Anerkenntnisurteil vom Landgericht Köln - 26 O 286/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T A T B E S T A N D:
2Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von Krankenhaustage- und Genesungsgeld aufgrund einer zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung.
3Der Unfallversicherungsvertrag wurde im Jahr 2006 aufgrund eines telefonischen Antrags des Klägers vom 19.10.2006 abgeschlossen. Ab dem 19.12.2006 zahlte der Kläger den monatlichen Versicherungsbeitrag. Im Versicherungsfall sind von der Beklagten ein Krankenhaustagegeld in Höhe von 100,00 EUR täglich und ein Genesungsgeld in Höhe von 200,00 EUR täglich zu zahlen. Die Parteien streiten u. a. über die der Unfallversicherung zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen.
4Nach den Versicherungsbedingungen der Beklagten wird ein Unfall-Krankenhaustagegeld für jeden Tag eines unfallbedingten Krankenhausaufenthalts erbracht. Ein Krankenhausaufenthalt im Sinne der Versicherungsbedingungen ist als „medizinisch notwendige vollstationäre Heilbehandlung der Versicherten Person in einem Krankenhaus“ definiert.
5Ziff. 2.4 AUB 2008 lautet auszugsweise wie folgt:
6„2.4 Krankenhaus-Tagegeld
72.4.1 Voraussetzungen für die Leistung:
8Die versicherte Person befindet sich wegen des Unfalles in medizinisch notwendiger vollstationärer Heilbehandlung oder Anschlussheilbehandlung.
9Maßnahmen zur Rehabilitation, bei denen die Behandlung mit Kur- und Heilmitteln im Vordergrund steht, oder zur medizinischen Vorsorge sowie Aufenthalte in Kuranstalten, Sanatorien oder Erholungsheimen gelten nicht als medizinisch notwendige Heilbehandlung.“
10Am 20.05.2010 erlitt der Kläger einen Treppensturz. Der Kläger meldete den Unfall gegenüber der Beklagten im Mai 2010, welches die Beklagte mit Schreiben vom 25.05.2010 bestätigte und zur Leistungsprüfung weitere Unterlagen anforderte.
11Vom 18.08.-15.09.2010 befand sich der Kläger in der „A-Klinik“.
12Mit Schreiben vom 20.08.2010 teilte die Beklagte u. a. mit, dass sie die Leistungsprüfung abgeschlossen habe und für den vollstationären Krankenhausaufenthalt in der Zeit vom 23.06.-26.06.2010 Unfall-Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld in Höhe von 900,00 EUR erbringe.
13Mit Schreiben vom 30.08.2010 teilte die Beklagte dem Kläger unter dem Betreff „Ihre Versicherungsdokumente zum Unfall Zahlungs-Plan“ Folgendes mit: „(…) Wie gewünscht, wird Ihre Prämie in Höhe von € 15,95 ab dem 19.12.2006 monatlich per Lastschriftverfahren von Ihrem Konto abgebucht. Beiliegend erhalten Sie Ihre persönliche Police inklusive Versicherungsbedingungen und Leistungsverzeichnis. (…)“
14Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 06.10.2010 die Leistung weiteren Krankenhaustage- und Genesungsgelds unter Berufung auf ihre Versicherungsbedingungen ab.
15Der Kläger trägt vor, er habe die Versicherungsbedingungen der Beklagten erstmals nach Eintritt des Versicherungsfalls mit deren Schreiben vom 30.08.2010 erhalten. Daher seien nicht die Versicherungsbedingungen der Beklagten, sondern vielmehr die allgemeinen Bestimmungen der AUB maßgeblich. Bei dem streitgegenständlichen 29-tägigen Aufenthalt in der „A-Klinik“ handele es sich um eine medizinisch notwendige vollstationäre Heilbehandlung im Sinne der AUB 2008.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.700,00 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.10.2010 sowie weitere 748,40 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 14.04.2011 zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte behauptet, die Übersendung der Police und der Versicherungsbedingungen sei unmittelbar nach Vertragsschluss erfolgt. Eine medizinisch notwendige vollstationäre Heilbehandlung sei nicht gegeben.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
22E N T S C H E I D U N G S G R ܠN D E:
23Die Klage ist unbegründet.
24Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 8.700,00 EUR aus dem zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherungsvertrag zu.
25Der Kläger kann von der Beklagten kein Krankenhaustage- und Genesungsgeld für den 29-tägigen Aufenthalt vom 18.08.-15.09.2010 in der „A-Klinik“ beanspruchen.
