Urteil vom Landgericht Köln - 15 O 265/15
Tenor
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 11.434,75 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.07.2015 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin und des Herrn M gegen die Q AG, J-Straße 56, #### S, Liechtenstein, aus dem Vertrag ###### sowie der Kostenausgleichsvereinbarung ########.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin und des Herrn M gegen die Q AG, J-Straße 56, #### S, Lichtenstein, aus dem Vertrag ###### sowie der Kostenausgleichsvereinbarung ######## verpflichtet ist, die Klägerin von weiteren Forderungen der Q AG, J-Straße 56, #### S, Liechtenstein, aus dem Vertrag ###### sowie der Kostenausgleichsvereinbarung ######## freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und die Beklagte zu 1. tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags.
1
Tatbestand
2Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht und aus dem ihres Ehemanns Herrn M wegen Beratungsfehlern vor dem Abschluss zweier Rentenversicherungsverträge mit der Q AG in Liechtenstein geltend. Die Beklagte zu 1. ist Versicherungsmaklerin, der Beklagte zu 2. ist bei ihr angestellt.
3Nach Beratung durch den Beklagten zu 2. schlossen die Klägerin und ihr Ehemann 2010 jeweils einen Rentenversicherungsvertrag mit der Q AG ab. Zudem kam es zum Abschluss einer Kostenausgleichsvereinbarung. Für den Inhalt der Verträge wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen. Die Kläger zahlten auf die Verträge wie vereinbart insgesamt 10.800,00 EUR an die Q AG, nämlich von der Klägerin in ihrem Ehemann jeweils für 36 Monate jeweils 150,00 EUR.
4Die Kläger beabsichtigten mittelfristig den Erwerb einer Immobilie. Vor Abschluss der Verträge sprachen die Klägerin und ihr Ehemann mit dem Beklagten zu 2. darüber, dass der Fonds zur Finanzierung einer Immobilie später an die Bank abgetreten werden kann als Tilgungsträger.
5Als die Klägerin und ihr Ehemann sich um eine Finanzierung einer Immobilie bemühten, akzeptierte die von ihnen angesprochene Bank die Verträge mit der Q AG nicht für die Finanzierung. Daraufhin erklärten die Klägerin und ihr Ehemann mit Schreiben vom 22.01.2014 die Kündigung der Verträge. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.02.2014 ließen sie den Widerruf, hilfsweise die Anfechtung, hilfsweise die Kündigung erklären. Die Q AG teilte mit, sie werde das Schreiben als Kündigung akzeptieren; weil die Rückkaufswerte gegenwärtig hinter den aufgrund der Kostenausgleichsvereinbarung geschuldeten Beträgen zurückblieben, seien von der Klägerin und ihrem Ehemann noch weitere Zahlungen zu leisten.
6Am 25.02.2014 kam es zu einem Besprechungstermin zwischen der Klägerin, ihrem Ehemann, dem Beklagten zu 2. und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
7Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag an sie abgetreten. Der Beklagte zu 1. habe zugesagt, dass für den Fall einer Immobilienfinanzierung die Raten aus den Versicherungsverträgen von einer Bank „als Eigenkapital“ akzeptiert würden. Dies habe er auch im Termin am 25.02.2014 wiederholt. Tatsächlich sei dies nicht der Fall.
8Die Klägerin beantragt,
91. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 10.800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.04.2014 zu zahlen;
102. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 634,75 EUR für nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
113. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von weiteren Forderungen der Q AG, J-Straße 56, #### S, Liechtenstein, aus dem Vertrag ###### sowie der Kostenausgleichsvereinbarung ######## freizustellen.
12Die Beklagten beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagten behaupten, mit der Einzahlung in die Versicherung werde Kapital aufgebaut, welches als Sicherheit und als abgetretenes Vermögen aus dem Fonds zur Immobilienfinanzierung eingesetzt werden könne. Sie hätten zu keinem Zeitpunkt garantiert, dass eine Bank sich auf ein solches Modell einlassen werde.
