Urteil vom Landgericht Köln - 13 S 340/11
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 22.11.2011 – 21 C 163/11 – teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 701,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen;
2. an die Klägerin weitere 57,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1I.
2Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
3II.
4Die zulässige – insbesondere an sich statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete – Berufung der Beklagten hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.
51.
6Die Berufung ist hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten begründet.
7Hinsichtlich der Berechtigung der vorgerichtlich geltend gemachten Mietwagenkosten wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen. Insoweit hat die Klägerin allerdings nicht berücksichtigt, dass auch die in Rede stehenden Mietwagenkosten Gegenstand der einheitlichen außergerichtlichen Tätigkeit ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten waren. Im Hinblick auf die Gebührendegression ist eine gesonderte Berechnung der diesbezüglichen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nach einem eigenen Gegenstandswert unzulässig. Die Mietwagenkosten sind vielmehr im Rahmen des Gegenstandswerts des einheitlichen Auftrags zu berücksichtigen.
8Die vorgerichtlichen Anwaltsgebühren sind mithin auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von insgesamt 5.444,41 € zu berechnen und belaufen sich dann – entsprechend der zutreffenden und auch nicht angegriffenen Berechnung der Beklagten – auf insgesamt 546,68 € (vgl. Bl. 42 GA). Hierauf ist unstreitig eine Summe von 489,45 € bereits gezahlt worden, so dass nur noch ein Betrag in Höhe von 57,23 € offen steht.
92.
10Im Übrigen ist die Berufung hingegen nicht begründet.
11Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Höhe der zugesprochenen Mietwagenkosten.
12a) Die Schwacke-Liste ist vorliegend auch nach Überzeugung der Kammer als Schätzungsgrundlage heranzuziehen. Die dagegen vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen.
13aa) Grundsätzlich kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf; im Rahmen des ihm Zumutbaren hat er den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. etwa BGH, NJW 2011, 1947). Diese Schadenshöhe kann nach § 287 ZPO geschätzt werden. Der Bundesgerichtshof hat insoweit auch schon vielfach entscheiden, dass die Schwacke-Erhebung trotz der breit diskutierten Schwachpunkte als Schätzungsgrundlage grundsätzlich geeignet ist (etwa NJW-RR 2010, 1251; NJW-RR 2011, 1109). Daraus folgt, dass sich allein daraus, dass etwa die Erhebungen des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zu teils anderen Ergebnissen gelangt, durchgreifende Zweifel an der Nutzbarkeit der Schwacke-Liste nicht ergeben. Die Kammer folgt mit der Anwendung der Schwacke-Liste der inzwischen einheitlichen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln und sieht dabei aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung mittlerweile auch von einer Mittelwertbildung mit den Werten des Fraunhofer-Instituts ab (anders noch Urt. der Kammer v. 12.05.2010, Az. 13 S 276/09, bei Juris).
14bb) Die Eignung von Listen und Tabellen, die grundsätzlich bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf allerdings der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Insoweit hat der Bundesgerichtshof z.B. in seinen Urteilen vom 18.05.2010 (NJW-RR 2010, 1251), vom 22.02.2011 (NJW-RR 2011, 823) und vom 17.05.2011 (NJW-RR 2011, 1109) ausgeführt, dass eine nähere Befassung mit dem entsprechenden Vortrag dann geboten sei, wenn Mängel des Mietpreisspiegels dadurch aufgezeigt werden sollen, dass konkreter Sachvortrag geleistet wird, wonach der Geschädigte ein vergleichbares Fahrzeug für den Mietzeitraum erheblich günstiger hätte anmieten können.
