Urteil vom Landgericht Köln - 28 O 230/16
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom 19.08.2016 – Az. 28 O 230/16 – wird bestätigt.
2. Die Kosten des weiteren Verfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.
1
Tatbestand:
2Der Verfügungsbeklagte veröffentlichte im August 2016 ein Buch der Autorin R mit dem Titel „Y - “ im Verlag M mit der ISBN ####. Die Autorin des Buches schildert in dem Werk – so wie von ihr nachempfunden – auch ihre Liebesbeziehung zu der Verfügungsklägerin vor über 40 Jahren. Ob die Liebesbeziehung als eine kurzzeitige Affäre bezeichnet werden kann, ist zwischen den Parteien streitig. Während der ca. 18 Monate andauernden Beziehung schrieb die Verfügungsklägerin an Frau R 106 Briefe (inklusive 2-3 Postkarten). In einem dieser Briefe bedachte sie Frau R und ihre Mutter testamentarisch.
3Die Verfügungsklägerin hat den Inhalt des Buches „Y - “ erstmals am 10.06.2016 zur Kenntnis genommen, nachdem ihr Prozessbevollmächtigter es erstmals kurz zuvor in der zweiten Augustwoche erhalten hatte. Für die Einzelheiten des Buches wird auf Anlage AST 1 verwiesen.
4Die Verfügungsklägerin gab in ihrer Autobiographie „X1“, ihrem Buch „X2! X3!“ und in ihrer Kolumne „X4“ sowie anderen Veröffentlichungen persönliche Details preis. Für die Einzelheiten dieser Veröffentlichungen wird auf S. 4f. und 9-80 des Schriftsatzes des Verfügungsbeklagten vom 04.10.2016 (Bl. 73f. und 78-90 d.A.) verwiesen. Auf die Frage in einer Fernsehsendung zu ihrer Autobiographie antwortete die Verfügungsklägerin Folgendes: „Ich bin auch als politisch handelnde Person […] vielleicht doch mal […] Informationen auch schuldig […] Da musste ich einfach real von meinem Leben sprechen und das ist mein Leben“. Über ihre damalige Liebesbeziehung zu Frau R hat sich die Verfügungsklägerin nicht öffentlich geäußert.
5Bereits im September 2015 wollte der Verfügungsbeklagte ein Buch der Autorin R mit dem Titel „Q“ veröffentlichen, in dem ebenfalls die Liebesbeziehung der Autorin zu der Verfügungsklägerin vor über 40 Jahren geschildert wird. Für die Einzelheiten wird auf das als Anlage AST 3 vorgelegte Manuskript des Buches verwiesen.
6Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.09.2015 forderte die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten auf, hinsichtlich des Werks „Q“ eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Für die Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Anlage AST 4 verwiesen. Daraufhin gab der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 16.09.2015 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab. Für die Einzelheiten dieser Erklärung wird auf Anlage AST 5 verwiesen. Diese Erklärung nahm die Verfügungsklägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 17.09.2015 an. Für die Einzelheiten der Annahmeerklärung wird auf AST 6 verwiesen.
7Mit Schreiben vom 13.10.2015 erklärte der Verfügungsbeklagte „die Anfechtung wegen Drohung zudem wegen arglistiger Täuschung der Unterlassungsvereinbarung zwischen mir und Frau T wegen der Abmahnung vom 15.09.2105 [sic] (‚Q‘)“. Des Weiteren erklärte er die Anfechtung und Kündigung des Vertrags „wegen Irrtums […] in (analoger) Anwendung des § 119 BGB […], da ich im Irrtum befangen war, dass die für Frau T tätigen Rechtsanwälte eine zumindest nicht den Regeln der Rechtswissenschaft vertretbare Rechtsauffassung in dem Abmahnungsschreiben vom 15.09.2015 darlegten und somit als Organ der Rechtspflege handelten“.
