Urteil vom Landgericht Köln - 9 S 278/12
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 04.10.2012 – 62 C 277/12 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 788,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 42,62 EUR seit dem 24.06.2012 und aus einem weiteren Betrag von 746,16 EUR seit dem 23.08.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtstreits tragen der Kläger zu 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 85 %.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1I.
2Die Parteien streiten um Betriebskostennachzahlungen aus einem Wohnraummietverhältnis für die Jahre 2009 und 2010.
3Mit rechtskräftigem Urteil vom 25.08.2011 (Amtsgericht Bergisch Gladbach – 60 C 128/10) wurden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, einbehaltene Mieten i.H.v. 2.206,15 EUR aufgrund einer teilweise unberechtigten Minderung für die Jahre 2009 und 2010 an den Kläger zurückzuzahlen. Dem ausgeurteilten Betrag lagen bezifferte Minderungsbeträge unter Einbeziehung der geschuldeten Betriebskostenvorauszahlungen für den vorgenannten Zeitraum zugrunde.
4Unter dem 03.11.2010 bzw. dem 26.08.2011 rechnete der Kläger dann über die Betriebskosten für die Jahre 2009 und 2010 ab.
5Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 923,05 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
6Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Hierbei hat es unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH von der Gesamtmiete inkl. der tatsächlich angefallenen Betriebskosten die geleisteten Zahlungen und die in dem Vorprozess ermittelten Minderungsbeträge abgezogen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten.
7Die Beklagten beantragen,
8unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 04.10.2012 – 62 C 277/12 die Klage abzuweisen.
9Der Kläger beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11II.
12Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
13Der Kläger hat gegen die Beklagten aufgrund abgerechneter Betriebskosten für die Jahre 2009 und 2010 einen Nachzahlungsanspruch i.H.v. 788,78 EUR.
14Im Ansatz zutreffend hat sich das Amtsgericht für die Berücksichtigung einer Minderung der Miete bei der jährlichen Betriebskostenabrechnung auf das Urteil des BGH vom 13.04.2011 – VIII ZR 223/10 = NJW 2011, 1806 berufen, dem sich auch die Kammer anschließt. In dieser Entscheidung führt der BGH aus:
15„[13] b) In der mietrechtlichen Kommentarliteratur, auf die das BerGer. Bezug nimmt, wird allerdings die Frage für erheblich gehalten, wie die Anrechnung einer Mietminderung bei vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen zu erfolgen hat, und die Auffassung vertreten, der auch das BerGer. gefolgt ist, dass ein monatlicher Minderungsbetrag in entsprechender Anwendung des § 366 Absatz II BGB nur auf die Nettomiete anzurechnen sei und nicht auf die geschuldete Betriebskostenvorauszahlung angerechnet werden dürfe (Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, MietR, 10. Aufl., § 536 Rdnrn. 350?ff., 360; wohl auch Langenberg, BetriebskostenR Wohn- u. Gewerberaummiete, 5. Aufl., G Rdnr. 162). Ob dies zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn es handelt sich hierbei um ein Scheinproblem.
16[14] Bereits das AG hat im erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt, dass unterschiedliche Anrechnungsweisen zum gleichen Ergebnis führen (so auch Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, § 536 Rdnr. 358). Lediglich Gesichtspunkte der Praktikabilität und der Übersichtlichkeit können dafür sprechen, dass der Vermieter den Minderungsbetrag ausschließlich bei der Nettomiete verbucht. Dies führt insofern zu einer gewissen Vereinfachung, weil dann die Betriebskosten ohne Berücksichtigung der Minderung abgerechnet werden können (vgl. Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, § 536 Rdnr. 358). Rechtlich zwingend ist dies entgegen der Auffassung des BerGer. aber nicht. Möglich ist eine Anrechnung des Minderungsbetrags ausschließlich auf die Nettomiete ohnehin nur, wenn der Minderungsbetrag die Nettomiete nicht übersteigt. Andernfalls erfasst er zwangsläufig auch die Betriebskostenvorauszahlung. Das steht einer korrekten Jahresabrechnung der Betriebskosten unter Berücksichtigung der gerechtfertigten Minderung aber nicht entgegen. An der allein maßgeblichen Gesamtabrechnung ändert sich nichts durch unterschiedliche Anrechnungen der monatlichen Minderungsbeträge auf die monatliche Nettomiete einerseits und/oder die monatliche Betriebskostenvorauszahlung andererseits.
17[15] c) Auch im vorliegenden Fall spielt es keine Rolle, ob und gegebenenfalls wie die monatlichen Minderungsbeträge auf die monatliche Nettomiete und/oder die monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen angerechnet werden. Denn eine Nachforderung der Kl. aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2006 und 2007 besteht entgegen der Auffassung der Revision auch dann nicht, wenn die Minderung anteilig auf die geschuldeten Betriebskostenvorauszahlungen angerechnet würde.
