Urteil vom Landgericht Köln - 16 O 448/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Am 16.12.2010 wurde die zu diesem Zeitpunkt 50 Jahre alte Klägerin von einem Auto angefahren, welches von dem Beklagten zu 3) gefahren wurde. Die Beklagte zu 2) ist die Halterin des Fahrzeuges, die Beklagte zu 4) die Kraftfahrzeug-Versicherung. Einwände zum Haftungsgrund wurden seitens der Beklagten zu keinem Zeitpunkt gemacht.
3Jedenfalls erlitt die Klägerin durch den Unfall eine Schulterprellung sowie eine Schädelprellung. Die Klägerin wurde in ein Krankenhaus verbracht. Eine röntgenologische Untersuchung des linken Knies wurde durchgeführt. Ein Bruch im dortigen Bereich wurde ausgeschlossen. Der Klägerin wurden Unterarmgehstützen mitgegeben. Aufgrund anhaltender Knieschmerzen wurde am 14.01.2011 ein MRT des linken Kniegelenks durchgeführt. Hierbei wurde zunächst nur eine ausgeprägte Knochenprellung erkannt. Bei einem weiteren MRT am 31.01.2011 wurde eine Fraktur des Schienbeinkopfes, eine Tibiakopffraktur, festgestellt. Am 12.02.2011 wurde eine Arthroskopie durchgeführt, bei der sich an dem linken Knie ein Knorpelschaden (Chondropathie) zweiten bis dritten Grades auf der oberen Fläche des Schienbeins (Tibiaplateau) zeigte.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.05.2011 machte die Klägerin Schadensersatzansprüche geltend und bezifferte zunächst einen Mehrbedarf und Erwerbsschaden in einem Umfang von ca. 10.000 €. Die Beklagte zu 4) holte daraufhin ärztliche Berichte ein. Unklar war aus Sicht der Beklagten zu 4), ob der Knieschaden der Klägerin degenerativ oder traumatisch bedingt war. Mit Schreiben vom 24.09.2011 legte die Beklagte zu 4) dar, daß sie es für notwendig erachte, ein interdisziplinäres Gutachten einzuholen und bat um eine entsprechende ergänzende Schweigepflichtentbindungserklärung. Bis zu diesem Zeitpunkt leistete die Beklagte zu 4) ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an die Klägerin Vorauszahlungen i.H.v. 1.000,00 € und weiteren 4.000,00 €. Mit Schreiben vom 22.11.2011 erkannte die Beklagte zu 4) ihre Haftung dem Grunde nach an. Mit Schreiben vom 14.04.2012 erklärte die Klägerin ihr Einverständnis mit der Beauftragung der Universitätsklinik Köln zur Beachtung. Der dann von dem Gutachter anberaumte Untersuchungstermin vom 03.07.2012 wurde auf Wunsch der Klägerin verlegt, so daß die Untersuchung am 04.10.2012 stattfand. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Begutachtung wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F vom 06.12.2012 (Bl. 8 ff. der Akte) Bezug genommen. Mit Anwaltsschreiben vom 13.02.2013 begehrte die Klägerin Zahlung von weiteren 50.000,00 € zuzüglich Anwaltskosten zur Abgeltung insgesamt. Mit Schreiben vom 30.07.2013 gab die Beklagte zu 4) die Erklärung ab, daß auf die Einrede der Verjährung mit der Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils verzichtet werde.
5Die Klägerin ist Mitarbeiterin einer offenen Ganztagsschule (Grundschule) und übernimmt dort die Betreuung der Kinder über Mittag, wobei sie vor dem Unfall 10 Stunden pro Woche gearbeitet hat.
6Die Klägerin hat von der Beklagtenseite unter Einbeziehung der Vorauszahlungen insgesamt ein Schmerzensgeld von 7.000,00 € sowie Ersatz für materiellen Schaden i.H.v. 8.180,81 € (Schaden für Kleidung, Behandlungskosten Hund, Erwerbsschaden, Fahrtkosten, Beschäftigung Putzhilfe, Haushaltsführungschaden) erhalten; hierüber hat die Beklagte zu 4) mit Schreiben vom 30.07.2013 abgerechnet. Auch Anwaltskosten bis zu einem Gegenstandswert von 15.180,81 € wurden erstattet.
7Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 10.000,00 €.
8Die Klägerin behauptet, daß die Tibiakopffraktur und der Knorpelschaden auf den Unfall zurückzuführen seien.
