Urteil vom Landgericht Köln - 3 O 102/11
Tenor
Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung eines Aufwendungsersatzes von 1.166.936,87 USD in Anspruch.
3Die Beklagte, ein Kreditinstitut mit Sitz in Frankreich, erhielt am 05.01.2007 von der französischen Niederlassung der iranischen Bank A, die im Auftrag der iranischen Gesellschaft T handelte, den Auftrag, eine Überweisung über 1.166.936,87 USD zugunsten der B AG, Köln auszuführen, die ihr Konto bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der E AG unterhielt. Die Bank A unterhielt keine direkte Kontoverbindung zur Bank des Zahlungsempfängers, der E. Da die Zahlung in USD ausgeführt werden sollte, musste diese über die USA ausgeführt werden. Die Beklagte unterhält in den USA eine Niederlassung.
4Nach der Beauftragung avisierte die Beklagte der E AG die bevorstehende Zahlung mit einer SWIFT-Nachricht MT 103 vom 05.01.2007 (Anlage K1 Bl. 62 d.A.). Die Überweisung sollte unter Einschaltung zweier Banken ausgeführt werden, nämlich der amerikanischen Niederlassung der Beklagten einerseits und der M, die seinerzeit die Korrespondenzbank der E AG in den USA war, andererseits.
5Die E AG führte den Swift-Auftrag am 05.01.2007 aus. Die E AG in Köln schrieb dem Konto des Zahlungsempfängers 1.166.936,87 USD mit Wertstellung zum 05.01.2007 gut.
6Mittels SWIFT-Nachricht MT 202 COV vom selben Tage (Anlage K8 Bl. 123 d.A.) versandte die Beklagte einen Überweisungsauftrag hinsichtlich der Deckungszahlung auf das Konto der Rechtsvorgängerin der Klägerin bei der M Bank.
7Die E übermittelte der Beklagten am 09.01.2007 mittels SWIFT-Nachricht MT 195 die Aufforderung, den Deckungsbetrag ihrem Konto bei der M Bank in New York (CHASUS33) gutzuschreiben. Der Deckungsbetrag wurde der Rechtsvorgängerin der Klägerin indessen nicht auf ihrem Konto bei der M Bank gutgeschrieben.
8Im Rahmen von Sanktionen gegen den Iran wurden die Bank A und ihre ausländischen Niederlassungen durch die US-amerikanische Behörde OFAC (Office of Foreign Assets Control) am 09.01.2007 von dem US-amerikanischen Finanzsystem ausgeschlossen, weil die Bank A an der Finanzierung des iranischen Atomwaffenprogramms beteiligt war. Transaktionen dieser Bank und ihrer Niederlassungen durch in Amerika ansässige Kreditinstitute durften nicht mehr ausgeführt werden. Alle Zahlungen von der Bank A wurden eingefroren.
9Die Beklagte bemühte sich in der Folge erfolglos um eine Freigabe der Überweisung durch die US-amerikanischen Behörden.
10Mit Schreiben vom 21.01.2007 (Anlage S2, Bl. 91 d.A.) unterrichtete die Beklagte die Rechtsvorgängerin der Klägerin darüber, dass sie aufgrund des Embargos die Deckungszahlung nicht freigeben könne, die Geldmittel aber nicht verloren seien, sondern zukünftig wieder zur Verfügung stehen würden. Ferner wies sie darauf hin, dass wenn die OFAC der Société Générale New York erlauben würde die Mittel freizugeben, M in der Lage wäre, den Betrag dem Konto der Rechtsvorgängerin der Klägerin gutzuschrieben („When OFAC will authorize Société Générale New-York to release the funds, M will also be able to credit your account.“ – Bl. 92 d.A.).
11Die Klägerin meint, ihr stehe gegen die Beklagte ein Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 1.166.936,87 USD gemäß §§ 675, 670 BGB zu.
