Urteil vom Landgericht Köln - 26 O 513/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin verlangt von der Beklagten die verzinsliche Rückzahlung gezahlter Prämien aus zwei Lebensversicherungen hilfsweise höhere Rückkaufswerte.
3Am 21.07.2004 beantragte die Klägerin den Abschluss zweier fondsgebundener Lebensversicherungen, auf die Anträge Bl. 101 und 374 GA wird für die Einzelheiten Bezug genommen.
4In den Versicherungsscheinen zur Versicherungsnummer 312900749 und 312896345 findet sich folgende Widerspruchsbelehrung:
5„Der Versicherungsnehmer hat das Recht, den Versicherungsvertrag bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen zu widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Widerspruchsbelehrung an die ASPECTA Lebensversicherung AG.“
6Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.05.2013 erklärte die Klägerin den Widerspruch, auf Bl. 38 ff. GA (Versicherungsnr.. 312900749) und Bl. 315 f. GA (Versicherungsnr. 312896345) wird für die Einzelheiten Bezug genommen.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.06.2013, Bl. 131 f. GA bzw. 431 f. GA erklärte die Klägerin jeweils hilfsweise die Kündigung der Versicherungen.
8Mit Schreiben vom 18.07.2013, Bl. 33 GA, bestätigte die Beklagte die Kündigung des Versicherungsvertrages Nr. 312900749 zum 01.07.2013 und zahlte daraufhin am 20.07.2013 einen Rückkaufswert in Höhe von 1.573,93 Euro an die Klägerin aus. Mit Schreiben vom 17.07.2013, Bl. 310 GA, bestätigte die Beklagte die Kündigung des Versicherungsvertrages Nr. 312896345 und zahlte am 22.07.2013 einen Rückkaufswert in Höhe von 1.542,70 Euro aus. Stornoabzüge sind nicht erfolgt.
9Die Klägerin zahlte insgesamt Versicherungsprämien in Höhe von 3.197,55 Euro bzw. 3.123,65 Euro.
10Die Klägerin ist unter näherer Darlegung der Ansicht, die Verträge seien nicht wirksam zustande gekommen. Das Policenmodell als solches sowie die Jahresfrist seien europarechtswidrig. Die Widerspruchsbelehrung sei unter mehreren Gesichtspunkten fehlerhaft, zudem bestreite sie mit Nichtwissen, die Anschreiben, Policen, AVB, Verbraucherinformationen und Belehrungen erhalten zu haben. Sie stützt ihren Anspruch zudem auf Schadensersatz im Sinne der Kick-back-Rechtsprechung.
11Mit Beschluss vom 04.12.2013, Bl. 435 GA, hat das AG Köln, nachdem die Klägerin dort zunächst bezüglich der beiden Versicherungen getrennte Klagen erhoben hat, die beiden Verfahren verbunden und sodann mit Beschluss vom gleichen Tage, Bl. 437 f. GA, wegen sachlicher Zuständigkeit an das Landgericht Köln verwiesen.
12Die Klägerin beantragt daher,
131. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.087,93 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen.
142. an die Klägerin weitere 525,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen.
153. die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 542,64 Euro freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei H, T-Straße, ##### C gegenüber der Klägerin hat, die aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständliche Forderung entstanden sind.
16Hilfsweise:
174. der Klägerin Auskunft über den zum Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Rückkaufswert ohne Abzug von Stornokosten und Verrechnung von Abschlusskosten zum Vertrag mit der Versicherungsnummer 312900749 und 312896345 zu erteilen, hilfsweise der Klägerin zum Vertrag mit der Versicherungsnummer 312900749 und 312896345 Auskunft zu erteilen über die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals.