15cc) Solche entscheidungserheblichen Mängel der Schwacke-Liste hat die Beklagte hier jedoch nicht aufgezeigt:
16Sie folgen für sich genommen nicht aus den in Form von sog. Screen-Shots vorgelegten Angeboten. Diese sind mit der hiesigen Anmietsituation nicht vergleichbar (vgl. zu den Anforderungen etwa OLG Köln, NZV 2010, 614): Die Internet-Angebote der Autovermietungsfirmen weisen keinen konkreten Bezug zu der streitgegenständlichen Vermietung auf, da sie einen viel später liegenden, willkürlich gewählten Mietzeitraum betreffen und augenscheinlich erst im Zusammenhang mit der Anfertigung der Klageerwiderung eingeholt wurden. Damit ist indessen ihr Aussagegehalt bezogen auf den in Rede stehenden Schadenszeitpunkt äußerst beschränkt. Sie betreffen zudem den Spezialmarkt Internet und sagen damit auch schon im Ansatz nichts darüber aus, welche Preise – noch dazu zu einem früheren Zeitpunkt – auf dem maßgeblichen allgemeinen Markt herrschten. Den Angeboten ist schließlich auch nicht zu entnehmen, ob für sie etwa Vorbuchungsfristen gelten.
17Auch soweit die Beklagte ergänzend vorträgt, Preise „in dieser (der in den Screen-Shots genannten, Erg. d. Ger.) Größenordnung“ hätten auch für die konkrete Anmietsituation und auch außerhalb einer Buchung über das Internet gegolten, stellt dies keinen hinreichenden Angriff gegen die Schätzungsgrundlage dar. Denn zum einen handelt es sich angesichts der allgemein bekannten Besonderheiten, insbesondere auch Schwankungen, des Internetmarkts um gänzlich vagen, unsubstantiierten Vortrag gleichsam „ins Blaue hinein“. Wie in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2012 erörtert, ergibt die allgemein mögliche Abfrage der Tarife über die Internetportale der Anbieter an unterschiedlichen Tagen nämlich durchaus unterschiedliche Preise. Zum anderen ist dieser Vortrag von der Klägerseite auch bestritten worden. Durch eine bestritten gebliebene, bloße Behauptung einer Partei wird die grundsätzlich geeignete Schätzungsgrundlage jedoch noch nicht erschüttert. Auch der Bundesgerichtshof hat keinen Rechtssatz aufgestellt, wonach allein die Behauptung einer günstigeren Anmietmöglichkeit dazu führe, dass von einer Schätzungsmöglichkeit kein Gebrauch zu machen wäre. Daher hätte es der Beklagten oblegen, ihren entsprechenden Sachvortrag gegen die Tauglichkeit der herangezogenen Liste auch zu beweisen. Der insoweit einzig angetretene Sachverständigenbeweis ist indes ersichtlich untauglich: Aufgabe eines Sachverständigen ist es, aufgrund seines Fachwissens Wertungen und Schlussfolgerungen aus vorgegebenen Tatsachen zu ziehen. Dies ist hier aber weder erforderlich noch Ziel des Beweisantritts, vielmehr sind einzig die Anknüpfungstatsachen selbst, also ob die genannten bestimmten Anbieter auch zum Unfallzeitpunkt und bei einer Anmietung vor Ort die behaupteten Preise hatten, umstritten. Wenn diese Behauptungen der Beklagten zuträfen, würde es keiner weiteren fachlichen Schlussfolgerungen bedürfen, sondern wäre die Schätzungsgrundlage jedenfalls für den konkreten Fall unmittelbar erschüttert. Ob dieser Vortrag aber zutrifft, lässt sich nur durch Befragungen der Anbieter ermitteln, also letztlich durch die Beschaffung von Urkunden oder Zeugenvernehmungen. Dies ist nicht Aufgabe eines Sachverständigen und es ist auch nicht im Ansatz ersichtlich, inwieweit ihm dies gelingen könnte, ohne dass diese Grundlagen ihrerseits angegriffen würden. Eine derartige Beweiserhebung wäre demnach auch ersichtlich auf unzulässige Ausforschung gerichtet. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof nach dem Verständnis der Kammer auch nicht ausgeführt, dass die erforderliche Auseinandersetzung mit dem Sachvortrag desjenigen, der die Schätzungsgrundlage angreift, nur in einer Beweiserhebung bestehen könne.
