Urteil vom Landgericht Köln - 28 O 12/16
Tenor
1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 1.317,87 € freizustellen.
2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 1.358,86 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 4.8.2015 zu zahlen.
3. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 20.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2015 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 24 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 76 %. Von den außergerichtlichen Kosten trägt der Kläger die der Beklagten zu 1 zu 18 % und die des Beklagten zu 2 zu 25 %. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 76 %. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand:
2Der 1967 geborene Kläger ist wegen eines Sprengstoffdelikts aus dem Jahr 1984 zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Bei Begehung der Tat war er Mitglied der Gruppe „ATF“ (anarchistische oder Anti-Terror-Front). In dem Strafprozess bewertete das Gericht die politische Ausrichtung dieser Gruppe, deren Teilnehmer als Waffennarren auch mit Schreckschusspistolen hantierten und Sprengstoffbasteleien nachgegangen sind, als „total unausgegoren“ und „verworren“. Die Gruppe fiel zudem auf, weil sie dafür verantwortlich war, dass Hakenkreuze mit den Parolen „Nazi-Bullen raus“ und „Polizei des SS-Staates“ an ein Polizeipräsidium angebracht wurden. Die Beklagte bestreiten den Vortrag des Klägers, dass die Hakenkreuze angebracht worden seien, um die beiden vorgenannten Parolen zu illustrieren, mit Nichtwissen. Der Kläger selbst sagt, wie auf S. 4 der Replik ausgeführt (Bl. 98 d. GA), dass er in seiner Jugend eine linksradikale Einstellung gehabt und die auch Dritten gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht habe.
3Der Kläger war 1987 Mitglied des „Heimatschutzverbandes“, einer paramilitärischen Gruppe, und wurde als Kontaktperson dieses Verbandes in einer Anzeige in der Zeitschrift „Internationaler Waffenspieler“ aufgeführt.
4Der Kläger wurde 1989 vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen als Mitarbeiter angeworben, für den er in der Folge zumindest bis 2012 arbeitete. Ob er darüber hinaus auch bis Anfang 2015 dort arbeitete, ist streitig.
5Im Januar 2001 explodierte in einem Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse in Köln ein Sprengsatz, wodurch eine Person verletzt wurde. Zu diesem Anschlag bekannte sich der NSU. Anhand der Angaben von Zeugen fertigte die Polizei ein Phantombild an, zu dem die ehemalige Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L, im Frühjahr 2012 einen Aktenvermerk verfasste, in dem es heißt, dass das gefertigte Phantombild Ähnlichkeiten mit dem Kläger aufweise, was der Kläger insoweit mit Nichtwissen bestreitet, aber keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung bestünden.
6Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag fragte ein Abgeordneter die ehemalige Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L, am 25.8.2015 ausweislich eines Sitzungsprotokolls eines Zuschauers (Anlage B 5, S. 8), ob ihr ihre dienstliche Erklärung, die auch in vielen Zeitungsberichten wie der „V1“ gestanden habe und in der stehe, dass es sich um eine Ähnlichkeit mit Y handele, sie am Ende aber keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung gesehen habe, bekannt sei. Auf diese Frage antwortete Frau L, dass ihr diese dienstliche Erklärung bekannt sei. Auf eine weitere Frage des Abgeordneten antwortete Frau L ausweislich des Sitzungsprotokolls, dass es zu der dienstlichen Erklärung gekommen sei, weil der Generalbundesanwalt dem Verfassungsschutz ein Phantombild geschickt habe und man daraufhin festgestellt habe, dass eine Ähnlichkeit des Klägers mit dem Phantombild nicht auszuschließen sei (Anlage B 5, S. 9), und auf die Nachfrage eines weiteren Abgeordneten und des Vorsitzenden, ob eine Ähnlichkeit zwischen dem Phantombild und der Person bestanden habe, dass das so „über Leute“ passiert sei, die die Person kennen (Anlage B 5, S. 14). Das Phantombild war ihr im Februar 2012 vorgelegt worden.
7Auf die weitere Frage des Abgeordneten, ob man gewusst habe, dass sich der Kläger bereits Ende der 1980er Jahre in einer „Wehrsportgruppe namens Heimatschutzverband“ bewegt und hohe Militanz gezeigt habe antwortete sie, wie folgt: „Ich fange mal hinten an. Ich habe diese Person [den Kläger] vorgefunden und in dem Moment, in dem ich mich mit dieser Person befasst habe, jetzt im Zusammenhang mit dieser Phantombildvorlage, habe ich auch die Konsequenzen gezogen. In dem Moment, in dem ich von der Vita erfahren hatte, haben wir die Zusammenarbeit beendet“ (Anlage B 5, S. 9f.). Für den weiteren Inhalt des Sitzungsprotokolls wird auf Anlage B 5 verwiesen.
8Im Frühjahr 2003 beschrieb der Kläger in einer von dem „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ („KDS“) herausgegebenen Publikation seinen Werdegang in der extremen Rechten wie folgt: Wehrsportgruppe, Nationalistische Front, bis 1994 Mitglied der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP), 1998 Mitbegründer Kameradschaft Köln, 1999 – kurz nach der Gründung – Mitglied des KDS.
9Während der Zeit seiner Tätigkeit als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW war er – dies geheim haltend – in der rechtsextremen Szene in Köln aktiv.
10Im November 2011 wurde in der Fernsehsendung „X“ über eine mögliche Verbindung Kölner Neonazis zu dem NSU-Trio berichtet und ein Bild des Klägers neben Herrn Z, der zu diesem Zeitpunkt als politischer Aktivist in der rechtsextremen Szene aktiv war, gezeigt.
11Nach den Hinweisen der ehemaligen Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L, im Frühjahr 2012 vernahm das BKA die Zeugen, welche den Täter des Anschlags in der Probsteigasse gesehen haben, erneut und legte ihnen ein Foto des Klägers aus dem Jahr 2002 vor, das unscharf war und den Kläger nur verschwommen aus der Distanz zeigt, und ein Passfoto, das aus 2004 stammt und das hinsichtlich der Haarlänge verändert wurde, vor. Auf beiden Fotos erkannten die Zeugen den Kläger nicht als denjenigen wieder, der in dem Ladenlokal die Geschenkbox mit dem Sprengsatz abgegeben hatte, und erkannten keine Ähnlichkeit mit dem Täter (siehe Anlage 30, Bl. 63 AO II). Der Generalbundesanwalt und das BKA verfolgten die Spur daraufhin nicht weiter.
12Etwa ein Jahr vor der hier streitgegenständlichen Berichterstattung wurden auf mehreren Internetseiten (dem NSU-Prozess-Blog der Zeit veröffentlicht auf der Internetseite http://anonym.de, Bericht vom 120. Verhandlungstrag des NSU-Prozesses veröffentlich auf der Internetseite www.anonym.info; Artikel mit der Überschrift „K: Hatte der NSU Helfer beim Anschlag in der Kölner Probsteigasse“ veröffentlicht auf der Internetseite https://anonym.com; Artikel mit der Überschrift „Kölner Neo-Nazi in Bombenanschlag in der Probsteigasse verwickelt?“ veröffentlicht auf der Internetseite http://anonym.de; Artikel mit der Überschrift „Kölner Neo-Nazi in Bombenanschlag in der Probsteigasse verwickelt?“ veröffentlicht auf https://anonym) über den Kläger im Zusammenhang mit dem Phantombild, der von der ehemaligen Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L, erkannten Ähnlichkeit und den Ermittlungen zu dem Anschlag im Januar 2001 in der Probsteigasse berichtet. In diesen Artikeln wurde der Kläger teils mit „Y“, teils mit „Y“ und „Y“ benannt und dem Phantombild wurde teils auch ein nicht unkenntlich gemachtes Portraitfoto des Klägers gegenübergestellt. Im Januar 2015 folgte auf der Internetseite http://anonym.de ein weiterer entsprechender Artikel mit der Überschrift „18.01.2015: Gedenken an den Anschlag in der Probsteigasse“. Diese Berichterstattung war zumindest bis zum Zeitpunkt der Klageerwiderung noch im Internet abrufbar; die drei letztgenannten Artikel waren die Treffer 5, 6, und 8, wenn man den Namen des Klägers googelte. Für die Einzelheiten dieser Berichterstattung wird auf die Seiten 5-9 der Klageerwiderung (Bl. 57-61 d. GA) sowie die Anlagen B 1, B 6-10 (Bl. 1, 35-53 AO II) verwiesen. Der Kläger leitete nach der Klageerwiderung rechtliche Schritte gegen diese Berichterstattung ein.