185. an die Klägerin weitergehende Rückkaufswerte in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe (Mindestrückkaufswert) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie hält die Verträge unter näherer Darlegung für wirksam zustande gekommen. Das Bestreiten mit Nichtwissen sei unzulässig, da die Klägerin die Unterlagen selbst im Verfahren vorgelegt sowie die Originalversicherungsscheine bei der Beklagten eingereicht habe. Der Mindestrückkaufswert zur Versicherung Nr. 312900749 betrage 1.115,54 Euro und der Mindestrückkaufswert zur Versicherung Nr. 312896345 betrage 1.078,57 Euro.
22Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist unbegründet.
25Bereicherungsansprüche gemäß § 812 BGB bestehen nicht. Die Beklagte hätte die von dem Kläger entrichteten Versicherungsbeiträge und die hieraus gezogenen Nutzungen nur dann ohne rechtlichen Grund erlangt, wenn zwischen den Parteien kein Versicherungsvertrag zustande gekommen wäre. Dies wäre wiederum dann zu bejahen, wenn der mit Schreiben vom 28.05.2013 erklärte Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. wirksam wäre.
26Vorliegend ist der erklärte Widerspruch jedoch zu spät erfolgt und mithin unwirksam:
27Nach § 5a VVG a.F. gilt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter Frist widerspricht (sog. Policenmodell).
28Gemäß § 5a Absatz 1 und 2 VVG in der Fassung vom 13.7.2001 (gültig vom 1.8.2001 bis 7.12.2004) betrug die Widerspruchsfrist bezogen auf die Versicherungsanträge vom 21.07.2004 und die Versicherungsscheine vom 09.09.2004 bzw. 27.10.2004 14 Tage. Der Lauf dieser Frist beginnt gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
29An dem Vorliegen einer solchen ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht bestehen hier indes keine Zweifel. Zur Überzeugung der Kammer ist die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich nicht zu beanstanden:
30Die Belehrung ist in hinreichend deutlicher Form im Versicherungsschein enthalten. Sie ist durch eine fett gedruckte Überschrift gekennzeichnet und befindet sich am Ende des Versicherungsscheins, dort, wo sie der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch erwartet. Angesichts des im Übrigen übersichtlich gestalteten Versicherungsscheins, der ansonsten nur die notwendigsten Informationen und keine weiteren Belehrungen enthält, bedarf es einer weiteren Hervorhebung nicht. Ein Überlesen ist in der hier konkret vorliegenden Gestaltung nicht zu befürchten.
31Die Belehrung über Beginn und Dauer der Frist ist ordnungsgemäß erfolgt. Dazu gehört (neben dem unverzichtbaren Hinweis darauf, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt) die Benennung des Ereignisses, das die Frist in Gang setzt (hier "nach Zugang der Unterlagen"). Das konkrete Datum des Fristbeginns muss dabei ebenso wenig mitgeteilt werden wie die Grundsätze der Fristberechnung ( vgl. BGH NJW 2010, 3503; OLG Köln aaO.). Eine Abweichung von § 187 BGB lässt sich nicht feststellen, da ausweislich der konkreten Formulierung der Belehrung die Frist nicht „mit“ sondern „nach“ Überlassung der Unterlagen beginnt. Allenfalls ersteres könnte einen von § 187 Abs. 1 BGB abweichenden Fristbeginn suggerieren.
