Urteil vom Landgericht Köln - 2 O 442/15
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 52.120,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 25.396,13 € seit dem 15. November 2011, aus weiteren 8.241,72 € seit dem 8. Juni 2012 sowie aus weiteren 18.482,81 € seit dem 6. Januar 2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist der für die Mutter des Beklagten zuständige Sozialhilfeträger und verlangt teilweisen Ersatz der von ihm getragenen Kosten der Unterbringung der Mutter in einem Pflegeheim aus übergeleitetem Schenkungsrückforderungsanspruch.
3Im Jahr 1995 übertrug die Mutter des Beklagten ihm schenkweise das Eigentum an dem von ihr bewohnten Hausgrundstück B, eingetragen in das Grundbuch des Amtsgerichts Wetzlar von O, im Gegenzug räumte der Beklagte seiner Mutter ein lebenslanges Nießbrauchrecht an selbigem ein. Ferner wurde vereinbart, dass die Mutter als Nießbraucherin die Kosten für sämtliche Ausbesserungen und Erneuerungen, auch insoweit sie die gewöhnliche Unterhaltung der Sache überschreiten, tragen solle.
4Nach einer Hirnblutung im Frühsommer 2007 wurde die Mutter des Beklagten vollstationär in einem Pflegeheim gepflegt. Die anfallenden Kosten beglich sie zunächst aus eigenen Mitteln. Ab dem 1. Juni 2010 übernahm der Kläger die laufenden Kosten der Heimunterbringung.
5Mit Rechnungsdatum vom 14. November 2007 wandte der Beklagte für den Einbau eines Kellerfensters an dem Grundstück einen Betrag von 546,34 € auf.
6Am 22. Juni 2008 veräußerte der Beklagte unter Löschung des Nießbrauchrechts seiner Mutter das Grundstück nebst Inventar für einen Kaufpreis von 100.000 €, davon 95.000 € für das Grundstück und 5.000 € für das Inventar, an Dritte. Unstreitig hätte sich für das Grundstück ohne die Löschung des Nießbrauchsrechts kein Käufer gefunden.
7Mit inzwischen bestandskräftigem Überleitungsbescheid nach § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII vom 12. Oktober 2011 erklärte der Kläger die Überleitung eines von ihm behaupteten Rückforderungsanspruchs der Mutter gegen den Beklagten wegen der Löschung des Nießbrauchrechts. Gleichzeitig wurde der Beklagte zur Zahlung von 25.396,13 € für die zwischen dem 1. Juni 2010 und dem 20. September 2011 im Rahmen der Heimunterbringung angefallenen Kosten aufgefordert. Der Beklagte leistete daraufhin eine Zahlung in Höhe von 2.000 €.
8Mit Schreiben vom 4. Mai 2012 wurde er zur Zahlung von mittlerweile 33.637,85 € für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31. März 2012 aufgefordert.
9Mit weiterem Schreiben vom 9. Dezember 2013 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zum Ausgleich von für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis zum 31. Oktober 2013 nunmehr aufgelaufenen 52.667 € an Unterbringungskosten auf.
10Der Kläger behauptet, das gelöschte Nießbrauchsrecht habe für die Mutter auch nach Wegfall der eigenen Nutzungsmöglichkeit einen Wert gehabt, weil sie es hätte vermieten können.
11Der Kläger beantragt,
12wie erkannt.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er behauptet, das Nießbrauchsrecht der Mutter sei zum Zeitpunkt der Löschung wertlos gewesen, weil sie nach dem dauerhaften Umzug in ein Pflegeheim keine Nutzungs- oder Verwertungsmöglichkeit gehabt habe. Angesichts der Lage und des Zustands der Immobilie sei eine Vermietung ausgeschlossen gewesen. Nur durch den Verkauf habe die Mutter, der die Bestreitung der Erhaltungs- und Unterhaltskosten für das Grundstück absehbar unmöglich werden würde, ihren Zahlungsverpflichtungen entgehen können. Begünstigte des Verzichts seien ausschließlich die Grundstückserwerber gewesen. Denn seine Mutter auf der einen Seite sei ihren Zahlungsverpflichtungen entgangen, für den Beklagten auf der anderen Seite habe die Löschung sich nicht günstig auf den Kaufpreis ausgewirkt; dieser habe mit 100.000 € vielmehr unter dem Verkehrswert von ca. 130.000 € gelegen.
16Der Beklagte behauptet weiter, neben dem unstreitig erfolgten Einbau des Kellerfensters weitere Renovierungsarbeiten an dem Grundstück vorgenommen beziehungsweise beauftragt und bezahlt zu haben, von denen er meint, sie seien auf den Geschenkwert anzurechnen.