13Die Beklagte zu 1) verlegt u.a. die Zeitung „V2“ / „V1“ und betreibt die Internetseite www.anonym.de.
14Am 14.6.2015 veröffentlichte sie in der Zeitung „V1“ einen Artikel mit der Überschrift „Das Phantom von Köln“, in dem der Kläger mit Vor- und Zunamen und seinem Spitznamen „Y“ benannt ist, sowie ein Foto von ihm mit einem schwarzen Balken über der Augenpartie. Für die weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf Anlage K 5 verwiesen. Ein nahezu identischer Artikel, der nicht das Foto des Klägers zeigt, wurde am 14.6.2015 mit derselben Überschrift auf der Internetseite www.anonym.de veröffentlicht. Für die weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf Anlage K 6 verwiesen. Ein weiterer ebenso nahezu identischer Artikel, in dem das Foto des Klägers mit einem schwarzen Balken über der Augenpartie gezeigt wird, wurde am 14.6.2015 mit der Überschrift „Die dubiosen Ermittlungen zum Kölner Neonazi „Y““ auf der Internetseite www.anonym.de veröffentlicht. Für die weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf Anlage K 7 verwiesen.
15Ebenfalls am 14.6.2015 veröffentlichte die Beklagte zu 1) in der Zeitung „V1“ und auf der Internetseite www.anonym.de einen Artikel mit der Überschrift „Neuer NSU-Verdacht“, in dem der Kläger mit Vor- und Zunamen benannt ist. Für die weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf Anlage K 8 und 9 verwiesen. Ein weiterer nahezu identischer Artikel wurde am 14.6.2015 mit der Überschrift „Geheimdienst-Informant soll in Mordserie verwickelt sein“ auf der Internetseite www.anonym.de veröffentlicht. Für die weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf Anlage K 10 verwiesen.
16Am 16.6.2015 veröffentlichte die Beklagte zu 1) auf der Internetseite www.anonym.de einen Artikel mit der Überschrift „V-Mann im Zwielicht“. Für die weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf Anlage K 11 verwiesen.
17Der Beklagte zu 2) ist der Herausgeber dieser Publikationen und (Mit-)Verfasser der genannten Artikel.
18Die Beklagten gaben dem Kläger vor der oben genannten Berichterstattung keine Gelegenheit zur Stellungnahme.
19Unter Bezugnahme auf die Artikel in der „V1“ berichteten am 14./15.6.2015 die auf S. 10-13 der Klageschrift (Bl. 10-13 d. GA) genannten Medien über den Kläger und den Anschlag im Januar 2001 in der Probsteigasse. Der Kläger erwirkte gegen diese Medien wegen der identifizierenden Berichterstattung einstweilige Verfügungen, wenn diese nicht bereits zuvor eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben hatten.
20Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.6.2015 forderte der Kläger die Beklagten erfolglos hinsichtlich der Artikel vom 14.6.2015 und 16.6.2015 auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Für die weiteren Einzelheiten der Schreiben wird auf Anlagen K 12a, 12b verwiesen.
21Der Kläger teilte den Beklagten auch mit, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt kurze Haare gehabt habe und sich die Haare erst 2006/2007 habe wachsen lassen; der Kläger dunkelbraune Haare habe, während die Zeugen die Haarfarbe des Täters als blond beschrieben haben; der Kläger seit Jahrzehnten Brillenträger sei, während nach den Zeugenangaben der Täter keine Brille getragen habe; der Kläger im Tatzeitpunkt bereits 33 Jahre alt gewesen sei, während nach den Zeugenangaben der Täter ca. 35-26 Jahre alt gewesen sei; der Kläger 1,74 cm groß sei, während nach den Zeugenangaben der Täter 1,75 – 1,80 cm groß gewesen sei.
22Am 28.6.2015 veröffentlichte die Beklagte zu 1) in der Zeitung „V1“ und auf der Internetseite www.anonym.de den von dem Beklagten zu 2) mitverfassten Artikel mit der Überschrift „Das Phantom“. Für die weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf Anlagen K 22 und 23 verwiesen. Einen weiteren nahezu identischen Artikel veröffentlichte sie am 28.6.2015 mit der Überschrift „Ein geheimer Mitarbeiter sorgt für Verwirrung“ auf der Internetseite www.anonym.de. Für die weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf Anlage K 24 verwiesen.
23Der Kläger erwirkte gegen die Beklagten vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung (Beschluss v. 13.7.2015 und 2.9.2015, Az. 28 O 246/15), mit welcher den Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel Folgendes verboten wurde:
241. über den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse in Köln aus dem Jahr 2000/2001 unter Angabe des Namens („Y“ und/oder „Y“ und/oder „Y“) und/oder des Spitznamens („Y“) identifizierend zu berichten, wenn dies geschieht, wie in den Artikeln
25 „Das Phantom zu Köln“ vom 14.6.2015 und/oder
26 „Die dubiosen Ermittlungen zum Kölner Neonazi „Y“ vom 14.6.2015 und/oder
27 „V-Mann im Zwielicht“ vom 16.6.2015
28jeweils abrufbar auf der Internetseite www.anonym.de
29und/oder
302. über den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse in Köln aus dem Jahr 2000/2001 unter Angabe des Namens („Y“ und/oder „Y“ und/oder „Y“) identifizierend zu berichten, wenn dies geschieht, wie in den Artikeln
31 „Geheimdienst-Informant soll in Mordserie verwickelt sein“ vom 14.6.2015 und/oder
32 „Neuer NSU-Verdacht“ vom 14.6.2015
33jeweils abrufbar auf der Internetseite www.anonym.de.
343. in Bezug auf den Antragsteller zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen:
35„Y war schon als Jugendlicher rechtsradikal“
36wenn dies geschieht wie in den Artikeln
37 „Das Phantom zu Köln“ vom 14.6.2015 und/oder
38 „Die dubiosen Ermittlungen zum Kölner Neonazi „Y“ vom 14.6.2015.
39Nachdem die einstweilige Verfügung den Beklagten zugestellt wurde, schrieb der zuständige Justiziar der Beklagten zu 1) am 21.7.2015 Folgendes (Anlage K 27):
40„In der vorbezeichneten Angelegenheit konnte noch nicht abschließend entschieden werden, ob wir gegen die einstweilige Verfügung vom 13. Juli 2015 Rechtsmittel einlegen werden. Wir kommen unaufgefordert bis Mitte August 2015 auf Sie zurück. Die Versendung eines Aufforderungsschreibens zur Abgabe der Abschlusserklärung Ihrerseits erübrigt sich damit.
41Mit freundlichen Grüßen
42D GmbH Medienrecht
43i.V. [Unterschrift]
44Jochen Wilde“
45Für die weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Anlage K 27 verwiesen.
46Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.7.2015 forderte der Kläger die Beklagte zu 1) erfolglos hinsichtlich der Artikel vom 28.6.2015 auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und an ihn 1.358,86 € wegen der Kosten für dieses Abmahnschreiben bis zum 3.8.2015 zu zahlen. Für die weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Anlage K 25 verwiesen.
47Mit anwaltlichem Schreiben vom 3.8.2015 schickte der Kläger an den Beklagten zu 2) eine Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung. Für die weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Anlage K 28 verwiesen.
48Mit Schreiben vom 11.8.2015 gaben beide Beklagte eine Abschlusserklärung ab. Für den genauen Inhalt der Abschlusserklärung wird auf Anlage B 14 verwiesen.
