Urteil vom Landgericht Köln - 2 O 667/05
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 216.369,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Januar 2009 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 5.631,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Januar 2009 zu zahlen.
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 54% und die Beklagte zu 46%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte als Alleinerbin des am 10.9.2002 in Gummersbach verstorbenen Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters 1/B auf Schadensersatz wegen steuerlicher Fehlberatung aus eigenem sowie abgetretenem Recht seiner Ehefrau I2, seiner Tochter I sowie der L Holding AG (L) und der M Holding AG (M) in Anspruch.
2Herr 1/B war der Steuerberater der Familie I und der gemeinsam geführten Unternehmen. Herr B verfügte insoweit über ein Dauermandat. Er war zunächst in einer Einzelkanzlei tätig und schloss sich mit Wirkung vom 15.12.1998 mit seinem Sohn 2/B, der ebenfalls Steuerberater war, zu einer Sozietät zusammen. Für die Einzelheiten wird auf den Sozietätsvertrag (Bl. 517) Bezug genommen.
3Nach dem Tod des Herrn B senior im Jahr 2002 führte der Sohn das Dauermandat fort. Alleinerbin des Herrn 1/B ist seine Witwe, die Beklagte.
4Der Kläger behauptet, Herr 1/B habe ihn 1997/98 dahin beraten, dass er, der Kläger, thesaurierte Gewinne aus dem in Hongkong ansässigen Unternehmen I International Ltd. (SI) steuerneutral entnehmen könne, wenn er hierzu in der Schweiz zwei Gesellschaften gründe. Er habe entsprechend dem Rat gehandelt, jedoch sei im Jahr 1998 Einkommensteuer in erheblicher Höhe bei ihm, seiner Ehefrau und seiner Tochter angefallen (Klageantrag zu 1). Es drohten weitere Schäden (Klageantrag zu 2). Die Gründung der Schweizer Gesellschaften – L und M – sei sinnlos gewesen und habe unnütze Kosten verursacht (Klageantrag zu 3).
5Der Kläger meint, der zutreffende Rat habe im Kern darin bestanden, dass seine Tochter I für gewisse Zeit nach Hongkong ziehen möge und dass in dieser Zeit die thesaurierten Gewinne der SI zu 2/3 an sie und zu 1/3 an ihn ausgeschüttet würden. Er behauptet, er und seine Familie wären diesem Rat gefolgt.
6Im Einzelnen:
7Der Kläger betrieb seit 1972 in O ein Einzelunternehmen unter der Firma I3, das sich mit der Herstellung von Puppenbekleidung befasste.
81987 gründete der Kläger zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter in Hongkong die SI mit einer Kapitalbeteiligung von jeweils einem Drittel. Die SI unterhielt keine eigenen Produktionsstätten, sondern vergab ihre Aufträge im Wege der Lohnfertigung an staatliche Betriebe in der Volksrepublik China.
91995 erwarb Frau I alle Anteile an einer Vorratsgesellschaft, der I4 GmbH (I4). Die(I4)hatte damals ein Stammkapital in Höhe von 50.000 DM. Sie sollte den Vertrieb von Reha-Artikeln entwickeln, womit sich die Familie I ein weiteres Standbein aufbauen wollte. Infolge der Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erweiterung des Geschäftsbetriebs der(I4)hatte diese erheblichen Finanzierungsbedarf. Hingegen verfügte die SI per 31.12.1998 über ausschüttbare Gewinne in Höhe von umgerechnet ca. 2,6 Mio. DM. Der Zeitwert der Anteile an der SI betrug im Jahr 1998 ca. 3,1 Mio. DM. Die auf Ebene der SI vorhandenen Mittel sollten daher in die(I4)investiert werden. Die Familie I beschloss, die in der SI vorhandenen Finanzmittel auszuschütten und in die(I4)zu investieren; die Beteiligung an der leergeschütteten SI sollte später an einen geeigneten Erwerber veräußert werden. Der Familie I kam es darauf an, dass die Überführung der finanziellen Mittel aus der SI in die(I4)möglichst steuerneutral gestaltet werden sollte. Dies wurde wie folgt vorgenommen:
10Am 2.7.1998 erwarben die drei Familienmitglieder jeweils 1/3 der Anteile an der L mit Sitz in C/Schweiz, die am selben Tag gegründet wurde. Mit Notarvertrag vom 18.11.1998 wurde das Stammkapital der(I4)um 450.000 DM auf 500.000 DM erhöht. Nach der Kapitalerhöhung waren an der(I4)Frau I mit 150.000 DM (30%) und die L mit 350.000 DM (70%) beteiligt. Am 7.9.1998 verkauften Is ihre Anteile an der SI an die L. Trotz erheblicher stiller Reserven erfolgte der Verkauf lediglich zum Nennwert der Anteile.
11Am 19.11.1998 erwarben der Kläger, seine Ehefrau und seine Tochter je 1/3 der Anteile an der M mit Sitz in C/Schweiz, die am selben Tag gegründet wurde. Die M diente der Finanzierung der L. Die L sollte ihre finanziellen Mittel bis zum Anlaufen der Geschäfte zum einen als Darlehen von der M erhalten, zum anderen aus einem Verkaufserlös der SI.
12Die thesaurierten Gewinne der SI wurden im Anschluss an die Übertragung auf die L an diese ausgeschüttet. Sämtliche Gesellschaftsanteile der SI wurden durch Vertrag vom 16.10.2000 mit Wirkung zum 2.1.2001 an einen fremden Dritten veräußert.
13Es kam zu einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt Gummersbach für die Jahre bis einschließlich 2000.
14Nach den Feststellungen des Finanzamtes Gummersbach wird das Betriebsergebnis der L, das im Wesentlichen aus den Gewinnausschüttungen der SI besteht, den Familienmitgliedern mit Ablauf der jeweiligen Wirtschaftsjahre der L zugerechnet. Die Gewinnausschüttungen der SI, die der deutschen Versteuerung zum vollen Steuersatz unterliegen, konnten über Wertberichtigungen – sogenannte ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen – auf die von der L gehaltene Beteiligung an der SI kompensiert werden, so dass insofern kein Steuerschaden eingetreten ist.
15Da der Kläger und seine Frau sowie seine Tochter ihre Anteile an der SI im Jahr 1998 verdeckt in die L Holding eingelegt hatten, entstanden steuerpflichtige Gewinne in Höhe von jeweils 818.567 DM, der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Anteile an der SI im Zeitpunkt der verdeckten Einlage und den Buchwerten der Anteile. Diese Gewinne waren im Jahr 1998 gemäß § 34 EStG bei I2 und I zum hälftigen und beim Kläger zum vollen Steuersatz zu versteuern.
16Der Steuerbescheid für den Kläger und seine Ehefrau erging am 28.8.2003 (K 9, Bl. 34), der für seine Tochter I am 13.11.2003 (K 10, Bl. 37).
17Dies führte bei dem Kläger und bei Frau I2 zu einer Steuernachzahlung für das Jahr 1998 in Höhe von 144.118,13 €, bei Frau I zu einer solchen in Höhe von 141.235,06 €.
18Der Kläger behauptet, Herr StB 1/B habe die vorstehend ausgeführte Umstrukturierung nicht nur beratend begleitet, sondern vorgeschlagen und ausdrücklich empfohlen. Ab Mitte Dezember 1997 hätten mehrere Besprechungen zwischen den Mitgliedern der Familie I und Herrn B stattgefunden. Gegenstand dieser Besprechungen sei die Frage gewesen, wie die Überführung der finanziellen Mittel aus der SI in die(I4)möglichst steuerneutral gestaltet werden könne. Hierbei habe Herr B die von der Familie I umgesetzte Strukturierung empfohlen. Inhalt des Beratungsgesprächs vom 15.12.1997 seien vornehmlich die verschiedenen Möglichkeiten gewesen, wie man das Kapital der SI in die Finanzierung der(I4)einbeziehen könne, und welche steuerlichen Konsequenzen sich daraus ergäben. Im Rahmen der Beratung habe Herr B die anschließend umgesetzte Umstrukturierung empfohlen und ausdrücklich den Rat erteilt, eine Holding im europäischen Ausland zu gründen, welche die gesamten Anteile der SI übernehme. Nach seiner Auskunft hätte eine solche Beteiligung keinerlei steuerliche Konsequenzen für Deutschland. Nach Vorlage entsprechender Informationen habe später die Entscheidung über den Standort getroffen werden sollen.
19Nach der Beratung am 15.12.1997 hätten sich die Mitglieder der Familie I für die Gründung einer Holding in der Schweiz entschieden und Herrn Rechtsanwalt N von der Kanzlei T und N1 aus C/Schweiz beauftragt, eine Stellungnahme im Hinblick auf die Gründung einer solchen Gesellschaft zu erarbeiten. Diese sei am 8.1.1998 dem verstorbenen Steuerberater B zur Prüfung übermittelt worden (K 17, Bl. 104).
20Im ersten Halbjahr 1998 hätten mit den gleichen Teilnehmern weitere Besprechungen zur Umstrukturierung stattgefunden.