12Das Landgericht Köln sei für die Entscheidung des Rechtsstreites gemäß Art. 5 Nr. 1 a) iVm Art. 5 Nr. 1 b) zweiter Spiegelstrich EuGVVO zuständig. Denn es handele sich hier um einen Aufwendungsersatzanspruch aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag/ Dienstleistungsvertrag. Maßgeblicher Erfüllungsort, der die Zuständigkeit begründe, sei Köln, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Zahlungsauftrag in ihrer Niederlassung in Köln ausgeführt habe.
13Es sei gemäß § 28 EGBGB deutsches Recht anwendbar. Die Rom I-Verordnung gelte für Verträge, die vor dem 17.12.2009 geschlossen wurden, nicht. Eine Rechtswahlvereinbarung sei zwischen den Parteien nicht getroffen worden. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergebe sich daraus, dass der Vertrag zwischen den Parteien die engsten Bindungen zu Deutschland aufweise, weil die vertragscharakteristische Leistung, nämlich die Gutschrift des oben genannten Betrages, von der Niederlassung der E AG in Köln ausgeführt wurde.
14Die Gutschrift auf einem Kundenkonto im Auftrag der Bank des Zahlungsanweisenden sei ein Auftrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages. Wenn der Geschäftsbesorger die Weisung ausführe, hier die Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten, so habe sie gemäß §§ 675, 670 BGB einen Anspruch auf Ersatz der getätigten Aufwendungen.
15Die von der Beklagten an die Rechtsvorgängerin der Klägerin übermittelte SWIFT-Nachricht MT 103 sei kein reiner Zahlungsavis, sondern ein Zahlungsauftrag.
16Ferner habe es sich nicht um eine mehrgliedrige Überweisung gehandelt, sondern um einen direkten Zahlungsauftrag von der Beklagten an die Rechtsvorgängerin der Klägerin und daneben um die Ausführung einer Deckungszahlung mittels SWIFT-Nachricht MT 202 COV.
17Die Beklagte sei auch nicht gemäß § 275 BGB von Ihrer Zahlungsverpflichtung frei geworden. Denn eine Geldleistungspflicht könne nie durch äußere Umstände unmöglich gemacht werden. Insbesondere bestünden hier alternative Zahlungswege. Die Beklagte könne die Zahlung an die Klägerin bewirken, indem sie den Gegenwert in EUR direkt von Frankreich nach Deutschland bewirke.
18Ferner habe die Beklagte ihre Nichtleistung gemäß § 275 Abs. 4 BGB zu vertreten. Denn die von der Beklagten an ihre Niederlassung in New York versandte SWIFT MT 202 COV Nachricht sei am 05.01.2007 dort eingegangen. Die Weiterleitung habe noch am selben Tage erfolgen müssen. Wenn die Beklagte den Betrag am 05.01.2007 oder auch noch am 08.01.2007 (Montag) ordnungsgemäß weitergeleitet hätte, wäre die Weiterleitung nicht durch das Embargo, das erst ab 09.01.2007 bestand, verhindert worden. Dass die Gelder blockiert wurden beruhe nur auf dem verzögerten Handeln der Beklagten. Ferner sei das Embargo im Moment der Beauftragung der Rechtsvorgängerin der Klägerin für die Beklagte auch schon vorhersehbar gewesen, weil die nationalen Zwangsmaßnahmen US-amerikanischer Behörden hinsichtlich des iranischen Finanzsystems schon mehrfach explizit angekündigt wurden. Die Vorhersehbarkeit eines Ereignisses schließe einen Fall der Unmöglichkeit aus.
19Der Anspruch sei auch nicht schon durch Erfüllung erloschen. Denn die Beklagte habe den Geldbetrag gemäß § 270 Abs. 1 BGB auf ihre Gefahr der Rechtsvorgängerin der Klägerin an deren Sitz übermitteln müssen. Die Erfüllung einer Geldforderung mittels Überweisung trete erst dann ein, wenn der betreffende Geldbetrag auf dem Konto des Gläubigers eintreffe. Das bloße Absenden des Geldes sei noch keine Erfüllung. Dass das Geld in den USA angehalten wurde, sei eine Gefahr, die die Beklagte nach § 270 Abs. 1 BGB zu tragen habe.