17Er behauptet außerdem, die Löschung des Nießbrauchsrechts sei aus einer sittlichen Pflicht und aus Dankbarkeit seiner Mutter gegenüber ihm erfolgt. Als Gegenleistung für die durchgeführten umfangreiche Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten an dem Grundstück sowie finanzielle Unterstützung durch ihn habe die Mutter auf ihr Nießbrauchsrecht verzichtet.
18Schließlich behauptet der Beklagte, er habe im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit seiner Mutter verschiedene Aufwendungen getätigt, einen Bausparvertrag beliehen und Schulden aufgenommen, so dass er über den geforderten Geldbetrag nicht mehr verfüge.
19Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Er ist der Ansicht, der geltend gemachte Anspruch unterliege einer dreijährigen Verjährung. Die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen habe spätestens bei der Bewilligung von Sozialleistungen zum 1. Juni 2010 vorgelegen. Der Anspruch sei somit mit Ablauf des 31. Dezember 2013 verjährt, Anknüpfungspunkte für eine Hemmung der Verjährung lägen nicht vor.
20Entscheidungsgründe
21Die zulässige Klage ist begründet.
22Der Kläger hat gegen den Beklagten den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 52.120,66 € sowie der begehrten Zinsen aus §§ 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII, 528 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB.
23Aufgrund inzwischen bestandskräftiger Überleitungsanzeige vom 12. Oktober 2011 ist der überleitungsfähige Anspruch aus § 528 Abs. 1. S. 1 BGB wirksam von der Mutter des Beklagten auf den Kläger übergeleitet worden. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist als allgemeiner sozialrechtlicher Erstattungsanspruch anerkannt.
24Voraussetzung des Rückforderungsanspruchs aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ist zunächst das Vorliegen einer Schenkung i. S. d. § 516 Abs. 1 BGB. Der unentgeltliche Verzicht auf das Nießbrauchsrecht der Mutter des Beklagten stellt eine solche dar. Mit der Behauptung, das Nießbrauchsrecht der Mutter habe keinerlei Wert mehr gehabt, dringt der Beklagte nicht durch, denn das Nießbrauchsrecht bestand unabhängig von seiner persönlichen Ausübung als verwertbare Rechtsposition im Vermögen der Mutter. Der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht und dessen Löschung ließen eine bestehende Beeinträchtigung der Verwertbarkeit des Grundstücks durch den Beklagten entfallen. Da die Löschung ohne Gegenleistung erfolgte, wurde der sich daraus ergebende Vermögensvorteil dem Beklagten schenkweise zugewendet (vgl. dazu OLG Nürnberg, Urteil vom 22. Juli 2013 – 4 U 1571/12 –, juris Rn. 11 f. und BGH, Urteil vom 26. Oktober 1999 – X ZR 69/97 –, juris Rn. 26).
25Der nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Notbedarf lag bei der Mutter des Beklagten vor. Nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien stellte die Mutter des Beklagten im Februar 2010, vertreten durch den Beklagten, einen Antrag auf Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme laufender und ungedeckter Heimkosten. Die beantragten Leistungen wurden vom Kläger ab 1. Juni 2010 auch gewährt. Der Notbedarf trat nach Vollziehung der Schenkung i. S. d. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ein, denn diese wurde bereits mit Löschung des Nießbrauchrechts aus dem Grundbuch im Jahr 2008 vollzogen.
26Ein Rückforderungsanspruch ist nicht aufgrund der Einrede des § 534 BGB wegen sittlicher Pflicht oder eine auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht ausgeschlossen. Eine Pflichtschenkung setzt voraus, dass die Nichtvornahme der Schenkung eine den Schenker treffende sittliche Pflicht verletzt. Typischerweise ist dies etwa dann der Fall, wenn der Schenker dem mit ihm verwandten Beschenkten ohne gesetzliche Verpflichtung Unterhalt gewährt. Vorliegend stellen sich die Verhältnisse indes umgekehrt dar; aufgrund ihrer Verarmung lag eine Bedürftigkeit vielmehr bei der Mutter des Beklagten vor.