8In dem von dem Verfügungsbeklagten angestrengten Prozesskostenhilfeverfahren (28 O 395/15) erklärte er in der Beschwerdeschrift vom 12.02.2016, mit dem er sofortige Beschwerde gegen den den Prozesskostenhilfeantrag ablehnenden Beschluss der Kammer vom 30.12.2015 einlegte, die Anfechtung seiner Unterlassungsverpflichtungserklärung wegen Inhaltsirrtums gemäß § 119 BGB. Zur Begründung führte er dort aus, dass der Verfügungsbeklagte eine Unterlassungsvereinbarung des Inhalts abschließen wollte, dass „eine Veröffentlichung des streitgegenständlichen Werks nicht erfolgt, bis richterlich geklärt ist, dass der behauptete, gesetzliche Anspruch der Antragsgegnerin [Verfügungsklägerin] aus Persönlichkeitsrecht nicht existiert“. In der Stellungnahme der Verfügungsklägerin zum Prozesskostenhilfeantrag des Verfügungsbeklagten vom 08.12.2016 hatte sie in Bezug auf die Formulierung der Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anlage AST 5) Folgendes vorgetragen: „Nur mit einer positiven Feststellungsklage könnte der Antragsteller [Verfügungsbeklagte] also sein Begehr erreichen. Denn laut Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung kann nur durch rechtskräftige positive Feststellung, dass das Werk ‚Q‘ nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragsgegnerin [Verfügungsklägerin] verletzt, die Bindungswirkung der Unterlassungserklärung beseitigt werden. Bei einer positiven Feststellungsklage ist es aber der Antragsteller [Verfügungsbeklagte], der ein Recht für sich in Anspruch nimmt. Er trägt daher die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen seines Klageziels.“
9Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.08.2016 forderte die Verfügungsklägerin den Beklagten erfolglos zur Zahlung einer Geldstrafe, Unterlassung des Werkes mit dem Titel „Y - “ sowie erneuten Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Für die Einzelheiten des Abmahnschreibens wird auf Anlage AST 7 verwiesen.
10Das Landgericht Köln hat auf den Antrag der Verfügungsklägerin, der am 15.08.2016 bei Gericht eingegangen ist, mit Beschluss vom 19.08.2016 dem Verfügungsbeklagten verboten, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, das Werk „Y - “ von R zu verbreiten und / oder verbreiten zu lassen, wie geschehen im Verlag M mit der ISBN #### im August 2016.
11Drei Ausfertigungen der einstweiligen Verfügung vom 15.08.2016 wurden der Verfügungsklägerin am 23.08.2016 zugestellt. Eine Ausfertigung ließ sie im Wege der Parteizustellung dem Verfügungsbeklagten persönlich am 25.08.2016 zustellen. Eine weitere Ausfertigung wurde seinem Prozessbevollmächtigten am 31.08.2016 zugestellt. Der Ausfertigungsvermerk auf der Ausfertigung, welche der Verfügungsbeklagte erhielt, war von der Justizbeschäftigten Frau A wie auf Bl. 55 d.A. zu sehen unterzeichnet. Die der Verfügungsklägerin noch vorliegenden Ausfertigungen waren von Frau A wie aus Anlagenkonvolut 12 (Bl. 109f. d.A.) ersichtlich unterzeichnet.
12Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, dass das Werk „Y - “ eine unwesentliche Erweiterung des Werks „Q“ bzw. ein kerngleiches Werk darstelle und daher bereits aus der Unterlassungsvereinbarung vom 16. /17.09.2016 ein Unterlassungsanspruch folge. Zudem habe sie einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 GG. Die Buchveröffentlichung verletzte sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, da Informationen aus ihrer Intim- und Privatsphäre verbreitet werden. Zudem könne eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte nur dadurch verhindert werden, dass das Werk in seiner Gesamtheit verboten werde, da es von Schilderungen, die ihre Intim- und Privatsphäre beträfen, durchzogen sei.
13Sie beantragt,
14die einstweilige Verfügung vom 19.08.2016 – Az. 28 O 230/16 – zu bestätigen.