20Verjährung sei noch nicht eingetreten. Die Verjährung sei durch Einreichung des Antrags auf Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls beim Amtsgericht Wedding am 21.12.2010 gemäß § 167 ZPO unterbrochen worden. Die Zustellung sei alsbald im Sinne dieser Vorschrift erfolgt, weil die Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst am 01.02.2011 erreicht habe. Die Klägerin habe den Gerichtskostenvorschuss am 07.02.2011, mithin innerhalb der gesetzten zwei-Wochen-Frist, eingezahlt. Dass der Zahlungsbefehl erst am 11.03.2011 erlassen und der Beklagten im April zugestellt wurde, habe an der internen Arbeitsorganisation des Amtsgerichts Wedding gelegen.
21Der Aufwendungsersatzanspruch sei am 05.01.2007 fällig geworden, weshalb der Klägerin entsprechende Verzugszinsen zustünden. Die Beklagte habe der Rechtsvorgängerinder Auftrag erteilt, den streitgegenständlichen Betrag mit Wertstellung 05.01.2007 gutzuschreiben. Da die Beklagte als Auftraggeberin verpflichtet gewesen sei, die Auftragnehmerin in die Lage zu versetzen, den Auftrag auszuführen, also eine wertstellungsgleiche Deckungszahlung zu leisten, liege ein Fall von Verzug ohne Mahnung wegen kalendermäßig bestimmter Leistungszeit vor. Die Beklagte sei aber spätestens seit dem 09.01.2007 in Verzug, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihr am 09.01.2007 eine Zahlungsaufforderung zugeschickt habe.
22Die Klägerin beantragt,
23die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Betrag von USD 1.166.936,87 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2007 zu bezahlen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie meint, das Landgericht Köln sei für die Entscheidung unzuständig. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten befinde sich gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 60 Abs. 1 a EuGVVO in Paris, wo sie ihren Sitz habe. Ein besonderer Gerichtsstand ergebe sich nicht aus Art. 5 Nr. 1 a) und b) EuGVVO, weil zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin keine vertraglichen Beziehungen bestanden hätten, insbesondere kein Geschäftsbesorgungsvertrag, der die Rechtsvorgängerin der Klägerin verpflichtet hätte, das Konto des Zahlungsempfängers zu kreditieren und aus der sie einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte erlangt hätte. Vertragliche Beziehungen hätten nur zwischen der Bank A und der Beklagten, zwischen der Beklagten und ihrer Niederlassung in New York und der M in New York sowie zwischen der M und der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestanden.
27Es handele sich nach deutschem Verständnis bei den Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten Banken jeweils um zweiseitige selbstständige Geschäftsbesorgungsverhältnisse.
28Dies gelte im Fall einer mehrgliedrigen Überweisung im Inland ebenso, wie bei einer grenzüberschreitenden Überweisung. Bei einer derartigen mehrgliedrigen Überweisung aus dem Ausland, die im Inland ausgeführt werde, erteile die inländische Empfängerbank, hier die Rechtsvorgängerin der Klägerin, ihren Kunden als Zahlungsempfänger grundsätzlich nur dann eine dem Überweisungsauftrag aus dem Ausland entsprechende Gutschrift, wenn die ausländische Korrespondenzbank als vorgeschaltete Bank eine ausreichende Deckung angeschafft habe. Dies gelte auch, wenn die Auftraggeberbank die Zahlung der Empfängerbank avisiert habe. Ein Zahlungsavis begründe vor Eingang der Deckung bei der Empfängerbank keine Verpflichtung, das Konto des Empfängers in Höhe der avisierten Zahlung zu kreditieren oder eine Auszahlung des Betrages an den Empfänger vorzunehmen. Eine gleichwohl erteilte Gutschrift erfolge deshalb auf eigenes Risiko der Empfängerbank.