9Sie behauptet, aufgrund der unfallbedingten Verletzungen so erhebliche Schmerzen gehabt zu haben, daß sie dreimal täglich habe Schmerzmittel nehmen müssen und der Nachtschlaf gestört gewesen sei. Erst ab Januar 2011 habe sie sich im Haus ohne Gehhilfen bewegen können, außerhalb des Hauses seien weiterhin Gehhilfen erforderlich gewesen. Sie sei nicht mehr im Stande, sich beim Spiel mit Kindern auf den Boden zu setzen oder schnellere Bewegungen auszuführen ohne Schmerzen zu erleiden. Vor dem Unfall sei sie gewandert, gesurft, Fahrrad gefahren, Inliner gefahren und habe Yoga ausgeübt. Dazu sei sie nun unfallbedingt nicht mehr in der Lage. Es liege eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 10 % vor, weiterhin bestehe die latente Gefahr einer posttraumatischen Arthrose.
10Sie ist der Auffassung, daß Schmerzensgeld sei bereits aufgrund der verzögerten Regulierung beklagtenseits zu erhöhen.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gelegt wird, jedoch den Betrag von 10.000,00 € nicht unterschreiten sollte. Der Schmerzensgeldanspruch ist seit Antragstellung mit 5 % über Basiszinssatz zu verzinsen,
13hilfsweise,
14festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 16.12.2010 zu ersetzen soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
15Die Beklagten beantragen,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagten halten das von der Klägerin insgesamt begehrte Schmerzensgeld für übersetzt. Selbst bei Zugrundelegung des Verletzungsbildes, wie es in dem Gutachten des Prof. Dr. F festgehalten worden sei, sei ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von max. 4.000,00 € – 6.000,00 € angemessen.
18Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19Ursprünglich hat die Klägerin (auch) die A Rechtsschutzversicherung AG als Beklagte zu 1) mit der Klage in Anspruch genommen; in der Folgezeit hat sie die Klage auf die Beklagte zu 4) erweitert und in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 die Klage gegen die Beklagte zu 1) zurückgenommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Die Klage hat keinen Erfolg.
221.
23Ein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes ist nicht gegeben.
24Gemäß § 253 BGB ist von dem Schädiger wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eine billige Entschädigung in Geld zu zahlen. Die Höhe des Schmerzensgeldes muß unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblichen Umstände festgesetzt werden und in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzungen stehen. Dabei kommt dem Gedanken, daß für vergleichbare Verletzungen, unabhängig vom Haftungsgrund, ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu zahlen ist, besondere Bedeutung zu.
25Die Klägerin behauptet, durch den Unfall eine Tibiakopffraktur und einen Knorpelschaden zweiten bis dritten Grades auf der Oberfläche des Schienbeins erlitten zu haben und erhebliche Schmerzen gehabt zu haben. Unstreitig hat sie jedenfalls auch eine Schulterprellung sowie eine Schädelprellung erlitten. Die Schmerzen unterstellt sowie unterstellt, daß die Fraktur des Schienbeinkopfes und insbesondere der Knorpelschaden tatsächlich allein auf den Unfall zurückzuführen sind, rechtfertigt dies kein Schmerzensgeld, welches über die bereits beklagtenseits gezahlten 7.000,00 € hinaus geht. In dem Gutachten des Prof. Dr. F (dort S. 17 f.) ist dargelegt, daß es sich bei der Klägerin um einen leichten Fall einer Tibiakopffraktur handelt, der in Kombination mit dem Knorpelschaden zu einer dauerhaften MdE von 10 % führe. In dem unwahrscheinlichen aber möglichen Fall, daß sich eine posttraumatische Arthrose ausbilde, könne dies im Verlauf zu einer MdE von max. 30 % führen. Weiterhin hat er dargelegt (S. 19 f.), daß die Klägerin seit dem 17.05.2011 die Aufgaben des täglichen Lebens wieder ohne Hilfestellung sowie ohne Hilfsmittel verrichten könne. Die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose sei im Fall der Klägerin gering, könne jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden.