15Die Beklagten sind der Ansicht, die Klägerin habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie sich nicht zunächst an sie gewandt habe, um doch noch eine Finanzierung unter Einsatz der Versicherungen zu erreichen. Jedenfalls habe die Kostenausgleichsvereinbarung ebenfalls gekündigt werden können; der Ausschluss der Kündigung in dem Vertrag sei unwirksam. Die Klägerin und ihre Ehemann müssten noch Ansprüche gegen die Versicherer haben.
16Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist nur gegen die Beklagte zu 1. im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
19Die Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich der Ansprüche ihres Ehemanns wegen der von ihm abgeschlossenen Verträge ergibt sich aus der im Termin vorgelegten Abtretungserklärung vom 20.06.2015, deren Echtheit die Beklagten nicht bestritten haben.
20Die Beklagte zu 1., der die Tätigkeit des Beklagten zu 2. gemäß § 278 S. 1 BGB zuzurechnen ist, hat schon nach ihrem eigenen Vortrag die Pflichten gegenüber der Klägerin und deren Ehemann aus dem mit diesen geschlossenen Anlageberatungsvertrag zu einer anlegergerechten Anlageberatung verletzt und ist der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des ihr und ihrem Ehemann hieraus entstandenen Schadens verpflichtet. Der Anlageberatungsvertrag ist hier schon durch die Inanspruchnahme der Beratungsdienste der Beklagten durch die Klägerin und ihren Ehemann konkludent zustande gekommen.
21Aus dem Anlageberatungsvertrag war die Beklagte zu 1. der Klägerin und deren Ehemann zur anlegergerechten Beratung verpflichtet. Diese muss die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden berücksichtigen, insbesondere muss das Anlageziel, die Risikobereitschaft und der Wissensstand des Anlageinteressenten abgeklärt werden. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung des Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein (BGH, Urt. v. 11.12.2014 - III ZR 365/13, Rn. 13; vgl. ebenso BGH, Urt. v. 06.12.2012 - III ZR 66/12, Rn. 20). Hier war die der Klägerin und deren Ehemann empfohlene Lebensversicherung zur Kapitalanlage mit dem Ziel eines Immobilienerwerbs ungeeignet. Wenn die Klägerin und ihr Ehemann den Erwerb einer Immobilie beabsichtigten, ohne einen konkreten Zeitraum anzugeben, hätte die Beklagte zu 1. die Frage des Zeitraums klären müssen, war doch - wie die Beklagten selbst erläutern - die empfohlene Lebensversicherung erst nach einer längeren Ansparzeit aufgrund der anfänglich anfallenden Kosten werthaltig und als Sicherheit geeignet. Aus der unterlassenen weiteren Abklärung des Anlageziels bzw. dem unterlassenen Hinweis, dass die Anlage bei kurzfristigem Erwerbswunsch nicht werthaltig und als Sicherheit nicht geeignet sei, ergibt sich die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 1. hätte weiter darauf hinweisen müssen, dass auch in der Sache die empfohlene Anlagestrategie, die wohl auf eine Bedienung der Zinsen für die Immobilienfinanzierung aus den Erträgen der empfohlenen Rentenversicherung zielen sollte, erhebliche Risiken birgt. So besteht die nicht gerade unwahrscheinliche Möglichkeit, dass die durch die Rentenversicherung erwirtschafteten Erträge hinter den Zinsen zurückbleiben werden, so dass die Kombination aus endfälligem Darlehen und Versicherung als Tilgungsersatzträger wirtschaftlich betrachtet nicht aufgeht. Zudem hätte die Beklagte zu 1. darauf hinweisen müssen, dass die Eignung der Rentenversicherung eines nicht innerhalb der Europäischen Union ansässigen Anbieters als Sicherheit nicht allgemein akzeptiert sein könnte.
