Urteil vom Landgericht Köln - 16 O 275/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die Kosten der Nebenintervention trägt die Streithelferin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Streithelferin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten darüber, ob die streitgegenständliche Photovoltaikanlage der Klägerin vor dem Stichtag 01.04.2012 in Betrieb genommen wurde und welche Vergütungssätze für den eingespeisten Strom Anwendung finden.
3Die Klägerin ließ auf ihrem Wohngebäude in Köln eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 7,61 kWp installieren. Hierzu beauftragte die Klägerin die PV Elektrotechnik aus P, die wiederum die Firma B aus J beauftragte. Am 29.03.2012 schloss ein Mitarbeiter der B ein Digital-Multimeter an die Anlage an, um die Spannung zu messen. Es wurde Strom gemessen. Am 24.05.2012 wurde ein Wechselrichter montiert.
4Ab dem 10.8.2012 erfolgten Stromeinspeisung in das Netz der Beklagten. Zwischen dem 1.8.2012 und dem 31.12.2012 erzeugte die Anlage 1,937 kWh. Hiervon verbrauchte die Klägerin 676 kWh. Die Beklagte rechnete für den Zeitraum 10.8.2012 bis 31.12.2012 für die nicht verbrauchte Strommenge von 1261 kWh ab unter Zugrundelegung einer Vergütung von 19,31 Cent pro Kilowattstunde. Es wird Bezug genommen auf Anl. K4, Bl. 12 GA.
5Die Klägerin behauptet,
6die Anlage sei vor dem maßgeblichen Stichtag 1.4.2012 bereits in Betrieb genommen worden, so dass ihr eine höhere Vergütung (24,43 Cent pro kWh) als die ausgezahlte Vergütung (19,31 Cent pro kWh) zustände.
7Die Klägerin beantragt,
81. festzustellen, dass der Strom aus der Photovoltaikanlage der Klägerin auf dem Grundstück S-Weg, 50933 Köln, Gerätenummern der Beklagten 12819780 und 12819904, mit einer Wechselrichternennleistung von 8,3 kW und einer Gesamtleistung der Module von 7,61 kWp mit den bis zum 31.3.2012 geltenden Vergütungssätzen nach EEG zu vergüten ist;
92. die Beklagte zu verurteilen, an sie 603,93 € außergerichtliche Mahnkosten nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte behauptet,
13dass die Anlage erst nach dem entscheidenden Stichtag 1.4.2012 in Betrieb genommen wurde.
14Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen S, Weber, Derksen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 12.3.2014, Bl. 116 ff. GA, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 14.5.2014, Bl. 134 ff. GA, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 8.10.2014, Bl. 158 ff. GA. Weiter hat das Gericht Beweis erhoben durch schriftliches Gutachten des Sachverständigen T sowie Anhörung desselben. Für das Ergebnis der schriftlichen Begutachtung wird Bezug genommen auf das Gutachten vom 23.09.2015, Bl. 207 ff. GA. Für das Ergebnis der Sachverständigenanhörung wird Bezug genommen auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 8.6.2016, Bl. 311 ff. GA.
15Unter dem 23.03.2016 ist die Streitverkündete dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des höheren Vergütungsanspruchs nicht zu.
18I.
19Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EEG i.d.F. vom 1.1.2012 bis 31.03.2012 stützen. Denn die Anlagen wurden nach der Definition des Begriffs „Inbetriebnahme“ nicht vor dem 31.03.2012 in Betrieb genommen.
20Nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 5 EEG (vom 1.1.2012 bis 31.03.2012) i.V.m. § 66 Nr. 20 EEG (ab dem 1.4.2012) ist die Inbetriebnahme wie folgt definiert:
21„Inbetriebnahme“ die erstmalige Inbetriebsetzung des Generators der Anlage nach Herstellung der technischen Betriebsbereitschaft der Anlage, unabhängig davon, ob der Generator mit erneuerbaren Energien, Grubengas oder sonstigen Energieträgern in Betrieb gesetzt wurde; der Austausch des Generators oder sonstiger technischer oder baulicher Teile nach der erstmaligen Inbetriebnahme führt nicht zu einer Änderung des Zeitpunkts der Inbetriebnahme“.