26Dem Gericht sind keine Fälle bekannt, in denen für derartige Verletzungsbilder ein über 7.000 € hinausgehendes Schmerzensgeld zugesprochen worden ist. So hat etwa das KG Berlin (Urteil vom 09.04.2001, Az. 12 U 10631/99) für eine Tibiakopffraktur ein Schmerzensgeld von 3.000 € bei einem hälftigen Mitverschulden anerkannt, wobei die Geschädigte 14 Tage stationär behandelt wurde und zwei Monate einen Gipsverband am Bein tragen mußte. Als Dauerschaden verblieb eine MdE von 25 %. Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 05.05.2000, Az. 22 U 148/99) hat für eine Tibiakopffraktur ein Schmerzensgeld von 6.000 € bei komplikationsfreiem Heilungsverlauf und einer voraussichtlichen Dauer-MdE von 20 % für angemessen erachtet. Das OLG Schleswig (Urteil vom 10.10.2002, Az. 4 U 150/01) hat für eine Tibiakopffraktur ein Schmerzensgeld mit einer posttraumatischen Arthrose als dauernde Folge von 7.575 € zugesprochen, wobei die Klägerin zwölf Tage im Krankenhaus stationär und operativ behandelt werden mußte und drei Monate bettlägerig war. In der Folgezeit mußten zwei Schrauben aus dem Knie operativ entfernt werden.
27Auch die Klägerin selbst hat mit anwaltlichem Schreiben vom 31.01.2012 dargelegt, daß sie für die unmittelbaren Unfallfolgen ein Schmerzensgeld i.H.v. 7.500,00 € für angemessen hält (Bl. 83 der Akte).
28Unabhängig davon, daß die Behauptung der Klägerin, daß es ihr nicht mehr möglich sei, zu wandern, surfen, Yoga auszuüben und Rollschuh zu fahren, vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen, der im Wesentlichen einen komplikationslosen Heilungsverlauf geschildert hat, wenig substantiiert sind, ist auch bei Unterstellung, daß bei der Klägerin bei diesen Tätigkeiten Beschwerden oder Behinderungen auftreten, kein höheres Schmerzensgeld gerechtfertigt. So ist schließlich auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin weder operativ behandelt noch sonst etwa stationär in einem Krankenhaus behandelt werden mußte. Bei den ebenfalls erlittenen Schulterprellung und der Schädelprellung handelt es sich um Bagatellverletzungen, die nicht schmerzensgeld-relevant sind. Insgesamt sind damit die bereits gezahlten 7.000 € ausreichend und angemessen.
29Soweit die Klägerin auf einen verzögerten Regulierungsverlauf der Beklagtenseite abstellt, so vermag das Gericht eine derartige verzögerte Regulierung nicht feststellen zu können. Die Beklagtenseite hatte hier Zweifel daran, ob die – erst einige Zeit nach dem Unfall tatsächlich – festgestellten Verletzungen auf dem Unfallereignis beruhten. Insbesondere vor dem Hintergrund, daß Knorpelschäden – gerichtsbekannt – häufig auch degenerative Ursachen haben, war es daher das gute Recht der Beklagtenseite, zunächst die Unfallbedingtheit abzuklären. Im übrigen muß die Klägerin auch selbst berücksichtigen, daß von einer „verzögerten Regulierung“ nicht die Rede sein kann, wenn sie selber mit anwaltlichem Schreiben vom 13.02.2013 Schadensersatzansprüchen von rd. 55.000 € errechnet, die sie im wesentlichen auf behauptete bleibende dauerhafte körperliche Beeinträchtigungen stützt. Es ist nicht im Sinne der übrigen Versicherungsnehmer, wenn derartige Forderungen ohne vertiefte Prüfung der tatsächlichen Berechtigung erfüllt würden.
302.
31Auch der Hilfsantrag auf Feststellung, daß die Beklagten als Gesamtschuldner künftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall zu ersetzen haben werden, hat keinen Erfolg. Da die Beklagte zu 4) – auch im Namen und mit Vollmacht der versicherten Personen – die Haftung mit einer Quote von 100 % auch für zukünftige unfallbedingte Schadensersatzansprüche anerkannt hat (Anlage BLD 1, Bl. 52 f. der Akte) und auf die Einrede der Verjährung – ebenfalls auch im Namen und mit Vollmacht der versicherten Personen – mit Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils verzichtet hat (Anlage BLD 2, Bl. 54 f. der Akte), ist ein Rechtsschutzbedürfnis für einen derartige Klageantrag hier nicht gegeben.
32Streitwert: 12.000,00 € (Hauptantrag: 10.000,00 €, Hilfsantrag: 2.000,00 €)
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