hinsichtlich der erforderlichen Hygienemaßnahmen sei insbesondere, da die Infiltration sogar im OP-Bereich erfolgt sei, davon auszugehen, dass die entsprechenden Standards hier Berücksichtigung gefunden hätten. Insgesamt sei die Behandlung des Klägers somit lege artes durchgeführt worden. Die Kammer schließt sich den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen an. In Bezug auf die Ansteckung mit dem Erreger staphylococcus hat der Kläger im Übrigen bereits keine Tatsachen vorgetragen, aus denen mangelnde Hygienezustände zu entnehmen wären.
18Auch die Aufklärungsrüge führt die Klage nicht zum Erfolg. Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der behandelnde Arzt der Beklagten, Herr U, über die Art und Weise des Eingriffs sowie über die Risiken der vorzunehmenden Facetteninfiltration am Morgen des 29.05.2007 den Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Der Zeuge U, der seine Handschrift bei einem Eintrag über die Aufklärung am vierten Tag in der Kurve in den Behandlungsunterlagen wiedererkannte, hat ausgesagt, dass er sich zwar an die Aufklärung nicht in allen Einzelheiten erinnern könne, dass er aber erläutern könne, wie seine Aufklärung bei Vornahme einer solchen Infiltrationsbehandlung, wie sie beim Kläger durchgeführt wurde, üblicherweise von statten gehe. Es sei so, dass stets über das der Infiltration immanente Infektrisiko aufgeklärt würde sowie über temporäre Lähmungserscheinungen, die nach einer Infiltration entstehen könnten. Es würde auch davon gesprochen, dass das Verletzungsrisiko eher von geringerer Natur sei, da die Behandlung unter Röntgendiagnostik stattfände und so eine Verletzung weitestgehend vermieden werden könne. Der Patient würde dann auch über die Art und Weise und die Ziele der Infiltrationsbehandlung aufgeklärt. So würde ihm erklärt, dass mit der Infiltrationsbehandlung zum einen die Schmerzen gezielt gelindert werden sollten, zum anderen durch die Verabreichung von Cortison auch ein therapeutischer Effekt entstehe. Die Kammer hält die Angaben des Zeugen U für glaubhaft. So gab der Zeuge glaubwürdig an, dass er sich an die Person des Klägers nicht mehr erinnern könne und dass er vor dem Termin auch keine Möglichkeit gehabt habe, die Behandlungsunterlagen noch einmal einzusehen. Nachdem ihm in der mündlichen Verhandlung die Behandlungsunterlagen vorgelegt wurden, fiel dem Zeugen grob die Problematik des Klägers wieder ein insbesondere, dass es sich um eine Rücken- und um eine Schulterproblematik gehandelt hatte. Dem Zeugen gelang es, sehr genau zwischen seiner aktiven eigenen Erinnerung und dem durch die Behandlungsunterlagen rekonstruierten Behandlungsablauf zu unterscheiden. So konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob die Zeugin T (ehemals T1) bei der streitgegenständlichen Infiltrationsbehandlung dabei gewesen war. Er konnte sich aber noch daran erinnern, dass sie als junge Ärztin bei mehreren Eingriffen zugegen gewesen war. Dass sie bei dem Aufklärungsgespräch dabei gewesen sei, hielt der Zeuge für eher unwahrscheinlich, da es gut sein könne, dass sie in dieser Zeit eine andere Aufgabe übernommen habe. Auch die Zeugin T gab hiermit übereinstimmend an, dass sie bei dem Aufklärungsgespräch nicht dabei gewesen sei. Insoweit stimmte seine Aussage auch mit den Angaben der später vernommenen Zeugin T überein, die angab, weder bei dieser Aufklärung noch bei dem Aufklärungsgespräch nicht mit dabei gewesen zu sein. Die Aussage der Zeugin T war, da sie bei einem Aufklärungsgespräch gerade über eine Facetteninfiltration nie dabei gewesen war, für das Beweisergebnis insoweit nicht ergiebig. Die Kammer ist aber nach der Aussage des Zeugen U davon überzeugt, dass insbesondere auch über das Infektrisiko der Facetteninfiltration, das sich beim Kläger leider verwirklichte, aufgeklärt wurde. Hiergegen sprechen auch nicht die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2012. Denn auch der Kläger konnte sich daran erinnern, vor dem Eingriff am Morgen des 29.05.2007 ein Gespräch mit dem Zeugen U geführt zu haben. Er, der Kläger, habe dem Zeugen U bei diesem Gespräch erzählt, dass er schon mehrfach Spritzen rechts und links neben dem Wirbel bekommen habe und dies ihm gut geholfen habe. Nach seiner Erinnerung habe dann der Zeuge U gesagt, dass sie das nun auch so machen würden. Ihm sei nicht klar gewesen, dass er eine Spritze in die Wirbelsäule bekommen würde und sei deshalb auch erstaunt gewesen, dass diese im OP stattfand. Nach Auffassung der Kammer sprechen die Angaben des Klägers nicht gegen eine erfolgte Aufklärung durch den Zeugen U. Sie entkräften nicht eine Aufklärung über das Infektionsrisiko durch den Zeugen U, sondern deuten vielmehr darauf hin, dass der Kläger dem Zeugen U gegenüber als mit Spritzen in den Wirbelbereich erfahrener Patient gegenübertrat und dem das mit einer Spritze in den Wirbelbereich einhergehende Risiko einer Infektmöglichkeit bekannt sei. Insoweit war die Verpflichtung des Zeugen U über das Infektrisiko aufzuklären zwar nicht aufgehoben, aber die Anforderungen an die Ausführlichkeit einer Aufklärung insoweit begrenzt. Auch der Zeitpunkt der Aufklärung am Tag des Eingriffs ist für die stattgehabte Infiltration nach Auffassung des Sachverständigen und auch nach der einschlägigen Rechtsprechung nicht zu beanstanden. Aus dem, nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 30.3.2012 eingegangenen Schriftsatz des Klägers ergaben sich keine neuen Gesichtspunkte für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Insbesondere war eine Anhörung des Sachverständigen, die mit diesem Schriftsatz erstmals beantragt wurde, nicht erforderlich. Soweit der Kläger beanstandet, die Aufklärung sei nicht über alle vom Sachverständigen geforderten Risiken erfolgt, so steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass jedenfalls über das eingetretene Risiko einer Infektion ordnungsgemäß aufgeklärt wurde. Auch sieht die Kammer keinen Widerspruch darin, dass der Sachverständige davon ausgegangen ist, dass die Aufklärung nicht dokumentiert worden sei. Da sich ein Aufklärungsbogen in der Akte nicht befindet sondern nur der kleine handschriftliche Vermerk in der Kurve ist es durchaus nachvollziehbar, wenn der Sachverständig diesen möglicherweise überlesen hätte. Im Übrigen hat der Kläger die in der mündlichen Verhandlung vom 16.3.2012 zum Gegenstand gemachte Dokumentation der Aufklärung nicht bestritten. Insgesamt ist die Klage abzuweisen.
19Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
20Streitwert: 17.442,01 €
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