49Auf den Antrag des Kläger setzte das Landgericht Köln mit Beschluss vom 24.9.2015 wegen der identifizierenden Berichterstattung in den Artikeln vom 28.6.2015, die nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 13.7.2015 noch auf der Internetseite www.anonym.de stand, d.h. wegen des schuldhaften Verstoßes gegen das Verbot des Beschlusses vom 13.7.2015, ein Ordnungsgeld gegen die Beklagte zu 1) i.H.v. 1.000,00 € und gegen den Beklagten zu 2) i.H.v. 500,00 € fest.
50Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.9.2015 forderte der Kläger beide Beklagte auf, an ihn jeweils anteilige Abmahnkosten i.H.v. 1.254,88 € und zusammen 25.000,00 € Geldentschädigung wegen der schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung bis zum 9.10.2015 zu zahlen. Der Beklagte zu 2) wurde zusätzlich aufgefordert, an den Kläger 2.085,95 € wegen der Kosten für das Abschlussschreiben bis zum 9.10.2015 zu zahlen.
51Der Kläger behauptet, dass das auf S. 5 der Klageschrift zu sehende Portraitfoto von ihm (Bl. 5. d. GA) 2011 aufgenommen worden sei und er im Dezember 2000/Januar 2001 kurze Haare gehabt habe.
52Der Kläger ist der Auffassung, dass den Beklagten nach § 322 ZPO der Einwand abgeschnitten sei, dass die Berichterstattung nicht rechtswidrig sei, da das Landgericht Köln in dem vorangegangenen zweiseitigen Verfügungsverfahren (28 O 246/15) entschieden habe, dass diese rechtswidrig war und den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt hat.
53Die Berichterstattung sei jedenfalls rechtswidrig, da es entgegen der Grundsätze der Verdachtsberichterstattung an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehle, dem Kläger unstreitig vor der Berichterstattung keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei und auch sein Anonymitätsinteresse überwiege.
54Ein Mindestbestand an Beweistatsachen sei jedenfalls auch dann nicht gegeben, wenn eine Ähnlichkeit des Klägers mit dem Phantombild bestehe. Zusätzlich darüber hinausgehende Anhaltspunkte, die für eine Tatbeteiligung sprechen, gebe es nicht, wie insbesondere die ehemalige Präsidentin des Verfassungsschutzes, Frau L, es in ihrem Vermerk festgehalten habe.
55Den Beklagten bzw. Verfassern der Artikel sei es nicht unmöglich gewesen, eine Stellungnahme des Klägers vor der Berichterstattung einzuholen, da weitere Recherchemaßnahmen, wie z.B. eine allgemeine Internetsuche, eine Melderegisterauskunft, Suche nach Verwandten, etc., unstreitig unterblieben seien.
56Sie behaupten, dass ein Journalist des A den Kläger am 14.6.2015 auf dem Handy angerufen und ihm eine E-Mail geschickt habe. Am 16.6.2015 sei er sogar von Journalisten am Arbeitsplatz angerufen worden. Sie meinen, dass es deswegen kein Problem gewesen sei, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen.
57Selbst wenn ein Aussteiger der Szene dem Autor eines A1-Fernsehbeitrags mitgeteilt habe, dass der Kläger mit der „Scheiß-Presse“ nicht rede, seien die Beklagten von ihrer Pflicht zur Anhörung nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1996, 1131, 1134) nicht enthoben, da es nicht von vornherein auszuschließen sei, dass sich der Kläger geäußert hätte, wenn er mit der Verdächtigung unmittelbar konfrontiert worden wäre. Der Kläger hätte der Beklagten – mit der Verdächtigung konfrontiert – auch mitgeteilt, dass er zum Tatzeitpunkt kurze Haare gehabt habe und sich die Haare erst 2006/2007 habe wachsen lassen; er dunkelbraune Haare habe, während die Zeugen die Haarfarbe des Täters als blond beschrieben haben; er seit Jahrzehnten Brillenträger sei, während nach den Zeugenangaben der Täter keine Brille getragen habe; er im Tatzeitpunkt bereits 33 Jahre alt gewesen sei, während nach den Zeugenangaben der Täter ca. 35-26 Jahre alt gewesen sei; er 1,74 cm groß sei, während nach den Zeugenangaben der Täter 1,75 – 1,80 cm groß gewesen sei.
58Schließlich überwiege auch das Anonymitätsinteresse des Klägers, da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass er etwas mit dem Anschlag zu tun habe. Die rechtswidrige Berichterstattung im Vorfeld der hier beanstandeten Berichterstattung sei irrelevant.
59Deswegen habe der Kläger erstens gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner einen Freistellungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 18.6.2015 i.H.v. 1.317,87 € – für die Berechnung wird auf Seite 18 der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 18 d. GA).
60Zweitens habe die Beklagte zu 1) ihm die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 23.7.2015 i.H.v. 1.358,86 € zu zahlen – für die Berechnung wird auf Seite 18 der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 18 d. GA).
61Drittens habe der Beklagte zu 2) ihn von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das Abschlussschreiben vom 3.8.2015 i.H.v. 2.085,95 € freizustellen – für die Berechnung wird auf Seite 19 der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 19 d. GA). Aus dem Schreiben vom 21.7.2015 sei für den Kläger entgegen dem Offenkundigkeitsprinzip der Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) nicht ersichtlich gewesen, dass die darin enthaltenen Erklärungen auch im Namen des Beklagten abgegeben werden sollten.
62Viertens habe der Kläger gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. mindestens 25.000,00 €.
63Der Geldentschädigungsanspruch sei gerechtfertigt, da die beanstandete Berichterstattung der Beklagten schwerwiegende Auswirkungen auf sein Leben gehabt habe. Denn es habe erst nach der beanstandeten Berichterstattung im Jahre 2015 täglich die Gefahr bestanden, dass sein Arbeitgeber ihm kündige, wenn öffentlich bekannt werde, dass er bei ihm angestellt sei. Er behauptet, dass er im Frühjahr 2012 als geheimer Mitarbeiter des Verfassungsschutzes lediglich „abgeschaltet“ und im Herbst 2013, nach dem Rücktritt von Frau L, wieder reaktiviert worden sei und er dann für ihn neue Aufklärungsziele bis Anfang 2015 für den Verfassungsschutz NRW gearbeitet habe.
64Er meint, dass auch folgende Auswirkungen, die von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten werden, zu berücksichtigen seien: er habe 2015 mit Kollegen mehrere Erklärungs- und Richtigstellungsgespräche führen müssen, die ihn als rechtsradikalen Bombenleger gemieden haben; wegen der Gefahr rechtsradikaler Racheanschläge und möglicher linksradikaler Gewalttaten habe er täglich wechselnde Wege hin und zurück zur Arbeit nehmen müssen, bestimmte Stadtbezirke vermeiden müssen und habe alternative Lokale nicht besuchen können sowie sich getarnt und verkleidet in der Öffentlichkeit bewegen müssen; er sei auch vom Verfassungsschutz instruiert worden, dass er im Falle einer ernsthaften Bedrohung einen Anruf bekäme und er sich umgehend mit dem Zug zu einem Treffpunkt in einer anderen Stadt aufmachen müsse; ein gemeinsames Verlassen der Wohnung zusammen mit seiner Lebenspartnerin und Familienmitgliedern sei nicht möglich gewesen und in der Anfangszeit habe er aus Sicherheitsgründen tagelang getrennt von seiner Lebenspartnerin wohnen müssen; er wegen der Gefahr durch gewaltbereite Rechts- oder Linksextremisten Angst- und Unruhezustände gehabt habe; er aufgrund dessen nach der hier beanstandeten Berichterstattung deutlich mehr verschreibungspflichtige Sedativa und Hypnotika habe einnehmen müssen. Die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts sei besonders schwer, da ihm eine rechtsradikale Gewalttat vorgeworfen werde, seine berufliche, Privat- und Intimsphäre betroffen gewesen sei und die Beklagte besonders hartnäckig und vorsätzlich gehandelt habe, da sie am 28.6.2015 trotz der Hinweise des Klägers nach der Berichterstattung vom 14./16.6.2015 erneut über die Täterschaft des Klägers spekuliert und dies mit der angeblichen Ähnlichkeit begründet habe. Die besondere Schwere entfalle nicht, weil über den Kläger bereits vor der hier beanstandeten Berichterstattung bereits zuvor in Internetblogs berichtet worden sei. Es bestehe auch ein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung, da die Geltendmachung von Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen gerade keine notwendige Voraussetzung für einen Geldentschädigungsanspruch sei.