29Auch für den Fall der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bestehe kein Gerichtsstand in Köln, weil bei einem Vermögensschaden der Sitz des Geschädigten nicht der Schadensort im Sinne der Vorschrift sei, wenn der Vermögensschaden an einem anderen Ort eingetreten sei. Hier sei die Zahlung in den USA eingefroren worden, so dass ein vermeintlicher Schaden in den USA eingetreten sei.
30Ferner sei nicht deutsches, sondern französisches Recht anwendbar. Denn die vertragscharakteristische Leistung, die Ausführung der Überweisung, die die T der Beklagten über die Bank A erteilt habe, sei in Frankreich, am Sitz der Beklagten in Paris auszuführen gewesen.
31Auch wenn man von einer Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten ausgehe und deutsches Recht für anwendbar halte, sei die Beklagte von ihrer Verpflichtung zur Leistung nach § 275 BGB freigeworden, weil diese infolge des Embargos gegen die Bank A unmöglich geworden sei. Infolge des Embargos habe sich ein nicht vorhersehbares Risiko realisiert. Der Rechtsvorgängerin der Klägerin sei bekannt gewesen, dass bei einer Überweisung über die USA die dortigen zwingenden Regelungen zu beachten seien. Soweit sie das Konto des Zahlungsempfängers gleichwohl kreditiert habe, bevor der Deckungsbetrag bei ihr einging, sei dieses auf eigenes Risiko geschehen.
32Die Beklagte beruft sich ferner auf Verjährung. Soweit der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch am 05.01.2007 entstanden sei, habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin bereits dann, spätestens einige Tage danach, Kenntnis von den vermeintlichen anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners gehabt, so dass Verjährung am 31.12.2010 eingetreten sei. Dass die Klägerin noch im Jahr 2010 einen Antrag auf Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls gestellt habe sei unschädlich, weil dieser erst am 11.03.2011 erlassen und der Beklagten im April 2011 zugestellt worden sei. Die Verzögerung sei darauf zurückzuführen, dass die Klägerin das Zahlungsbefehlsverfahren nicht betrieben habe. Die Verjährung sei deshalb nicht nach § 167 ZPO gehemmt worden.
33Ein Zinsanspruch komme schon mangels des geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs nicht in Betracht. Im Übrigen handele es sich bei einem Aufwendungsersatzanspruch nicht um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB.
34Entscheidungsgründe:
35I.
36Die Klage ist zulässig, aber derzeit unbegründet.
371.
38Die Klage ist zulässig.
39Das Verfahren richtet sich gegen eine französische Beklagte mit Sitz in Frankreich, weswegen die internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO zu bestimmen ist. Ob neben den Gerichten Frankreichs als Mitgliedsland des Sitzes der Beklagten i.S. der Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Absatz 1 lit. a EuGVVO auch die deutschen Gerichte international zuständig sind, war danach zu bestimmen, ob hier für die Klage ein besonderer Gerichtsstand in Köln begründet ist.
40Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln ergibt sich aus Art. 5 Nr. 1 a) iVm Art. 5 Nr. 1 b) EuGVVO. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten ein Zahlungsvertrag zustande gekommen, der einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter darstellt. Bei dem geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB handelt es sich um einen Anspruch aus dem Dienstleistungsvertrag. Nach Art. 5 Nr. 1 a) , b) EuGVVO ist für die Bestimmung der Zuständigkeit der Erfüllungsort maßgeblich, an dem die Dienstleistung erbracht wurde oder hätte erbracht werden müssen. Hiernach ist nicht für jede Leistungspflicht aus dem Vertrag ein gesonderter Erfüllungsort zu bestimmen, sondern es besteht ein einheitlicher Gerichtsstand für alle Ansprüche aus dem Vertrag. Die hier nach dem Vorbringen der Klägerin maßgebliche Dienstleistung ist die Ausführung der Überweisung, mithin die Gutschrift auf dem Empfängerkonto. Maßgeblicher Erfüllungsort ist Köln, da das Konto des Zahlungsempfängers in der Niederlassung der Rechtsvorgängerin der Beklagten in Köln geführt wurde.