32Soweit die Klägerin meint, ihre Argumentation mit einem Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 27.04.1994 stützen zu können, baut sie auf morsche Pfähle. Ein Blick in die genannte Entscheidung (veröffentlicht in NJW 1994, 1800) offenbart, dass der BGH in einem übersichtlich und daher leicht verständlich gehaltenen Urteil eine mit dem hiesigen Fall vergleichbare Formulierung „Fristbeginn nach Aushändigung dieser Urkunde“ vielmehr ausdrücklich als wirksame und auch unter Berücksichtigung des § 187 Abs. 1 BGB ausreichende Belehrung über den Fristbeginn erachtet und vielmehr die Formulierung „ab heute“ als fehlerhaft bewertet:
33Überdies ist die Widerrufsbelehrung auch inhaltlich zu beanstanden, nämlich soweit darin der Beginn der Widerrufsfrist mit den Worten “ab heute” beschrieben wird. Zutreffend geht das BerGer. davon aus, daß zum notwendigen Inhalt einer Widerrufsbelehrung nach § 1 bII 2 AbzG auch die Angabe des Fristbeginns gehört (vgl. BGHZ 121, 52 (54 ff.)) = NJW 1993, 1013 für die insoweit vergleichbare Vorschrift des § 7 II 2 VerbrKrG). Der Inhalt der Widerrufsbelehrung muß nicht nur zutreffend, sondern auch unmißverständlich sein und den Käufer über sein Widerrufsrecht klar und eindeutig belehren (BGHZ 121, 52 (55)) = NJW 1993, 1013; für § 1b AbzG vgl. auch BGHZ 91, 338 (340) = NJW 1984, 2291). Hierbei dürfen andererseits keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Es ist daher nicht erforderlich, den Beginn der Widerrufsfrist durch konkrete Kalenderdaten und/oder Wochentage zu bezeichnen. Es reicht aus, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, nämlich die Aushändigung der Vertragsurkunde (§ 1b II 2 i. V. mit § 1aII AbzG), etwa mit den Worten “Fristbeginn nach Aushändigung dieser Urkunde”. In dieser Form ist die Belehrung über den Fristbeginn entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht der Revision auch nicht unpraktikabel. Insbesondere erfordert sie keine zusätzliche Belehrung auch über den Inhalt der §§ 187I, 188II BGB, aus denen sich Beginn und Ende der Widerrufsfrist ergeben.
34Selbst wenn ein Adressat des Widerspruchs nicht in der Belehrung genannt würde, wäre dies gleichfalls unschädlich (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.10.2012, 20 U 141/12; OLG Hamburg, Beschluss vom 5.10.2011, 9 U 143/11). Vorliegend enthält die Belehrung überdies den Adressaten, die ladungsfähige Anschrift lässt sich unschwer der Fußzeile auf Seite 1 und 3 des Versicherungsscheins entnehmen.
35Schließlich muss sich die Belehrung auch nicht darauf erstrecken, dass der Widerspruch ohne Angabe von Gründen erfolgen kann. Im Gegensatz etwa zu § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB wird die von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht verlangt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.10.2012, 20 U 79/12; OLG München, Urteil vom 25.9.2012, 25 U 1828/12, bei juris). Auf § 8 VVG n.F. und die hierzu existierende Musterbelehrung kann zur Auslegung des § 5a Abs. 2 VVG a.F. nicht abgestellt werden. § 8 Abs. 2 Nr. 2 VVG verlangt in der Belehrung einen Hinweis auf die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 2 VVG n.F., wonach – u.a. – der Widerruf keiner Begründung bedarf. Eine solche Bestimmung enthält § 5a Abs. 2 VVG a.F. indes nicht. Eine entsprechende Anwendung der neuen Regel des § 8 Abs. 2 Nr. 2 mit Abs. 1 Satz 2 VVG auf früheres Recht kommt nicht in Betracht (OLG Köln, Beschluss vom 8.4.2013, 20 U 11/13).
36Die Belehrung muss letztlich auch nicht auf die Rechtsfolgen eines Widerspruchs hinweisen; auch dies wird in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht gefordert (OLG Köln vom 3.2.2012 – 20 U 133/11).
37Im Rahmen der Belehrung sind auch keine Ausführungen zu § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erforderlich, da § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. lediglich die Rechtsfolgen für den Fall, dass eine ordnungsgemäße Belehrung gerade nicht erfolgt ist, regelt (OLG Naumburg vom 1.8.2013 – 4 U 74/12).
38Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch hinreichend deutlich gemacht, in welcher Form der Widerspruch (hier Textform) zu erfolgen hat. Der Widerspruch muss nach dem Wortlaut der Belehrung nämlich „abgesendet“ werden. Eine mündliche Mitteilung wird jedoch nicht abgesendet. Bei der Textform genügt auch, anders als bei der Schriftform, dass die Schriftzeichen in lesbarer Form wiedergegeben werden, ohne dass es dabei auf das konkrete Medium ankommt.
39Damit begann die Frist ab Erhalt des Versicherungsscheins vom 09.09.2004 bzw. 27.10.2004 zu laufen; die Widersprüche vom 28.05.2013 konnten die Frist deshalb nicht mehr wahren und die ordnungsgemäß in Lauf gesetzte Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist verstrichen.
40Auf die Europarechtswidrigkeit der Jahresfrist kommt es daher nicht entscheidend an.
41Soweit die Klägerin pauschal den Erhalt der Versicherungsunterlagen mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unzulässig (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23.9.2011, 20 U 90/11, Urteil vom 8.3.2013, 20 U 178/12; OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2011, 20 U 81/11) und vorliegend auch nicht glaubhaft.
42Dass die Klägerin die Versicherungspolicen, die die maßgebende Widerspruchsbelehrung enthalten, erhalten hat, hat sie nicht wirksam bestritten bzw. wohl im späteren Schriftsatz auch unstreitig gestellt. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist es einer Partei grundsätzlich verwehrt, eigene Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen zu bestreiten. Nur ausnahmsweise darf sich eine Partei dann zu eigenen Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen erklären, wenn nach der Lebenserfahrung glaubhaft ist, dass sie sich hieran nicht mehr erinnert (BGH NJW-RR 2002, 612, 613). Die bloße Behauptung, sich nicht erinnern zu können, reicht indes nicht aus (so bereits BGH NJW 1995, 130). Zwar liegt hier der Vertragsschluss bereits einige Zeit zurück. Alleine dieses Zeitmoment genügt aber nicht, um ein fehlendes Erinnerungsvermögen glaubhaft darzustellen. Überdies ist hier insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin vorliegend zunächst nicht wahrheitsgemäß vorträgt. Denn ihre Behauptung in der Klageschrift, sie könne sich nicht daran erinnern, unter anderem die Versicherungspolice erhalten zu haben, ist offenkundig unwahr. Unwidersprochen und auch aus dem Vermerk auf der vorgelegten Kopie des Versicherungsscheines, Bl. 30 GA, ersichtlich, hat die Klägerin die Originalversicherungsscheine bei der Beklagten eingereicht. Wie ihr das möglich sein soll, ohne bereits zuvor im Besitz der Versicherungsscheine gewesen zu sein, ist schlicht nicht vorstellbar. Erläuterungen hierzu hat die Klägerin auch nicht abgegeben, sondern lediglich ihren Vortrag dahingehend geändert, nur den Erhalt bestimmter Unterlagen mit Nichtwissen zu bestreiten. Dies ändert jedoch nichts an ihrem Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO und angesichts fehlender Erläuterung, wie es dazu kam, ist der Verstoß auch weder verständlich noch entschuldbar.