65Der Kläger beantragt,
661. Die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 1.317,87 € freizustellen.
672. Die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an den Kläger 1.358,86 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28.7.2015 zu zahlen.
683. Den Beklagten zu 2) zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 2.085,95 € freizustellen.
694. Die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger zum Ausgleich des ihm entstandenen immateriellen Schadens einen Betrag zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 25.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2015.
70Die Beklagten beantragen,
71die Klage abzuweisen.
72Die Beklagten behaupten, dass es einen Vermerk der ehemaligen Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L, gebe, in dem Folgendes stehe: „Laut hier noch vorliegenden Akten scheint Herr Y insoweit einen eigenmotivierten rechtsextremistischen Vorlauf zu haben, als dass er in [sic] Herbst 1984 als Jugendlicher ‚Mitglied einer Wehrsportgruppe‘ gewesen sein soll“; dabei gehe die Bezeichnung auf die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ zurück, eine terroristische Vereinigung neonazistischer Prägung, die 1980 verboten wurde, und deshalb sei der Begriff „Wehrsportgruppe“ eindeutig rechtsradikal konnotiert.
73Des Weiteren gebe es einen Vermerk der Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L, in dem es heiße, dass der Kläger Kontakt zum direkten Umfeld des NSU – dem „Kameraden H“ – gehabt habe.
74Die Rechtsanwältin der im NSU-Prozess als Nebenkläger auftretenden Geschädigten des Anschlags habe 2014 an das OLG München Folgendes geschrieben: „Sowohl Herr N1 [Vater des Opfers und Zeuge] als auch Frau N2 [Schwester des Opfers und Zeugin] haben angesichts des in der Anlage befindlichen Lichtbilds, welches den Y zeigen soll, von einer beängstigenden Ähnlichkeit mit ihrem Erinnerungsbild an den Ableger des Geschenkkorbes [der den Sprengsatz enthielt] vor Weihnachten 2000 gesprochen“.
75Sie behaupten des Weiteren, dass der Beklagte zu 2) und sein Koautor, Herr F, vor der Berichterstattung Quellen in der Kölner Neonazi-Szene erfolglos befragt haben, ob man den Kläger kenne bzw. Kontakt zu ihm herstellen könne. Ebenso erfolglos sei der Versuch gewesen, die Kontaktdaten über das Online-Telefonbuch zu ermitteln.
76Zudem habe ein Aussteiger der Szene dem Autor eines A1-Fernsehbeitrags, Herrn G, mitgeteilt, dass der Kläger mit der „Scheiß-Presse“ nicht rede und der Kläger angeblich nur noch zum Schein in Köln gemeldet und tatsächlich vor etwa drei Jahren in die Nähe seiner Schwester nach Fürth gezogen sei. Dies habe der Koautor, Herr F, von Herrn G erfahren.
77Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger keine Ansprüche gegen sie wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der beanstandeten Berichterstattung habe. Ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben bestünde bereits deshalb nicht, da aus dem Schreiben des zuständigen Justiziars der Beklagten zu 1) vom 21.7.2015 für beide Beklagte hervorgehe, dass die Entscheidung über die Abgabe einer Abschlusserklärung bis Mitte August unaufgefordert mitgeteilt werde. Das Abschlussschreiben sei daher nicht erforderlich gewesen.
78Sie sind der Auffassung, dass die beanstandete Berichterstattung zulässig sei, da sie sich kritisch mit wahren Tatsachen auseinandersetze und äußerst vorsichtig über die Verdachtsmomente, die weder in die eine noch in die andere Richtung bewertet worden seien, berichtet worden sei. Es liege daher keine Verdachtsberichterstattung vor. Gegenstand und Auslöser der Berichterstattung sei insbesondere die Tatsache gewesen, dass die ehemalige Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW eindringlich auf die Ähnlichkeit zwischen dem Phantombild und dem Kläger hingewiesen und über die Tätigkeit des Klägers als Informant in der rechtsextremen Szene berichtet habe. Es begründe ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse, dass dies erst 10 Jahre nach der Tat geschehen sei und dieser Hinweis wiederum erst zwei Jahre später im NSU-Prozess und dann erst in den Untersuchungsausschüssen bekannt geworden sei und diese Verbindung zuvor weder von dem Verfassungsschutz noch von der Staatsanwaltschaft untersucht worden sei. Auch die von dem Kläger vorgetragenen Umstände zur äußerlichen Erscheinung des Klägers entlasteten diesen nicht. Der Bericht über die festgestellte Ähnlichkeit sowie ihr spätes Bekanntwerden sei notwendig, um sich mit den Ungereimtheiten bei den Ermittlungen im NSU-Verfahren auseinanderzusetzen. Des Weiteren habe der Kläger sein Anonymitätsinteresse bereits schon vor der hier beanstandeten Berichterstattung verloren. Die Beklagten müssten sich nicht darauf verweisen lassen, in ihrer Berichterstattung den Namen des Klägers zu verschweigen, den jeder interessierte Zeitungsleser ohnehin mit wenigen Klicks im Internet recherchieren kann. Den Beklagten sei es vor der Berichterstattung auch nicht möglich gewesen, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
79Hinsichtlich des geltend gemachten Entschädigungsanspruches lege der Kläger die negativen Auswirkungen auf sein Leben schon nicht konkret dar. Jedenfalls seien die beanstandeten Beiträge für diese Unannehmlichkeiten nicht kausal, da der Kläger und sein Bild nicht durch diese bekannt gemacht worden seien. Spätestens seit den Online-Publikationen in 2014 sei der Kläger bekannt gewesen und die vom Kläger geltend gemachte Gefährdung seiner Person sei daher bereits durch die Vorveröffentlichungen verursacht worden, die erfahrungsgemäß gerade von potentiell gewaltbereiten Personen zur Kenntnis genommen worden seien. Wenn die Bedrohungslage tatsächlich bestünde, sei auch davon auszugehen, dass der Verfassungsschutz NRW den Kläger bereits an einen sicheren Ort verbracht hätte. Der Geldentschädigungsanspruch müsse auch im Wege der Subsidiarität ausscheiden, der Kläger es unstreitig unterlassen hat, Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüche geltend zu machen.
80Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
81Entscheidungsgründe:
82Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
83I.
841.
85Der Kläger hat gegen beide Beklagte antragsgemäß aus § 823 Abs. 1 BGB einen Freistellungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 18.6.2015 i.H.v. 1.317,87 €.
86Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch zu, für dessen Wahrnehmung und Durchsetzung die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war.
87a.
88Der Unterlassungsanspruch bzw. die Berechtigung der Abmahnung folgt nicht bereits aus der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Köln in dem vorangegangenen zweiseitigen Verfügungsverfahren (28 O 246/15). Der Auffassung des Klägers, dass den Beklagten nach § 322 ZPO der Einwand abgeschnitten sei, dass die Berichterstattung nicht rechtswidrig sei, da das Landgericht Köln in diesem Verfahren entschieden hat, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zusteht, kann nicht gefolgt werden.
89Nach § 322 Abs. 1 ZPO ist das Gericht an den Inhalt einer bereits rechtskräftigen Entscheidung gebunden und hindert das Gericht an einer abweichenden Entscheidung, wenn in dem Vorprozess eine Rechtsfolge rechtskräftig festgestellt wurde, die für den nachfolgend zu entscheidenden Rechtsstreit vorgreiflich (präjudiziell) ist. Das Gericht muss von Amts wegen den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seinem Urteil zugrunde zu legen, wenn in dem jetzigen Rechtsstreit der Streitgegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses erneut zu prüfen ist (BGH, NJW 1993, 3204, 3205; NJW 2008, 1227, 1228; Vollkommer, in: Zöller, 31. Aufl., 2016, Vor § 322 Rn. 24). Dies ist nicht der Fall, wenn nicht der Streitgegenstand, sondern nur eine Vorfrage in dem Vorprozess auch dem nachfolgenden Rechtsstreit entschieden werden muss (Vollkommer, in: Zöller, 31. Aufl., 2016, Vor § 322 Rn. 28).
90Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO dabei aber der Rechtskraft eines Urteils bewusst in der Weise enge Grenzen, dass diese sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, d. h. die Rechtsfolge beschränkt, die den Entscheidungssatz bildet, nicht aber auf einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die betroffene Entscheidung aufbaut (vgl. BGH, NJW 2012, 3577, 3579f.). Daraus folgt nach der Rechtsprechung des BGH, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten nicht dadurch präjudiziert wird, dass der Unterlassungsanspruch bereits rechtskräftig zuerkannt ist (BGH a.a.O.). Der Anspruch auf Erstattung oder Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist zwar insoweit streng akzessorisch zu der Hauptforderung, die mit Hilfe des Rechtsanwaltes durchgesetzt werden soll, die beiden Ansprüche betreffen aber zwei unterschiedliche Handlungen (BGH a.a.O.). Zudem ist der Erstattungs- oder Freistellungsanspruch nicht nur vom Bestehen der Hauptforderung im Zeitpunkt der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe, sondern noch von weiteren Voraussetzungen abhängig (BGH a.a.O.). Mit dem Urteil über den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch wird eine Entscheidung über dessen Bestehen oder Nichtbestehen zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung getroffen, auf die das Urteil ergeht (BGH a.a.O.). Dagegen wird keine Entscheidung über die Begründetheit des Unterlassungsanspruchs im Zeitpunkt der – regelmäßig vor Rechtshängigkeit erfolgenden – Abmahnung getroffen (BGH a.a.O.). Die Rechtskraft des Unterlassungsurteils erstreckt sich daher nicht auf das Vorliegen des Unterlassungsanspruchs im Zeitpunkt der vorprozessualen Abmahnung.
91b.
92Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB, Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der hier relevanten Berichterstattung am 14.6./16.6.2015.
93aa.
94Bei der Berichterstattung handelt es sich um eine unzulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung, soweit der Kläger mit dem aus rechtsradikalen Motiven verübten Anschlag in der Probsteigasse in 2001 in Verbindung gebracht wird.
95Eine Verdachtsberichterstattung zeichnet sich dadurch aus, dass der Äußernde aus der Perspektive des Durchschnittslesers selbst nicht von der Wahrheit bzw. der Richtigkeit seiner Aussage überzeugt ist, sondern gerade zu erkennen gibt, dass er lediglich einen Verdacht hegt (OLG Köln v. 28.4.2015 – 15 U 7/15).
96Dies ist hier der Fall. Auch wenn die Berichterstattungen auf wahre Tatsachenbehauptungen (z.B. die Äußerung der ehemaligen Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW und ihr spätes Bekanntwerden) gestützt wird, wird in der Berichterstattung auch der auf diese Tatsachen gestützte Verdacht geäußert, dass der Kläger an dem Anschlag im Januar 2001 in der Probsteigasse beteiligt gewesen sein könnte.
97Eine zulässige Verdachtsberichterstattung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 7.12.1999 – VI ZR 51/99, m.w.N.) zudem voraus, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen gegeben ist, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert" verleiht. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlung bereits überführt. Unzulässig ist nach diesen Grundsätzen eine auf Sensationen ausgehende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung, vielmehr müssen auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BGH, a. a. O.).
98Das ist hier nicht der Fall. Es fehlt bereits an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert" verleiht. Denn eine Behauptung, deren Unwahrheit zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht erwiesen ist, kann demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, jedenfalls in Fällen, in denen es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht, auf der Grundlage der nach Art. 5 Abs. 1 GG und § 193 StGB vorzunehmenden Güterabwägung zwar solange nicht untersagt werden, als er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (BGH, Urteil v. 30.01.1996 – VI ZR 386/94). Verfehlungen und Missstände aufzuzeigen gehört dabei zu den legitimen Aufgaben der Medien. Sie brauchen damit nicht zu warten, bis der volle Nachweis amtlich bestätigt ist. Sie können ganz im Gegenteil Vorgänge von sich aus aufgreifen, auch in einem Stadium, in dem zunächst lediglich ein Verdacht besteht. Für Medienangehörige besteht jedoch die Verpflichtung zur sorgfältigen Prüfung des Inhalts der beabsichtigten Veröffentlichung. Sie haben die journalistische Sorgfaltspflicht zu beachten. Dabei sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird (Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10, Rn. 154 ff.). Ein Presseorgan, das außergewöhnlich nachteilige Unterstellungen über eine Person verbreitet, hat die zugrunde liegenden Tatsachen besonders sorgfältig aufzuklären (BVerfG, Beschluss v. 25.08.2005 –1 BvR 2165/00; EGMR, Urteil v. 06.04.2010 − 45130/06). Die Verletzung der Verpflichtung zur sorgfältigen Prüfung begründet die Rechtswidrigkeit des verletzenden Verhaltens. Insbesondere kann der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) nur eingreifen, wenn die betreffenden Tatsachenbehauptungen weder vorsätzlich noch leichtfertig (grobe Fahrlässigkeit schadet) unrichtig sind (BVerfG, Beschluss v. 15.01.1999 – 1 BvR 1274/92; BGH, Urteil v. 03.10.1978 – VI ZR 191/76).
99Auf die Richtigkeit amtlicher Verlautbarungen kann sich der Journalist zwar in aller Regel verlassen (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 6, Rn. 136). Der hier vorliegende Aktenvermerk der ehemaligen Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz NRW stellt als behördeninterne „geheime Verschlusssache“ mangels Verlautbarung gegenüber der Öffentlichkeit (vgl. BGH, Urteil v. 11.12.2012 – VI ZR 314/10) jedoch keine privilegierte Quelle dar, auf welche sich die Beklagten ohne weitere Recherchen verlassen durften.
100Auch nach dem Inhalt des Aktenvermerks bestanden keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung des Klägers. Eine etwaige Ähnlichkeit des Klägers mit dem Phantombild vermag keinen ausreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen darzustellen. Eine wie auch immer geartete Ähnlichkeit des Klägers mit einem nach der Tat gefertigten Phantombild des Täters allein rechtfertigt aufgrund des massiven Vorwurfs der Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag des NSU keine den Kläger identifizierende Berichterstattung, zumal die Tatzeugen den Kläger – auch nach dem Vortrag der Beklagten – zunächst nicht als Täter identifizierten.
101Dabei kann zunächst offen bleiben, ob es in dem Vermerk der ehemaligen Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L, im Frühjahr 2012 heißt, dass das gefertigte Phantombild Ähnlichkeiten mit dem Kläger selbst aufweise, oder der Vermerk dies zum Ausdruck bringen wollte, wie Frau L – soweit unstreitig – vor dem NSU-Untersuchungsausschluss laut dem Sitzungsprotokoll eines Zuschauers bestätigte. Jedenfalls reicht auch eine solche Ähnlichkeit nicht aus, um einen Mindestbestand an Beweistatsachen anzunehmen.
102Aus dem Grund kann auch offen bleiben, ob der Kläger zum Tatzeitpunkt kurze Haare trug und das Portraitfoto (Bl. 5. d. GA) aus dem Jahr 2011 stammt, da eine bloße Ähnlichkeit vorliegend nicht ausreicht, um den Kläger öffentlich im Zusammenhang mit dem massiven Vorwurf der Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag des NSU zu identifizieren.