21Am 24.9.1998 habe eine weitere Besprechung zwischen Herrn B, dem Kläger, dessen Ehefrau und dessen Tochter stattgefunden. Gegenstand sei schwerpunktmäßig die Finanzierung der(I4)durch die im Juli 1998 gegründete L gewesen. Hierbei sei die Gründung einer weiteren Holding im Ausland, der M, als Finanzierungsgesellschaft der L durch Herrn B empfohlen und im Detail besprochen worden. Diese Gesellschaft habe der L die nötigen finanziellen Mittel als Darlehen zur Verfügung stellen sollen. Hierzu hätte Privatvermögen der Mitglieder der Familie I eingelegt werden sollen. Die M habe anschließend der L die Einlage – 350.000 DM und die Kaufsumme der Immobilie in O in Höhe von 560.000 DM – als Darlehen zur Verfügung stellen sollen. Nach Beendigung der SI und Überführung des Kapitals in die Schweiz zur L hätte das Darlehen getilgt werden können.
22Am 29.9.1998 habe sich die Zeugin I mit dem Berater der SI in X, dem Zeugen C, in Verbindung gesetzt, um die Durchführung der erforderlichen Buchungen für die SI in Hongkong zu besprechen. Auch hieraus ergebe sich, dass sich die Familie I zuvor über die steuerlichen Auswirkungen in Deutschland habe beraten lassen.
23Der Kläger ist der Ansicht, Herr B habe ihm und seinen Familienangehörigen zu folgender Alternativgestaltung raten müssen:
24Der Anteil von Frau I2 an der SI habe im November 1998 einen Zeitwert von ca. 1 Mio. DM gehabt. Dieser Anteil hätte zum Nennwert der Anteile und damit teilweise entgeltlich und teilweise unentgeltlich auf die Tochter I übertragen werden können. Die Mutter sei mit einem Nennwert von umgerechnet 206.188,66 DM am Kapital der SI beteiligt gewesen. Ein Kaufpreis in dieser Höhe wäre von der Tochter ohne weiteres aus den Gewinnausschüttungen der SI zu finanzieren gewesen, da sie diese ab 1999 hätte steuerfrei vereinnahmen können.
25Da der Kläger und seine Ehefrau nur einen Abkömmling hätten – insoweit unstreitig –, habe nichts dagegen gesprochen, eine Schenkung zu empfehlen. Es sei auch im Fall einer Schenkung des Anteils an die Tochter für die Altersabsicherung der Zeugin I2 gesorgt gewesen. Diese sei Alleininhaberin der Marke I4 gewesen. Zudem sei sie Inhaberin zahlreicher Gebrauchsmuster gewesen, für deren Verwendung durch die SI ihr eine entsprechende Vergütung zugestanden hätte. Außerdem habe eine Pensionszusage der Puppenkleiderfabrik I3 i.H.v. 2.000 DM monatlich bestanden. An Frau I2 sei zudem am 1.4.1997 eine Lebensversicherung i.H.v. 62.011,59 DM ausgezahlt worden. Hinzu komme noch eine eigene Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Dass Frau I auch nach einer schenkweisen Übertragung ihrer Anteile an der I International Ldt. noch über ausreichende Reserven verfügt habe, werde daraus deutlich, dass sie ihrer Tochter am 9.11.1998 einen Betrag i.H.v. 100.000 DM als Schenkung zugewandt habe, damit diese die vorgeschlagene Kapitalerhöhung bei der(I4)sowie eine Beteiligung der L an dieser habe durchführen können.
26Die teilentgeltliche Übertragung des Anteils an der SI auf die Zeugin I wäre im Ergebnis ertragsteuerneutral möglich gewesen.
27I hätte im Jahr 1998 ihren Wohnsitz in Deutschland aufgeben und ausschließlich in Hongkong wohnen können. Sie hätte die Geschäftsleitung der SI wieder vor Ort übernehmen können, da sie über eine unbeschränkte Aufenthalts- und Arbeitgenehmigung sowie über einen Wohnsitz in Hongkong verfügt habe. Familiäre Hindernisse hätten der Aufgabe des deutschen Wohnsitzes nicht entgegengestanden. Sie sei selbständig gewesen und habe sich um die geschäftlichen Belange des elterlichen Unternehmens gekümmert. Sie sei geschieden und habe während des zur Rede stehenden Zeitraums keinen Lebenspartner gehabt, so dass keine persönliche Bindung bestanden habe. Die Tochter der Zeugin I, I5, geboren am 22.9.1989, hätte ein Internat besuchen oder auch nach Hongkong ziehen können. Sie habe während der Ferien vom Kläger und seiner Ehefrau betreut werden können. Die Geschäftsleitung in Deutschland habe Frau I2 übernehmen können.
28Die Gewinne der SI in den Jahren 1999 und 2000 wären an den Kläger zu 1/3 und an seine Tochter zu 2/3 ausgeschüttet worden. Anschließend hätten der Kläger und seine Tochter ihre Anteile an der SI – wie geschehen – veräußert.
29Das Ergebnis wäre gewesen, dass lediglich für den Kläger ein steuerlich zu berücksichtigender Veräußerungsverlust von 84.464,30 DM entstanden wäre.
30Der Kläger meint, da der verstorbene Steuerberater B mit der steuerlichen Beratung beauftragt gewesen sei, habe er die Familie I auch umfassend in steuerlicher Hinsicht beraten müssen. Hierzu hätte neben dem Vorschlag, dass die Zeugin I nach Hongkong ziehe, auch die Möglichkeit gehört, dass die Zeugin I2 ihren Anteil an der SI auf die Zeugin I übertrage.
31Der Kläger behauptet, die Holdinggesellschaften seien ausschließlich zum Zweck der steuerneutralen Überführung finanzieller Mittel auf Anraten des Herrn B gegründet worden. Sie seien nicht in anderer Weise tätig geworden.
32Der Kläger behauptet, die Familie I habe dem verstorbenen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer B blind vertraut, aus diesem Grund seien sie „blind“ jedem Gestaltungsvorschlag von ihm gefolgt, auch dem vorstehend vorgestellten.
33Der Kläger begehrt den Ersatz folgender Schäden:
341. Steuerschäden bei seiner Ehefrau und ihm: 130.091,07 €.
352. Steuerschäden seiner Tochter: 127.136,58 €. Insoweit hat er mit der Klage zunächst einen Betrag von 130.797,48 € geltend gemacht, diesen aber in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2010 durch Teilklagerücknahme um 3.660,90 € reduziert; die Beklagte hat der Teilklagerücknahme zugestimmt (Bl. 783R).
363. Gründungskosten, Kosten der Jahresabschlüsse, Domizilgebühren und Treuhandgebühren der L: 114.668,65 €.
374. Gründungskosten, Kosten der Jahresabschlüsse, Domizilgebühren und Treuhandgebühren der M: 47.356,47 €.
38Wegen der Berechnung der Steuerschäden bei ihm, seiner Ehefrau und seiner Tochter nimmt der Kläger Bezug auf ein Privatgutachten der A KG (A) vom 30. Juni 2009, das er als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 6. August 2009 zur Akte gereicht hat (Bl. 563).
39Der Kläger behauptet, die Anteilsveräußerungen in Hongkong wären steuerfrei gewesen. Bezüglich der Wegzugsbesteuerung nach dem AStG sei anhand der Bilanzen davon auszugehen, dass für die Entstehung von stillen Reserven innerhalb der(I4)kein oder nur ein geringer Raum bestanden habe. Bei einem Wegzug von Frau I im Jahr 1998 hätte sie geringere Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, als dies bei der ganzjährigen Tätigkeit der Fall gewesen wäre.
40Zudem begehrt der Kläger den Ersatz nicht anrechenbarer vorgerichtlicher Anwaltskosten, einer 2,5-Geschäftsgebühr aus 600.000 €, insgesamt 9.581,60 €.
41Der Kläger meint bezüglich des Feststellungsantrags, eine Inanspruchnahme nach dem Schweizer Steuerrecht drohe weiterhin. In der Schweiz bestehe keine absolute Verjährungsfrist für Verrechnungsteuerforderungen des Fiskus. Die gewährten Darlehen seien als verdeckte Gewinnausschüttungen zu werten. Eine Festsetzung der Verrechnungsteuer aufgrund der Darlehensgewährungen und eine Inanspruchnahme des Klägers sowie der Zedentinnen Frau I2 und Frau I seien daher nach wie vor nicht ausgeschlossen.
42Der Kläger beantragt sinngemäß,
431. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 257.227,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (19. Januar 2009) zu zahlen;
442. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen darüber hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der ihm und den Zedentinnen Frau I2, Frau I, der M Holding AG und der L Holding AG aus steuerlicher Falschberatung durch den verstorbenen WP/StB 1/B entstanden ist und noch entsteht, indem dieser dem Kläger und den Zedentinnen Frau I2 und Frau I die Gründung einer schweizerischen Zwischenholding, der späteren L Holding AG, die Beteiligung der L Holding AG an der I4 GmbH, eine teilentgeltliche Übertragung aller Anteile an der I International Ltd. auf die L Holding AG, die Gründung einer zweiten schweizerischen Gesellschaft durch den Kläger und die Zedentinnen Frau I2 und Frau I, der späteren M Holding AG, die Ausschüttung der thesaurierten Gewinne der I International Ltd. an die L Holding AG und die anschließende Veräußerung der Anteile an der I International Ltd. empfohlen hat;
45hilfsweise wie vor mit dem Zusatz:
46anstatt die Übertragung des Anteils der Frau I2 an der I International Ltd. auf Frau I, die Aufgabe des deutschen Wohnsitzes durch Frau I und den endgültigen Umzug nach X, die Ausschüttung der Gewinne aus der I International Ltd. an den Kläger (zu 1/3) und an Frau I zu (2/3) sowie die Veräußerung der Anteile an der I International Ltd. durch Frau I (zu 2/3) und den Kläger zu (1/3) zu empfehlen;
473. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 162.025,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
484. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 9.581,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
49Die Beklagte beantragt,
50die Klage abzuweisen.