18[16] Die Berechnung der geltend gemachten Nachforderungen ist im Ansatz fehlerhaft, weil die Kl. den anteilig geminderten Betriebskostenvorauszahlungen einen ungeminderten Jahresbetrag der auf die Bekl. entfallenden Betriebskosten gegenüber gestellt hat. Dabei hat die Kl. verkannt, dass bei einer anteiligen Anrechnung der Minderung auf die Betriebskostenvorauszahlungen auch der Jahresbetrag der geschuldeten Betriebskosten entsprechend zu reduzieren wäre. Dessen bedarf es aber nicht. Denn eine etwaige Nachforderung der Kl. ist am einfachsten dadurch zu berechnen, dass die von der Bekl. im Abrechnungsjahr insgesamt geleisteten Zahlungen der von ihr geschuldeten Gesamtjahresmiete (Jahresbetrag der Nettomiete zuzüglich der abgerechneten Betriebskosten abzüglich des in dem betreffenden Jahr insgesamt gerechtfertigten Minderungsbetrags) gegenübergestellt werden. Dass der Kl. bei einer solchen Gegenüberstellung Nachforderungen zustünden, hat das BerGer. nicht festgestellt und macht auch die Revision nicht geltend.“
19Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind bei der hiernach anzustellenden Berechnung jedoch nicht die in dem Vorprozess ermittelten absoluten Minderungsbeträge anzusetzen.
20Eine rechtskräftige Bindung der Parteien gemäß §§ 322, 325 ZPO liegt insoweit nicht vor. In Rechtskraft erwächst im Grundsatz nämlich nur der Entscheidungssatz des Urteils, wobei Anknüpfungspunkt für die objektiven Grenzen der Rechtskraft der Streitgegenstand – nach dem überwiegend vertretenen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff also „Antrag und Lebenssachverhalt“ – ist (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl., vor § 322 Rn. 31 und 35, Einl. Rn. 60 ff. m.w.N.). Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens unterscheidet sich nach Auffassung der Kammer indes von dem Streitgegenstand des Vorprozesses. Während dort die Klage auf die Begleichung der Nettomiete zuzüglich der vertraglich geschuldeten Betriebskostenvorauszahlungen gestützt wurde, macht der Kläger vorliegend eine Nachforderung auf die Betriebskosten nach deren Abrechnung geltend. Die in dem Vorprozess ermittelten Minderungsbeträge waren insofern nur vorläufiger Natur (vgl. auch BGH, Urt. v. 09.03.2005 – VIII ZR 57/04 = WuM 2005, 337, wonach eine Klage des Mieters auf vollständige Rückzahlung sämtlicher Vorauszahlungen bei fehlender Abrechnung und Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu einer entgegenstehenden Rechtskraft gegenüber einer anschließenden Klage des Vermieters nach Abrechnung der Betriebskosten und damit Herbeiführung der Fälligkeit führe).
21Vor diesem Hintergrund sind die anzusetzenden Minderungsbeträge neu zu berechnen (ob durch den Vorprozess die Minderungsquoten bindend festgelegt wurden, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil die Parteien diese ihrer jeweiligen Berechnung übereinstimmend zugrundelegen). Im Rahmen der nach § 287 ZPO neu zu bemessenden Minderungsbeträge bedarf es jedoch lediglich einer Anpassung des Tagessatzes, wobei die Kammer von durchschnittlich 30,5 Tagen pro Monat ausgeht. Bei einer Gesamtmiete inkl. Vorauszahlungen i.H.v. 878 EUR ergibt sich somit ein Tagessatz von gerundet 28,79 EUR, wohingegen bei einer Gesamtmiete inkl. tatsächlich entstandener Betriebskosten für das Jahr 2009 i.H.v. 988,83 ein Tagessatz von gerundet 32,16 EUR und für das Jahr 2010 bei einer Gesamtmiete i.H.v. 936,87 ein Tagessatz von gerundet 30,72 EUR anzusetzen ist.
22Daraus ergibt sich folgende Berechnung:
232009 (Tagessatz i.H.v. 32,16 EUR) | |
Geleistete Zahlungen | 10.934,45 EUR |
abzgl. Jahresnettomiete | - 8.736 EUR |
abzgl. tatsächlich entstandene Betriebskosten | - 3.130,01 EUR |
zzgl. Minderungsbetrag | + 888,94 EUR(= 795,79 / 28,79 * 32,16) |
Ergebnis | - 42,62 EUR |
2010 (Tagessatz 30,72 EUR) | |
Geleistete Zahlungen | 9.841,74 EUR |
abzgl. Jahresnettomiete | - 8.736 EUR |
abzgl. tatsächlich entstandene Betriebskosten | - 2.506,48 EUR |
zzgl. Minderungsbetrag | + 654,58 EUR(= 613,46 / 28,79 * 30,72) |
Ergebnis | - 746,16 EUR |
In der Summe folgt hieraus ein Nachzahlungsbetrag i.H.v. 788,78 EUR.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
27III.
28Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war. Mit Urteil vom 13.04.2011 (Az.: VIII ZR 223/10 = NJW 2011, 1806) hat der BGH die Frage der Berücksichtigung einer Minderung der Miete bei der jährlichen Betriebskostenabrechnung geklärt.
29Streitwert für das Berufungsverfahren: 923,05 EUR
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