103Schließlich kann auch offen bleiben, ob die Rechtsanwältin der im NSU-Prozess als Nebenkläger auftretenden Geschädigten des Anschlags 2014 an das OLG München Folgendes geschrieben hat: „Sowohl Herr N1 [Vater des Opfers und Zeuge] als auch Frau N2 [Schwester des Opfers und Zeugin] haben angesichts des in der Anlage befindlichen Lichtbilds, welches den Y zeigen soll, von einer beängstigenden Ähnlichkeit mit ihrem Erinnerungsbild an den Ableger des Geschenkkorbes [der den Sprengsatz enthielt] vor Weihnachten 2000 gesprochen“. Auch die Tatzeugen gehen zwar nach diesem Schreiben von einer „beängstigenden Ähnlichkeit“ aus, sie haben den Kläger persönlich aber gerade nicht als Täter identifiziert. Zudem ist nicht dargelegt worden, welches Lichtbild den Zeugen vorgelegt wurde und ob es aus dem Tatzeitraum stammt.
104Da bereits kein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt, kann letztlich auch offen bleiben, ob die Beklagten und der Koautor, Herr F, das ihnen Zumutbare unternahmen, um die Kontaktdaten des Klägers zu ermitteln.
105Auch dass die Beklagten hier substantiiert dazu vorgetragen haben, in welchen Artikeln und Berichten der Kläger bereits öffentlich identifiziert worden ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Dieser Umstand wirkt sich nicht unbedingt mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung aus, sondern die Vorveröffentlichungen können sich allenfalls mindernd auf die Höhe der zuzubilligenden Geldentschädigung auswirken (BGH, GRUR 2014, 693, 698).
106Sofern die Beklagten die Auffassung vertreten, dass es ein überaus gewichtiges öffentliches Informationsinteresse daran gebe, dass die Ähnlichkeit erst 10 Jahre nach der Tat festgestellt worden sei und der entsprechende Hinweis der Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW wiederum erst zwei Jahre später im NSU-Prozess und dann erst in den Untersuchungsausschüssen bekannt geworden sei und diese Verbindung zuvor weder von dem Verfassungsschutz noch von der Staatsanwaltschaft untersucht worden sei, ist dem vollumfänglich zuzustimmen. Dem entsprechend muss die Presse auch über die festgestellte Ähnlichkeit sowie ihr spätes Bekanntwerden berichten können, um sich mit den Ungereimtheiten bei den Ermittlungen im NSU-Verfahren auseinanderzusetzen. Dies darf jedoch – wegen des fehlenden Mindestbestands an Beweistatsachen – nicht dazu führen, dass der Kläger persönlich identifiziert wird und unter Offenbarung seiner Identität zum Gegenstand der öffentlichen Debatte wird. Über etwaige Ermittlungspannen oder den Verdacht, dass Mitarbeiter des Verfassungsschutzes gedeckt und relevante Zusammenhänge verheimlicht werden, kann auch berichtet werden, ohne dass dabei der Name des Klägers genannt oder sein Bild gezeigt werden muss. Der Kläger, für den die Unschuldsvermutung gilt, muss es nicht hinnehmen, dass er in der Öffentlichkeit als derjenige Verfassungsschutzmitarbeiter identifiziert wird, dem die Ähnlichkeit mit dem Täter nachgesagt wird. Er ist auch nicht dafür verantwortlich, dass keine Ermittlungen gegen ihn eingeleitet wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass infolge der Ermittlungen auch seine Unschuld hätte bewiesen werden können. Eine ihn identifizierende Berichterstattung müsste er erst hinnehmen, wenn ein Mindestbestand an Beweistatsachen, der für seine Täterschaft spricht, anzunehmen ist. Dies ist hier aber nicht der Fall. Dem entsprechend überwiegt das Interesse der Öffentlichkeit an einer den Kläger identifizierenden Berichterstattung nicht des Anonymitätsinteresse des Klägers, der ansonsten – ohne Mindestbestand an Beweistatsachen bzw. alleine aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einem damals gefertigten Phantombild – dem massiven Verdacht ausgesetzt wird, er komme als Täter des Sprengstoffanschlags in dem Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse in Betracht.
107bb.
108Der Kläger hat gegen die Beklagten auch wegen der Meinungsäußerung, der Kläger sei als Jugendlicher rechtsradikal gewesen, einen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB, Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.
109Bei der Aussage, ob jemand als rechtsradikal bezeichnet werden kann, handelt es sich zwar um eine wertende Aussage, sie ist jedoch gleichzeitig nicht frei von einer Tatsachengrundlage. Vielmehr beruht sie auf einem überprüfbaren Tatsachenkern, nämlich z.B. der Mitgliedschaft des Klägers in einer radikalen, nach außen auch unter Verwendung allgemein als rechtsradikal oder rechtsextrem angesehener Handlungen auftretenden Gruppierung, oder anderer tatsächlicher Umstände.
110Dies haben die Beklagten nicht hinreichend dargelegt. Für die Wahrheit der behaupteten Tatsachen trifft die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast. Im Ausgangspunkt ist die Unwahrheit einer Behauptung zwar grundsätzlich von demjenigen zu beweisen, der sich gegen die Äußerung wendet. Allerdings tritt eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Wahrheitsbeweises dann ein, wenn Streitgegenstand eine üble Nachrede, d.h. ehrenrührig, ist. In diesem Fall trifft nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB grundsätzlich den Schädiger die Beweislast für die Wahrheit der ehrbeeinträchtigenden Behauptung (vgl. Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12 Rn. 139). Dies ist hier der Fall, da die Behauptung „rechtsradikal“ gewesen zu sein, geeignet ist, den Kläger in seinem sozialen Geltungsanspruch herabzuwürdigen.
111Nach dem bisherigen Vortrag der Beklagten kann die Gruppe ATF nicht als rechtsradikal bezeichnet werden. Da die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet sind, ist ein Bestreiten mit Nichtwissen, dass die Hakenkreuze angebracht worden seien, um die beiden vorgenannten Parolen zu illustrieren, nicht ausreichend. Unbestritten standen diese nebeneinander an der Wand des Polizeipräsidiums, es liegt daher nahe, dass diese gleichzeitig angebracht wurden. Selbst wenn die Hakenkreuze ohne die Parolen an der Wand des Polizeipräsidiums angebracht worden sind, ist die Deutung aus Sicht eines Durchschnittsrezipienten nicht fernliegend, dass damit die Polizei als „Nazis“ bezeichnet werden sollten. Die Beklagten müssten daher weitere Tatsachen bzw. Indizien vortragen, um die rechtsradikale Einstellung der ATF oder des Klägers als Jugendlicher darzulegen. Dies ist nicht geschehen. Insoweit verbleibt es bei den Feststellungen der Kammer in ihrem Abhilfebeschluss vom 2.9.2015 (28 O 246/15), d.h., dass die Beteiligung des Klägers in der „ATF“ ausschließlich einen linksextremen Hintergrund hatte und auch die Hakenkreuzschmierereien, die Gegenstand der älteren im Beschluss vom 13.7.2015 erwähnten Presseveröffentlichungen waren, auf welche die Beklagten sich berufen, keinen rechtsextremen, sondern im geschilderten Zusammenhang lediglich einen polizeikritischen Kontext hatten. Damit stellen sich die objektiven Umstände der „ATF-Vergangenheit“ des Klägers aber so dar, dass sie keinen greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkt für die Wertung bieten, der Kläger sei als Jugendlicher rechtsradikal gewesen.
112Auch die Tatsache, dass der Kläger eine Kontaktperson des „Heimatschutzverbandes“ war, ist für die Schlussfolgerung, dass er als Jugendlicher rechtsradikal gewesen sei, nicht ausreichend. Alleine die feststehende Beteiligung an einer militanten Gruppe, die sich nicht ausdrücklich als „Wehrsportgruppe“ bezeichnete, ist kein greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkt, um zulässigerweise die Meinung zu äußern, dass der Kläger als Jugendlicher rechtsradikal gewesen ist. Darüber hinaus haben die Beklagten nicht dargelegt, welche politische Ausrichtung der „Heimatschutzverband“, für den der Kläger als Kontaktperson auftrat, hatte.
