Urteil vom Landgericht Köln - 31 O 401/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin wendet sich gegen die Führung des Namens „X“ durch die Beklagte.
3Die Klägerin ist eine politische Partei, die am 06.02.2013 in Berlin gegründet wurde. Bei der Bundestagswahl 2013 erreichte sie 4,7 % der Stimmen. Inzwischen hat die Klägerin über 30.000 Mitglieder und ist im europäischen Parlament sowie inzwischen in allen 16 Landesparlamenten, unter anderem auch in Nordrhein-Westfalen vertreten. Bei der Bundestagswahl 2017 wurde sie mit 12,6 % der Stimmen drittstärkste Kraft nach der CDU und der SPD.
4Die Beklagte ist ebenfalls eine politische Partei. Sie wurde von der ehemaligen Sprecherin der Klägerin, Dr. Q, initiiert und am 17.09.2017 gegründet. Am 26.09.2017 wurde sie beim Bundeswahlleiter angemeldet. Sie ist derzeit u.a. im Landtag von NRW mit drei Abgeordneten vertreten. Nach § 1 ihrer Satzung führt die Beklagte den Namen „X“. Am 14.10.2017 meldete Frau Dr. Q beim DPMA „X“ als Wort- und Wort-/Bildmarke an. Die Klägerin meldete am 17.10.2017 beim DPMA „X“ als Wort-/Bildmarke an.
5Ausweislich der Satzung führt die Klägerin den Namen „Y“. Die Kurzbezeichnung der Partei lautet danach „Y“. Die Klägerin verwendet seit ihrer Gründung Anfang 2013 die Farbe Blau in ihrer Außendarstellung. Wegen der Einzelheiten wird auf ihre Logos, die auch als Marken geschützt sind (Anlagenkonvolut 3), sowie ihre Internetauftritte (Anlagenkonvolut 4) und Werbeauftritte in sozialen Netzwerken (Anlagenkonvolut 5) sowie auf Wahlplakaten (Bl. 22-25 d.A.) verwiesen. Schließlich wird die Farbe Blau bei der Außen- und Innengestaltung von Räumen der Kreisverbände verwendet, bei Autogrammkarten, Briefpapier, Visitenkarten, Stellenanzeigen, Büromaterial, Formularen, Rollups, Grafiken, Informationsmaterialien, Flyern, Zeitungen und Rundbriefen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 22.05.2018 sowie die entsprechenden Anlagen verwiesen (Anlage BN1.1-BN9.1).
6In der Druckpresse und im Fernsehen wird bei der Darstellung von Wahlprognosen und der Stimmenverteilung mittels Diagrammen ebenfalls die Farbe Blau für die Klägerin verwendet (Anlagenkonvolut 6 und 7). Auch in der Berichterstattung wird die Klägerin mit der Farbe Blau in Verbindung gebracht. Wegen der Einzelheiten wird insbesondere auf die Anlagen BN10.1-10.47 verwiesen.
7Mit Schreiben vom 15.11.2017 mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Die Beklagte wies den geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit Schreiben vom 26.11.2017 zurück.
8Die Klägerin ist der Ansicht, durch die seit ihrer Gründung durchgängig und intensive Benutzung der Farbe Blau in der gesamten Außendarstellung habe sie einen namensrechtlichen Schutz an der Farbe erlangt. Dieser scheide nicht deswegen aus, weil die Farbe Blau – was sie bestreitet – möglicherweise auch mit anderen Parteien in Verbindung gebracht werde. Zwischen der Farbe und dem angegriffenen Namen der Beklagten bestehe eine Verwechslungsgefahr.
9Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen, den Namen „X“ zu führen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.348,94 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Ansicht, ein namensrechtlicher Schutz der Farbe Blau stehe der Klägerin nicht zu. Auch andere Parteien verwendeten die Farbe Blau in der Öffentlichkeitsarbeit. Wegen der Einzelheiten wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 19.07.2018 und die entsprechenden Anlagen verwiesen.
16Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist unbegründet.
19I.
20Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 12 BGB i.V.m. § 4 PartG.
211.