51Sie behauptet, ihr verstorbener Ehemann habe die Umstrukturierung weder empfohlen noch beratend begleitet. Es handele sich offensichtlich um eine Gestaltung, die die Familie I aus wirtschaftlichen Gründen vorgenommen habe, ohne Herrn B zu Rate zu ziehen. Dementsprechend habe Herr B weder eine Beratungsleistung erbracht noch abgerechnet.
52Die Besprechung im Dezember 1997 mit den Damen I und I2 habe einen Vertragsentwurf über einen Alleinvertriebsvertrag Q, der Herrn B am 9.12.1997 zugegangen sei, zum Gegenstand gehabt. Eine Prüfung von Steuergestaltungen sei nicht erfolgt. Wäre Herr B in der Besprechung mit der steuerlichen Überprüfung der komplexen Steuergestaltungen beauftragt worden, wären auch die mit Rechnung vom 2.1.1998 abgerechneten 2,3 Stunden unangemessen knapp bemessen.
53Dagegen spreche auch, dass sich um die internationalen Fragen der Unternehmensberater C gekümmert habe. Dieser habe Herrn B am 29.12.1997 mitgeteilt, dass er zunächst geplant habe, eine Holding in Hongkong zu gründen, hiervon aber nunmehr Abstand genommen habe. Am 22.1.1998 habe Herr B den Alleinvertriebsvertrag mit der Firma D erhalten, diesen habe er geprüft. Mit Rechnung vom 11.7.1998 habe Herr B diese Leistungen abgerechnet. Nach dem Telefonat vom 29.12.1997 mit Herrn C habe es keine Besprechungen mehr in Sachen einer Holding gegeben. Am 29.6.1998 habe Herr B die SI nach dem Stuttgarter Verfahren bewertet. Am 24.9.1998 sei die vorläufige Bilanz für 1997 der(I4)besprochen worden; um diesen Termin habe Frau I am 11.9.1998 gebeten. Aus der letzten Aktennotiz von Herrn B vom 23.2.2002 ergebe sich, dass ihm eine M AG gänzlich unbekannt gewesen sei. Aus den Notizen folge zudem, dass Herr B die Verlustvorträge zur Einkommensteuer habe prüfen wollen. An der Gründung der L oder der M sei Herr B nicht beteiligt gewesen. Eine Beratung hinsichtlich dieser Gesellschaften sei allein durch den Unternehmensberater C und die Rechtsanwälte T, Hongkong und V in C und die Z Revisionen GmbH, Unterägeri erfolgt.
54Die Beklagte ist der Ansicht, ihr verstorbener Ehemann sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf die Möglichkeit einer – womöglich konstruierten – Wohnsitzverlegung durch Frau I hinzuweisen. Diese Möglichkeit sei zu abwegig gewesen, um ernsthaft in Betracht gezogen zu werden. Frau I hätte ihren Wohnsitz und ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland aufgeben und in den Jahren 1998 bis 2001 nach Hongkong ziehen, die Tochter bei den Großeltern unterbringen müssen, dies nur um Steuern zu sparen. Es fehle substantiierter Vortrag, wie Frau I aus das elterliche Unternehmen hätte führen sollen, ohne regelmäßig nach Deutschland zurückzukehren und damit einen Wohnsitz in Deutschland zu unterhalten. Auch wirke es lebensfremd, dass Frau I allein aus Gründen der Steuerersparnis bereit gewesen wäre, ihre neunjährige Tochter in Deutschland zurückzulassen, ohne wenigstens einen weiteren Wohnsitz in Deutschland zu unterhalten. Mit Blick auf die schulpflichtige Tochter hätten auch geringe Aufenthaltszeiten der Frau I ausgereicht, um eine deutsche unbeschränkte Steuerpflicht zu begründen. Jeder Besuch der Tochter im großelterlichen Haus, der über die übliche Urlaubszeit von ca. 14 Tagen hinausgegangen wäre, hätte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits zu einer Wohnsitzbegründung im Inland geführt. Mit Blick auf diese Unsicherheiten und das Gebot des sichersten Weges wäre es gerade pflichtwidrig gewesen, dem Kläger, seiner Ehefrau und der Tochter zu empfehlen, gegenüber dem Finanzamt eine Wohnsitzverlegung nach Hongkong anzuzeigen.
55Auch müsse der ordentlich beratende deutsche Steuerberater das Steuerrecht Hongkongs nicht kennen. Auf dieser Kenntnis des Steuerrechts von Hongkong fuße aber gerade die Gestaltungsempfehlung der Gegenseite.
56Gegen die von der Klägerseite vorgeschlagene Gestaltung habe zudem gesprochen, dass Frau I seit der Gründung der(I4)und auch in den Streitjahren (1997–2000) durchgängig alleinige Geschäftsführerin gewesen sei. Die(I4)mit dem Vertrieb von Reha-Artikeln ab dem Jahr 1995 habe zum zentralen operativen Geschäft des Familienunternehmens aufgebaut werden sollen, wofür die thesaurierte Liquidität benötigt worden sei. Ein Berater habe nicht auf die Idee verfallen müssen, dass Frau I in dieser Phase zur Steuerersparnis nach Hongkong ziehen solle.
57Auch habe ein Berater nicht in Betracht ziehen müssen, dass Frau I2 wesentliche Teile ihres Vermögens auf die Tochter im Wege der Schenkung übertragen solle, dies allein vor dem Hintergrund einer möglichen Steuerersparnis. Eine vorweggenommene Erbfolge habe nicht zur Diskussion gestanden.
58Die Beklagte meint, jedenfalls hafte sie nicht für eine etwaige Pflichtverletzung ihres verstorbenen Ehemanns. Dessen gemeinsame Sozietät mit dem Sohn sei durch den Tod des Herrn B senior beendet worden. Der Kläger und die beiden Zedentinnen seien Ende 1998 über die Einbringung der Einzelpraxis in die Sozietät in Kenntnis gesetzt worden. Sie seien mit dem Übergang einverstanden gewesen. Das Gesellschaftsvermögen, alle Aktiva und Passiva, seien im Zeitpunkt der Beendigung durch Anwachsung auf den Sohn übergegangen. Nach § 14 Abs. 1 des Sozietätsvertrages sei der Anteil eines Partners an der Sozietät nicht vererblich, mit der Folge, dass Erben bzw. Vermächtnisnehmer eines verstorbenen Partners nicht Gesellschafter der Sozietät werden können. Es sei gesellschafts- und erbrechtlich zulässig, durch eine gesellschaftsvertragliche Fortsetzungsklausel – wie hier § 14 – den Gesellschaftsanteil des Erblassers aus der Erbmasse herauszunehmen und den verbleibenden Gesellschaftern anwachsen zu lassen. Der Grundsatz gehe soweit, dass zulasten der Erben der Abfindungsanspruch vollständig ausgeschlossen werden könne. Folge sei, dass sich der Übergang des Anteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge vollziehe und der Anteil nicht Gegenstand des Nachlasses werde; dann aber fehle es auch an einem Anknüpfungspunkt für eine Nachhaftung.
59Hinsichtlich der möglichen Schadenshöhe vertritt die Beklagte die Auffassung, die Übertragung der Anteile an der SI von Frau I2 auf Frau I habe einkommensteuerlich nicht neutral erfolgen können.
60Wesentlich für das klägerische Gestaltungsmodell sei zudem, dass die Ausschüttungen an den Kläger, der weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig habe bleiben sollen, durch Verluste kompensiert würden. Diese angeblichen Verluste seien selbst nach dem klägerischen Vortrag Ende 1997/Anfang 1998 – zum Zeitpunkt des angeblich geschuldeten Rates – überhaupt nicht absehbar gewesen. Es fehle jeder schlüssige Vortrag, wie diese Verlustentwicklung Ende 1997 hätte prognostiziert werden können.
61Auch die steuerlichen Berechnungsgrundlagen des Klägers seien implausibel. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund Frau I2 ihrer Tochter ihren Anteil mit einem angeblichen Zeitwert von 1.000.000 DM hätte veräußern und so ihre unternehmerische Beteiligung aufgeben sollen. Zudem wäre durch diese Transaktion ein ganz erheblicher steuerlicher Gewinn in Deutschland realisiert worden. Allein durch diesen steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang wäre die angebliche steuerliche Vorteilhaftigkeit der klägerisch vorgeschlagenen Vorgehensweise kompensiert worden.
62Die Schadensberechnung des Klägers fuße auf der Behauptung, Anteilsveräußerungen in Hongkong seien steuerfrei. Unerörtert sei die Frage geblieben, in welcher Höhe die Veräußerung von Anteilen an der SI nach dem Steuerrecht Hongkongs im Jahr 2000 der Einkommensteuer unterlegen hätte. Gleiches gelte für die in den Jahren 1998 und 1999 vorzunehmenden Ausschüttungen der SI an Frau I. Es fehle jeder Vortrag zu der Rechtsfrage, ob und in welchem Umfang Gewinnausschüttungen einer Limited in Hongkong an einen in Hongkong ansässigen Gesellschafter der Körperschaft-, Einkommen- und sonstigen Quellenbesteuerung in den Jahren 1998 bis 2000 unterlegen habe. Die Feststellungen in der Stellungnahme von A vom 30.6.2009 zur Wegzugsbesteuerung und der Frage, ob der Wegzug zu einer Steuerpflicht geführt hätte, seien nicht nachprüfbar.
