Urteil vom Landgericht Köln - 1 S 275/12
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 04.10.2012 - 222 C 153/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen mit Ausnahme der Kosten des Teilvergleichs, die gegeneinander aufgehoben werden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
4Zweitinstanzlich ist Folgendes zu ergänzen:
5Der Kläger verlangt nunmehr betreffend die durch Anbau geschaffene Erweiterungsfläche – bislang: Anträge zu 2) und 3) – Zahlung von Miete für den Zeitraum von März 2012 bis Februar 2013 in Höhe von monatlich 307,13 EUR, insgesamt 3.685,56 EUR. Insoweit stützt er sich nicht mehr auf §§ 559ff. BGB oder §§ 558ff. BGB; vielmehr ergebe sich die Mieterhöhung aus einer ergänzenden Vertragsauslegung.
6In der Berufungsverhandlung haben die Parteien einen Teilvergleich u. a. bezüglich der Mieterhöhung für die ursprüngliche Mietfläche – Klageantrag zu 1) – geschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll vom 29.08.2013 (Bl. 123f. d. A.). verwiesen.
7Nunmehr beantragt der Kläger,
8die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.685,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 307,13 EUR seit dem 06.03., 06.04., 06.05., 06.06., 06.07., 06.08., 06.09., 06.10., 06.11., 06.12.2012, 06.01. und 06.02.2013 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine gesonderte Mieterhöhung für die Erweiterungsfläche auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung möglich sei; eine Regelungslücke sei nicht gegeben.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13II.
14Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
15I.
16Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Miete für den im Zuge des Anbaus neu errichteten Teil der Wohnung gemäß § 535 Abs. 2 BGB zu.
171.
18Die Erweiterungsfläche ist von der mit 55qm vereinbarten Wohnfläche (§ 1 Ziff. 1 des Mietvertrags vom 18.01.1979) nicht umfasst.
19Die Vertragsparteien haben sich auch nicht auf eine Vergrößerung der Mietfläche geeinigt; eine solche Einigung liegt insbesondere nicht in der Vereinbarung der Parteien vom 09.03.2011 (Anlage K 2, Bl. 20 d. A.). Die Beklagte verspricht in der Vereinbarung lediglich, die Modernisierungsmaßnahme zu dulden, also von einem etwaigen Unterlassungsanspruch gemäß § 554 BGB a. F. keinen Gebrauch zu machen. Ging es der Beklagten hiernach erkennbar um die Erhaltung des Vorbehalts der Unzumutbarkeit der Modernisierungsmaßnahme – die Schaffung neuen Wohnraums durch Vergrößerung der Wohnfläche – nach § 554 Abs. 2 BGB a. F., scheidet eine einvernehmliche Vergrößerung der Vertragsfläche aus.
202.
21Eine Erhöhung der Vertragsmiete ist auch nicht als Kehrseite einer Duldungspflicht der Beklagten gemäß § 554 Abs. 2 BGB a. F. eingetreten.
22Wohl dürfte der Beklagten die Duldung der Wohnflächenerweiterung im Hinblick auf die objektive Verbesserung des Wohnwerts nicht unzumutbar gemäß § 554 Abs. 2 BGB a. F. gewesen sein. Insbesondere geht die Erweiterung der Wohnung zu einer 3-Zimmer-Wohnung mit knapp 90 qm nicht im Sinne einer „Luxussanierung“ über den allgemein üblichen Zustand gemäß § 554 Abs. 2 S. 4 BGB a. F. hinaus, zumal die Wohnung durch den Anbau flächenmäßig in den Zustand nach der Zerstörung des Anbaus im zweiten Weltkrieg zurückversetzt wird.
23Auch eine Duldungspflicht der Beklagten gemäß § 554 Abs. 2 BGB a. F. führt indes nicht zu einer Änderung der Vertragsmiete.