22Gemäß § 12 BGB gilt, dass der Inhaber des Namensrechtes für den Fall, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht und dadurch das Interesse des Berechtigten verletzt, Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann. Dieser allgemeine Namensschutz wird im Verhältnis einer Partei zu anderen politischen Parteien durch § 4 PartG erweitert. Nach § 4 PartG genießt eine politische Partei Namensschutz gegenüber einer später gegründeten Partei über die allgemein geltenden Grundsätze hinaus auch dann, wenn ihr Name weder von Natur aus eine individualisierende Eigenart aufweist noch als Bezeichnung der Partei Verkehrsgeltung erlangt hat und kraft Verkehrsgeltung Unterscheidungskraft besitzt (vgl. auch BGHZ 79, 265). Nicht nur der Parteiname als solcher, sondern auch die in der Regel im Wege einer Abkürzung aus Buchstabenzusammenstellungen gebildete Kurzbezeichnung ist gemäß § 4 PartG schutzfähig.
23Nach § 4 PartG müssen sich Name und Kurzbezeichnung einer neu gegründeten Partei von den Namen und Kurzbezeichnungen bestehender Parteien deutlich unterscheiden, ohne dass es darauf ankommt, wie lange diese Parteien schon bestehen. Selbst wenn sie erst vor kurzer Zeit gegründet worden sind, greift das Unterscheidungsgebot ein. Die Unterscheidungspflicht gilt auch für Kurzbezeichnungen, d.h. für Abkürzungen oder einprägsame Kurzfassungen des Parteinamens (vgl. Morlok, ParteienG, 2. Aufl. (2013), § 4 Rn. 2). Aus dem Erfordernis eines deutlichen Unterscheidens von vorbestehenden Parteinamen lässt sich ableiten, dass stets ein großer Abstand zu älteren Parteinamen (und Kurzbezeichnungen) einzuhalten ist. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass den Parteien in einer Demokratie besondere Bedeutung zukommt, so dass Namensverwechslungen im öffentlichen Interesse nicht in Kauf genommen werden können und daher in jedem Fall verhindert werden müssen (vgl. auch Schmitt-Gaedke/Arz, Der Namensschutz politischer Parteien, NJW 2013, Bl. 2729 ff.).
24Die Regelung des § 4 PartG findet ihren Sinn in der besonderen Eigenart des politischen Parteienwesens. Die historische Entwicklung hat gezeigt, dass die Parteien in aller Regel in ihrem Namen ihre politische Grundhaltung zum Ausdruck bringen wollen. Parteinamen setzen sich daher vielfach aus Sach- und Gattungsbegriffen des allgemeinen Sprachgebrauchs zusammen, denen von Natur aus die Eignung zur Namensfunktion fehlt (BGHZ 79, 265).
25Im Verhältnis zwischen politischen Parteien besteht kein unabweisbares Bedürfnis, Sach- und Gattungsbegriffe vom Schutzbereich freizuhalten, weil die Zahl der Parteien begrenzt ist und daher jeder Partei ausreichende sprachliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ihre Ziele im Parteinamen durch eine von den übrigen Parteinamen deutlich unterschiedene Bezeichnung zum Ausdruck zu bringen. Die Beschränkung des Schutzes von Parteinamen auf den Namensschutz nach allgemeinen Grundsätzen würde im Übrigen zur Folge haben, dass mehrere Parteien verwechselbare oder sogar identische Namen und Kurzbezeichnungen gleichzeitig führen dürften (BGHZ 79, 265). Ein solches Ergebnis wollte der Gesetzgeber im Interesse der Wähler, denen die politische Orientierung erleichtert werden soll, vermeiden. Die Regelung des § 4 PartG dient aber nicht nur dem öffentlichen Interesse daran, dass den Wählern durch die deutliche Unterscheidbarkeit der Parteinamen die politische Orientierung erleichtert wird, sondern auch dem Interesse der Parteien am Schutz ihres Namens.
262.
27Auch wenn Namen und Buchstabenfolgen, die nicht lautlich ausgeschrieben sind und für die Öffentlichkeit ohne Kenntnis der vollständigen Bezeichnung willkürlich und unverständlich erscheinen, und damit von Natur aus nicht unterscheidungskräftig sind in dem Sinn, dass sie geeignet sind, wie ein Name zu wirken, nach § 4 PartG kraft Gesetzes Namensschutz zukommen, kann dies im Streitfall auf die Verwendung der Farbe Blau im Außenauftritt der Klägerin nicht ohne Weiteres übertragen werden. Für die Farbe Blau kann die Klägerin vielmehr keinen Namensschutz in Anspruch nehmen.