63Nach dem eigenen Vortrag habe die Familie I zudem ab dem Jahr 1995 ihre inländische Tätigkeit wesentlich auf den Aufbau des operativen Geschäfts der(I4)konzentriert, die im Bereich des Vertriebs von Reha-Artikeln aktiv geworden sei. Es sei in der Folge wenig glaubhaft, dass bis Ende 1998 nicht einmal ein erheblicher geldwerter Kundenstamm oder Firmenwert geschaffen worden sein solle. Unklar bleibe, wie eine Wohnsitzverlagerung nach Hongkong die im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 13.11.2003 erfassten inländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 116.691 DM hätte mindern sollen. Selbst wenn im Jahr 1998 gewerbliche Einkünfte i.H.v. 50.000 DM nach Hongkong hätten verlagert werden können, wäre hierauf in jedem Fall Income Tax in Hongkong entstanden. Die Berechnung dieser Steuern bleibe außer Betracht. An ersparten Aufwendungen seien zumindest die Transaktionskosten einer Übertragung von Anteilen an der SI von I2 auf I mit 5.000 DM (so von der Klägerseite geschätzt), mithin 2.556,46 €, in Abzug zu bringen. Gleiches gelte für Reise- und Umzugskosten der Frau I, die angeblich unter vollständiger Auflösung ihres Haushalts nach Hongkong umgezogen wäre.
64Auch die Aufwendungen für die L und die M seien nicht nachvollziehbar. Es sei nicht ersichtlich, welchem Zweck die Gesellschaften gedient hätten.
65Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung hinsichtlich der abgetretenen, angeblichen Schadensersatzansprüche der L und der M.
66Die Beklagte meint hinsichtlich des Feststellungsantrags, eine Schadenswahrscheinlichkeit könne nur angenommen werden, wenn die Schweizer Finanzbehörden bereits mit Vollstreckungsversuchen wegen der Verrechnungssteuer gegenüber den Schweizer AGen begonnen hätten. Dies sei jedoch nicht der Fall.
67Die Beklagte hält die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten für überhöht. Angemessen sei eine Geschäftsgebühr mit einem Satz von 1,3.
68Die Kammer hat zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen I2 und I gemäß Beweisbeschlüssen vom 18. Juni 2009 (Bl. 550) sowie vom 28. Januar 2010 (Bl. 771). Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18. Juni 2009 (Bl. 756) und vom 28. Januar 2010 (Bl. 780) Bezug genommen.
69Die Kammer hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 25. März 2010 (Bl. 786). Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen WP/StB K vom 11. Juni 2012 (Bl. 970), dessen ergänzende Stellungnahmen vom 26. November 2012 (Bl. 1349), 28. November 2012 (Bl. 1356) und 30. November 2012 (Bl. 1418) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2013 (Bl. 1604), in welcher der Sachverständige sein schriftliches Gutachten mündlich erläutert hat, verwiesen.
70Entscheidungsgründe
71I. Die Klage ist zulässig. Die Beklagte beanstandet zu Unrecht, dass die Klageschrift nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur bestimmten Angabe des Grundes des erhobenen Anspruchs genüge, da sie zur Begründung auf das vorausgegangene Verfahren um Bewilligung von Prozesskostenhilfe Bezug nehme. Zur konkretisierten Darlegung des Klagegrundes in der anwaltlichen Klageschrift reicht es aus, wenn der Rechtsanwalt sich auf ein von ihm selbst vorgelegtes Gesuch um Prozesskostenhilfe bezieht (Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., § 253, Rn 12a mwN).
72II. Die Klage ist teilweise begründet.
731. Der Kläger hat gegen die Beklagte als Alleinerbin des verstorbenen StB 1/B teils aus eigenem, teils aus abgetretenem Recht der Frau I2 und der Frau I einen Schadensersatzanspruch wegen steuerlicher Fehlberatung in Höhe von 216.369,95 € aus den §§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 398 BGB sowie mit den §§ 1967 Abs. 1, 736 BGB, 160 Abs. 1 HGB.
742. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger, seine Ehefrau und seine Tochter den Steuerberater 1/B Ende des Jahres 1997 beauftragten, sie zu beraten, wie die ausschüttbaren Gewinne der SI möglichst steuerneutral auf die(I4)überführt werden könnten. Fest steht zudem, dass Herr 1/B im Zeitraum Ende 1997 bis Ende 1998 dazu riet, dies nach Gründung zweier schweizerischer Zwischenholdings – der M und der L – auf dem tatsächlich eingeschlagenen Weg zu tun. Im Einzelnen:
75a) Die Zeuginnen I2 und I haben übereinstimmend bekundet, an zwei Beratungsgesprächen in der Kanzlei B teilgenommen zu haben, in denen Herr StB 1/B den Kläger und sie wegen der Frage des Gewinntransfers aus Hongkong beriet. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Zeuginnen als Zedentinnen und zudem enge Angehörige des Klägers ein erhebliches eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben. Ebenso hat die Kammer bedacht, dass die Zeuginnen in der Zeit zwischen dem bekundeten Geschehen (1997/98) und ihrer Vernehmung (2009/10) hinlänglich Gelegenheit hatten, miteinander sowie mit dem Kläger über die Angelegenheit zu sprechen. Auch konnten sie bei ihrer Aussage sicher sein, dass es keine Widersprüche zu Angaben weiterer, familienfremder Gesprächsteilnehmer geben würde, denn der einzig familienfremde Beteiligte, Herr StB 1/B, ist bereits im Jahr 2002 verstorben.
76Die Aussagen sind dennoch glaubhaft, denn beide Zeuginnen haben sowohl die Vorgeschichte als auch den Hergang der Beratungsgespräche so geschildert, dass ausgeschlossen erscheint, dass die Zeuginnen sich das bekundete Geschehen ausgedacht oder es im Kern unrichtig wiedergegeben haben könnten, zumal sich wesentliche Aspekte ihrer Schilderung mit objektiv feststehenden Umständen decken.
77Für wahrheitsgemäße Aussagen spricht schon, dass beide Zeuginnen zu Beginn ihrer Vernehmung, als sie Gelegenheit hatten, ihr Wissen im Zusammenhang und ohne Unterbrechung durch Fragen darzustellen, keinen besonderen Schwerpunkt auf die Beweisfrage gelegt, sondern die gesamte Entwicklung von Anfang bis Ende mit einem gleichbleibend hohen Detailgrad geschildert haben. Zwar hat die Zeugin I2 gleich im ersten Satz angegeben, sie könne die Beweisfrage bejahen, die Beratung habe stattgefunden. Doch hat sie sich gleichwohl nicht auf diesen Punkt beschränkt, sondern zunächst die Vorgeschichte der Beratung wiedergegeben und dabei auch umfangreich zu Komplikationen der ursprünglichen Pläne bekundet, etwa durch Zolleinfuhrquoten aus Hongkong und China oder der Notwendigkeit, bei der Produktion von Pflegekleidung hohe Stückzahlen zu erreichen. Den Verlauf der beiden Beratungsgespräche, deren Daten sie mit „Dezember 1997“ und „September 1998“ angegeben hat, hat sie ohne besondere Betonung in gleicher Ausführlichkeit wiedergegeben. Für eine wahrheitsgemäße Aussage spricht inhaltlich insbesondere, dass sie bekundete, Herr B habe vorgeschlagen, eine Firma in Irland, den Kanalinseln oder der Schweiz zu gründen. Die Kombination dieser Staaten erscheint derart originell, dass sie im Falle einer erfundenen Aussage nicht zu erwarten wäre. Gleiches gilt für den Umstand, dass es nach der ersten Beratung im Dezember 1997 zu einer weiteren Komplikation kam, weil nämlich die Verkaufsinteressenten für die Spielwarenproduktion in Hongkong ihr Interesse verloren, was nach Angabe der Zeugin Grund für das zweite Gespräch bei Herrn B im September 1998 war, in dem dieser vorgeschlagen habe, in der Schweiz noch eine weitere Holding zu gründen. Auch dieser Ablauf erscheint zu kompliziert, als dass man ihn sich ausdenken würde, wenn es darum ginge, wahrheitswidrig eine Falschberatung zu konstruieren; in diesem Fall hätte es näher gelegen zu behaupten, Herr B habe von Anfang genau die Lösung vorgeschlagen, die man sodann umgesetzt habe.
78Des Weiteren ist die Aussage der Zeugin I2 auch deswegen glaubhaft, weil sie am Ende ihrer Vernehmung vom 18. Juni 2009 einräumte, sie habe „die Dinge aufbereitet..., um eine Grundlage für die Schriftsätze zu schaffen“, weswegen ihr die Daten noch geläufig seien. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass grundsätzlich die Erinnerung an Details – von denen die Zeugin zahlreiche bekundete – mit dem Zeitablauf deutlich nachlässt, doch gilt etwas anderes, wenn man sich in der Zeit zwischen der Wahrnehmung und der Bekundung intensiv mit dem Sachverhalt beschäftigt. Dass die Zeugin I2 dies getan hat, liegt angesichts der Bedeutung des Geschehens für die finanzielle Situation der gesamten Familie nahe; es spricht für sie, dass sie diese intensive Befassung auch zugab.