22Um eine technische Betriebsbereitschaft der Photovoltaikanlage annehmen zu können ist nicht nur erforderlich, dass die Solarmodule installiert sind, sondern auch die wesentlichen Zubehörteile betriebsbereit sind. Dazu gehört insbesondere der Wechselrichter. Dieser ist unstreitig erst nach dem Stichtag vom 01.04.2012 montiert worden. Die Photovoltaikmodule liefern Gleichstrom. Über den Lasttrennschalter fließt dieser Strom zum Wechselrichter, der den Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt. Erst hierdurch ist es möglich den Strom in das Stromnetz einzuspeisen, das grundsätzlich als Wechselstrom betrieben wird. Es ist nicht vorgetragen, dass dies hier anders war. (Vgl. auch zur Voraussetzung des Wechselrichters für die Einspeisung von Strom in das Leitungsnetz: BFH, Urt. vom 06.10.2015 - VII R 25/14). Der Wechselrichter ist aber nicht nur als Stromwandler von zentraler Bedeutung, sondern ist auch als Regler und Betriebsführer der Photovoltaikanlage virulent (vgl. hierzu und zum vorhergehenden: Molitor, Der Photovoltaik-Anlagen Projektleitfaden, 2009, S. 58). Er dient in der Anlage u.a. dem automatischen Ein- und Ausschalten.
23Diese Gesetzesauslegung, nach der der Wechselrichter als zentrales Zubehörelement der Anlage anzusehen ist ohne den keine technische Betriebsbereitschaft gegeben ist, steht schließlich auch im Einklang mit der bisher hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in seinen beiden Urteilen vom 21.05.2008 – VIII ZR 308/07 und vom 16.03.2011 – VIII ZR 48/10, jeweils zum EEG 2004 und jeweils eine Biomasse-Anlage betreffend, ausgeführt, dass technische Betriebsbereitschaft dann vorliege, wenn die Anlage über sämtliche Einrichtungen zur Stromerzeugung verfüge und diese Einrichtungen so angeschlossen seien, dass die Anlage dauerhaft Strom erzeugen könne (vgl.: Oschmann in: Altrock/Oschmann/Theobald, 3. Aufl. 2011, § 3 Rn. 83: „Technisch betriebsbereit ist eine Anlage dann, wenn sie fertig gestellt ist, also grundsätzlich und tatsächlich dauerhaft Strom erzeugen kann.“). Eine technische Bereitschaft zur dauerhaften Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie besteht jedoch erst dann, wenn alle Zubehörteile, die für eine Dauerhaftigkeit erforderlich sind, angebracht sind, also auch der Wechselrichter.
24Diese Auslegung wird insbesondere durch die aktuelle Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2015 fundiert. Danach konkretisiert sich der Anlagenbegriff nicht in einer rein technisch-baulichen Betrachtung, sondern ergibt sich aus einer „Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des betriebstechnischen Konzepts“ (BGH, Urteil vom 04.11.2015 - VIII ZR 244/14). Die einzelnen Module müssen danach in einer Weise montiert sein, die „ein funktionales Zusammenwirken aller in den (Strom-) Produktionsprozess eingebundenen Module und Montageeinrichtungen“ ermöglichen, wobei alle „technisch und baulich notwendigen Installationen“ vorhanden sein müssen (BGH, Urteil vom 04.11.2015 - VIII ZR 244/14, Rz. 18 f.). Hierunter sind auch die Wechselrichter zu fassen.
25Gegen diese Auslegung spricht auch nicht, dass mit dem EEG 2012 in § 3 Nr. 5 EEG ein Satz 2 zur Konkretisierung des Begriffs der technischen Betriebsbereitschaft eingeführt worden (a.A. wohl OLG Naumburg, Urteil vom 11.07.2013 – 2 U 3/13). Daraus folgt aber nicht, dass in der Vorfassung des EEG für die Betriebsbereitschaft nicht die ortsfeste Montage sämtlicher Module unter Einschluss des Zubehörs (Wechselrichter) gehört. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich aber nicht, dass eine Änderung der Rechtslage herbeigeführt werden soll (vgl. Oschmann, in: Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, 4. Aufl. § 3 Rn. 108: „deklaratorisch geändert“). Vielmehr heißt es in BT-Drs 17/6071, S. 61:
26„Der Inbetriebnahmebegriff in § 3 Nummer 5 wird klarer gefasst, um bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. In Satz 1 wird klargestellt, dass es für die Inbetriebnahme einer Anlage auf den Zeitpunkt der erstmaligen Inbetriebsetzung des Generators der Anlage ankommt. Eine Änderung der bisherigen Rechtslage ist hiermit nicht verbunden. … Der neu hinzugefügte Satz 2 entspricht im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des § 21 Absatz 3 EEG 2009, jetzt allerdings bezugnehmend auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Er hat zur Folge, dass auch der Austausch einzelner Teile nicht zu einer Neuinbetriebnahme der Anlage führt. Wird z. B. die Gondel einer Offshore-Anlage wegen eines Defekts ausgetauscht, hat dies keine Neuinbetriebnahme zur Folge.“
27Dies ist nach Bekundung des Sachverständigen auch zuvor von der EEG Clearingstelle so gesehen worden: Erst als es zu Lieferschwierigkeiten gekommen sei, habe die EEG Clearingstelle ihre Anforderungen abgesenkt. Daraus folgt aber keine Verbindlichkeit für die Auslegung einer parlamentsgesetzlichen Vorschrift. Die Auffassung der EEG Clearingstelle ist als eine Rechtsansicht zu werten, keinesfalls als eine in irgendeiner Weise verbindliche, die Judikative bindende Auslegungsdeterminante.