41Das Bestreiten des Zustandekommens einer vertraglichen Verbindung zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Art 5 Nr. 1 EuGVVO ist auch dann anwendbar, wenn der Vertrag als solches und nicht nur einzelne Ansprüche hieraus streitig sind (BGH NJW 2010, 2442 zum LGVÜ), andernfalls könnte sich ein Beklagter durch einfaches Bestreiten dem Gerichtsstand entziehen (Gottwald in MüKo ZPO, 3. A. 2008, EuGVO Art. 5, Rn. 5 mwN.).
422.
43Die Klägerin geht zu Recht von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus. Bei dem zu beurteilenden Sachverhalt handelt es sich um eine grenzüberschreitende Überweisung in Form einer sogenannten Kettenüberweisung mit nationalen und internationalen Gliedern (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch Band I 3. A. § 51 Rn. 1). Die Beklagte ist als sogenannte Korrespondenzbank, die in girovertraglicher Verbindung zur Bank des Zahlungsauftraggebers, der Bank A, und der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Empfängerbank zwischengeschaltet gewesen.
44Die Frage, welche Rechtsordnung im konkreten Fall der in Rede stehenden Überweisung anwendbar ist und welche Rechte und Pflichten sich für die jeweils Beteiligten ergeben, ist für jedes Giroverhältnis, wenn es grenzüberschreitend zu einer ausländischen Korrespondenzbank besteht, gesondert zu beurteilen (Schimanky/Bunte/Lwowski, a. a. O.). Damit unterliegt der Vertrag grundsätzlich gemäß Art. 27 EGBGB dem von den Parteien gewählten Recht. Da im vorliegenden Fall unstreitig keine Rechtswahl getroffen worden ist, kommt es für das anzuwendende Recht auf die Vermutung der engsten Verbindung zu dem Staat an, in dem sich die Niederlassung des Kreditinstituts befindet, das die charakteristische Leistung zu erbringen hat, Art. 28 EGBGB. Art 28 EGBGB war hier anzuwenden, da die Rom I Verordnung hier nicht gilt. Diese ist auf solche Schuldverhältnisse anwendbar, die ab dem 17.12.2009 geschlossen wurden. Hier geht es indessen um einen Sachverhalt aus dem Jahr 2007.
45Beim Überweisungsverkehr ist die Ausführung der Überweisung als charakteristische Leistung anzusehen (Schimansky/Bunte/Lwowski, a. a. O.), weshalb das Recht der beauftragten Bank Anwendung findet und zwar auch dann, wenn es um das Verhältnis zu einer anderen Bank geht (Martiny in MüKo 4. A., Art. 28 EGBGB, Rn. 352; Thorn in Palandt, 68. A. 2009, EGBGB 28, Rn. 22). Die in Deutschland ansässige Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte im Auftrag der Beklagten die Überweisung auszuführen, mithin den Überweisungsbetrag dem Empfängerkonto gutzuschreiben, und damit die charakteristische Leistung zu erbringen, so dass deutsches Recht anzuwenden ist.
463.
47Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein fälliger Anspruch auf Zahlung von 1.166.936,87 USD gemäß den §§ 675, 670 BGB zu.
48Dabei kann dahinstehen, ob zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten ein Zahlungsvertrag im Sinne des § 676 d BGB zustande gekommen ist, der einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter darstellt (Sprau in Palandt, 68. A. 2009, § 676 d, Rn. 2). Vorliegend sind noch die Vorschriften der §§ 676a ff BGB in der bis zum 30.10.2009 gültigen Fassung anzuwenden, weil die neuen Vorschriften (§ 675 c ff BGB nF) nur für Zahlungsvorgänge gelten, mit deren Ausführung ab dem 31.10.2009 begonnen worden ist (EG 229 § 22).