24Bei der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen durch den Vermieter ist zu unterscheiden zwischen der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Mieter die Durchführung der Maßnahmen dulden muss und der Frage, ob der Vermieter berechtigt ist, wegen der durchgeführten Modernisierung die Miete zu erhöhen und gegebenenfalls in welchem Umfang. Während Ersteres Gegenstand des § 554 BGB ist, betrifft § 559 BGB die Mieterhöhung bei Modernisierung, die zuvor in § 3 MHG geregelt war (BT-Drs. 14/4553, S. 58). Aus keinem dieser beiden Aspekte kann der Kläger indes einen Anspruch auf Zahlung einer erhöhten Miete herleiten.
25Aus § 559 BGB a. F. kann der Kläger die Zahlung von Miete für die Erweiterungsfläche nicht verlangen. Die Norm erfasst den Fall der Schaffung neuen Wohnraums – Wohnflächenvergrößerung – bereits nach dem Wortlaut nicht.
26Es ist auch keine Mieterhöhung ipso iure aufgrund der Duldungspflicht nach § 554 Abs. 2 a. F. BGB eingetreten (a. A. Börstinghaus, jurisPR-MietR 13/2013 Anm. 3). §§ 535-536a BGB bleiben von § 554 BGB unberührt (Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 2011, § 554 Rn. 318); dies gilt grundsätzlich auch für die Zahlungspflichten des Mieters nach § 535 Abs. 2 BGB. Ob die Duldungspflicht des Mieters im konkreten Einzelfall mit einem Recht des Vermieters zur Erhöhung der Vertragsmiete einhergeht, richtet sich vielmehr nach § 559 BGB. Bereits der Umstand, dass der Gesetzgeber ein Regelungsbedürfnis zur Schaffung dieser Norm gesehen hat, spricht dafür, dass nach seiner Vorstellung der Vermieter nicht automatisch eine höhere Vertragsmiete verlangen kann, wenn er eine vom Mieter zu duldende Modernisierungsmaßnahme vornimmt. Eine solche Gestaltungsmacht des Vermieters, der es trotz Fehlens einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung (vgl. §§ 315ff. BGB) bzw. einer gesetzlichen Grundlage (ex. § 559 BGB) einseitig in der Hand hätte, das Mietverhältnis in wesentlichen Teilen umzugestalten, wäre auch systemwidrig. Es stünde zudem wertungsmäßig nicht mit dem abgestimmten Regelungskonzept der §§ 544, 559 BGB im Einklang, wenn eine Mieterhöhung infolge einer Vergrößerung der Mietsache – also einem potentiell besonders bedeutenden Eingriff in das Vertragsgefüge – automatisch eintreten würde, während der Vermieter bei vergleichsweise nachrangigen Änderungen wie dem Einbau neuer Heizkörper eine erhöhte Miete nur nach Maßgabe der §§ 559ff. BGB verlangen könnte. Dies gilt zumal im Hinblick darauf, dass – wie der vorliegende Fall zeigt – die Grenzen der Duldungspflicht bei einer Wohnflächenveränderung durchaus weit gezogen sein können. Gegen eine automatische Anpassung der Miete infolge einer Wohnflächenerweiterung spricht schließlich, dass der Maßstab bzw. Umfang einer solchen Mieterhöhung unklar wäre, da insoweit verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Frage kommen.
273.
28Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Miete für die Erweiterungsfläche ergibt sich schließlich auch nicht aus einer ergänzenden Auslegung des Mietvertrages. Die Argumentation des Klägers, die Vertragsparteien hätten sich, wenn sie im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages eine mögliche Vergrößerung der 57qm großen Wohnung um fast 30qm bedacht hätten, redlicherweise auf eine entsprechend höhere Miete verständigt, wobei der hypothetische Parteiwille bezüglich der Miethöhe mangels konkreter Anknüpfungspunkte anhand objektiver Maßstäbe, insbesondere dem Gebot von Treu und Glauben, zu ermitteln sei, verfängt nicht.