28Der Name ist grundsätzlich eine aus Buchstaben bestehende, aussprechbare sprachliche Kennzeichnung einer Person zur Unterscheidung von anderen (vgl. nur Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. (2019), § 12 Rn. 1). Objekte des Namensschutzes sind darüber hinaus auch Kennzeichen, wenn sie Namensfunktion besitzen. Namensfunktion erfüllt eine Bezeichnung, wenn sie geeignet ist, eine Person oder ein Unternehmen mit sprachlichen Mitteln unterscheidungskräftig zu bezeichnen. Dazu gehört, dass sie aussprechbar ist und auf die beteiligten Verkehrskreise „wie ein Name“ wirkt.
29Beim Namen einer politischen Partei können grundsätzlich auch Farbangaben wesentliche und individualisierende Bestandteile des Namens sein, jedenfalls dann, wenn derartige Begriffe mit einzelnen Parteien und ihrer Zielrichtung allgemein assoziiert werden. Dies gilt aber vor allem hinsichtlich des Schutzes solcher Begriffe (vgl. Ipsen, Parteiengesetz, 2. Aufl. (2018), § 4 Rn. 6: „grün“).
30Die Klägerin verwendet die Farbe Blau dagegen nicht namensmäßig. Die Farbe Blau ist nicht begrifflicher Bestandteil des satzungsmäßigen Namens (anders als bei „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“) und wird auch darüber hinaus nicht als wörtliche Bezeichnung der Partei verwendet oder verstanden. Als Name wirkt bei dem angesprochenen Verkehr, insbesondere den Wahlberechtigten, nur „Y“ und die Abkürzung „Y“.
31Auch wenn die Klägerin die Farbe Blau durchgängig und intensiv in der Außendarstellung genutzt hat und weiterhin nutzt, steht ihr daran kein namensrechtlicher Schutz zu. Sie ist nicht geeignet, im Verkehr als Name der Partei individualisierend zu wirken.
32Farben markieren in der Parteienlandschaft allgemein weltanschauliche Positionen und reduzieren insofern die Komplexität politischer Praxis, wobei der Einsatz einzelner Farben schon immer vielfältig und ihre Bedeutung nie eindeutig fixiert war. Die Farbe Blau wird sowohl der CSU zugeordnet als auch der Y. In anderen europäischen Ländern firmieren Liberale häufiger als die Blauen, in weiteren Staaten wieder werden Konservative mit der Farbe Blau assoziiert (vgl. Schüler, Farben als Wegweiser in der Politik – Bundeszentrale für politische Bildung (2006)).
33Der Schutz des Namens hat dagegen die Funktion als Identitätsbezeichnung der Person seines Trägers. Die eindeutige Identitätsbezeichnung der Klägerin erfolgt über ihren in der Satzung niedergelegten Namen „Y“ bzw. die Abkürzung „Y“. Selbst wenn sowohl von ihr als auch von Dritten (insbesondere der Presse) die Farbe Blau mit ihr gedanklich in Verbindung gebracht wird, führt dies noch nicht zu einer namensmäßigen Zuordnung. Die Farbe Blau ist nicht die naheliegende, ungezwungene und erschöpfende Bezeichnung der Y zur Identifizierung. Die Benennung der Partei mit der Farbe Blau drängt sich nicht auf, ohne dass hierfür gedankliche Zwischenschritte notwendig sind und ohne dass es andere Bezeichnungen für die Partei gibt, die naheliegender sind. Dies sind nämlich die in der Satzung festgelegten Bezeichnungen „Y“ und „Y“. Nur diese gelten als namensmäßiger Hinweis auf ihren Inhaber und nur dafür genießt die Klägerin Namensschutz.
34Mangels Namensrechts kommt es auf die Frage der Verwechslungsgefahr nicht mehr an.
35II.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
37Streitwert: 100.000,00 €
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Referenzen
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