49Entgegen der Auffassung der Beklagten ist zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten ein Zahlungsvertrag zustande gekommen. Soweit die Beklagte meint, es hätten nur vertragliche Verbindungen zwischen ihr und der M Bank und zwischen der M Bank und der Rechtsvorgängerin der Klägerin bestanden, war dem nicht zu folgen. Mit der SWIFT-Nachricht MT 103 vom 05.01.2007 hat die Beklagte die Rechtsvorgängerin der Klägerin beauftragt, eine Überweisung auszuführen und dem Konto des Zahlungsempfängers den streitgegenständlichen Betrag gutzuschreiben. Wie die Klägerin zu Recht vorträgt, ist aus der SWIFT Nachricht ersichtlich, dass ein entsprechender Auftrag von der Beklagten an die Rechtsvorgängerin der Klägerin erteilt wurde. Das elektronische Kommunikationssystem SWIFT dient maßgeblich der technischen Abwicklung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs. Hierüber werden die entsprechenden Nachrichten und Aufträge zwischen den beteiligten Banken ausgetauscht. Wie die Klägerin zu Recht anführt, wird in einer SWIFT-Nachricht MT 103 ein Zahlungsauftrag übermittelt. Wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Merkblatt „Korrespondenzbankgeschäft“ der Deutschen Bundesbank (Anlage K4 Bl. 111 ff. d.A.) ergibt, wird mit einer derartigen SWIFT-Nachricht ein Zahlungsauftrag erteilt. Auch nach der Veröffentlichung von SWIFT „New standards for cover payments“ vom 19.05.2009 (Anlage K5, Bl. 115 f. d.A.) stellt die SWIFT-Nachricht MT 103 einen Auftrag („order“) dar. Ferner ist auch dem SWIFT-Handbuch (Auszug, Anlage K 6, Bl. 119) zu entnehmen, dass die SWIFT-Nachricht MT 103 mit dem Zweck „Instructs a fund transfer“ (beauftragt eine Überweisung) zu versehen ist. Hiernach konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die SWIFT-Nachricht keinerlei Erklärungscharakter zukommt. Vielmehr stellt diese auf elektronischem Wege übermittelte Nachricht einen entsprechenden Auftrag dar.
50Der beauftragten Bank steht grundsätzlich gegen die beauftragende Bank gemäß den §§ 675, 670 BGB ein Aufwendungsersatzanspruch zu. Die Aufwendungen bestehen insoweit in dem Geldbetrag, den sie aufgewendet hat, um dem Zahlungsempfänger die beauftragte Gutschrift zu erteilen. Dies konnte hier indessen dahinstehen, weil ein Aufwendungsersatzanspruch der Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen die Beklagte nicht entstanden ist, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Gutschrift des Betrages auf dem Empfängerkonto mangels vorher angeschaffter Deckung nicht in Erfüllung des Auftrages gehandelt hat.