26Dies ist nicht bereits aus dem Grund der Fall, dass es sich bei der „A-Klinik“ unstreitig nicht um ein Krankenhaus im Sinne der Versicherungsbedingungen der Beklagten handelt. Den Nachweis, dass die Versicherungsbedingungen dem Kläger vor Eintritt des Versicherungsfalles zugegangen sind, vermag die Beklagte nicht zu führen. Die Behauptung der Beklagten, wonach die Übersendung von Versicherungspolice und Versicherungsbedingungen unmittelbar nach Vertragsschluss im Jahr 2006 erfolgt sei, ist durch nichts belegt. Dieser Vortrag der Beklagten ist im Hinblick auf den Inhalt ihres Schreibens vom 30.08.2010 zudem unplausibel und unverständlich. Aus welchen Gründen die Beklagte dem Kläger im Jahr 2010 (erneut) die Versicherungsunterlagen übersandte, wenn die Übersendung bereits im Jahr 2006 erfolgt sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Trotz eingehender Erörterung dieses Punktes in der Sitzung vom 04.06.2012 hat sich die Beklagte hiermit auch in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 18.06.2012 in keiner Weise auseinandergesetzt.
27Bei dem Aufenthalt des Klägers in der A-Klinik vom 18.08.-15.09.2010 handelt es sich nicht um eine medizinisch notwendige vollstationäre Heilbehandlung bzw. Anschlussheilbehandlung im Sinne der Klausel in Ziff. 2.4.1 AUB 2008. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass jedenfalls die AUB 2008 Anwendung finden.
28Es ist bereits zweifelhaft, ob eine medizinisch notwendige vollstationäre Behandlung vorliegt. Zwar spricht für die medizinische Notwendigkeit des streitgegenständlichen Klinikaufenthaltes das fachärztliche Attest des Orthopäden Z1 vom 07.07.2010. Dieses äußert sich jedoch nicht hinreichend dazu, dass gerade eine vollstationäre Behandlung erforderlich war und dass eine ambulante oder teilstationäre Maßnahme zur Erreichung des Therapieziels nicht ausreichte. Die Entscheidung dieser Frage kann letztlich jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls ist eine Heilbehandlung im Sinne der Vorschrift vorliegend nicht gegeben.
29Dieses Ergebnis beruht zunächst auf einer Auslegung der vorgenannten Klausel unter Zugrundelegung des maßgeblichen Empfängerhorizontes eines durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmers. Bereits nach dem Wortlaut von Ziff. 2.4.1 Satz 2 AUB 2008 gelten Maßnahmen zur Rehabilitation, bei denen die Behandlung mit Kur- und Heilmitteln im Vordergrund steht, nicht als medizinisch notwendige Heilbehandlung. Daraus folgt, dass eine Heilbehandlung im Sinne von Satz 1 der Klausel eine vorrangig ärztliche Behandlung der Unfallfolgen erfordert. Eine Abgrenzung zwischen S. 1 und S. 2 kann daher nur behandlungsspezifisch nach der konkreten Ausgestaltung der Behandlung erfolgen.
30Die Entscheidung des OLG Zweibrücken (Urteil vom 19.05.2004, Az. 1 U 7/02), wonach die stationäre Heilbehandlung in einer Rehabilitationsklinik nicht unter die Ausschlussklausel fällt, steht der diesseits vertretenen Ansicht nicht notwendig entgegen, da sie zu § 7 AUB 94 ergangen ist. Soweit in der vorstehend zitierten Entscheidung vertreten wird, dass im Rahmen der Auslegung nicht entscheidend auf das Kriterium der Ausgestaltung der Heilbehandlung, sondern maßgeblich auf den Aufenthalt in einer bestimmten Einrichtung abzustellen sei, kann dem im Hinblick auf den Wortlaut von Ziff. 2.4.1 AUB 2008 nicht gefolgt werden. Ziff. 2.4.1 Satz 1 AUB 2008 stellt ausdrücklich auf das Vorliegen einer Heilbehandlung oder Anschlussheilbehandlung ab und in Satz 2 werden Maßnahmen zur Rehabilitation mit vorrangiger Behandlung mit Kur- und Heilmitteln ausgenommen, so dass die Unterscheidung nur anhand des Kriteriums der Ausgestaltung der Behandlung vorgenommen werden kann. In Ziff. 2.4.1 Satz 2 AUB 2008 sind zudem mehrere Ausschlusstatbestände geregelt, wovon erst der letzte bestimmte Arten von Einrichtungen abschließend aufzählt.
31Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass der Kläger in der „A-Klinik“ eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme und keine Heilbehandlung erhalten hat. Bei den von dem Kläger im Zeitraum 18.08.-15.09.2010 empfangenen Leistungen handelt es sich um typische Rehabilitationsmaßnahmen, die nicht mit einer (Anschluss-)Heilbehandlung im Sinne von Ziff. 2.4.1 Satz 1 AUB 2008 vergleichbar sind. Auch die Ausführungen in dem nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 18.06.2012 ergeben nichts anderes. Die dort aufgeführten Anwendungen wie beispielsweise Trainingstherapie, Massagen, Packungen und Krankengymnastik sind typischerweise rehabilitative und therapeutische Maßnahmen ohne vorwiegende ärztliche Behandlung. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers haben ärztliche Visiten lediglich regelmäßig und somit nicht täglich stattgefunden. Der streitgegenständliche Aufenthalt des Klägers stellt sich insgesamt als mit einem Kuraufenthalt vergleichbar dar.
32Mangels Begründetheit der Hauptforderung hat der Kläger ebenfalls keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
33Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
34Streitwert: 8.700,00 EUR
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.