Urteil vom Landgericht Köln - 11 S 534/14
Tenor
Das Versäumnisurteil der Kammer vom 10.11.2015 - 11 S 534/14 - bleibt aufrechterhalten.
Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil, das Versäumnisurteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
GRÜNDE
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
4II.
5Der zulässige, insbesondere fristgerechte Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 10.11.2015 hat den Rechtsstreit in die Lage vor Säumnis zurückversetzt (§§ 539 Abs. 3, 339, 342 ZPO). Das Versäumnisurteil ist indes gem. § 343 S. 1 ZPO aufrechtzuerhalten, da die zulässige Berufung in der Sache im Ergebnis ohne Erfolg bleibt.
6Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz des die bereits gezahlte Selbstbeteiligung übersteigenden restlichen Schadens an dem Mietfahrzeug gem. §§ 535, 546 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB. Auf die vereinbarte Haftungsbeschränkung auf 750,00 € kann der Beklagte sich nicht berufen. Die Höhe des Schadens steht zwischen den Parteien zweitinstanzlich nicht mehr in Streit.
7Die im Mietvertrag vorgesehene Klausel, wonach bei einer vorsätzlichen Verletzung der Pflicht des Mieters zur Hinzuziehung der Polizei in allen Schadensfällen die vereinbarte Haftungsbeschränkung entfällt, ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Denn es fehlt an einer § 28 Abs. 3 VVG entsprechenden Regelung. Die vollständige Leistungsfreiheit des Vermieters bei einer Obliegenheitsverletzung, durch die seine Interessen nicht beeinträchtigt werden, ist mit wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 3 VVG indes nicht zu vereinbaren. Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und ist daher gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (BGH, Urteil vom 14. März 2012 – XII ZR 44/10 –, Rn. 22, zitiert nach juris). Soweit die Klägerin sich zusätzlich auf eine Klausel in einer als Anlage K2 vorgelegten Preisliste berufen hat, kommt es auf diese bereits mangels Einbeziehung nicht an. Denn der Beklagte hat bestritten, dass ihm die Preisliste K2 vorgelegen habe, ohne dass die Klägerin näheren Vortrag gehalten oder Beweis angetreten hätte.
8An die Stelle der unwirksamen Klausel treten gem. § 306 Abs. 2 BGB die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes, vorliegend § 28 Abs. 2 und 3 VVG. Da eine vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung in einem Kfz-Mietvertrag nach den Grundsätzen der Kaskoversicherung auszugestalten ist bzw. sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat, ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen. Um eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion handelt es sich bei der Anwendung von § 28 Abs. 2 und 3 VVG nicht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 26-31).
9Der Beklagte hat vorsätzlich (§ 28 Abs. 2 S. 1 VVG) gegen die mietvertraglich vorgesehene und wirksam fortbestehende Obliegenheit verstoßen, die Polizei in allen Schadensfällen hinzuzuziehen. Die Obliegenheit war dem Beklagten bekannt. Nach seinem eigenen Vorbringen in der Klageerwiderung hatte er zunächst erwogen, die Polizei zu verständigen. Soweit er geltend macht, hiervon aufgrund eines Rechtsirrtums Abstand genommen zu haben, lässt dies den Vorsatz nicht entfallen. Für das Vorliegen eines den Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtums ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet (Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 276 Rn. 11 m.w.N.). Er hat insoweit vorgetragen, er habe die „Polizeiklausel“ wegen eines damit einhergehenden Zwanges zur Selbstbelastung für unwirksam gehalten, ohne zugleich um die höchstrichterliche Rechtsprechung zu wissen, wonach auf die Vorschriften des § 28 VVG zurückzugreifen sei. Dieses Vorbringen begegnet bereits in Anbetracht des Umstands Bedenken, dass der Beklagte sich in seinem Schadensbericht vom 15.07.2013 nicht auf eine Unwirksamkeit der Klausel gestützt hat, obgleich das Formular eigens ein Feld für die Angabe von Gründen vorsieht, aus denen die Hinzuziehung der Polizei unterblieb. Ferner unterlag der Beklagte insoweit keinem Irrtum, als er die Wirksamkeit der Klausel im Ergebnis zutreffend beurteilte, obgleich die Obliegenheit keine Verpflichtung zur Selbstbelastung gegenüber der Polizei zum Gegenstand hat (BGH, Urteil vom 14. März 2012 – XII ZR 44/10 –, Rn. 16, zitiert nach juris) und der Beklagte den Unfall nach eigenem Vorbringen auch tatsächlich verursacht hat. Soweit der Beklagte geltend macht, über die Folgen einer Unwirksamkeit der Klausel geirrt zu haben, handelt es sich um einen – unbeachtlichen – Rechtsfolgenirrtum, welcher den Vorsatz unberührt lässt (Palandt/Grüneberg, 75. Aufl., § 276 Rn. 11).
10Den Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 VVG hat der Beklagte nicht geführt. Der Nachweis fehlender Ursächlichkeit der Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ist erst dann erbracht, wenn feststeht, dass dem Versicherer hierdurch keine Feststellungsnachteile erwachsen sind. Bleibt dies unklar und in der Schwebe, ist der Versicherungsnehmer beweisfällig und der Versicherer nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei geblieben. So verhält es sich vorliegend. Der Klägerin sind durch die unterlassene Hinzuziehung der Polizei Feststellungsnachteile entstanden, die sich nachträglich nicht mehr ausgleichen lassen. So können keine objektiv überprüfbaren Feststellungen mehr dazu getroffen werden, ob der Beklagte bei dem Unfall unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand oder ob die Aufstellung bzw. Sicherung des Containers für den Unfall mitursächlich war. Diese Feststellungen sind nur durch eine polizeiliche Unfallaufnahme zu führen, die der Beklagte durch die Verletzung seiner Obliegenheit vereitelt hat und die im Nachhinein durch den erst mehr als vier Wochen nach Fahrzeugrückgabe vorgelegten Schadensbericht oder eine zeugenschaftliche Vernehmung des Beifahrers nicht mehr mit der gleichen Sicherheit und Eindeutigkeit nachzuholen ist (so auch: OLG Frankfurt, Urteil vom 02.04.2015, Az. 14 U 208/14; OLG Stuttgart, Urteil vom 16.10.2014, Az. 7 U 121/14; LG Dresden, Urteil vom 31.05.2013, Az. 8 O 2445/12; KG Berlin, Beschluss vom 27.08.2010 – 6 U 66/10 –, Rn. 14, alle nach juris).
11Nach allem ist die Berufung insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
12Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 3, 711, 713 ZPO.
13Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.
14Berufungsstreitwert: 2.073,83 €
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