79Auch die Aussage der Zeugin I zur Auftragserteilung und zum erteilten Rat des Herrn StB B ist glaubhaft. Für sie gilt gleichermaßen, dass sie die Vorgeschichte sowie den Inhalt der beiden Gespräche mit Herrn B in gleichem Detailgrad geschildert hat, auch wenn sie deren Daten nicht mehr so genau angeben konnte wie ihre Mutter. Auch ihre Aussage weist originelle Einzelheiten auf, die für ein wahres Erleben sprechen. Dies gilt insbesondere für den Umstand, sie habe nach dem Vorschlag von Herrn B, eine Firma in der Schweiz oder in Irland oder auf den Kanalinseln zu gründen, selbsttätig im Internet recherchiert und das Ergebnis an Herrn B weitergeleitet.
80b) Unabhängig von den aufgezeigten Wahrheitssignalen der beiden Aussagen ist der von beiden Zeuginnen im Kern gleich geschilderte Ablauf von Auftragserteilung und Beratung zudem in sich schlüssig. Es ist plausibel, dass sich der Kläger und seine Familie vertrauensvoll an ihren langjährigen Steuerberater wandten, als das Problem der Überführung der in Hongkong angesparten Gewinne anstand. Dies gilt umso mehr, als Herr B ihr einziger Steuerberater und für sämtliche steuerlichen Fragen „zuständig“ war. Es ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Familie I einen anderen Steuerberater mit der Beratung in Bezug auf die Überführung der in Hongkong angesammelten Gewinne beauftragt hätte. Nach der Lebenserfahrung erscheint es zudem ausgeschlossen, dass sie eine derart komplexe steuerliche Gestaltung, wie sie später umgesetzt wurde, ohne steuerliche Beratung hätten entwerfen können.
81Plausibel ist hingegen, dass die Mitglieder der Familie I den Angaben ihres Steuerberaters B vertrauten und sie umsetzten, ohne sie zu hinterfragen. Besonders naheliegend und nachvollziehbar erscheint der Kammer insoweit die Bekundung der Zeugin I2, da Herr B keine Alternativgestaltung vorgestellt habe, habe sich für sie und ihre Familie überhaupt nicht die Frage gestellt, wie man sich alternativ verhalten könnte. Nach den Erfahrungen der Kammer, die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Köln für sämtliche Klagen zuständig ist, die Ansprüche aus der Berufstätigkeit von Steuerberatern zum Gegenstand haben, ist dies gerade bei kleineren Familienunternehmen eine weitverbreitete Grundhaltung. Ein Mandant, der über Jahrzehnte mit demselben Steuerberater zusammenarbeitet und nie erlebt, dass dieser jemals einen gravierenden Fehler begangen hätte, vertraut ihm in aller Regel blind. Im vorliegenden Fall gilt dies erst recht, weil Herr StB B darüber hinaus schon ein Schulfreund des Klägers gewesen war.
82Einleuchtend ist auch, dass die Familie I sich aus recht pragmatischen Gründen für das Modell Schweiz – und nicht für Irland oder die Kanalinseln – entschied. Der schnell herzustellende Kontakt über eine Freundin zu einem dort ansässigen Rechtsanwalt sowie die räumliche Nähe sind plausible Gründe, weshalb die Wahl auf die Schweiz fiel.
83c) Zudem steht der von den Zeuginnen bekundete Geschehensablauf in Einklang mit den vorliegenden Schriftstücken. Dass eine Besprechung am 15.12.1997 stattgefunden haben muss, ergibt sich indiziell aus der Rechnung des Herrn StB B vom 2.1.1998 (K 13, Bl. 100). Auch wenn diese Rechnung den Gegenstand der Besprechung nicht konkretisiert, hat die Kammer keinen Zweifel, dass die Besprechung die von den Zeuginnen bekundete Gestaltungsberatung zum Gegenstand hatte. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dies nicht deswegen implausibel, weil nur 2,3 Stunden abgerechnet wurden. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeuginnen war das Gespräch vom 15.12.1997 nur der Beginn der Gestaltungsberatung; diese wurde also noch nicht umfassend erteilt. Vielmehr kam es sodann zu Kontakten der Familie I mit dem schweizerischen Anwalt und Unternehmensberater W. Auch dies wird durch ein Schriftstück indiziell gestützt, nämlich durch dessen Gutachten vom 8.1.1998 (Bl. 105) betreffend die Gründung einer (Holding-) Gesellschaft im Kanton Zug.
84Auch das Gespräch vom 24.9.1998 ist durch eine Rechnung des Herrn Steuerberater B indiziell belegt, nämlich durch diejenige vom 31.12.1998 (K 15, Bl. 102). In der Rechnung werden hierfür 1,3 Stunden angesetzt, was jedenfalls nicht dagegen spricht, dass es um die Gestaltungsberatung in Sachen Überführung der Gewinne aus Hongkong ging. Denn das Grundkonzept war bereits in der Erstbesprechung am 15.12.1997 erstellt und sodann über neun Monate – auch im Kontakt mit weiteren Beratern – verfeinert worden. Die Kammer hält daher die Aussagen der Zeuginnen für glaubhaft, dass es am 24.9.1998 nur noch um eine Abänderung der Grundkonzeption durch Gründung einer zweiten Holdinggesellschaft in der Schweiz ging. Eine solche Abänderung konnte auch in der recht kurzen Zeitspanne von 1,3 Stunden besprochen werden.
85d) Schließlich gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Gespräche im Dezember 1997 und im September 1998 anderen Zwecken als der bekundeten Beratung gedient haben könnten. Beide Zeuginnen haben auf Vorhalt konkreter Alternativthemen ausgeschlossen, dass diese erörtert worden sind.
863. Diese Beratung war indes pflichtwidrig, weil sie zu einer vermeidbaren Steuerlast führte. Herr StB B war verpflichtet, stattdessen den im Hilfsantrag näher beschriebenen Weg zu weisen. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, dieser Weg habe ferngelegen. Herr StB B war seit Jahrzehnten umfassender steuerlicher Berater der Familie I und ihrer Unternehmen. Er kannte deshalb auch die in Hongkong ansässige I International Ltd. und wusste, dass die Tochter I schon einmal mehrere Jahre dort gelebt hatte. Die Idee, einen erneuten Umzug dorthin vorzuschlagen, lag somit nicht fern, jedenfalls nicht ferner als die Gründung von Schweizer Gesellschaften. Denn zur Schweiz hatte die Familie I zuvor keine unmittelbaren Beziehungen. Sodann hätte Herr StB B es der Familie I überlassen können, ob sie den steuerlich richtigen Rat – einschließlich des nötigen Wegzugs der Tochter nach Hongkong – befolgt oder aus persönlichen Gründen nicht befolgt.
87Ebenso wenig überzeugt der Einwand der Beklagten, Herrn StB B hätten die Kenntnisse im Steuerrecht von Hongkong gefehlt. Es hätte genügt, die Grundidee vorzuschlagen; hierfür hätte Basiswissen über das ausländische Steuerrecht genügt. Über dieses Wissen muss er verfügt haben, denn sonst hätte er die Familie I, die schon seit 1987 in Hongkong geschäftlich aktiv war, nicht umfassend steuerlich beraten können. Für die Einzelheiten hätte er die Mandanten an Spezialisten verweisen können; beim Auffinden hierfür womöglich nötiger Steuerberater mit Sitz in Hongkong hätte der Unternehmensberater C, dessen Dienste die Familie I ohnehin in Anspruch nahm, behilflich sein können.
88Schließlich ist das klägerseits entworfene, hypothetische Gestaltungsmodell auch nicht deswegen abwegig – und eine dahingehende Beratung nicht geschuldet –, weil es eine – erhebliche – Schenkung der Mutter I2 an die Tochter I erfordert. Die Tochter arbeitete seit vielen Jahren in den Unternehmen der Familie mit. Sie war Alleingesellschafterin der neu gegründeten MC, die zum zweiten Standbein aufgebaut werden sollte. Es liegt nahe, dass die Eltern bereit gewesen wären, ihr im Interesse des (steuerlichen) Wohls der Gesamtfamilie auch erhebliche Vermögensbestandteile zuzuwenden. Soweit darin eine vorweggenommene Erbfolge zu sehen gewesen wäre, hätte es niemanden gegeben, der hierdurch hätte benachteiligt werden können, denn die Tochter I ist Einzelkind.
894. Ebenso steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger und die Zedentinnen I2 und I für den Fall, dass Herr B die steuerlichen Folgen dieses Wegs erkannt und ihnen stattdessen zu der im Hilfsantrag näher beschriebenen, alternativen Vorgehensweise geraten hätte, diesem Rat mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – die gemäß dem für die haftungsausfüllende Kausalität geltenden § 287 ZPO genügt – gefolgt wären.
90Die Zeuginnen I2 und I haben dies in ihren Vernehmungen vom 18. Juni 2009 – als dieser Punkt noch nicht vertieft wurde – sowie vom 28. Januar 2010 übereinstimmend so bekundet. Entgegen der Ansicht der Beklagten erscheint es keineswegs lebensfern, dass die Zeugin I bei richtiger Beratung bereit gewesen wäre, für einige Monate nach Hongkong zu ziehen. Die Kammer verkennt nicht, dass nur eine Minderheit der deutschen Steuerpflichtigen zu solch einem Umbruch der persönlichen Lebensplanung bereit sein dürfte, um den Anfall von Steuern – selbst in erheblicher, sechsstelliger Höhe – zu vermeiden. Jedoch wiesen die Lebensumstände der Familie I in den Jahren 1997/98 Besonderheiten auf, die berücksichtigt werden müssen und die auf eine wesentlich höhere Bereitschaft zu einem solchen Schritt als bei anderen Inländern hindeuten. Die Zeugin I hatte bereits mehrere Jahre in Hongkong gelebt, kannte die Mentalität, hatte die Sprache erlernt und besaß noch eine gültige Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis.