43Das Bestreiten mit Nichtwissen reicht auch bezüglich der übrigen Unterlagen unter Würdigung des gesamten prozessualen Vortrags der Klägerin nicht aus. Ohne Erläuterung ist geblieben, warum die Klägerin bezüglich des Erhalts von Versicherungsschein und damit auch von der Belehrung zunächst unwahr vorgetragen hat. Zudem hat die Klägerin auch unwidersprochen und durch eigene Vorlage im Prozess auch nachweislich die Allgemeinen Bedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung L, die Erläuterung zur Überschussbeteiligung, die Besonderen Bedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung L mit Tariferläuterungen, die Besonderen Bedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung (dynamische Anpassung), die Besonderen Bedingungen für die Option auf den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten sowie für den Versicherungsvertrag Nr. 312896345 die Besonderen Bedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung sowie die Besonderen Bedingungen für die Option auf den Abschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Auch den Erhalt dieser Unterlagen hat die Klägerin jedoch zunächst (wohl ohne Bezug auf den hier vorliegenden Einzelfall) pauschal bestritten. Eine Erläuterung, wie es ihr dann möglich war, diese Unterlagen im Prozess vorzulegen, ist die Klägerin schuldig geblieben. Somit liegt ein weiterer Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht vor. Nachdem die Klägerin daher in mehrerer Hinsicht unwahr und falsch vorgetragen hat, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sie bezüglich der restlichen Vertragsunterlagen nach bestem Wissen und Gewissen mit Nichtwissen bestreitet. Insoweit fehlt auch jeglicher Vortrag dazu, welche Anstrengungen die Klägerin unternommen hat, um nachzuprüfen, welche Unterlagen sie mit der Versicherungspolice übersendet erhalten hat. Der Vortrag der Klägerin erschöpft sich darin auszuführen, an den Erhalt der Unterlagen könne sie sich nicht mehr erinnern. Das alleine genügt nicht (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 8.3.2013, 20 U 178/12).
44Letztlich steht einem Anspruch des Klägers unter den konkreten Umständen des Falles die Verwirkung eines Widerspruchsrechts (§ 242 BGB) entgegen:
45Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, 71. Aufl. § 242 Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggfls. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Indem die Kläger hier aber nach Vertragsbeginn über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg die vereinbarten Prämien gezahlt hat, hat sie zu erkennen gegeben, dass sie an dem Vertrag festhalten will. Darauf konnte und durfte sich die Beklagte einrichten. Beide Parteien sind bis zur Erklärung des Widerspruchs von einem wirksamen Vertrag ausgegangen, es wurden alle Beiträge regelmäßig gezahlt. Anders als im Falle der fehlerhaften Widerrufsbelehrung kann die Beklagte auch schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen, da sie eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat. Selbst wenn man eine Europarechtswidrigkeit des Policenmodells insgesamt annehmen würde und dies zusätzlich dazu führen würde, dass ein Vertrag nicht abgeschlossen wäre, hätte die Beklagte, anders als in der Entscheidung des BGH vom 07.05.2014, IV ZR 76/11, diese Situation nicht selbst herbeigeführt. Der Umstand beruhte dann vielmehr auf einer Fehlleistung des Gesetzgebers, der nicht zulasten der Beklagten zu korrigieren ist. Selbst wenn der Vertrag rückabzuwickeln wäre, müsste, was der BGH in seiner Entscheidung vom 07.05.2014, IV ZR 76/11 für den Fall der fehlerhaften Widerspruchsbelehrung pauschal dargestellt hat, ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. Da vorliegend beide Parteien von einem wirksamen Vertragsschluss ausgegangen sind und die Belehrung nicht fehlerhaft ist, kann ein solch gerechter Ausgleich letztlich nur dergestalt erfolgen, dass der Vertrag im Hinblick auf die vorzunehmenden Rechtsfolgen als wirksam anzusehen ist.
46Die Beiträge können auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 280 I BGB) hergeleitet werden. Eine Beratungspflichtverletzung ergibt sich nicht aus dem behaupteten Versäumnis, nicht auf sogenannte „Kick-Backs“ hingewiesen worden zu sein. Dies ist seit langem höchstrichterlich entschieden und dürfte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die immerhin eine 2,2 Gebühr für ihre anwaltliche Tätigkeit geltend machen und dies unter anderem mit einer intensiven Auseinandersetzung der aktuellen Rechtsprechung des BGH begründen, auch hinlänglich bekannt sein. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 170, 226; BGH NJW 2009, 2298), die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelt wurde, ist auf die vorliegende Problematik des Abschlusses einer fondsgebundenen Lebensversicherung nicht anwendbar. Auf die der ständigen Rechtsprechung der Kammer und der Oberlandesgerichte entsprechenden Entscheidungen (OLG Köln, VersR 2011, 248 ff; Urteil vom 25.11.2011, 20 U 126/11 bei juris; Urteil vom 3.2.2012, 20 U 140/11 bei juris; OLG Stuttgart, r+s 2011, 218, OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2011, 20 U 81/11 bei Juris) wird zur Meidung von Wiederholungen verwiesen; bereits mit Urteil vom 29.11.2011 hat der BGH selbst klargestellt, dass diese Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten über Innenprovisionen und vereinnahmte Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt (BGH ZIP 2012, 67, Rz. 39).