15Der Verfügungsbeklagte beantragt,
16die einstweilige Verfügung vom 19.08.2016 – Az. 28 O 230/16 – aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
17Er ist der Auffassung, dass das Landgericht Köln örtlich nicht zuständig sei. Des Weiteren sei die einstweilige Verfügung alleine wegen eines nicht mehr heilbaren Formmangels aufzuheben, da die Unterschrift eines Urkundsbeamten i.S. des § 317 Abs. 4 ZPO fehle und dem entsprechend eine ordnungsgemäße Ausfertigung innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht mehr zugestellt werden könne.
18Es bestehe auch kein Unterlassungsanspruch. Er hält die Unterlassungsverpflichtungserklärung für unwirksam. Sie sei jedenfalls, wie in der Beschwerdeschrift in dem Prozesskostenhilfeverfahren (28 O 395/15, dort PKH-Heft, Bl. 28-35), auf welche Bezug genommen werde, ausgeführt sei, wegen Anfechtung aufgrund eines Inhaltsirrtums (§ 119 BGB) nichtig.
19Auch habe die Verfügungsklägerin keinen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts, da die Voraussetzungen im Hinblick auf ihre eigenen bisherigen Veröffentlichungen und ihre Rolle als Person der Zeitgeschichte sowie Leitfigur der Frauenbewegung nicht gegeben seien. Da sie – was unstreitig ist – gleichzeitig zu ihrer langjährigen Beziehung zu C, über die sie in ihrer Autobiographie geschrieben habe, auch die Beziehung zu Frau R unterhalten habe, sei ein berechtigtes öffentliches Interesse gegeben, auch über die Beziehung zu Frau R zu berichten. Angesichts der Preisgabe ihrer privaten Lebensumstände und Darstellungen in der Autobiographie und weiteren Veröffentlichungen sei ein Unterlassungsanspruch nicht gerechtfertigt. Ob sich ihre öffentliche Selbstdarstellung möglicherweise nicht vollumfänglich mit ihrem privaten Verhalten in Einklang bringen lasse, sei für die Öffentlichkeit naturgemäß von Interesse. Solche Widersprüche seien gegeben, da die Verfügungsklägerin – was unstreitig ist – die Auffassung öffentlich vertrat, dass jemand wie Herr L, der mehrere Beziehungen gleichzeitig unterhalte, der Therapie bedürfe oder nach Veröffentlichung der Memoiren der ehemaligen Lebensgefährtin des französischen Staatspräsidenten Hollande, Frau U, die Öffentlichkeit umfassend über sein Beziehungsleben zu informieren sei, und sie – ebenso unstreitig – ihre eigene Schilderung der körperlichen Liebe zwischen General Bastian und Petra Kelly verteidigte.
20Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
21Die Akten des Verfahrens 28 O 395/15 des Landgerichts Köln waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
22Entscheidungsgründe:
23Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
24I.
25Der Eilantrag der Verfügungsklägerin ist zulässig.
26Das LG Köln ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig und zwar für die Entscheidung über den Antrag bzw. Unterlassungsanspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, d.h. aus unerlaubter Handlung und des hier vorliegenden Vertragsverhältnisses. Nach § 17 Abs. 2 S. 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Das gilt entsprechend auch für die örtliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2003, 828) gilt bei Ansprüchen, die sowohl auf vertragliche Rechte als auch auf unerlaubte Handlung gestützt sind, Folgendes:
27„Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO ist, dass der Kl. sein Begehren auf eine unerlaubte Handlung stützt, das heißt dass er einen materiellen Anspruch aus unerlaubter Handlung darlegt (vgl. Senat, NJW 2002, 1425). Eine dadurch begründete örtliche Zuständigkeit erstreckt sich nach dem Wortlaut der Bestimmung auf die „Klage”. Der Gesetzeswortlaut knüpft damit insoweit nicht an materiell-rechtliche Kategorien an, sondern an den mit der Klage geltend gemachten prozessualen Streitgegenstand. Wird bei Darlegung einer unerlaubten Handlung mit der hierauf gestützten Klage ein einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht, hat das insoweit örtlich zuständige Gericht deshalb den Rechtsstreit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, sondern unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden.“
28Dies ist hier der Fall, da die Verfügungsklägerin in ihrer Antragsschrift den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch sowohl auf die Unterlassungsvereinbarung als auch auf § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 GG stützte und hierzu vorgetragen hat.
