Grundurteil vom Landgericht Köln - 91 O 121/11
Tenor
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
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T A T B E S T A N D:
2Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss geltend.
3Die Betreiberin des Us, die Firma -T2 GmbH & Co. KG schrieb im Herbst/Winter 2010 Arbeiten zur Erstellung einer Tribüne im U aus. Hierzu waren Betonfertigteile zu liefern und zu montieren.
4Auf die Ausschreibung der Firma -T2 beabsichtigte auch die Klägerin, ein Angebot abzugeben. Als Lieferantin für die Betonfertigteile beabsichtigte sie, die Beklagte, einzusetzen. Auf entsprechende Anforderung unterbreitete die Beklagte unter dem 13.12.2010 gegenüber der Klägerin ein Angebot über 843.281,25 €. In den dem Angebot beigefügten „Kalkulationsgrundlagen“ heißt es unter anderem:
5„Wir halten uns an unser Angebot bis zum 31.01.2011 gebunden.“
6Am 22.12.2010 trat die Beklagte von diesem Angebot zurück. In dem entsprechenden Schreiben heißt es, aufgrund jüngster Auftragseingänge sei das Werk bis ca. April 2011 im Bereich der Flächenelemente und Stabteile voll ausgelastet.
7Die Klägerin behauptet, sie habe unter dem 17.12.2010 ihrerseits ein Angebot gegenüber der Firma -T2 GmbH & Co. KG abgegeben. Sie habe bei der Ausschreibung an erster Stelle gelegen. Eine Zuschlagserteilung sei so gut wie sicher gewesen. Infolge der Absage der Beklagten vom 22.12.2010, welche bei ihr am 23.12.2010 eingegangen ist, habe sie ihrerseits von ihrem gegenüber der Firma -T2 unterbreiteten Angebot zurücktreten müssen. Wegen des bestehenden Zeitdrucks sei es ihr nämlich nicht mehr möglich gewesen, kurzfristig einen anderen Lieferanten für die Betonfertigteile zu finden. Die Firma S, die sie unstreitig dieserhalb angesprochen habe, habe ihr ein Angebot unterbreitet, welches dem der Beklagten nicht entsprochen habe.
8Die Klägerin behauptet unter Vorlage ihrer Angebotskalkulation und eines Sachverständigengutachtens, ihr sei infolge der Nichtdurchführung des Vertrags mit der Firma T2 ein Gewinn von 91.297,44 € entgangen. Da die Beklagte an ihr Angebot gebunden gewesen sei, ihre Abstandnahme deshalb rechtswidrig gewesen sei, habe sie den entgangenen Gewinn als Schadensersatz zu zahlen.
9Gegen die Klägerin ist im Termin vom 24.05.2012 ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen (vgl. Bl. 37 d.GA.).
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils zu verurteilen, an sie 91.297,44 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 15.000,-- € seit dem 26.03.2011 und aus 76.297,44 € seit dem 02.08.2012.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils abzuweisen.
14Anlass für den Rücktritt vom 22.12.2010 sei ein etwa eine Woche vor Weihnachten 2010 geführtes Telefonat zwischen dem Zeugen Z von der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten Willeke gewesen, in dem Herr Z gegenüber dem Angebot niedrigere Preise verlangt habe. Eine Einigung hierüber sei nicht erzielt worden. Außerdem habe die Klägerin die Terminsituation ungeklärt gelassen. Durch das Verlangen anderer Preise habe die Klägerin das Angebot der Beklagten vom 13.12.2010 abgelehnt, so dass die Beklagte hieran nicht mehr gebunden gewesen sei.
15Die Beklagte behauptet ferner, der Klägerin habe ein Alternativangebot der Firma S für die Lieferung der Betonfertigteile vorgelegen. Sie hätte deshalb den Auftrag ohne weiteres mit diesem Unternehmen durchführen können. Das Alternativangebot hätte ohne weiteres auch ergänzt werden können. Außerdem gebe es weitere Unternehmen, die zur Verfügung gestanden hätten.
16Abgesehen hiervon bestreitet die Beklagte, dass die Klägerin überhaupt gegenüber der Firma -T2 GmbH & Co. KG ein Angebot abgegeben habe. Die hierzu vorgelegten Unterlagen seien zu Prozesszwecken erstellt.
17Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird ebenso wie der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte verwiesen.
