Urteil vom Landgericht Köln - 22 O 312/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Ansprüche bezüglich des Eigentums an einem Pkw.
3Am 06.02.2012 wollte der Kläger einen Pkw Q-A3 beim Straßenverkehrsamt Düsseldorf zulassen. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass das Fahrzeug als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben sei. Der Kläger wandte sich hierauf umgehend die Polizei und erfuhr, dass das Fahrzeug von der Beklagten als gestohlen gemeldet sei. Der Pkw, die Schlüssel des Fahrzeugs sowie die Papiere wurden daraufhin von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf beschlagnahmt und dem Kläger später herausgegeben. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt gegen den Kläger wegen des Verdachts der Hehlerei bzw. des Diebstahls (Az 100 Js 3912/12-746/23). Sie hat dem Kläger aufgegeben, das Fahrzeug an die Beklagte herauszugeben. Dem Kläger wurde vom Amtsgericht Düsseldorf aufgegeben, den Zivilrechtsweg zu beschreiten und die von ihm behaupteten Ansprüche bezüglich des Fahrzeugs gerichtlich geltend zu machen.
4Der Kläger behauptet, er habe das Fahrzeug am 02.02.2012 im Internet entdeckt. Es sei von einem Herrn L angeboten worden. Nachdem er zunächst mit dessen Sohn telefoniert und einen Treffpunkt in Bremen vereinbart habe, habe er mit Herr L selbst gesprochen, der ihm einen abweichenden Übergabeort mitgeteilt habe. Herr L und der Kläger hätten sich am 03.02.2012 in Bremen getroffen und einen handschriftlichen Kaufvertrag aufgesetzt. Herr L habe ihm mitgeteilt, dass es sich um ein Firmenfahrzeug handele, das er ursprünglich für seinen Sohn erworben habe. Er habe sich jedoch entschieden, das Fahrzeug weiter zu veräußern. Herr L habe ihm die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II im Original, die Fahrzeugschlüssel sowie das Scheckheft des Fahrzeugs übergeben. In der Zulassungsbescheinigung Teil II sei die Beklagte eingetragen gewesen. Erst nachdem Herr L den Treffpunkt verlassen habe, habe er im Fahrzeug einen auf den 24.01.2012 datierten Kaufvertrag gefunden, wonach Herr L das Fahrzeug von einem Herrn I zum Preis von 8.500 € erworben habe.
5Der Kläger bestreitet das ursprüngliche Eigentum der Beklagten mit Nichtwissen. Weiterhin bestreitet er deren Vortrag zum Abhandenkommen. Vielmehr sei das Fahrzeug ausweislich der durch Herrn L übergebenen Fahrzeugpapiere bereits am 09.01.2012 offiziell stillgelegt worden.
6Der Kläger beantragt
7festzustellen, dass der Kläger Eigentümer des PKW Q-A 3, schwarz, Fahrzeug-Identifizierungsnummer ######### mit dem amtlichen Kennzeichen ###### ist.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie behauptet, der Pkw sei gestohlen worden. Sie habe den Pkw im Jahr 2009 bei der Firma G in Köln erworben und über die Q-Bank finanziert. Das Fahrzeug sei von der Beklagten über die W Allgemeine Versicherung AG haftpflichtversichert worden. Die Zulassungsbescheinigung II sei aufgrund der Finanzierung zunächst von der Q-Bank einbehalten worden. Ende September 2011 seien gegen die Verantwortlichen der Beklagten durch die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts der Steuerverkürzung durchgeführt worden. Sämtliche Geschäftsunterlagen der Beklagten seien beschlagnahmt worden. Der Geschäftsbetrieb der Beklagten sei zum Erliegen gekommen. Die Verantwortlichen der Beklagten hätten sich in der Folge darum bemüht, die noch im Umlauf befindlichen Fahrzeuge der Beklagten zusammenzuziehen und die laufenden Leasing- bzw. Darlehensverträge abzuwickeln. Die Fahrzeuge seien auf einem Parkplatz in Bergisch Gladbach gesammelt worden, darunter auch das streitgegenständliche. Die Zulassungsbescheinigung Teil I habe sich in dem Fahrzeug befunden. Der Schlüssel habe sich im Besitz des Herrn Z befunden, der sich um die Fahrzeuge gekümmert habe. Der streitgegenständliche Pkw sei – anders als die anderen Fahrzeuge – nicht abgemeldet gewesen, da er weiterhin genutzt werden sollte. Der Bruder der Freundin des Herrn Z, F, habe mehrere Fahrzeugschlüssel bei Herrn Z entwendet.
11Am 23.01.2012 habe die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten, Frau H, festgestellt, dass sich u.a. das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mehr auf dem Parkplatz befunden habe. Noch am selben Abend sei der Diebstahl beim Kriminalkommissariat in Bergisch Gladbach zur Anzeige gebracht worden. In der Folgezeit seien mehrere der Fahrzeuge in Bremen aufgefunden worden.
12Noch im Februar 2012 habe die Q-Bank mit der Beklagten Korrespondenz hinsichtlich der rückständigen Darlehensraten geführt. Erst im Zuge der vollständigen Zahlung des Darlehens habe die Q-Bank die als Anlage B1 beigefügte Zulassungsbescheinigung Teil II an die Beklagte ausgehändigt.
13Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin X. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25.11.2013 (Bl. 146 ff. d.A.) verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15I. Die Klage ist unbegründet.
16Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass er Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist, § 256 ZPO. Er ist nicht Eigentümer des Fahrzeugs geworden.
17Der Kläger konnte nicht gem. § 929 S. 1 BGB Eigentümer werden, da der Veräußerer, Herr L, nicht Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs war.
18Zwar greift zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache die Vermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB ein. Allerdings gilt dies gem. § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB nicht, wenn die Sache gestohlen worden ist.
19Für die Beklagte greift die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB, wonach vermutet wird, dass die Sache während ihrer Besitzzeit in ihrem Eigentum stand. Dass die Beklagte insofern selbst keinen Kaufvertrag vorgelegt hat, ist folglich irrelevant.
20Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass Eigentümerin im Zeitpunkt des von der Beklagtenseite behaupteten Diebstahls die Q-Bank war. Damit ist das Fahrzeug der Q-Bank als mittelbarer Besitzerin abhanden gekommen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Beklagte das Nichteigentum des Veräußerers (hier des Herrn L) beweisen muss. § 1006 Abs. 2 BGB gilt nur für die Zeit ihres Besitzes. Dass der Tilgungsplan der Q-Bank keinen Hinweis auf das streitgegenständliche Fahrzeug enthält und sich aus der von der Beklagten vorgelegten Zulassungsbescheinigung ergibt, dass das Fahrzeug bereits im Jahr 2008 auf die Beklagte zugelassen war, obwohl die Beklagte vorgetragen hat, sie habe im Jahr 2009 das Eigentum von der Firma G erworben, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen.
21Dem Eigentumserwerb gem. § 932 BGB steht damit § 935 Abs. 1 BGB entgegen, wonach ein Eigentumserwerb gem. § 932 BGB ausgeschlossen ist, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, wenn der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhanden gekommen war. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Fahrzeug der Q-Bank abhanden gekommen ist. Konkrete Anhaltpunkte für eine willentliche Veräußerung durch die Beklagte bestehen nicht.
22Darüber hinaus wäre auch ein gutgläubiger Erwerb gem. § 932 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Kläger handelte beim Kauf grob fahrlässig. Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (ständige Rechtsprechung, BGH NJW 2005, 1365). Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs besteht keine allgemeine Nachforschungspflicht. Die Übergabe und Prüfung des Kfz-Briefs bzw. der Zulassungsbescheinigung Teil II sind aber die Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen.
23Vorliegend war – anders als im vom Kläger angeführten Fall (OLG Braunschweig, Urt. v. 01.09.2011, Az 8 U 170/10) – gerade nicht der Veräußerer L als Halter eingetragen.
24Grobe Fahrlässigkeit ist beim Erwerb vom Nichtberechtigten nur dann anzunehmen, wenn der Erwerber trotz Vorliegens von Verdachtsgründen, die Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers wecken müssen, sachdienliche Nachforschungen nicht unternimmt. Wann eine solche Nachforschungspflicht, die nicht allgemein als Voraussetzung für einen gutgläubigen Eigentumserwerb bejaht werden kann, besteht, ist eine Frage des Einzelfalles. Für den Gebrauchtwagenhandel hat der BGH wegen der dort nicht selten vorkommenden Unregelmäßigkeiten in ständiger Rechtsprechung bei der Bewertung der Umstände, die für den Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers begründen, einen strengen Maßstab angelegt (BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457; OLG Braunschweig a.a.O.).
25Im vorliegenden Einzelfall lagen die Umstände so, dass der Kläger vor dem Erwerb weitere Nachforschungen hätte anstellen müssen. Zunächst wurde ihm unmittelbar vor dem Vertragsabschluss eine andere Anschrift genannt, an der das Treffen mit dem Veräußerer stattfinden sollte. Zudem war in der Zulassungsbescheinigung Teil II die Beklagte eingetragen. Bei Gebrauchtwagen ist Bösgläubigkeit gegeben, wenn der Erwerber sich nicht aufgrund der Eintragung in der Zulassungsbescheinigung II davon überzeugt, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist (Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 932 Rn. 13). Ist eine juristische Person – wie vorliegend – eingetragen, so erstreckt sich die Prüfungspflicht auch auf die Vertretungsmacht des Handelnden. Beim Erwerb vom Veräußerer, der die Bescheinigung besitzt, ohne selbst eingetragen zu sein, sind weitere Nachforschungen jedenfalls dann geboten, wenn die Umstände der Veräußerung zweifelhaft sind (Palandt/Bassenge a.a.O.).
26Auch wenn grundsätzlich keine umfassende Prüfpflicht dahingehend besteht, dass die Nummer der Zulassungsbescheinigung II mit der Nummer des Fahrzeugscheins übereinstimmt (eine Übereinstimmung liegt im vorliegenden Fall gerade nicht vor, vgl. Anlage K 4), spricht auch dies im Rahmen der Gesamtumstände für eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers.
27Eine plausible Erklärung, weshalb Herr L zur Veräußerung des Fahrzeugs berechtigt gewesen sein soll, hat sich der Kläger nicht geben lassen.
28II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 711 S. 2 ZPO i.V.m. § 709 S. 2 ZPO analog.
29Streitwert: 6.500 €
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Referenzen
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