29II.
30Die einstweilige Verfügung ist nicht wegen Versäumung der Vollziehungsfrist aufzuheben. Eine ordnungsgemäße Ausfertigung wurde dem Verfügungsbeklagten innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO zugestellt.
31Insbesondere war gemäß § 329 Abs. 1 i.V.m. § 317 Abs. 4 ZPO die ihm zugestellte Ausfertigung von Frau A als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle unterschrieben und mit dem Gerichtssiegel versehen.
32Was unter einer “Unterschrift” zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Dabei sind an die Unterschrift des Urkundsbeamten dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze durch Rechtsanwälte. Eine Unterschrift setzt danach ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehendes Gebilde voraus, das nicht lesbar zu sein braucht. Vereinfachungen, Undeutlichkeiten und Verstümmelungen sind unschädlich. Erforderlich, aber auch genügend, ist das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzuges, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. An das Schriftbild einer wirksamen Unterschrift dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden; dabei ist auch von Bedeutung, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Handzeichen, die allenfalls einen Buchstaben verdeutlichen, sowie Unterzeichnungen mit einer Buchstabenfolge, die erkennbar als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheint, stellen demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.2015 – IV ZB 32/14, BeckRS 2015, 10712; NJW 2013, 3451; Beschl. v. 9.2.2010 – VIII ZB 67/09, BeckRS 2010, 4929; NJW 2005, 3775; Beschl. V. 26.02.1997 – XII ZB 17/97, BeckRS 1997, 31118742; jeweils m. w. Nachw.).
33Es bestehen vorliegend keine Zweifel an der Autorenschaft von Frau A als Unterzeichnende, so dass grundlegend eine großzügige Betrachtungsweise geboten ist (vgl. BGH Beschl. v. 9.2.2010 – VIII ZB 67/09, BeckRS 2010, 4929; NJW 2005, 3775). Hinzukommt, dass Frau A – wie aus Anlagenkonvolut 12 ersichtlich und der Kammer bekannt – stets in zumindest ähnlicher Weise unterschreibt. Vor diesem Hintergrund ist hier das Erfordernis der Unterschrift noch erfüllt. Einzelne Buchstaben sind zwar nicht erkennbar. Der Linienzug weist jedoch durch die Schwünge und die Schleife, die sich überlappen, eindeutig charakteristische Merkmale auf, die nicht leicht nachzuahmen sind. Aufgrund der starken Stilisierung des Schriftzuges ist auch die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennbar. Auch wenn es sich hier nur im einen Linienzug handelt, muss dies nicht heißen, dass nur ein Buchstabe wiedergegeben wird. Vielmehr handelt es sich um eine Vereinfachung, da aus den sich überlappenden Schwüngen mehrere Buchstaben, wenn auch nicht die konkreten einzelnen Buchstaben, herausgelesen werden können.
34III.
35Die Verfügungsklägerin hat gegen den Verfügungsbeklagten ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Veröffentlichung und Verbreitung des Werkes „Y - “ gemäß § 339 BGB i.V.m. den Unterlassungserklärungen vom 16./17.09.2015.
36Die Unterlassungserklärung des Verfügungsbeklagten vom 16.09.2015 hat die Verfügungsklägerin am 17.09.2015 angenommen.