18E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
19Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
20Die Kammer hält es für angezeigt, über den Grund des geltend gemachten Anspruchs vorab zu entscheiden, da der Anspruch der Klägerin nach Grund und Betrag streitig ist, § 304 Abs. 1 ZPO. Aus Gründen der Prozessökonomie ist es zweckmäßig, zunächst den Grund des Anspruchs zu klären, bevor in die aufwändige und kostenträchtige Beweisaufnahme zur Höhe des Anspruchs eingetreten wird.
21Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Denn der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus § 311 Abs. 2 in Verbindung mit § 280 BGB (culpa in contrahendo) dem Grunde nach zu.
22Aus der Bindung, die für die Beklagte durch die Abgabe ihres Angebots vom 13.12.2010 gegenüber der Klägerin eingetreten ist, ist zwischen den Parteien ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis entstanden, aus dem für beide Parteien Sorgfaltspflichten erwachsen sind.
23In der Abstandnahme von diesem Angebot durch Schreiben vom 22.10.2010 mit der Begründung, die Beklagte sei aufgrund jüngster Auftragseingänge bis ca. April 2011 voll ausgelastet, hat die Beklagte gegen die aus § 145 BGB folgende Bindung verstoßen. Hierin liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 BGB, die die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet. Dass die Bindungswirkung des Angebots der Beklagten vom 13.12.2010 erloschen wäre, etwa weil die Klägerin das Angebot abgelehnt hätte, ist nicht erkennbar. Zwar würde das Verlangen niedrigerer Preise als angeboten eine Ablehnung des Angebots darstellen können. Das Vorbringen der Beklagten hierzu ist allerdings zu unbestimmt, im Übrigen auch beweislos. Dem Vortrag ist nicht zu entnehmen, was der Vertreter der Klägerin – hierbei soll es sich um den Zeugen Z gehandelt haben – an dem Angebot der Beklagten korrigiert haben wollte. Auch ist die Bindungswirkung nicht wegen irgendwelcher Terminunklarheiten entfallen. Der Vortrag der Beklagten hierzu ist nicht verständlich. Im Angebot der Beklagten sind hierzu im Übrigen keinerlei Vorbehalte enthalten. Im Übrigen ist der Vortrag der Beklagten zu den Gründen, aus denen das Angebot nicht aufrechterhalten worden sei, auch nicht glaubhaft, denn aus dem Schreiben der Beklagten vom 22.12.2010 ergeben sich ganz andere Gründe als die im Schriftsatz vorgetragenen, nämlich eine Auslastung durch Auftragseingänge bis ca. April 2011. Allerdings ist auch dieser Grund nicht wahrheitsgemäß, denn wie inzwischen unstreitig hat die Beklagte als Subunternehmerin der schließlich von der Firma -T2 GmbH & Co. KG beauftragten Firma M an dem Bauvorhaben mitgewirkt.
24Durch die pflichtwidrige Abstandsnahme von dem Angebot ist der Klägerin auch ein Schaden entstanden, denn infolge der Absage der Beklagten hat sie selbst den Auftrag nicht durchführen können. Es ist unstreitig, dass es für den Auftrag der maßgeblichen Beteiligung eines Subunternehmers zur Lieferung der Stahlbetonfertigteile bedurfte. Soweit die Beklagte einwendet, der Klägerin wäre es ohne weiteres möglich gewesen, ein anderes Unternehmen mit der Lieferung der Stahlbetonfertigteile zu beauftragen, ist ihr Vorbringen im Ergebnis nicht erheblich. Zwar hat auch die Firma S Fertigteilbau gegenüber der Klägerin ein Angebot vorgelegt, welches sich mit den Stahlbetonfertigteilen befasste (vgl. Bl. 43 ff. des Anlagenhefters). Dieses Angebot bleibt allerdings erheblich hinter den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses zurück, wie sich aus einem einfachen Vergleich der Angebote der Firma S und der Beklagten ergibt. Unter anderem sind die Wände (Position 02.018 ff. und 02.021 ff.) von der Firma S nicht mit angeboten worden. Es fehlt an jeglichen Darlegungen der Beklagten dazu, dass die Firma S bei entsprechender Aufforderung zur Ergänzung ihres Angebots dem auch nachgekommen wäre. Da das Angebot der Firma S damit in der vorliegenden Form für die Klägerin nicht auskömmlich war, kann ihr auch nicht entgegengehalten werden, sich zur Durchführung des Auftrags der Firma T2- GmbH & Co. KG nicht dieses Unternehmens bedient zu haben.