28II.
29Darüber hinaus geht das Gericht aber auch davon aus, sofern bei anderweitiger Rechtsauffassung, nach der die Montage des Wechselrichters nicht für die Betriebsbereitschaft erforderlich wäre, dass zu mindestens der Anschluss des digitalen Messgeräts alleine nicht ausreichend war, um die Anlage in Betrieb zu nehmen. Für diesen Fall wäre bei Unterstellung der anderweitigen Rechtsauffassung zu mindestens erforderlich gewesen, dass ein so genannter „Glühlampentest“ durchgeführt wurde (vgl. Taplan/Baumgartner, NZBau 2015, 405 ff. m.w.N.) bzw. der Verbrauch des produzierten Stroms mittels eines Spannungsmessgeräts oder durch das Laden einer Batterie eintritt (vgl. Clearingstelle EEG v. 25.6.2010, 2010 (1) Rn. 55). Zwar dürften diese Erfordernisse mit BGH, Urteil vom 04.11.2015 - VIII ZR 244/14 nicht mehr ausreichend sein. Jedoch gilt unstreitig, dass ein Glühbirnentest nicht durchgeführt wurde. Auch der Verbrauch des produzierten Stroms mittels eines Spannungsmessgeräts ist nicht bewiesen. Denn das Gericht geht davon aus, dass es sich hierbei um einen messbaren Verbrauchswert handeln muss. Anderenfalls würden die Stichtagsregelungen des EEG ad absurdum geführt. Nach der Vernehmung des Sachverständigen ergab sich jedoch nachvollziehbar, dass der Stromverbrauch, der von dem Messgerät im hier zu entscheidenden Fall erfolgte, quasi nicht vorhanden und messbar war. Zwar räumt der Sachverständige ein, dass wahrscheinlich 0,001 Milliampere verloren gegangen sind. Dies aber nur aufgrund des Messens der Spannung. Sofern dies unterstellt werden kann, sind aber Verluste an Energie aufgrund des eigentlichen Vorgangs des Messen nicht ausreichend, da – bei Annahme dieser Rechtsauffassung (die ohnehin vom erkennenden Gericht nicht geteilt wird) – zu mindestens Verbrauchswerte vergleichbar zum Einsatz einer Glühbirne erforderlich wären. Das Messgerät selbst hatte eine eingebaute Batterie über die es versorgt wurde, so dass in diesem Fall nicht von einem Verbrauch durch das Messgerät gesprochen werden kann. Energie zum Betrieb des Messgeräts wurde nicht gezogen. Sofern beim Messen von Spannung ein kleiner „Verbrauch“ stattfindet ist diesbezüglich nicht von einem Verbrauch durch ein Gerät zu sprechen, sondern von Reibungsverlusten aufgrund des Messvorgangs. Dies ist aber nicht vergleichbar mit einem Verbrauch durch eine Verbrauchseinrichtung. Anderenfalls wäre ja auch in jedem Stromtransport über Elektrizitätsnetze über weitere Entfernungen von einem Verbrauch zu sprechen, obwohl dort nur Energieverluste aufgrund der Transportentfernung erfolgen.
30Im Ergebnis reicht also der hier erfolgte Messvorgang in keinem Fall aus um eine Inbetriebnahme anzunehmen. Anders wäre dies ggf. - unter Annahme einer abweichend von der hier vertretenen Rechtsauffassung -, sofern das Messgerät keine eigene Batterie für den Betrieb des Geräts gehabt hätte und für den Betrieb des Geräts selber Energie aus der Anlage gezogen hätte.
31III.
32Aufgrund des fehlenden Anspruchs in der Hauptsache ist auch die Nebenforderung nicht gegeben.
33IV.
34Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO.
35V.
36Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
37VI.
38Der Streitwert wird festgesetzt auf 6.059,83 €.
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Referenzen
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