Beschluss vom Landgericht Köln - 91 O 64/13
Tenor
Der Vorstand der Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über folgende Frage(n) zu erteilen:
„Welche Gründe sprachen im Hinblick auf diese Vita für eine Beschäftigung von Herrn D und welche dagegen?
Nachfrage: Bitte erläutern Sie den Auswahlprozess etwas näher, wie war dieser strukturiert, wie viele Bewerber gab es, was waren die entscheidenden Kriterien, die am Ende zu Herrn D geführt haben. Bitte erläutern Sie in diesem Zusammenhang die Compliance-Erwägungen, die es trotz der aufgezeigten Vita von Herrn D erlaubt haben, diesen Kandidaten zu nehmen. Immerhin hat Herr D nicht nur unternehmerisch versagt. Er ist auch straffällig geworden. Wie sieht also ein geordneter Auswahlprozess aus, an dessen Ende ein Mann bestellt wird, gegen den strafrechtlich wegen Untreue ermittelt und das Verfahren nur gegen Geldbuße eingestellt wurde?
Nachfrage: Die Antwort ist bei Weitem nicht ausreichend. Ich hatte Sie nicht nach persönlichen, dem Datenschutz unterliegenden Informationen, wie etwa die Namen der Mitbewerber gefragt. Die sind mir auch vollkommen gleichgültig. Ich möchte von Ihnen eine Darstellung des geordneten Auswahlprozesses, einschließlich der relevanten Auswahlkriterien sowie der absoluten K.O.-Kriterien. Außerdem reicht mir die Angabe der Anzahl der Bewerber. Ebenso wollte ich die Compliance-Erwägungen wissen, die es trotz der aufgezeigten Vita von Herrn D erlaubt haben, diesen Kandidaten zu nehmen.“
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu ¼ und die Antragsgegnerin zu 3/4.
Der Gegenstandswert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller ist seit dem 09.03.2009 mit 50 Namensstückaktien Aktionär der Antragsgegnerin. In der ordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 28. Mai 2013 stellte der Antragsteller diverse Fragen, insbesondere zu der Auswahl des Herrn D als Vorstand der F2-Bank Finanzberatung AG. Wegen des Verlaufs der Hauptversammlung, insbesondere zu den Fragen des Antragstellers wird auf das notarielle Protokoll (Blatt 30 ff. des Anlagenhefters) und auf die Kopie des Fragen- und Antwortblattes (Blatt 43 ff. des Anlagenhefters) Bezug genommen.
4Der Antragsteller ist der Auffassung, der Vorstand der Antragsgegnerin habe seine Fragen unzureichend beantwortet. Die ihm erteilten Antworten seien nicht geeignet, sein Informationsbedürfnis als objektiv handelnder Aktionär zu befriedigen. Aus welchem Grund gerade Herr D zum Vorstandsvorsitzenden einer der wichtigsten Tochtergesellschaften der Antragsgegnerin bestellt worden sei, erschließe sich aus den Antworten nicht. Die Auskünfte seien nichtssagend und pauschal gewesen.
5Die Antragsgegnerin ist demgegenüber der Auffassung, ein weitergehendes Auskunftsrecht des Antragstellers bestehe nicht. Die von dem Antragsteller begehrte weitergehende Auskunftserteilung sei zur sachgemäßen Beurteilung der auf der Hauptversammlung abgehandelten Tagungsordnungspunkte nicht erforderlich. Insbesondere für die Beurteilung der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat bedürfe es einer weitergehenden Auskunft nicht. Die hierfür erforderlichen Auskünfte seien erteilt worden.
6Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
7II.
8Der Antrag ist teilweise begründet.
9Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Beantwortung seiner Frage nach den Gründen, die im Hinblick auf die Vita des Herrn D für seine Beschäftigung als Vorsitzender des Vorstands der F2-Bank Finanzberatung AG sprachen und welche dagegen. Ferner steht ihm ein Anspruch auf Beantwortung seiner Nachfrage betreffend den Auswahlprozess und die in diesen maßgeblichen Kriterien einschließlich der Compliance-Erwägungen zu.
10Beantwortet ist hingegen die Frage des Antragstellers, welche Verbindungen es zwischen Herrn D und der F1-Bank und/oder deren Organmitgliedern, insbesondere zu Herrn P gab oder gibt.
111. Informationsanspruch des Antragstellers in Bezug auf Detailinformationen für die Auswahl des Herrn D.
12Aktionäre können nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft fordern. Angelegenheit der Gesellschaft ist alles, was sich auf die Aktiengesellschaft und ihre Tätigkeit bezieht. Angelegenheiten der Gesellschaft sind danach auch ihre Beziehungen zu verbundenen Unternehmen wie hier zu der Tochtergesellschaft F2-Bank Finanzberatung AG, die eine einhundert prozentige Tochter der Antragsgegnerin ist und deren Aufsichtsrat, der für die Auswahl des Vorstandsvorsitzenden verantwortlich ist, mit Mitgliedern der Verwaltung der Antragsgegnerin besetzt ist. Bei den vom Antragsteller gestellten Fragen handelt es sich damit um solche, die die Angelegenheiten der Gesellschaft betreffen.