47Auch die Hilfsanträge sind unbegründet.
48Zunächst besteht bereits aus Rechtsgründen kein Anspruch auf Auskunft über den Rückkaufswert ohne Abzug von Stornokosten und Verrechnung von Abschlusskosten, da auf die vorliegenden Verträge § 176 VVG a.F. anwendbar ist, Art. 4 Abs. 2 EGVVG. Die Auskunft bezüglich der Stornokosten ist darüber hinaus längst unstreitig dahingehend erfolgt, dass solche Kosten nicht abgezogen worden sind. Eine Erledigungserklärung ist nicht erfolgt, so dass der Anspruch auch teilweise aufgrund von Erfüllung zurückgewiesen werden muss.
49Soweit die Klägerin weiter hilfsweise Auskunft über die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals begehrt, kann zugunsten der Klägerin erwogen werden, dies als Auskunft über die Höhe des hälftigen ungezillmerten Fondsguthabens im Kündigungszeitpunkt auszulegen, da es sich offensichtlich um fondsgebundene Lebensversicherungen handelt. Aber auch insoweit hat die Klage keinen Erfolg.
50Die Beklagte hat die hiernach ermittelten Mindestrückkaufswerte im Verfahren vorgetragen, ein weitergehender Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich hieraus nicht. Eine Erledigungserklärung hat die Klägerin trotz der damit eingetretenen Erfüllung nicht abgegeben. Soweit die Klägerin die Richtigkeit der schriftsätzlich mitgeteilten Werte bestreitet, hindert dies nicht die Erfüllung der Auskunftsanträge. Ob die erteilten Auskünfte den Erwartungen der Klägerin oder der Wahrheit entsprechen, ist keine Frage der Auskunftsstufe sondern einer hier nicht geltend machten eidesstattlichen Versicherung (vgl. OLG München 13.03.2008, BeckRS 2008, 06838).
51Da der Hauptanspruch nicht besteht, besteht auch kein Anspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie geltend gemachten Zinsen.
52Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ist darüber hinaus auch nicht als Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Belehrung begründet. Ein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung scheidet aus. Die Widerspruchsbelehrung ist wirksam. Zudem ist neben der abschließenden Regelung in § 5a VVG a.F. ist für eine Schadensersatzhaftung aus c.i.c. kein Raum. Überdies ist von der Klägerin in keiner Weise dargetan worden, aus welchen Gründen sie bei einer von ihr geforderten Widerspruchsbelehrung denn überhaupt fristgerecht einen Widerspruch des stattdessen von ihr jahrelang beanstandungslos geführten Versicherungsvertrages erklärt hätte. Zudem ist der Anspruch auch nicht aus Verzugsgründen gegeben, da die Klägerin bereits vor Eintritt eines möglichen Verzuges anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat und die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten daher jedenfalls nicht kausal auf einem Verzug der Beklagten beruht.
53Zudem fehlt es insoweit auch an der Aktivlegitimation, trotz Bestreitens der Beklagten und entsprechender Ankündigung der Klägerin bereits mit Klageschrift ist in der mündlichen Verhandlung eine Erklärung der Rechtsschutzversicherung nicht vorgelegt worden. Das Berufen auf die allgemeine Praxis der Rechtsschutzversicherer reicht nach dem Bestreiten der Beklagten nicht aus. Eines Hinweises bedurfte es bereits nach § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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