25Soweit die Beklagte sich auch darauf beruft, es hätten weitere Angebote vorgelegen oder hätten ohne weiteres erlangt werden können, ist ihr Vorbringen schon zum Grunde eines eventuellen Mitverschuldens unzureichend. Die Beklagte müsste im Einzelnen darlegen, dass und gegebenenfalls wer kurzfristig ein auskömmliches Angebot zur Lieferung der Betonfertigteile hätten abgeben können.
26Bei dieser Sachlage steht fest, dass die Klägerin nur deshalb von ihrem gegenüber der Firma T2- GmbH & Co. KG abgegebenen Angebot Abstand nehmen musste, weil die Beklagte ihrerseits von ihrem Angebot zurückgetreten war.
27Dass die Klägerin ihrerseits unter dem 17.12.2010 ein Angebot gegenüber der Firma T2- abgegeben hatte, ist durch die Urkunden und die Zeugenaussagen bewiesen.
28Es ist auch hinreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin ein entsprechender Schaden entstanden ist. Denn es ist davon auszugehen, dass die Klägerin von der Firma T2- GmbH & Co. KG beauftragt worden wäre. Dies ergibt sich aus den Angaben der hierzu vernommenen Zeugen, insbesondere des unbeteiligten Zeugen P, dem Projektleiter der Firma T2- GmbH & Co. KG. Der Zeuge hat mitgeteilt, dass die Klägerin zu der von ihr initiierten Ausschreibung das mit Abstand günstigste Angebot abgegeben habe. Der endgültigen Auftragserteilung habe lediglich noch die Klärung einiger weniger Details entgegengestanden. Hierbei sei es um die Absprache von Terminen gegangen, ferner um eine Klärung der Frage, ob sämtliche Positionen des Leistungsverzeichnisses zur Ausführung gelangen sollten sowie darum, einige der angebotenen Preise zu konkretisieren. Ferner sei es noch um die abschließenden Verhandlungen über Skonti und Rabatte gegangen. Es sei mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 % davon auszugehen, dass sodann der Klägerin gegenüber der Auftrag erteilt worden wäre. Irgendwelche hiergegen sprechenden Gesichtspunkte hätten nicht bestanden, zumal die Firma T2- GmbH & Co. KG bereits zuvor mit der Klägerin zusammengearbeitet habe.
29Die Kammer hat keine Bedenken, den Angaben dieses Zeugen zu folgen. Sie sind lebensnah und entsprechen der auch der Kammer bekannten Praxis des Bauwesens. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die Auftragserteilung an die Klägerin an der Verhandlung über Skonti und Rabatte gescheitert wären. Hierbei ging es um vergleichsweise geringe Anteile, die der Zeuge im einstelligen Prozentbereich mitgeteilt hat. Es entspricht der Üblichkeit, dass bei Vertragsverhandlungen im Bauwesen solche Skonti und Rabattvereinbarungen getroffen werden. Im Übrigen ist allgemein bekannt, dass dieser Umstand von den anbietenden Unternehmen im Rahmen der Kalkulation berücksichtigt wird. Bei lebensnaher Betrachtung bestehen deshalb keine Zweifel, dass die Klägerin den Auftrag erhalten hätte, hätte sie an ihrem Angebot festgehalten und festhalten können.
30Der Schaden der Klägerin ist danach zu berechnen, wie sie stünde, wäre es nicht zu der Abstandsnahme des Beklagten von dem Angebot gekommen. Den ihr hierdurch entgangenen Gewinn hat sie konkret unter Bezugnahme auf eine gutachtliche Stellungnahme berechnet. Auch danach besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Klageanspruch in irgendeiner Höhe besteht, was für die Zulässigkeit eines Grundurteils ausreicht (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 34. Aufl., § 304, Rdnr. 4).
31Soweit die Beklagte vorgetragen hat, sie selbst habe das Bauvorhaben mit Verlust abgeschlossen, auch die Klägerin habe es deshalb nicht mit Gewinn durchführen können, ist dies nicht nur unsubstantiiert, sondern besagt nichts darüber, ob die Klägerin die von ihr unter Umständen besser kalkulierten Gewinne nicht auch hätte erzielen können.
32Die Kostenentscheidung bleibt dem Betragsverfahren vorbehalten.
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