37Die Reichweite eines Unterlassungsvereinbarung ist nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu beurteilen. Für die Auslegung eines Unterlassungsvertrags kommt es maßgeblich darauf an, wie ein vom Gläubiger formulierter Erklärungsinhalt aus der Sicht des Schuldners zu verstehen gewesen ist. Hierbei kommt der Frage, was der Gläubiger im Abmahnschreiben beanstandet, maßgebliche Bedeutung zu (BGH, NJW-RR 2003, 1278; NJW 1997, 3087; NJW 1996, 723). Bei der Auslegung ist neben dem Wortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck sowie deren Interessenlage heranzuziehen (BGH, NJW-RR 2003, 1278). Es entspricht im Allgemeinen weder dem Interesse des Gläubigers noch des Schuldners, durch eine Unterlassungsverpflichtung schlechter als durch ein entsprechendes Urteil gestellt zu werden, denn der Zweck des Unterlassungsvertrags besteht regelmäßig darin, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr auszuräumen und die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen (BGH a.a.O.). Da die Vermutung der Wiederholungsgefahr jedoch nicht allein für die identische Verletzungsform gilt, sondern alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen umfasst, erstreckt sich eine die konkrete Verletzungsform wiedergebende Unterwerfungserklärung wie ein entsprechender Unterlassungstitel im Allgemeinen nicht allein auf identische, sondern auf alle Handlungen, die das Charakteristische der verletzenden Handlung aufweisen (BGH, NJW-RR 2010, 1343; NJW-RR 2003, 1278; NJW 1997, 3087), es sei denn, der Unterlassungsvertrag ist im konkreten Fall wegen seines Zustandekommens bewusst eng auf die konkrete Verletzungsform bezogen auszulegen (BGH, NJW-RR 2003, 1278; NJW 1997, 3087).
38Nach diesen Grundsätzen ist aus objektiver Sicht die zwischen den Parteien am 16. /. 17.09.2015 geschlossene Unterlassungsvereinbarung dahingehend zu verstehen, dass sie nicht nur das konkrete Werk „Q“, sondern auch alle kerngleichen Werke erfasst. In dem Abmahnschreiben vom 15.09.2015 (Anlage AST 4) beruft sich die Verfügungsklägerin auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und beanstandet, dass ihre „intime Beziehung zu der Autorin R“ öffentlich gemacht werde, obwohl sie sich zu dieser Beziehung „zu keinem Zeitpunkt öffentlich geäußert“ habe. Aus der objektiven Sicht eines Empfängers, kam es der Verfügungsklägerin im Kern also nicht nur auf die konkrete Darstellung in dem Werk „Q“, sondern die Veröffentlichung ihrer Beziehung zu Frau R, wenn dies geschieht wie in dem Werk „Q“, an. Vor diesem Hintergrund ist auch die von dem Verfügungsbeklagten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung dahingehend zu verstehen, dass diese hier nicht bewusst eng ausschließlich auf das konkrete Werk „Q“ bezogen ist. Vielmehr kommt es aus der objektiven Sicht eines Empfängers auch ihm – wie aus der formulierten Bedingung ersichtlich – darauf an, ob die Rechte der Verfügungsklägerin durch die Veröffentlichung der geschilderten Beziehung verletzt werden. Der Umfang der Unterlassungserklärung, welche die Verfügungsklägerin angenommen hat, umfasst somit nicht nur die Veröffentlichungen, die mit dem Werk „Q“ identisch sind, sondern auch solche gleichwertigen Veröffentlichungen, die ungeachtet etwaiger Abweichungen im Einzelnen den Äußerungskern – die Veröffentlichung der Beziehung wie geschehen in dem Werk „Q“ – unberührt lassen.
39Der Verfügungsbeklagte hat gegen die zwischen den Parteien am 16. /. 17.09.2015 geschlossene Unterlassungsvereinbarung verstoßen, indem er das Werk „Y - “ veröffentlichte und verbreitete. Darin ist ein kerngleicher Verstoß zu sehen. Die vorgenommenen Änderungen führen nicht dazu, dass ein „neues“ Werk entstanden ist, das den oben genannten Äußerungskern nicht mehr enthält oder in einer wesentlich anderen Form darstellt. Eine wesentliche Abweichung entsteht nicht allein durch das neue Layout (auch im Innenteil des Buches), da es maßgeblich auf den veröffentlichten Inhalt ankommt. Auch wenn die Textpassagen nunmehr teilweise an einer anderen Stelle stehen, die Überschriften in ihrem Wortlaut abgeändert und einzelne Wörter durch Synonyme / Umschreibungen ersetzt sowie einzelne neue Bilder veröffentlicht wurden, so werden in Bezug auf die Verfügungsklägerin und ihre Beziehung zu der Autorin Frau R im Wesentlichen die gleichen Geschichten erzählt. Auch wenn des Weiteren die einzelnen Geschichten teilweise geringfügig erweitert oder in gekürzter Form oder an andere Stelle erzählt werden, geschieht dies vorliegend nicht in einem Maße, das eine neue Geschichte entsteht oder ein neues Werk entstanden ist, sondern das Werk „Q“ wurde aus Sicht eines interessierten und unvoreingenommenen Durchschnittslesers einfach überarbeitet und mit dem Titel „Y - “ und einem neuen Vorwort erneut veröffentlicht. Dem entsprechend bezeichnet der Verfügungsbeklagte das Werk „Y - “ auch als „erweiterte Fassung“ in seinem Vorwort. Die Erweiterungen gehen aber aus den vorgenannten Gründen nicht so weit, dass das Charakteristische des Werks „Q“ verloren gegangen oder umgestaltet worden wäre.