18Eine Schätzung der Höhe der erforderlichen Kosten gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage der von der Beklagten nicht hinreichend erschütterten Schwacke-Liste erscheint der Kammer nicht nur zulässig, sondern auch einzig sachgerecht: Einem gerichtlich bestellten Sachverständigen stünden ersichtlich keine Erkenntnismöglichkeiten offen, die eine bessere und realistischere Erhebung als die Schwacke-Liste erwarten ließen. Die Ermittlung von Mietpreisen für einen vergangenen Zeitraum könnte letztlich nur durch eine Markterhebung in Form einer Befragung der im einschlägigen Postleitzahlenbereich ansässigen Mietwagenunternehmer erfolgen. Damit wären jedoch dieselben Fehlerquellen und Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, aus denen die Parteien ihre jeweiligen Bedenken gegen die Zuverlässigkeit etwa der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Liste herleiten. Eine Grundlage für eine verbesserte, weil genauere und von beiden Streitparteien akzeptierte Schätzung wäre daher ohnehin nicht zu erwarten.
19b) Fehl geht weiter die Rüge der Reparaturdauer, denn der Klägerin war eine gewisse Überlegungszeit zuzubilligen und etwaige Verzögerungen bei der Reparaturdurchführung gehen nicht zu ihren Lasten, wenn sie sie nicht zu vertreten hat. So liegt es hier. Nach dem maßgeblichen Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung wurde bereits am 16.03.2011 mit der Reparatur begonnen, nachdem das Gutachten erst am 15.03.2011 vorlag. Bis zum 15.03.2011 hätte die Klägerin danach ohnehin zuwarten können; auf etwaige mündliche Aussagen des Gutachters musste sie sich nicht verlassen. Sollte sie den Reparaturauftrag hingegen überobligatiorisch schon vorher erteilt haben, so gehen Verzögerungen, die dann nur bei der Werkstatt liegen können, jedenfalls nicht zu ihren Lasten, sondern sind das Risiko des Schädigers. Schließlich kann die Klägerin auch die Kosten der Vollkaskoversicherung beanspruchen, nachdem im Berufungsverfahren zuletzt unstreitig geworden und mithin ohne weiteres zu berücksichtigen ist, dass die Anmietung auch eine solche Vollkaskoversicherung beinhaltete.
20III.
21Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 i.V.m. 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
22Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor: Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Rechtsstreit betrifft die einzelfallbezogene Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze; die Einzelheiten der Schätzung nach § 287 ZPO rechtfertigen – wie der Bundesgerichtshof zuletzt mehrfach deutlich gemacht hat – keine Revisionszulassung. Die Kammer weicht auch hinsichtlich der Frage, wann Angriffe gegen eine Schätzungsgrundlage deren Eignung in Frage stellen, nicht von Rechtsgrundsätzen des Bundesgerichtshof ab. Die Kammer folgt vielmehr den hierzu höchstrichterlich aufgestellten Grundsätzen und gelangt lediglich im konkreten Fall zu der Überzeugung, dass es sowohl an dem erforderlichen konkreten Tatsachenvortrag als auch tauglichem Beweisantritt für den Vortrag fehlt. Dies ist Frage tatrichterlicher Würdigung des Einzelfalls und stellt keine abstrakt-generelle Rechtsfrage dar.
23IV.
24Der am 23.05.2012 bei Gericht eingegangene Schriftsatz der Klägerin vom selben Tag, der der Gegenseite erst nach Ablauf der Schriftsatzfrist im schriftlichen Verfahren zugeleitet werden konnte, bietet keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil er keinerlei erhebliches neues Vorbringen enthält.
25Streitwert für das Berufungsverfahren: 701,00 €
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