27Auch eine Anstandsschenkung lag nicht vor. Sie liegt vor, wenn ihr Unterlassen gegen die Anschauungen der sozialen Kreise des Schenkers verstoßen würde, wobei als Indikatoren Anlassbezogenheit und geringer Wert der Zuwendung herangezogen werden. Hiervon erfasst sind typischerweise Geschenke anlässlich von Feiertagen, Geburtstagen, Besuchen und Jubiläen. Vorliegend erfolgte die Löschung der Nießbrauchsrechts indes weder zu einem bestimmten Anlass im oben genannten Sinne, noch handelte es sich um eine Zuwendung von nur geringem Wert, da der Wertzuwachs am Grundstück nahezu 100.000 € betrug.
28Die vom Beklagten geltend gemachten Renovierungskosten sind bei der Anspruchsbemessung grundsätzlich zu berücksichtigen, da sie von ihm aufgewendet wurden, obwohl die Mutter diesbezüglich verpflichtet gewesen wäre. Der Beklagte hat indes nur eine Rechnung für den Einbau eines Kellerfensters i. H. v. 546,34 € vorgelegt, den der Kläger vom Forderungsbetrag bereits abgezogen hat.
29Im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung verweist § 528 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Vorschriften des Bereicherungsrechts. Der Umfang des Herausgabeanspruchs ergibt sich damit aus § 818 BGB. Da eine Herausgabe des Geschenks im Sinne einer Wiedereinräumung des Nießbrauchsrechts dem Beklagten unmöglich ist, hat er grundsätzlich gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten.
30Der herauszugebende Wertersatz richtet sich dabei allein nach dem Wertzuwachs, den das Grundstück durch dessen Wegfall erfährt, da dieser dem Beschenkten tatsächlich zugutekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1999 – X ZR 69/97 –, juris Rn. 25; Staudinger a. a. O., Rn. 41). Nachdem der Kläger sich den Vortrag des Beklagten hilfsweise zu eigen gemacht hat, dass die Immobilie ohne Löschung des Nießbrauchsrechts nicht veräußerbar gewesen wäre, entspricht der Wert der Schenkung dem bei dem Beklagten entstandenen Wertzuwachs in Höhe von 95.000 €. Dieser Wertzuwachs besteht in dem erst nach Löschung erzielbaren Kaufpreis für das Grundstück. Der gutachterlich ermittelte Wert des Nießbrauchsrechts ist dagegen nicht maßgeblich, so dass seine Richtigkeit dahinstehen kann.
31Der Beklagte kann sich wegen Bösgläubigkeit i. S. d. § 819 Abs. 1 BGB auch nicht auf seine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen. Denn bei Löschung des Nießbrauchsrechts war dem Beklagten bekannt, dass seine Mutter pflegebedürftig war. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte erklärt, schon zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung sei seine Mutter aufgrund ihrer geringen Rente auf finanzielle Hilfe angewiesen gewesen. Zum Zeitpunkt der Löschung des Nießbrauchsrechts war ihm damit auch bekannt, dass die Rente zur Tragung der Pflegekosten nicht ausreichen würde und das Vermögen der Mutter in absehbarer Zeit aufgezehrt sein würde, zumal das Grundstück als wesentlicher Vermögenswert nicht mehr in ihrem Eigentum stand. Er unterliegt damit der verschärften Haftung nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 989 BGB.
32Der Beklagte erhebt erfolglos die Einrede der Verjährung. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch unterliegt der zehnjährigen Verjährung des § 196 BGB. Zwar unterliegt der Anspruch auf Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich derselben Verjährungsfrist wie der primäre Rückforderungsanspruch aus § 528 BGB, der der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB unterliegt. Vorliegend handelt es sich bei dem Primäranspruch indes um einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Nießbrauchsrechts und damit um einen Anspruch auf Begründung eines Rechts an einem Grundstück, der gemäß § 196 BGB der zehnjährigen Verjährung unterliegt. Der Anspruch auf Wertersatz muss hier aber der gleichen Verjährung wie der Primäranspruch unterliegen, an dessen Stelle er tritt (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2010 – Xa ZR 73/07 –, juris Rn. 30). Eine Verjährung kommt damit nicht in Betracht.
33Der Kläger hat demnach gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 95.000 €, abzüglich bereits gezahlter 2.000 € und in Abzug zu bringender 546,34 €. Gemäß § 308 Abs. 1 ZPO ist der auf die Klage zuzusprechende Betrag auf 52.120,66 € begrenzt.
34Die geltend gemachten Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 247 BGB. Mit Schreiben vom 15. November 2011, vom 4. Mai 2012 und vom 9. Dezember 2013 hat der Kläger den Beklagten jeweils eindeutig und bestimmt zur Leistung der geschuldeten Zahlungen aufgefordert.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
36Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
37Streitwert: 52.120,66 €.
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