13Die Auskunft muss ferner zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sein. Ein bloßer Zusammenhang genügt nicht (vgl. hierzu nur Hüffer, AktG, 10. Auflage, § 131 Rn. 12). Mit der Einschränkung, dass die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sein muss, will das Gesetz Missbräuchen vorbeugen, wobei es nach einhelliger Rechtsprechung für die Beurteilung auf den Standpunkt eines objektiv denkenden Aktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt, und für den die begehrte Auskunft für seine Urteilsfindung wesentliches Element bildet, ankommt (vgl. die Nachweise bei Hüffer a.a.O.). Da es bei der Einschränkung des Auskunftsrechts des Aktionärs durch das Erfordernis der Erforderlichkeit zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung um Missbrauchsvermeidung geht (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs bei Kropff, AktG 1965, Seite 185; BGHZ 160, 385 – bei Juris Rn. 9; insbesondere auch Decher in Großkommentar zum AktG, 4. Auflage, § 131 Rn. 132), ist das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit einschränkend auszulegen (zutreffend Heidel, AktR, 3. Auflage, § 131 AktG Rn. 35). Nicht zu folgen ist deshalb der Auffassung des OLG Düsseldorf (WM 1991, 2148, 2153; bei Juris Rn. 82 und – gerade für den Tagesordnungspunkt Entlastung der Verwaltung – Rn. 86 mit der Begründung, es müsse im Auge behalten werden, dass die Entlastung nicht mehr den Verzicht auf Ersatzansprüche zum Inhalt habe, sondern lediglich ein generelles Vertrauensvotum bedeute. Um dieses aussprechen zu können, sei es nicht erforderlich, auch über unbedeutendere Geschäftsvorfälle umfassend aufgeklärt zu werden.). Dies entspricht auch der neueren Rechtsprechung des BGH. Danach können auch bei der Entlastung der Verwaltung Detailinformationen erforderlich sein, wenn sie ein objektiver Durchschnittsaktionär benötigt, um beurteilen zu können, ob die Verwaltung sich kaufmännisch vernünftig verhalten hat (BGHZ 180, 9 – bei Juris Rn. 41; ebenso OLG Stuttgart, AG 2011, 93 – bei Juris Rn. 735; OLG Stuttgart, AG 2012, 377 – bei Juris Rn. 359). Die für die Anfechtung der Entlastung wegen inhaltlicher Mängel geltenden erhöhten Anforderungen finden dabei keine Anwendung, namentlich nicht das Erfordernis eines eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzes oder Satzungsverstoßes eines Organmitglieds (BGHZ 160, 385 – bei Juris Rn. 10). Das Auskunftsbegehren des Aktionärs muss aber auf Vorgänge von einigem Gewicht gerichtet sein, die für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Vorstands von Bedeutung sind (BGHZ 160, 385 – bei Juris Rn. 10; ebenso Decher a.a.O. § 131 Rn. 188; weitere Nachweise bei OLG Stuttgart, AG 2012, 377 – bei Juris Rn. 359).
14Aber selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes sind die von dem Antragsteller begehrten Detailauskünfte zur Beurteilung der Frage, ob der Vorstand zu entlasten war, von Bedeutung. Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass es bei der Besetzung des Vorstandsvorsitzes der F2-Bank Finanzberatung AG nicht um einen nur unbedeutenden Geschäftsvorfall geht, sondern diese Frage in Anbetracht der Größe und der Bedeutung der Tochtergesellschaft, des Weiteren aber auch wegen der Sensibilität der Frage in Anbetracht der im Raume stehenden Vorwürfe gegen den Vertrieb der Finanzberatung AG von erheblicher Bedeutung für die Wahrnehmung der Antragsgegnerin als Muttergesellschaft der F2-Bank Finanzberatung AG ist. Zu Recht weist der Antragsteller auch darauf hin, dass ohne weiteren Angaben seitens des Vorstands der Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen gerade Herr D von dem Aufsichtsrat der Finanzberatung AG zum Vorstandsvorsitzenden bestellt worden ist. Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen des Antragstellers, wonach Herr D unternehmerisch gescheitert und wiederholt Ermittlungsverfahren ausgesetzt war, ist die Entscheidung des Aufsichtsrats der F2-Bank Finanzberatung AG ohne die Mitteilung weiterer Details unverständlich. Auch in Anbetracht seiner unbestrittenermaßen bestehenden Verbindungen zur F1-Bank ist der Verdacht, dass bei der Besetzung des Postens möglicherweise Kriterien eine Rolle gespielt haben, die nicht allein am Unternehmensinteresse orientiert waren, jedenfalls nicht fernliegend.