51Grundsätzlich besteht kein Handelsbrauch dahingehend, dass die Übersendung eines Avis oder eines Überweisungsauftrages als verbindlicher Auftrag dahingehend zu verstehen ist, nachdem das benachrichtigte Kreditinstitut dem Überweisungsempfänger den Geldbetrag sofort auszuzahlen hat (Häuser in MüKo, HGB, 2. A., Band 5, Anhang I Recht des Zahlungsverkehrs, B Überweisungsverkehr, Rn 334 mwN; Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch Band I 3. A. § 49 Rn. 186). Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Bank eine Gutschrift erst dann erteilt, wenn die entsprechende Deckung bereitgestellt wurde. Die inländische Empfängerbank erteilt ihrem Kunden als Zahlungsempfänger grundsätzlich nur dann eine dem Zahlungsvertrag oder Überweisungsauftrag aus dem Ausland entsprechende Gutschrift, wenn die ausländische Korrespondenzbank als vorgeschaltetes Kreditinstitut der Empfängerbank eine ausreichende Deckung angeschafft hat. Erst der Eingang von Deckung ergibt für den inländischen Kunden als Zahlungsempfänger einen Anspruch auf Gutschrift aus dem mit der Empfängerbank bestehenden Giroverhältnis gemäß § 676 f BGB a.F. (Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch Band I 3. A. § 51 Rn. 24). Mithin bestand für die Rechtsvorgängerin keine Verpflichtung, dem Zahlungsempfänger vor Eingang der Deckung eine vorbehaltlose Gutschrift zu erteilen. Anhaltspunkte für einen verbindlichen Auftrag an die Rechtsvorgängerin der Klägerin, den Betrag dem Zahlungsempfänger sofort vor Eingang der Deckung vorbehaltlos gutzuschreiben, waren nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine solche Weisung nicht aus der SWIFT-Nachricht MT 103 vom 05.01.2007. Aus der vorgelegten SWIFT-Nachricht ist nicht ersichtlich, dass eine unmittelbare vorbehaltlose Gutschrift zum 05.01.2007 zu erfolgen hatte. Die Nachricht enthält auch keine erkennbare Weisung hinsichtlich des Wertstellungsdatums. Ein solches ist lediglich in der SWIFT-Nachricht MT 202 COV vom 05.01.2007 (Anlage K8, Bl. 123 d.A.) ersichtlich. Diese Nachricht betrifft indessen die Deckungszahlung der Beklagten auf das bei der M Bank geführte Konto der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Einen Handelsbrauch dahingehend, dass eine SWIFT-Nachricht die Verpflichtung zur unverzüglichen vorbehaltlosen Gutschrift des Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto begründet, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
52Nach all dem war nicht ersichtlich, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die Gutschrift vor Deckungseingang zu erteilen. Vielmehr durfte die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Eingang der Deckung abwarten, oder dem Zahlungsempfänger eine Gutschrift unter Vorbehalt erteilen, weil eine Empfängerbank eine vorbehaltlose Gutschrift nicht mehr stornieren kann, wenn sie entgegen der Ankündigung keine Deckung erhält (Häuser in MüKo, HGB, 2. A., Band 5, Anhang I Recht des Zahlungsverkehrs, B Überweisungsverkehr, Rn 334 mwN; Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch Band I 3. A. § 49 Rn. 186). Da hier keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin verbindlich beauftragt wurde, den Betrag sofort vorbehaltlos gutzuschreiben, ist auch kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte entstanden. Denn ein solcher wird durch die uneingeschränkte Gutschrift auf dem Empfängerkonto aufgrund eines Avis (OLG Düsseldorf WM 1979, 1272, 1274), aber ebenso eines Überweisungsauftrages, der gerade nicht dahingehend lautet, unmittelbar eine vorbehaltlose Gutschrift zu erteilen, nicht begründet.
53Ein fälliger Aufwendungserstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nach den §§ 675, 670 BGB besteht daher nicht, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht verpflichtet war, dem Zahlungsempfänger vor Eingang der Deckung eine vorbehaltlose Gutschrift zu erteilen.
544.
55Auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 280 BGB scheidet aus, weil der Rechtsvorgängerin der Klägerin kein Schaden aufgrund einer Pflichtverletzung der Beklagten entstanden ist. Auch wenn sich die Beklagte, was unstreitig ist, dazu verpflichtet hat, der Rechtsvorgängerin die Deckung für den Auftrag zu erteilen und zugunsten der Klägerin unterstellt, die Beklagte habe den Deckungsbetrag bereits am 05.01.2007 oder am 08.01.2007 bereitstellen müssen, so beruht der bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin eingetretene Schaden nicht auf einem Verzug oder einer Pflichtverletzung der Beklagten, sondern auf der vorbehaltlosen Kreditierung des Kontos des Zahlungsempfängers bevor der Deckungsbetrag eingegangen war. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte den Betrag auch erst nach Eingang der Deckung dem Empfängerkonto gutschreiben können, weil der Zahlungsempfänger vor Eingang der Deckung noch keinen Anspruch gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin auf Gutschrift gemäß § 676 f BGB hatte. Denn der Anspruch des Kunden auf Gutschrift besteht erst mit Eingang des Überweisungsbetrages (§ 676 g Abs. 1 BGB a.F.). Gleichfalls hätte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Gutschrift unter Vorbehalt des Eingangs erteilen können. Dann hätte sie diese wieder stornieren können, nachdem klar wurde, dass die Deckung nicht bereitgestellt würde. Die Ursache für einen bei der Rechtsvorgängerin der Kläger eingetretenen Schaden liegt daher im Risikobereich der Rechtsvorgängerin der Klägerin begründet.
565.
57Auch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 BGB kamen keine Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte in Betracht. Denn die Beklagte hat nichts auf Kosten der Rechtsvorgängerin der Klägerin erlangt.
586.
59Da der Klägerin gegen die Beklagte weder ein ein fälliger Aufwendungsersatzanspruch, noch ein Schadensersatzanspruch zusteht, stehen ihr auch keine Zinsansprüche zu. Dabei konnte dahinstehen, dass weder ein Aufwendungserstattungsanspruch, noch ein Schadensersatzanspruch Entgeltforderungen im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB darstellen, weil diese nur auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen gerichtete Forderungen betreffen (Palandt, § 288, Rn. 8, § 286 Rn. 27).
607.
61Da die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen beziehungsweise derzeit nicht fällig sind, konnte auch dahinstehen, ob Verjährung eingetreten ist, wobei hier aufgrund der von der Klägerin urkundlich belegten Kostenanforderung des Amtsgericht Wedding vom 28.01.2011 und der fristgerechten Einzahlung der Gerichtskosten eine Verjährung gemäß § 167 ZPO unterbrochen worden wäre.
628.
63Der Klägerin steht gegen die Beklagte aber grundsätzlich ein Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 1.166.936,87 USD unter dem Gesichtspunkt des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zu, der aber derzeit nicht fällig ist.
64Denn mit dem Schreiben vom 21.01.2007 (Bl. 91 f. d.A.), in dem die Beklagte auf ihre Deckungszahlung verweist und der Rechtsvorgängerin der Klägerin mitteilt, dass sobald der Société Générale New-York durch die OFAC erlaubt würde, die Geldmittel freizugeben, M in der Lage sei, den Betrag dem Konto der Rechtsvorgängerin der Klägerin gutzuschreiben, ist ein Anerkenntnis hinsichtlich einer grundsätzlichen Verpflichtung der Beklagten, die Deckungszahlung zu leisten, zu sehen. Aus dem Schreiben ergibt sich, dass die Beklagte auch nicht bestreitet, die Deckungszahlung leisten zu müssen. Sie erklärt lediglich, dass es zur Zeit nicht möglich sei, den Geldbetrag dem Konto der Rechtsvorgängerin der Klägerin gutzuschreiben. Auch im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte nicht bestritten, grundsätzlich zur Deckungszahlung verpflichtet zu sein.
65Auch der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus dem Anerkenntnis ist aber noch nicht fällig. Denn die Beklagte hat in ihrem Schreiben ausdrücklich angekündigt, dass die Gutschrift unter der Bedingung steht, dass eine Freigabe der Geldmittel durch die OFAC erlaubt wird. Diese Bedingung ist noch nicht eingetreten, so dass die Zahlungsverpflichtung aus dem Anerkenntnis noch nicht fällig geworden ist. Fälligkeit tritt vielmehr erst dann ein, wenn die Mittel durch die US-amerikanischen Behörden freigegeben werden.
669.
67Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 07.05.2012 bot für die Kammer keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung und keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
68II.
69Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
70Streitwert: 890.839,61 EUR.
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