91Gegen einen Umzug für zwei oder drei Jahre sprach ebenso wenig, dass sie eine damals neun Jahre alte Tochter hatte. Dass diese, wie bekundet, ihre Mutter nach Hongkong hätte begleiten können, erscheint angesichts der Tatsache, dass ohnehin der Wechsel zur weiterführenden Schule anstand, durchaus umsetzbar. Dies gilt umso mehr, wenn man die spätere, tatsächliche Schullaufbahn der Tochter berücksichtigt, die für einige Jahre das Internat T3 besuchte. Alternativ hätte die Möglichkeit bestanden, die Tochter bei ihren Großeltern, dem Kläger und der Zeugin I2, unterzubringen, zumal man ohnehin gemeinsam in einem Haus in getrennten Wohnungen lebte.
92Auch spricht nichts dagegen, dass Frau I2 bereit gewesen wäre, sämtliche von ihr gehaltenen Anteile der SI auf ihre Tochter I zu übertragen. Denn ohnehin waren die geschäftlichen Verhältnisse der drei Familienmitglieder schon seit 1987, als sie gemeinsam die SI gründeten, aufs Engste verbunden; man lebte gemeinsam von den Erträgen dieses Unternehmens. Die Aussage der Zeugin I, ihr Vater, ihre Mutter und sie hätten „ein Team gebildet“ und „immer gemeinsam das getan, was für die Firmen am Günstigsten war“, erscheint vor diesem Hintergrund glaubhaft. Ebenso glaubhaft ist die Bekundung der Zeugin I2, sie wäre bereit gewesen, ihre Anteile im Wert von mehr als 800.000 DM unentgeltlich auf ihre Tochter I zu übertragen. Auch dies ist in Anbetracht der vorhergehenden, jahrelangen wirtschaftlichen Symbiose und des Umstands, dass I Einzelkind ist, plausibel. Aus den glaubhaften Bekundungen der Zeugin I2 folgt zudem, dass ihre eigene Altersvorsorge hierdurch nicht gefährdet gewesen wäre.
935. Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass sie nicht passiv legitimiert sei, da ihr verstorbener Ehemann und ihr Sohn die Steuerberatersozietät in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts führten, wobei der Gesellschaftsvertrag im Fall des Todes die Fortsetzung der Gesellschaft vorsah.
94a) Das steuerliche Dauermandat, das zunächst Herrn StB 1/B erteilt worden war und sodann – konkludent – von der aus ihm und seinem Sohn, Herrn StB 2/B, bestehenden Steuerberatersozietät übernommen wurde, ist nach dem Tod des Vaters im Jahr 2002 – konkludent – von der Einzelkanzlei des Sohns fortgeführt worden. Dieser haftet daher auch für Schäden aus etwaigen Pflichtverletzungen seines Vaters; allerdings beruht dies nicht allein auf der Fortführung des Mandats – die als Vertragsübernahme zu qualifizieren ist –, sondern folgt schon daraus, dass Herr 2/B Gesellschafter der Sozietät war und daher analog § 128 HGB für deren Verbindlichkeiten persönlich (mit) haftet.
95b) Die (Mit-) Haftung des Sohnes bedeutet entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass sie als Erbin des verstorbenen Herrn 1/B nicht haften würde.
96Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften neben dieser die einzelnen Gesellschafter, somit auch der verstorbene Herr 1/B. Mit seinem Tod wurde die Gesellschaft trotz Fortsetzungsklausel aufgelöst, weil es keine eingliedrige Gesellschaft bürgerlichen Rechts gibt. Doch besteht eine fünfjährige Nachhaftung seiner Ehefrau als Alleinerbin gemäß § 736 Abs. 2 BGB, 160 Abs. 1 S. 1 HGB. § 736 Abs. 2 BGB gilt für alle Fälle des Absatzes 1 der Vorschrift (Palandt-Sprau, 72. Aufl., § 736, Rn 12), somit auch für das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod; die Vorschrift gilt selbst bei einer – wie hier – nur zweigliedrigen Gesellschaft (Palandt-Sprau, aaO).
97Der Erbe haftet (nur) zivilrechtlich nach § 1967 Abs. 1 BGB für Nachlassverbindlichkeiten, auch soweit diese aus einer Gesellschafterhaftung des Erblassers (§ 128 HGB) herrühren, und auch dann, wenn der Erbe – wie hier – nicht in die Gesellschafterstellung einrückt (Karsten Schmidt in: MünchKomm-HGB, 2. Aufl., § 139, Rn 99; Westermann in: Handbuch Personengesellschaften, Rz I 1206).
98Entgegen der Ansicht der Beklagten ist kein anderes Ergebnis deswegen geboten, weil der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Fortsetzungsklausel enthält, die dazu führt, dass der Gesellschaftsanteil des Erblassers „am Nachlass vorbei“ im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den Sohn übertragen worden ist. Die angeführten Entscheidungen (BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, WM 1957, 24; BGH v. 14.7.1970 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338; OLG Hamm vom 17.1.1991 – 15 Hongkong 428/90, NJW-RR 1991, 837), die sich mit der grundsätzlichen gesellschafts- und erbrechtlichen Wirksamkeit solcher Klauseln befassen, sagen nichts über die Nachhaftung der Erben aus.
99Der Beklagten kann auch nicht darin beigetreten werden, es fehle an einem Anknüpfungspunkt für die Nachhaftung des Erben, wenn der Gesellschaftsanteil nicht zum Nachlass gehöre. Für die Nachhaftung des Erben gibt es zwei Anknüpfungspunkte, die kumulativ vorliegen müssen: den Tod des Erblassers, der ein Unterfall des Ausscheidens aus der Gesellschaft ist, sowie die Erbenstellung, die zur Haftung für Nachlassverbindlichkeiten führt, § 1967 Abs. 1 BGB. Das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Kündigung löst unzweifelhaft dessen Nachhaftung gemäß den §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 HGB aus. § 736 Abs. 1 BGB behandelt alle Fälle des Ausscheidens gleich, einschließlich des Ausscheidens durch Tod, so dass auch in diesem Fall eine Nachhaftung eintritt. Naturgemäß kann sie nicht mehr den Erblasser treffen, sondern es haftet gemäß § 1967 Abs. 1 BGB der Erbe.
100Dem lässt sich nicht entgegenhalten, wenn schon der Gesellschaftsanteil nicht in den Nachlass falle, dann gehöre auch die Nachhaftungsverbindlichkeit nicht hierzu. Charakteristikum des Nachhaftungsanspruchs ist in jedem Fall, dass der Verpflichtete nicht (mehr) Gesellschafter ist. Insofern wäre es nicht überzeugend, die Nachhaftung des Erben nur dann anzunehmen, wenn er in die Gesellschafterstellung eingerückt ist. Denkt man sich den Tod des Erblassers hinweg und nimmt an, dieser wäre aus einem anderen Grund aus der Gesellschaft ausgeschieden, so hätte er nachgehaftet, ohne (noch) Gesellschafter zu sein. Anknüpfungspunkt für seine Nachhaftung wäre seine frühere Stellung als Gesellschafter gewesen. Entsprechendes muss für den Fall des Ausscheidens durch Tod gelten: Anknüpfungspunkt für die Nachhaftung des Erben ist die frühere Stellung des Erblassers als Gesellschafter in Verbindung mit der Stellung des Erben als eben solcher.
101Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Erbe, in dessen Vermögen der Gesellschaftsanteil nicht gelangt, durch die Nachhaftung ausschließlich Nachteile hat. Der Nachhaftungsanspruch setzt nicht voraus, dass es für den Verpflichteten geldwerte Vorteile oder sonstige Vermögenspositionen gibt, aus denen der Anspruch bedient werden kann. Auch im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters durch Kündigung ist denkbar, dass er nachhaftet, obwohl er nach seinem Ausscheiden nichts erhält, weil ein Abfindungsanspruch nicht besteht.
102Im Übrigen steht vorliegend nicht einmal fest, dass die Beklagte einen solchen Abfindungsanspruch nicht hatte. Der Sozietätsvertrag schließt ihn jedenfalls nicht aus, sondern verweist für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters durch Tod (§ 14) auf § 11, der wiederum in Abs. 4 auf den Abfindungsanspruch gemäß den §§ 17, 18 Bezug nimmt.
103Schließlich wäre die Auffassung der Beklagten, eine Nachhaftung des Erben scheide bei einer qualifizierten Fortsetzungsklausel aus, auch unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes bedenklich. Solange die Sozietät bestand, hafteten für deren Verbindlichkeiten neben dieser auch die beiden Gesellschafter persönlich. Fällt einer der Gesellschafter durch Tod weg, so würde es die Position der Gläubiger ohne sachlichen Grund verschlechtern, wenn ab diesem Zeitpunkt nur noch der verbliebene Gesellschafter haftete, während der Erbe in den Genuss des Privatvermögens des ausgeschiedenen Gesellschafters käme, ohne dem Zugriff der Gläubiger ausgesetzt zu sein.