15Dass die vom Antragsteller erfragten Umstände für die Entlastung der Vorstände, die als Aufsichtsräte der Tochtergesellschaft mit der Auswahlentscheidung befasst waren, von Bedeutung ist, liegt danach auf der Hand. Auch für die Entlastung des Aufsichtsratsvorsitzendes wie des gesamten Aufsichtsrats, der den Vorstand der Antragsgegnerin zu überwachen hat, ist die Frage von Relevanz.
16Die in der Hauptversammlung erteilten Antworten waren unzureichend: Auf die Frage des Antragstellers, welche Gründe im Hinblick auf die unstreitige Vita des Herrn D für seine Beschäftigung gesprochen hätten und welche dagegen, hat die Verwaltung der Antragsgegnerin lediglich mitgeteilt, man habe sich aufgrund seiner beruflichen Erfahrung und seiner persönlichen Fähigkeiten für Herrn D entschieden, seine beruflichen und vertrieblichen Erfahrungen und Fähigkeiten seien ausschlaggebend gewesen, zu den speziellen Anforderungskriterien hätten Kompetenz und Potenzial, berufliche Erfahrung und Werdegang gezählt.
17Hierbei handelt es sich um für den konkreten Fall nicht aussagekräftige Selbstverständlichkeiten. Ersichtlich ging es dem Antragsteller darum, die Personalentscheidung für Herrn D nachvollziehen zu können. Dies ist in Anbetracht der oben dargestellten Besonderheiten nachvollziehbar. Diesem berechtigten Ziel des Antragstellers trägt die Antwort der Antragsgegnerin keine Rechnung. Insbesondere bleibt offen, welche Rolle die vorbeschriebene Vita des Herrn D gespielt hat oder warum sie ohne Belang war. In anonymisierter Form und unter Wahrung der Geheimhaltungsinteressen von Mitbewerbern kann die Verwaltung der Antragsgegnerin auch darstellen, wie viele Bewerber vorhanden waren und warum diese nicht zum Zuge kamen.
18Auch die Frage in Bezug auf den Auswahlprozess ist unzureichend beantwortet. Die Verwaltung der Antragsgegnerin hat sich auf die Mitteilung beschränkt, es habe ein intensiver, professionell unterstützter Suchprozess stattgefunden. Herr D sei compliance-rechtlich überprüft worden, wobei es nicht zu Beanstandungen gekommen sei. Der Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft sei durch eine namhafte Personalberatungsfirma unterstützt worden.
19Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass die offenbar unstreitige Vita des Herrn D offenbar keinerlei Hindernis im Rahmen der Compliance-Überprüfung war, was ohne die Angabe weiterer Gründe nicht nachvollziehbar ist. Aus diesen Gründen genügt die sich im Pauschalen und Allgemeinen haltende Antwort der Verwaltung der Antragsgegnerin dem Auskunftsrecht des Antragstellers nicht. Vielmehr hat dieser einen Anspruch darauf, dass die Verwaltung der Antragsgegnerin die für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Kriterien einschließlich der von dem Antragsteller erfragten sogenannten absoluten K.O.-Kriterien sowie die Compliance-Erwägungen mitteilt. Denn nur dann ist es dem Aktionär möglich zu entscheiden, ob die Verwaltung sachgerechte Kriterien angelegt und sich bei der Auswahl des Herrn D hieran gehalten hat. Detailkenntnisse auch insoweit sind für die Aktionäre von Bedeutung, um die Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung als Voraussetzung für die Entlastungsentscheidung sachgemäß beurteilen zu können.
202. Information über die Verbindungen zwischen Herrn D und der F1-Bank und/oder deren Organmitglieder, insbesondere zu Herrn P.
21Insoweit ist das Auskunftsbegehren des Antragstellers unbegründet. Die Frage ist nämlich beantwortet. Bei der Frage nach aktuellen oder vergangenen Verbindungen zwischen Herrn D und der F1-Bank geht es dem Antragsteller um Aufklärung der Frage, ob es bei der Personalentscheidung durch den Vorstand der Antragsgegnerin im Aufsichtsrat der F2-Bank Finanzberatung AG zu Einflussnahmen gekommen ist. Hierzu hat die Verwaltung der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass es nicht zu irgendwelchen Einflussnahmen gekommen ist, im Übrigen nicht bekannt sei, zu welchen Personen Herr D in Verbindung stehe. Damit ist die Frage des Antragstellers beantwortet. Dafür, dass die Auskunft unwahr, unvollständig oder unzutreffend wäre, gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte.
223. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 132 Abs. 5 Satz 6 AktG, wobei die Kammer den Regelstreitwert von 5.000,00 € wegen der Mehrzahl der gestellten Fragen auf 10.000,00 € erhöht hat.
23Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Gerichtskosten auf § 132 Abs. 5 Satz 7 AktG, bezüglich der Erstattung der außergerichtlichen Kosten auf § 81 FamFG.
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