40Die in der Unterlassungsverpflichtungserklärung formulierte Bedingung ist bisher unstreitig nicht eingetreten. Entgegen der Ansicht des Verfügungsbeklagten ist aus objektiver Sicht eines Erklärungsempfängers seine Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anlage AST 5) nicht dahingehend auszulegen, dass er diese unter den Vorbehalt einer gerichtlichen Prüfung stellte. Sondern bereits aus dem Wortlaut der Erklärung geht eindeutig hervor, dass er sich zur Unterlassung verpflichtet „bis entweder rechtskräftig gerichtlich positiv festgestellt wurde, dass das Werk nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Frau T verletzt, oder diese noch ihre Zustimmung zur Verbreitung erteilt“ (Hervorhebung hinzugefügt).
41Die Unterlassungsverpflichtungserklärung ist entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten wirksam.
42Einen Verstoß gegen § 134 BGB i.V.m. § 12 UrhG vermag die Kammer nicht zu erkennen. Denn natürlich muss es einem Urheber eines urheberrechtlich geschützten Werks möglich sein, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben bzw. einen entsprechenden Vertrag zu schließen, ohne gegen ein gesetzliches Verbot zu verstoßen, da auch das Urheberpersönlichkeitsrecht in einer Wechselwirkung mit anderen Grundrechten steht (vgl. Schulze in: Dreier/Schulze, Kommentar zum UrhG, 3. Auflage 2008, § 12 UrhG, Rn. 16). Ansonsten wäre es dem Urheber eines Werkes nicht möglich, zur Vermeidung eines Prozesses auf Grundrechtsverletzungen in seinem Werk zu reagieren.
43Auch ein Verstoß gegen die §§ 138, 134, 242 BGB i.V.m. Art 5 Abs. 1 S. 3 GG liegt nicht vor. Unter Zensur ist nur eine staatliche Maßnahme zu verstehen, nicht dagegen die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung oder der Abschluss eines entsprechenden privatrechtlichen Vertrags. Auch handelt sich bei einem Rechtsanwalt zwar um ein Organ der Rechtspflege, jedoch nicht um einen staatliche Institution. Unter Zensur sind jedoch nur Maßnahmen zu verstehen, die von der Gesetzgebung oder der Verwaltung des Staates ausgehen, nicht dagegen Entscheidungen von Gerichten oder vertragliche Vereinbarungen. Maßnahmen anderer Art, die – wie hier die Abmahnung – Druck auf einen Verleger ausüben sollen, ein Werk nicht zu veröffentlichen oder ein erschienenes Werk zurückzuziehen, sind keine Zensur und daher nicht an Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG zu messen.
44Die Unterlassungsverpflichtungserklärung ist entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten auch nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB i.V.m. § 119, 123 Abs. 1 BGB nichtig.