113Des Weiteren kann offen blieben, ob es in einen Vermerk der Präsidentin des Verfassungsschutzes NRW, Frau L, heißt, dass der Kläger Kontakt zum direkten Umfeld des NSU – dem „Kameraden H“ – gehabt habe. Jedenfalls haben die Beklagten nicht dargelegt, dass diese Aussage sich auf die Zeit bezog, als der Kläger noch Jugendlicher war.
114c.
115Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war in diesem Fall für die Abmahnung vom 18.6.2015 erforderlich und zweckmäßig.
116Der Anspruch besteht i.H.v. 1.317,87 €, da dies der Betrag ist, der für eine 0,65 Geschäftsgebühr bei einem Streitwert von 140.000,00 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer gefordert werden kann.
1172.
118Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) aus § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 23.7.2015 i.H.v. 1.358,86 € nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 3.8.2015.
119Da es sich bei den in den in der Berichterstattung vom 28.6.2015 enthaltenen Äußerungen um kerngleiche Äußerungen handelt, steht entsprechend der oben genannten Gründe dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) ein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB, Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der Berichterstattung am 28.6.2015 zu.
120Auch in dieser Berichterstattung wird der Kläger mit dem Sprengstoffanschlag in der Probsteingasse in Köln aus dem Jahr 2000/2001 in Zusammenhang gebracht. Unerheblich ist dabei, dass die Artikel den Bombenanschlag nur „am Rande“ behandeln. Es ist ausreichend, dass der Name des Klägers als potentieller Verdächtiger des Bombenanschlages weiterhin genannt wird. Auch ist es nicht erheblich, dass der konkrete Straßenname nicht aufgeführt wird. Denn auch ohne Nennung der Probsteigasse sind die Angaben in den Artikeln konkret genug. Für den Leser ist eindeutig erkennbar, welcher Sprengstoffanschlag gemeint ist, wenn ein Bericht über den NSU einen Bombenanschlag „in einem Lebensmittelladen in Köln“ „im Januar 2001“ nennt.
121Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war in diesem Fall für die Abmahnung vom 23.7.2015 erforderlich und zweckmäßig.
122Der Anspruch besteht i.H.v. 1.358,86 €, da dies der Betrag ist, der für eine 1,3 Geschäftsgebühr bei einem Streitwert von 30.000,00 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer gefordert werden kann.
123Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 ZPO. Zinsen sind erst ab dem 4.8.2015 zu zahlen, da der Beklagten zu 1) in dem anwaltlichen Schreiben vom 23.7.2015 eine Zahlungsfrist bis zum 3.8.2015 gesetzt wurde.
1243.
125Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2) keinen Freistellungsanspruch wegen der Kosten für das Abschlussschreiben vom 3.8.2015 i.H.v. 2.085,95 €, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts für das Abschlussschreiben nicht erforderlich gewesen ist. Erforderlich ist eine solche Inanspruchnahme nur, wenn kein gleich geeignetes und milderes Mittel zur Verfügung stand.
126Das Schreiben vom 21.5.2015 lässt zwar nicht offenkundig erkennen, dass es auch im Namen des Beklagten zu 2) geschrieben wurde. Mit „wir“ wird in einem unternehmensbezogenen Zusammenhang typischerweise auch die Gesamtheit des Unternehmens bezeichnet. Ebenso lässt sich dem in Bezug genommenen Kurzrubrum „Y ./. D GmbH, C“ nicht eindeutig entnehmen, ob die Ankündigung, unaufgefordert auf den Kläger bis Mitte August 2015 zurückzukommen, auch für den Beklagten zu 2) erklärt wurde, da das Schreiben nur im Namen der Beklagten zu 1) unterzeichnet wurde.
127Da jedoch aufgrund des Schreibens nicht eindeutig erkennbar ist, ob es auch im Namen des Beklagten zu 2) geschrieben wurde, und gleichzeitig der Beklagte zu 2) der Herausgeber der Publikationen der Beklagten zu 1) und (Mit-)Verfasser der genannten Artikel ist, wäre es naheliegend gewesen, zunächst mit den Beklagten z.B. über ein kurzes Telefonat zu klären, ob die Ankündigung – was ebenfalls naheliegend sein dürfte – auch für den Beklagten zu 2) gilt, bevor die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen wird und weitere Kosten entstehen. Da mithin ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden hat, war die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts nicht erforderlich.
1284. Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. 20.000,00 € nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 10.10.2015.
129Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, dass der Verletzte andernfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft bliebe (BGH, NJW 1995, 861; BVerfG, NJW 1973, 1221). Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muss dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen.
130Der Kläger wird aus den oben genannten Gründen durch die beanstandete Berichterstattung der Beklagten rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
131Die Beklagten handelten auch schuldhaft i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, da sie bei der Veröffentlichung der beanstandeten Beiträge die bei journalistischen Recherchen erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Sie berichten über einen gegen den Kläger bestehenden Verdacht, ohne dass der erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen für eine identifizierende Verdachtsberichterstattung gegeben war. Ein schweres Verschulden im Sinne von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ist nicht erforderlich (Burkhardt, a.a.O., Kap. 14, Rn. 115 m.w.N.).
132Ob eine schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts schwer ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers (BGH, NJW 1996, 1131, 1134). Dabei kann schon ein einziger jener Umstände zur Schwere des Eingriffs führen. Die Pflicht zur Zahlung einer Geldentschädigung kommt auch in Betracht, wenn rufschädigende Behauptungen aufgestellt werden, deren Unwahrheit zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht erwiesen ist (BGH, GRUR 2014, 693, 698). In diesem Fall ist bei der Gewichtung der Eingriffsintensität allerdings zu berücksichtigen, dass die inkriminierende Behauptung wahr sein kann (BGH a.a.O.).
133Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsverletzung fehlt. Bei der Abwägung ist auch die Zweckbestimmung der Geldentschädigung zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung, die in Verbindung mit diesen Vorschriften ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB findet, beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Die Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dient insoweit zum einen der Genugtuung des Opfers und zum anderen der Prävention (vgl. BGH, NJW 1996, 985). Im Rahmen der Abwägung ist aber andererseits auch das Recht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit zu berücksichtigen. Diese grundlegenden Kommunikationsfreiheiten wären gefährdet, wenn jede Persönlichkeitsrechtsverletzung die Gefahr einer Verpflichtung zur Zahlung einer Geldentschädigung in sich bergen würde. Die Zuerkennung einer Geldentschädigung kommt daher nur als ultima ratio in Betracht, wenn die Persönlichkeit in ihren Grundlagen betroffen ist. Dies ist der Fall, wenn die Persönlichkeitsverletzung das Schamgefühl berührt, zu Peinlichkeiten führt und wenn sie ein Gefühl des Ausgeliefertseins hervorruft (Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 14, Rn. 128).
134Vorliegend ist die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung grundsätzlich gegeben, soweit der Kläger mit dem aus rechtsradikalen Motiven verübten Anschlag in der Probsteigasse in 2001 in Verbindung gebracht wird. Soweit berichtet wurde, dass der Kläger in seiner Jugend rechtsradikal gewesen sei, ist dies nicht der Fall.
135Es ist grundsätzlich zwar auch ein erhebliches Berichterstattungsinteresse und Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorhanden, über etwaige Ermittlungspannen oder den Verdacht, dass Mitarbeiter des Verfassungsschutzes gedeckt und relevante Zusammenhänge verheimlicht wurden, zu berichten. Anlass und Beweggrund des Handelns der Beklagten war auch nicht die Enttarnung des Klägers, dessen Name zuvor schon öffentlich – wenn auch einer enger begrenzten Öffentlichkeit – bekannt war, sondern die sachliche und kritische Auseinandersetzung mit staatlichen Vorgängen und möglichen Missständen, die einen hohen Informationswert für die Öffentlichkeit haben. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung durch die Medien über den Verdacht, dass eine individuelle Person eine Straftat begangen hat, besondere Gefahren für den konkret Betroffenen begründet. Denn Verdächtigungen, Gerüchte und insbesondere Berichterstattungen durch die Medien werden oft für wahr genommen, ihre später erwiesene Haltlosigkeit beseitigt den einmal entstandenen Mangel kaum und Korrekturen finden selten die gleiche Aufmerksamkeit wie die Bezichtigung. Deswegen gebietet die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zu Gunsten des Angeklagten sprechende Unschuldsvermutung eine entsprechende Pflicht der Medien, die Stichhaltigkeit der ihr zugeleiteten Informationen unter Berücksichtigung der den Verdächtigen bei identifizierender Berichterstattung drohenden Nachteile gewissenhaft nachzugehen, und eine entsprechende Zurückhaltung, gegebenenfalls einhergehend mit einer Beschränkung auf eine ausgewogene Berichterstattung. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an dem für eine zulässige Verdachtsberichterstattung erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, da sich der Vorwurf allein auf die Ähnlichkeit des Klägers mit dem Phantombild gründet und weitere Umstände weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Basiert jedoch der Vorwurf einzig auf einer solchen Ähnlichkeit und sind keine weiteren Nachforschungen angestellt werden, um weitere Beweise oder Indizien für eine Tatbeteiligung in der Hand zu haben, kann über den Betroffenen nicht identifizierend berichtet werden.