104c) Die Fünfjahresfrist des § 160 Abs. 1 S. 1 HGB beginnt, sobald der Gläubiger vom Ausscheiden Kenntnis erlangt. Dies war vorliegend unmittelbar nach dem Tod des Herrn 1/B am 10.9.2002 der Fall, denn sein Sohn 2/B führte das Dauermandat fort, was dem Kläger sowie seiner Frau und seiner Tochter nicht verborgen blieb. Der Ablauf der Fünfjahresfrist wurde gemäß §§ 160 Abs. 1 S. 3 HGB, 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB, 167 ZPO durch Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe am 2. Januar 2006 (Bl. 42) mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags am 30. Dezember 2005 gehemmt.
1056. Aus der Fehlberatung sind dem Kläger sowie den Zedentinnen I2 und I Schäden in einer Gesamthöhe von 216.369,95 € entstanden, welche die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des StB 1/B zu ersetzen hat.
106a) Es ist die tatsächliche Vermögenslage der Mitglieder der Familie I derjenigen gegenüber zu stellen, die sich ohne den Fehler des Steuerberaters ergeben hätte. Das erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 162, 08, WM 2011, 1529). Die finanziellen Auswirkungen auf die Mitglieder der Familie I, die jahrelang zusammen wirtschaftlich tätig waren, sind dabei nicht getrennt, sondern insgesamt zu betrachten (vgl. BGH v. 20.3.2008 – IX ZR 104/05, NJW 2008, 2647).
107Bei einem – wie vorliegend – Schadensersatzanspruch aus Vertragsverletzung gehört der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt zur haftungsausfüllenden Kausalität, für die § 287 ZPO Anwendung findet (PG-Laumen, ZPO, 4. Aufl., § 287, Rn 8). Diese Vorschrift reduziert das Beweismaß; für die richterliche Überzeugung reicht eine überwiegende, allerdings auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit eines Schadens aus (PG-Laumen, aaO, Rn 17).
108Die Vermögenslage, die sich ohne den Fehler des Steuerberaters ergeben hätte, ist eine nur hypothetische. Beim Beweismaß müssen insoweit nach Auffassung der Kammer die besonderen Schwierigkeiten berücksichtigt werden, die bei der Beurteilung eines nur hypothetischen Sachverhalts auftreten, der zudem für eine weit in der Vergangenheit liegende Zeit unterstellt wird. Solche Schwierigkeiten dürfen den Schädiger nicht entlasten, denn erst dessen pflichtwidriges Verhalten hat dazu geführt, dass der Sachverhalt hypothetisch geblieben ist und daher nur noch eingeschränkt geprüft werden kann. Die Anforderungen an die gesicherte Grundlage – soweit eine solche bei einem hypothetischen Sachverhalt denkbar ist – dürfen daher nicht überspannt werden.
109Der Gesamtvermögensvergleich umfasst vorliegend zwei Gruppen von finanziellen Positionen, nämlich steuerliche Auswirkungen (siehe dazu b) sowie nichtsteuerliche Auswirkungen (siehe dazu c).
110b) Die Kammer hat sich bei der Frage, welche steuerlichen Unterschiede zwischen dem von Herrn StB B vorgeschlagenen und von der Familie I umgesetzten Modell (Modell Schweiz) und dem bei hypothetisch richtiger Beratung zu empfehlenden Modell (Modell HONGKONG) bestehen, vom Gutachter WP/StB K sachverständig beraten lassen.
111aa) Der Sachverständige K hat in seinem Gutachten vom 11. Juni 2012 zunächst diejenigen Verluste unberücksichtigt gelassen, die unabhängig vom Gegenstand der streitgegenständlichen Beratung sind. Dies sind Verlustvor- oder -rückträge, die aus anderen Gründen als der Überführung der angesammelten Gewinne der SI entstanden waren.
112Nach Eingang des Gutachtens hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. August 2012 (Bl. 1249) gerügt, dass diese restrukturierungsfremden Verluste nicht in die Betrachtung einbezogen worden sind. Mit Verfügung vom 5. November 2012 (Bl. 1332) hat der Vorsitzende den Sachverständigen gebeten, hierzu in der mündlichen Verhandlung, die zur Erörterung der Einwendungen der Parteien gegen das Gutachten bestimmt worden war, Stellung zu nehmen. Der Sachverständige hat daraufhin einen Vermerk vom 28. November 2012 (Bl. 1356) zur Akte gereicht, in dem er sich mit der Berechnung der A vom 30. Juni 2009 (Bl. 563) auseinander setzt. Der Vermerk vollzieht diese Berechnung nach und kommentiert sie durch Einschübe, die in blauer Schrift gehalten sind. Der Vermerk war zudem Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2013, in welcher der Sachverständige sein Gutachten erläutert hat.
113bb) Der Sache nach handelt es sich bei dem Vermerk vom 28. November 2012 um eine Neuberechnung des Schadens unter Berücksichtigung der restrukturierungsfremden Verluste. Unabhängig vom Umstand, dass der Vorsitzende in der Verfügung vom 5. November 2012 nur um eine vorläufige Einschätzung gebeten hatte, ob die Berechnung der A plausibel erscheine, hat der Sachverständige K diese vollumfänglich geprüft und gegengerechnet. Soweit es hierbei zu Abweichungen vom (Ursprungs-) Gutachten gekommen ist, beruhen diese weit überwiegend gerade auf der Einbeziehung der restrukturierungsfremden Verluste und – wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert hat – zu einem geringen Teil darauf, dass sein Ursprungsgutachten sowie das Parteigutachten der A unterschiedliche Berechnungswege eingeschlagen haben. Hierzu hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt, es gebe nicht nur einen einzigen richtigen Berechnungsweg.
114cc) Maßgeblich für die Schätzung (§ 287 ZPO) des entstandenen Steuerschadens sind die Zahlen, die der Sachverständige im Vermerk vom 28. November 2012 ermittelt hat, denn nur diese beinhalten auch diejenigen Verluste, die von der Umstrukturierung unabhängig sind. Das Wesentliche beim Gesamtvermögensvergleich ist gerade, dass in ihn sämtliche finanziellen Positionen einzustellen sind, die von der Fehlberatung tangiert worden sind.
115dd) Demnach hat die Fehlberatung vorliegend zu einer steuerlichen Mehrbelastung bei I in Höhe von 141.235,06 € sowie bei den Eheleuten I in Höhe von 104.395,44 € geführt, insgesamt mithin 245.630,50 €. Indes ist das Gutachten in einem Punkt nicht überzeugend, nämlich insoweit, als es die Schenkungsteuerbelastung von I aufgrund der – teils unentgeltlichen – Übertragung der Anteile ihrer Mutter an der SI auf sie betrifft. Der Sachverständige hat diese Belastung mit Null berechnet, weil er unterstellt hat, es habe ein Freibetrag nach § 13a ErbStG 1998 in Anspruch genommen werden können, wenn die SI ihren Sitz oder den Ort ihrer Geschäftsführung vor der Schenkung nach Deutschland verlegt hätte (S. 107 des Gutachtens, Bl. 1076). Es kann dahinstehen, ob eine solche Sitzverlegung praktisch durchführbar gewesen wäre und steuerlich Anerkennung gefunden hätte. Im Rahmen der Schadensschätzung muss sie jedenfalls deswegen außer Betracht bleiben, weil sie nicht zum vom Kläger vorgestellten Alternativmodell für den Fall pflichtgemäßer Beratung gehört.
116Demnach muss die Schenkungsteuerbelastung von 23.260,55 €, die der Kläger unter Bezugnahme auf die Berechnung der A (dort S. 2 = Bl. 565) vorgetragen hat und die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen grundsätzlich richtig berechnet ist, von der im Vermerk vom 28. November 2012 errechneten steuerlichen Mehrbelastung (245.630,50 €) abgezogen werden, so dass eine Mehrbelastung von 222.369,95 € verbleibt.
117ee) Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers überzeugen nicht. Zu Recht hat der Sachverständige es nicht für hinreichend belegt erachtet, dass bei der fiktiven ESt-Belastung 2000 der Eheleute I im Modell Hongkong ein Verlustrücktrag für das Jahr 2001 in Höhe von 95.984 € zu berücksichtigen sei, wie die A es auf S. 5 ihrer Berechnung (Bl. 568) getan hat. Die im Anlagenkonvolut K 58 enthaltenen Steuerbescheide lassen nur Verlustvorträge, nicht hingegen einen im Jahr 2001 entstandenen Verlustrücktrag erkennen. Auch soweit die A angenommen hat, die fiktive ESt-Belastung 1998 der I habe durch die „Verlagerung“ von „schätzungsweise 50.000 DM der Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ nach Hongkong reduziert werden können (S. 2 der Berechnung der A = Bl. 565), hat der Sachverständige diese Position zu Recht ausgeklammert, weil nicht nachvollziehbar ist, um welche Einkünfte es sich handelt, wie sie erwirtschaftet wurden und ob sie bei einem fiktiven Wegzug nach Hongkong steuerlich dort entstanden und zu versteuern gewesen wären.
118ff) Ebenso wenig greifen die Bedenken der Beklagten gegen die Richtigkeit der Berechnung durch. Soweit sie rügt, es sei keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einschätzung des Gutachters ersichtlich, dass der Veräußerungsgewinn, den I im fiktiven Sachverhalt in Hongkong vereinnahmt hätte, dort keine Income Tax ausgelöst hätte, überspannt sie die Anforderungen an das Beweismaß des § 287 ZPO. Nach der vom Sachverständigen eingeholten Auskunft des Hong Kong Inland Revenue Department (S. 26 des Gutachtens) sind dort Veräußerungsgewinne nicht steuerpflichtig. Ausweislich der Ausführungen auf S. 25 des Gutachtens (Bl. 994) hat der Sachverständige die Außenhandelskammer in Hongkong kontaktiert, nach deren Auskunft sich an dem steuerlichen System seit 1997 nichts geändert hat. Damit beansprucht die Auskunft des Inland Revenue Department auch für den streitgegenständlichen, fiktiven Sachverhalt des Jahres 1998 Geltung.