22Davon unabhängig ergibt sich eine weitere Pflichtverletzung der Beklagten zu 1. hier daraus, dass nach dem sinnvoll verstandenen Anlageziel der Klägerin und ihres Ehemanns diese die Ansammlung von Kapital für den Immobilienerwerb anstrebten, nicht die Bildung einer Kapitalsicherheit. Zu diesem Ziel war es überhaupt nicht sinnvoll, Kapital in eine Rentenversicherung umzuleiten, mit dem Ziel, diese später als Sicherheit zu verwenden, statt das Kapital anzusparen.
23Die Beklagte zu 1. hat sich von dem gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermuteten Verschulden nicht entlastet. Die Ursächlichkeit der fehlerhaften Beratung für die Anlageentscheidung wird vermutet.
24Der Klägerin sind daher gemäß §§ 249 ff. BGB die auf die Anlage geleisteten Zahlungen als Schaden zu ersetzen, die sich mit zusammen 10.800,00 EUR ergeben. Diese Zahlungen an die Q AG wären der Klägerin und ihrem Ehemann ohne die fehlerhafte Anlageberatung der Beklagten zu 1. nicht entstanden. Ebenso sind der Klägerin die Kosten für die vorgerichtliche anwaltliche Anspruchsverfolgung zu ersetzen, für deren Berechnung auf S. 6 der Klageschrift Bezug genommen wird.
25Die Klägerin und ihr Ehemann haben nicht gegen eine Schadensminderungspflicht im Sinne von § 254 Abs. 2 S. 1 BGB verstoßen. Die Einwände der Beklagten zu Verstößen gegen Schadensminderungspflichten greifen nicht durch. Soweit die Beklagten darauf hinweisen, sie hätte erreichen können, dass eine Bank die Sicherheit akzeptiert, ändert dieser Erfolg an der schon grundsätzlich fehlenden Eignung der empfohlenen Anlage nichts. Das Risiko der Anspruchsdurchsetzung gegenüber der Q AG ist nach der Wertung des § 255 BGB dem Schädiger zugewiesen.
26Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291, 187 BGB. Die Klageschrift ist der Beklagten zu 1. am 21.07.2015 zugestellt worden. Die Voraussetzungen eines früheren Zinslaufs sind nicht dargelegt.
27Die Schadensersatzpflicht besteht gemäß §§ 255, 273, 274 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin und ihres Ehemanns gegen die Q AG an die Beklagte zu 1.
28Auch im Klageantrag zu 3. ist die Klage zulässig und begründet.
29Die Klage ist zulässig. Allerdings enthält der Freistellungsantrag entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO keinen hinreichend bestimmten Antrag, fehlt doch die Angabe, in welcher Höhe die Freistellung erfolgen soll. Dieser unbezifferte Freistellungsantrag ist daher als Antrag auf Feststellung der Freistellungspflicht auszulegen. Für einen solchen Feststellungsantrag ergibt sich das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse daraus, dass die Q AG die Inanspruchnahme aus der offenen Kostenausgleichsvereinbarung mit Schreiben vom 19.02.2014 angekündigt hat (Anlage K2 zur Klageschrift). Die Begründetheit des Antrags Zug um Zug gegen die Abtretung der Ansprüche gegen die Q AG folgt aus dem Vorstehenden.
30Die Klage gegen den Beklagten zu 2. ist nicht begründet. Die Voraussetzungen einer Haftung des Beklagten zu 2. für die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens gemäß § 311 Abs. 3 BGB sind nicht dargelegt. Der Beklagte zu 2. wurde bei der Beratung der Klägerin und ihres Ehemanns aus deren Sicht nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts als Angestellter der Beklagten zu 1. tätig.
31Die Voraussetzungen anderer Anspruchsgrundlagen, insbesondere deliktischer Ansprüche, sind nicht ersichtlich.
32Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 709 ZPO.
33Streitwert: 13.000,00 EUR
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Referenzen
- BGB § 255 Abtretung der Ersatzansprüche 1x
- III ZR 66/12 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 249 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- III ZR 365/13 1x (nicht zugeordnet)