45Denn die Abmahnung eines vermeintlichen Rechtsverletzers durch einen Rechtsanwalt unter Darlegung des zugrunde liegenden Sachverhalts sowie der vertretenen Rechtsauffassung und unter Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Darstellung der möglichen rechtlichen Konsequenzen bzw. des weiteren Vorgehens kann nur in Ausnahmefällen (vgl. BGH, Beschluss vom 05.09.2013 – 1 StR 162/13) eine widerrechtliche Drohung oder eine arglistige Täuschung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB darstellen. Ein solcher Ausnahmefall ist seitens des insofern darlegungs- und beweisbelasteten (vgl. Ellenberger in: Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, § 123 BGB, Rn. 30) Verfügungsbeklagten nicht schlüssig vorgetragen worden und liegt entgegen seiner Auffassung nicht schon bereits deshalb vor, weil die Verfügungsklägerin ein Gesamtverbot des Buchs anstrebte, da dies grundsätzlich möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.2007 - 1 BvR 1783/05). Auch die kurze Frist zur Stellungnahme führt nicht zum Vorliegen eines entsprechenden Ausnahmefalls, da es dem Verfügungsbeklagten möglich gewesen wäre, auch innerhalb dieses Zeitraumes Rechtsrat einzuholen, zumal es ihm möglich war, eine eigene Unterlassungsverpflichtungserklärung zu formulieren.
46Auch eine Nichtigkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung gemäß § 142 Abs. 1 BGB i.V.m. § 119 Abs. 1 BGB kommt unabhängig von der Frage des Wahrung der Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, da der Verfügungsbeklagte die von ihm behauptete Fehlvorstellung, der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin sei nicht deren Interessenvertreter, schon aufgrund des ersten Satzes der Abmahnung vom 15.09.2015 (vgl. Anlage AST 4) nicht haben konnte.
47Auch einen Grund, welcher zu einer außerordentlichen Kündigung der Unterlassungsverpflichtungserklärung bzw. eines entsprechenden Vertrags berechtigen könnte (vgl. hierzu Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort– und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 12, Rn. 31), liegt in diesem vermeintlichen Irrtum nicht.
48Ferner schließt sich die Kammer den Ausführungen des OLG Köln in dem Beschluss vom 02.05.2016 (15 W 11/16) an. Danach kann offen bleiben, ob der Verfügungsbeklagte einen Inhaltsirrtum schlüssig dargelegt hat, indem er vorgetragen hat, dass er die Unterlassungsverpflichtungserklärung unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Prüfung habe abgeben wollen. Jedenfalls ist Anfechtung wegen Inhaltsirrtums nicht fristgerecht erfolgt. Nach § 121 Abs. 1 BGB muss die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Nachdem die Verfügungsklägerin in ihrer Stellungnahme vom 08.12.2015 zu dem Prozesskostenhilfeantrag des Verfügungsbeklagten (28 O 395/15) geschrieben hatte, dass sie seine Unterlassungsverpflichtungserklärung dahingehend verstanden habe, dass „nur mit einer positiven Feststellungsklage […] der Antragsteller also sein Begehr erreichen“ könne und der Verfügungsbeklagte „daher die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen seines Klageziels“ trage, ließ er sich etwa zwei Monate Zeit bis er die Anfechtung erklärte, obwohl er zumindest eine Eventualaufrechnung auch schon in dem Schriftsatz vom 16.12.2015, in dem er zu dem Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 08.12.2015 Stellung nahm, hätte erklären können und müssen, damit die Anfechtung unverzüglich erfolgt.
49II.
50Da der Unterlassungsanspruch bereits aus § 339 BGB i.V.m. den Unterlassungserklärungen vom 16./17.09.2015 kann offen bleiben, ob daneben die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB, Artt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG erfüllt sind.
51III.
52Der Verfügungsgrund ist gegeben, da die Verfügungsklägerin, nachdem sie Anfang August Kenntnis von dem Inhalt des Buches „Y - “ erlangt hatte, am 15.08.2016 einen Eilantrag beim Landgericht Köln eingereicht hat.
53IV.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit mit dem Urteil die einstweilige Verfügung bestätigt wird, wirkt dies wie die ursprüngliche einstweilige Verfügung (§§ 936, 929 Abs. 1 ZPO) und ist daher mit der Verkündung sofort vollstreckbar, auch wegen der Kosten (vergleiche Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 925 Rn. 9).
55Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
56Rechtsbehelfsbelehrung:
57A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
581. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
592. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
60Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
61Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
62Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
63Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
64B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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