29Richtig ist im Ansatzpunkt, dass die Vertragsparteien bei Abschluss des ursprünglichen Mietvertrags eine mögliche Vergrößerung der Wohnung nicht in Betracht gezogen haben. Die Parteien haben diese Lücke auch nicht nachträglich geschlossen, insbesondere nicht durch die Vereinbarung vom 09.03.2011 (Anlage K 2, Bl. 20f. d. A.), die die Frage der künftig geschuldeten Miete für die erweiterte Mietfläche ausdrücklich offenlässt („in einem späteren Verfahren“).
30Die Regelungslücke kann jedoch durch ergänzende Vertragsauslegung nicht geschlossen werden, da dies zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen würde (vgl. allgemein hierzu BGH, NJW 1980, 2347 m. w. Nw.). Die ergänzende Auslegung darf nicht den Inhalt der Erklärungen verändern (BGH, NJW-RR 1989, 1490). Verboten ist die Schaffung einer über den wesentlichen Inhalt eines Vertrags hinausgehenden zusätzlichen Bindung (BGHZ 16, 71). Das nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien kann insoweit berücksichtigt werden, als es Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen zulässt (BAG, ZIP 1991, 1446).
31Die vorgenannte Schranke soll die Wahrung der Privatautonomie gewährleisten und das richterliche Aufdrängen einer ungewollten Regelung unterbinden. Die ergänzende Auslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem ganzen Zusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem nach dem Inhalt des Vertrages tatsächlich Vereinbarten stehen würde (BGH, a. a. O.). Sie darf nicht über das rechtliche Beziehungsfeld hinausgreifen, das geregelt werden sollte (Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2012, § 157 Rn. 56).
32Nach diesen Grundsätzen weist der Mietvertrag im Lichte der Vereinbarung vom 09.03.2011 keine durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließende Regelungslücke auf. Die Parteien haben in der Vereinbarung vom 09.03.2011 nicht nur ausdrücklich offengelassen, ob und inwieweit dem Kläger im Hinblick auf die Vergrößerung der Mieträumlichkeiten ein Anspruch auf eine erhöhte Miete zusteht. Sie haben sich nicht einmal auf die Vergrößerung der gemieteten Wohnung selbst geeinigt. Für die Anmietung einer gegenüber dem Bestand bei Vertragsschluss im Jahr 1979 um mehr als die Hälfte größeren Wohnung mit drei statt zwei Zimmern hatten die Parteien keinen gemeinsamen Regelungsplan. Es handelt sich in der Gesamtwürdigung um einen anderen Vertragsgegenstand, der einer nach den Regeln der Privatautonomie ausgehandelten Einigung bedürfte. Für eine solche Einigung bestünden insbesondere hinsichtlich der Preisfindung verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, was bereits für sich genommen einer ergänzenden Vertragsauslegung entgegensteht, wenn der Wille der Parteien - wie hier - nicht in die eine oder in die andere Richtung weist (BGHZ 143, 95).
33Dieses Ergebnis belastet den Vermieter auch nicht unbillig. Unternimmt er eine erhebliche Vergrößerung der Mietsache, ohne hierüber – und insbesondere über die künftig geschuldete Miete – eine bindende Vereinbarung mit dem Mieter zu treffen, etwa weil sein wirtschaftliches Interesse dahin geht, die geplante Baumaßnahme zeitnah in die Tat umzusetzen, trägt er das Risiko, bis zu einer Neuvermietung nur die bisherige Vertragsmiete zu erhalten.
34II.
35Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 98, 708 Nr. 10 ZPO.
36III.
37Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 1 ZPO. Auch im Rahmen von § 559 Abs. 1 BGB n. F. hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Wohnflächenvergrößerung – Modernisierungsmaßnahme gemäß § 555b Nr. 7 BGB n. F. –, in den Katalog mieterhöhungsbegründender Modernisierungsmaßnahmen aufzunehmen.
38IV.
39Streitwert:
401. Instanz: bis 4.500,00 EUR
412. Instanz:
42 bis zum Abschluss des Teilvergleichs in der mündlichen Verhandlung: (623,28 EUR + 3.685,56 EUR) = 4.308,84 EUR
43 danach: 3.685,56 EUR
44 Streitwert des Teilvergleichs: bis 1.300,00 EUR
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.