119Der Sachverständige hat zudem überzeugend den Einwand der Beklagten widerlegt, im fiktiven Sachverhalt habe für I eine Wegzugbesteuerung nach § 6 AStG gedroht. In der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2013 hat er hierzu ausgeführt, es fehlten jegliche Anhaltspunkte, dass die MC, deren Geschäftstätigkeit erst kurz zuvor aufgenommen worden sei, über „größere Werte“ verfügt habe; deswegen sei auf den zu erwartenden Cashflow abzustellen, der aber in den nächsten fünf Jahren negativ gewesen wäre.
120c) In den Gesamtvermögensvergleich sind zudem die nichtsteuerlichen Unterschiede der beiden Modelle einzubeziehen. Insoweit müssen Beratungskosten, Notar- und Gerichtskosten sowie nötige Umzugskosten in den Vergleich eingestellt werden; weitere finanzielle Auswirkungen der Beratung sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
121aa) Hinsichtlich der Beratungskosten ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darauf abzustellen, wie sich ein durchschnittlicher Steuerpflichtiger verhalten hätte, wenn er auf das Modell Hongkong hingewiesen worden wäre. Es mag sein, dass ein solcher sich umfänglich vergewissert hätte, welche Risiken es hierbei gibt. Es ist möglich, dass hierdurch ganz erhebliche Kosten angefallen wären. Indes entspricht das fiktive Verhalten eines konkreten Geschädigten nicht stets dem üblichen Verhalten. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Familie I ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Herrn StB B hatte und diesem „blind“ vertraute. Die – ebenfalls – weitreichende Entscheidung, das Modell Schweiz umzusetzen, traf man zwar unter Einschaltung weiterer Berater, aber gleichwohl mit nur begrenztem Beratungsaufwand. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, dass im Modell Hongkong höhere Beratungskosten entstanden wären.
122bb) Entsprechendes gilt für Notar- und Gerichtskosten.
123cc) Damit verbleiben als Mehrkosten des Modells Hongkong allein die Flugkosten für I und ihre Tochter sowie die Umzugskosten. Diese Kosten hat der Sachverständige in seinem Vermerk vom 30. November 2012 auf S. 31 (Bl. 1448) mit insgesamt 11.600 DM (rund 6.000 €) beziffert; dem schließt sich die Kammer an.
124d) Aus der steuerlichen Mehrbelastung durch die Fehlberatung in Höhe von 222.369,95 € abzüglich der außersteuerlichen Mehrkosten im Falle richtiger Beratung in Höhe von 6.000 € errechnet sich der insgesamt ersatzfähige Schaden in Höhe von 216.369,95 €.
1257. Es kann dahinstehen, ob auch den Zedentinnen M und L Schäden aus der steuerlichen Fehlberatung entstanden sind. Denn jedenfalls sind die an den Kläger abgetretenen Schadensersatzansprüche dieser Gesellschaften nicht durchsetzbar, weil verjährt.
126Die Verjährung beurteilt sich nach § 68 StBerG a.F., weil der primäre Schadensersatzanspruch jedenfalls vor dem 15. Dezember 2004 entstanden ist. Entstanden ist der Anspruch im Allgemeinen, wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag seine Höhe auch noch nicht beziffert werden können. Wenn der Steuerberater einen fehlerhaften Rat in einer Steuersache erteilt und dieser sich in einem für den Mandanten nachteiligen Steuerbescheid niedergeschlagen hat, ist eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage des Mandanten grundsätzlich erst mit der Bekanntgabe des Bescheids eingetreten (BGH v. 3.2.1011 – IX ZR 183/08, WM 2011, 795).
127Steuerbescheide, welche die Schweizer Holdings belasten würden, existieren nicht. Als Schaden, der diesen Rechtssubjekten entstanden ist, werden nur deren Gründungskosten, die Kosten der Jahresabschlüsse, die Domizilgebühren und die Treuhandgebühren geltend gemacht. Diese Kosten sind beginnend mit dem Jahr 1998 fortlaufend angefallen. Belastende Steuerbescheide existieren nur für den Kläger und seine Ehefrau sowie für die Tochter I. Diese Bescheide wurden im Jahr 2003 bekannt gegeben.
128Für den Verjährungsbeginn ist nach Auffassung der Kammer an das Entstehen der Gründungskosten als erstem Teilschaden im Jahr 1998 anzuknüpfen, nicht an die Steuerbescheide aus dem Jahr 2003. Der Grundsatz der Schadenseinheit reicht nicht so weit, dass er auch Schäden verschiedener Personen miteinander verknüpfte. Jedenfalls bei einer Gestaltungsberatung, die (auch) die Empfehlung beinhaltet, Gesellschaften zu gründen, bilden diejenigen Kosten, die bei den zuvor nicht existierenden Gesellschaften entstehen, einen eigenständigen, unmittelbar eintretenden Schaden. Dass die Einheitlichkeit des Schadens einer getrennten Beurteilung bei verschiedenen Personen zumindest nicht entgegen steht, ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. In seinem Urteil vom 3.12.1992 (IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139) hat dieser entschieden, dass der Schaden desjenigen, der einem Dritten Sicherheit zur Erstattung von Steuerschulden leistet, bereits mit dem Wirksamwerden der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung eintritt, selbst wenn in diesem Zeitpunkt ein den Dritten belastender Steuerbescheid noch nicht ergangen ist.
129Demnach ist der Anspruch auf Ersatz des Schadens, der den Schweizer Holding-Gesellschaften entstanden ist, drei Jahre nach Entstehung (1998) im Laufe des Jahres 2001 verjährt. Ansatzpunkte für eine Sekundärhaftung bestanden bis dahin nicht.
130Die Einreichung des Gesuchs auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 30. Dezember 2005 nebst der Veranlassung von dessen Bekanntgabe am 2. Januar 2006 (Bl. 42) kamen zu spät, um die Verjährung zu hemmen (§§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB, 167 ZPO). Es bedarf demnach keiner Entscheidung, ob das Gesuch inhaltlich geeignet war, eine Hemmung der Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Holding-Gesellschaften herbeizuführen, obwohl die Begründung des Gesuchs, die bei der Auslegung seines Gegenstands heranzuziehen ist, auf der Überlegung fußt, dass in Höhe der Verwaltungskosten ein Schaden des damaligen Antragstellers und jetzigen Klägers entstanden sei, nicht ein solcher der Gesellschaften.
1318. Der Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2) ist nach dem Hauptantrag zulässig, aber nicht begründet. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag hat gleichwohl zu unterbleiben. Im Einzelnen:
132a) Der Feststellungsantrag in der Fassung des Hauptantrags ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Für die Konkretisierung einer Verpflichtung zum Schadensersatz aus steuerlicher Fehlberatung genügt es, wenn – wie geschehen – die Handlungen oder Unterlassungen des Steuerberaters benannt werden, welche seine Beratung als pflichtwidrig erscheinen lassen. Es ist zur hinreichenden Konkretisierung nicht erforderlich, zusätzlich die – fiktiven – Sachverhaltselemente zu benennen, bei deren hypothetischem Vorliegen die Beratung pflichtgemäß erfolgt wäre.
133b) Der Feststellungsantrag ist indes unbegründet. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen K steht fest, dass zwar weitere Schäden in Form von Schweizer Verrechnungssteuer nicht völlig ausgeschlossen sind, weil diese Steuerforderungen nach dem Schweizer Recht nicht absolut verjähren, dass aber eine solche Belastung nur auf Ebene der L eintreten kann. Ein Ersatzanspruch für solche Schäden wäre nach dem oben Ausgeführten jedoch nicht durchsetzbar, weil verjährt.
134c) Die Abweisung des Feststellungsantrags nach dem Hauptantrag als unbegründet führt nicht dazu, dass der Hilfsfeststellungsantrag zur Entscheidung der Kammer gestellt wäre. Der Hilfsantrag ist dahin auszulegen, dass er unter der Bedingung steht, dass der Hauptantrag als unzulässig abgewiesen wird. Denn der Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag lediglich durch eine genauere Konkretisierung der Pflichtverletzung. Er zielt darauf ab, eine Abweisung des Feststellungsantrags allein deswegen, weil er nicht hinreichend bestimmt sei, zu vermeiden.
1359. Der Kläger hat schließlich einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 5.631,80 €, weil ihm infolge der Pflichtverletzung des Herrn StB B Rechtsverfolgungskosten in Höhe der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 des Kostenverzeichnisses zum RVG zuzüglich Auslagenpauschale und 16% Umsatzsteuer entstanden sind. Dieser Gebühr ist ein Streitwert von 216.369,95 € zu Grunde zu legen, weil der Kläger in dieser Höhe zu Recht Forderungen gegen die Beklagte geltend macht. Angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität der Sache ist der Höchstsatz von 2,5 ohne Weiteres gerechtfertigt.
13610. Der mit den Klageanträgen zu 1 und 4 geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich als Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen, § 291 BGB.
137III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
138Streitwert: bis 472.913,67 €
139(Klageantrag zu 1: bis 260.888,55 €;
140Klageantrag zu 2: 50.000,00 €;
141Klageantrag zu 3: 162.025,12 €)
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