136Nicht erschwerend ins Gewicht fallen allerdings die beruflichen Konsequenzen, welche den Kläger infolge seiner Enttarnung trafen. Der Kläger war und ist durch die Berichterstattungen vorwiegend in seiner Sozialsphäre als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes betroffen. Es kann offen bleiben, bis wann der Kläger für den Verfassungsschutz gearbeitet hat und welches Ereignis kausal für das Ende seiner Tätigkeit beim Verfassungsschutz war. Seine Enttarnung unterfällt dem von ihm zu tragenden Berufsrisiko. Der Kläger hat bei seiner beruflichen Tätigkeit bewusst das Risiko in Kauf genommen, dass eines Tages bekannt wird, dass er für den Verfassungsschutz arbeitet. Zumindest besteht kein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung, da er einen etwaigen materiellen Schaden aufgrund der Kündigung / Aufgabe seiner Tätigkeit für den Verfassungsschutz gegen die Beklagten geltend machen kann.
137Das gilt entsprechend auch für die im Jahre 2015 mit mehreren Kollegen geführten Erklärungs- und Richtigstellungsgespräche sowie die Instruktion, bei einer ernsthaften Bedrohung einen unmittelbaren Ortswechsel vorzunehmen. Auch diese im beruflichen Umfeld geführten Erklärungs- und Richtigstellungsgespräche und beruflichen Instruktionen unterfallen seinem Berufsrisiko und führen zu keinem Verletzungsgehalt, der über die Rufschädigung hinausgeht, die damit verbunden ist, dass der Kläger mit dem aus rechtsradikalen Motiven verübten Anschlag in der Probsteigasse in 2001 in Verbindung gebracht wird.
138Ferner gilt dies auch für die beruflich bedingten Einschränkungen des Klägers in der Öffentlichkeit. Da der Kläger beruflich in der rechtsradikalen Szene eingesetzt wurde, musste er auch zu dieser Zeit bereits bestimmte Plätze wie linke Szenekneipen meiden. Auch dies hat der Kläger bewusst in Kauf genommen, als er für den Verfassungsschutz in der rechtsradikalen Szene tätig wurde.
139Schließlich fällt nicht erschwerend ins Gewicht, dass dem Kläger „deutlich mehr Sedativa und Hypnotika“ nach der Berichterstattung der Beklagten verschrieben wurden. Der Vortrag ist nicht hinreichend substantiiert, da nicht beurteilt werden kann, inwieweit die Verschlechterung erschwerend ins Gewicht fällt. Der Kläger hat das Ausmaß der Verschlechterung nicht konkret vorgetragen, d.h., was unter „deutlich mehr“ zu verstehen ist.
140Grundsätzlich sind jedoch die negativen Auswirkungen der Berichterstattung auf seinen Achtungsanspruch und auf seine Privatsphäre anzuerkennen und zu berücksichtigen. Dabei ist mangels entsprechenden Vortrags des Klägers nicht davon auszugehen, dass er in konkreten Fällen von rechts- oder linksradikal motivierten Personen bedroht wurde, sondern nur eine – subjektiv infolge objektiver Anhaltspunkte empfundene – abstrakte Gefahr bestand. Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch die Vorveröffentlichungen bereits eine gewisse abstrakte Gefahr bereits bestanden hat. Dies ist wiederum mindernd zu berücksichtigen. Jedoch dürfte diese Gefahr noch verstärkt worden sein, da auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen ist (BGH, GRUR 2014, 693, 699). Die Reichweite der hier beanstandeten Berichterstattung ist weiter als die Berichterstattung im Internet zuvor. Denn die hier relevanten Berichte wurden in den Print- und Onlineausgaben einer deutschlandweit bekannten Tages- und Sonntagszeitung veröffentlicht, während die Online-Publikationen auf den Seiten http://anonym.de, www.anonym.info, https://anonym.com; http://anonym, https://anonym, http://anonym.de sich an einen enger begrenzten Personenkreis richten. Zudem war die vorliegende Berichterstattung der Anstoß für die deutschlandweite Berichterstattung in allen Medien.
141Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten in mehreren Artikeln über den Verdacht berichtet haben, diese Artikel inhaltlich sich aber im Wesentlichen nicht unterschieden und in einem engen zeitlichen Zusammenhang an den gleichen Empfängerkreis gerichtet waren.
142In der hier vorzunehmenden Abwägung ist schließlich zu berücksichtigen, dass die zunächst fehlende Stellungnahmemöglichkeit den Kläger zunächst in eine Situation des Ausgeliefertseins rückte. Die Beklagten haben nach Erlass der einstweiligen Verfügung zwar eine Abschlusserklärung abgegeben. Bevor der Verdacht überhaupt ausgesprochen wurde, wurde ihm aber keine Gelegenheit gegeben, den Verdacht zu entkräften, die Hintergründe zu erläutern und eventuelle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Die auf Beklagtenseite beteiligten Personen durften auch nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass es nicht möglich war, die Kontaktdaten des Klägers zu ermitteln, da sie noch nicht das ihnen Zumutbare unternommen hatten. Angesichts der wesentlichen Bedeutung der Pflicht, dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, hätten sie zumindest noch versuchen müssen, die Kontaktdaten über eine Anfrage bei seinem Arbeitgeber oder eine allgemeine Internetsuche oder eine Melderegisterauskunft zu ermitteln. Die hier vorgelegten Emails (Anlage 31, Bl. 65f. AO II) sprechen dafür, dass es möglich war, den Kläger über seinen Arbeitgeber zu erreichen.
143Ein einmal in unzulässiger Weise geäußerter Verdacht hat aus den bereits genannten Gründen nicht wiedergutzumachende Konsequenzen, d.h. der unbescholtene Ruf kann weder durch Gegendarstellung noch Richtigstellung gänzlich wieder hergestellt werden. Das gilt auch, wenn ein Umstand zwar bereits bekannt war, durch seine Verbreitung und seine Anreicherung mit eigenen Beurteilungen aber vertieft wird. Diese Steigerung der Eingriffsintensität kann nicht durch einen Beseitigungs- oder Gegendarstellungsanspruch allein kompensiert werden.
144Der Höhe nach ist unter Abwägung der vorgenannten Umstände ein Betrag von 20.000,00 € angemessen.
145Die Beklagten haften vorliegend als Gesamtschuldner (§§ 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB), da sie durch ihre gemeinsam begangene unerlaubte Handlung für denselben Schaden verantwortlich sind.
146Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
147II.
148Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, 100 Abs. 1 und 3 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
149Der Streitwert wird auf bis 30.000,00 EUR festgesetzt.
150Rechtsbehelfsbelehrung:
151A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1521. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
1532. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
154Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
155Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
156Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
157Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
158B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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Referenzen
- 1 BvR 2165/00 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 191/76 1x (nicht zugeordnet)
- 15 U 7/15 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 314/10 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 386/94 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 51/99 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 1x
- Beschluss vom Landgericht Köln - 28 O 246/15 4x
- 1 BvR 1274/92 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 193 Wahrnehmung berechtigter Interessen 1x