Urteil vom Landgericht Köln - 33 O 62/18
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen, sich im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung ihres auf den Vertrieb von Versicherungen gerichteten Geschäftsbetriebs der Bezeichnung „Y Versicherung AG“ sowie der schlagwortartig hervorgehobenen Firmenbezeichnung „Y“ in Alleinstellung zu bedienen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Ziff. 1) begangen hat, und zwar über die Umsätze, die unter der streitgegenständlichen Bezeichnung getätigt wurden, und zum Beleg dieser Auskunft geeignete Unterlagen, insbesondere Rechnungen, vorzulegen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.148,94 € nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 23.05.2018 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin allen über Ziff. 3) hinausgehenden Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus den in Ziff. 1) beschriebenen Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
6. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffern 1)-3) und 5) gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Höhe der Sicherheit beträgt für die Vollstreckung aus Ziff. 1) 70.000 €, für die Vollstreckung aus Ziff. 2) 10.000 € und im Übrigen 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Zeichens „W“ durch Verwendung der Firma der Beklagten sowie die Kennzeichnung von deren Geschäftsbetrieb als „Y“ in Alleinstellung auf Unterlassung sowie auf Auskunftserteilung, Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten und Feststellung des Bestehens einer darüber hinausgehenden Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.
3Die Klägerin ist ein Unternehmen der G Versicherungsgruppe, das insbesondere Beratungstätigkeiten für Versicherungsmakler ausübt, Versicherungen vermittelt und hiermit verbundene Hilfsgeschäfte durchführt. Im Jahr 2006 wurde sie unter der Firma „W Finanzdienstleistungen OHG“ in das Handelsregister eingetragen, seit Umwandlung in eine Aktiengesellschaft im Jahr 2008 firmiert sie als „W Finanzmanagement AG“ (vgl. Anl. K7, Bl. 284 ff. d.A.).
4Die Beklagte ist eine insbesondere im Bereich der Kraftfahrtversicherung tätige Versicherung, die seit 1996 zunächst unter der Marke „B1“ bzw. „B2“ tätig war. Nach Übernahme durch die ebenfalls im Versicherungsbereich tätige spanische P-Gruppe im Jahr 2015 wurde die Gesellschaft im Jahr 2017 in „Y Versicherung AG“ umbenannt (vgl. Anl. B6, Bl. 116 ff. d.A.). Seitdem tritt sie im Markt unter dieser Firma auf und bezeichnet sich u.a. auf ihrer Internetseite selbst als „Y“. Eine spanische Schwestergesellschaft der Beklagten ist Inhaberin u.a. der Europäischen Wortmarke „Y“ (EM09454455, angemeldet am 18.10.2010 und eingetragen am 09.06.2011 u.a. für die Klasse 36 [„Versicherungswesen“]) (vgl. Anl. B9, Bl. 136 d.A.). Außerdem ist sie Inhaberin weiterer (später angemeldeter) europäischer und deutscher Wort-, Bild- bzw. Wort-Bildmarken, die das Kennzeichen „Y“ bzw. „Y“ enthalten.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.12.2017 (Anl. K5, Bl. 27 ff. d.A.) mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte diese zur Unterlassung auf. Diese verweigerte indes mit Schreiben vom 31.01.2018 (Anl. K6, Bl. 30 d.A.) und auch im Weiteren die Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Vergleichsverhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses einer Koexistenzvereinbarung (vgl. Anl. K6, Bl. 32 d.A.) scheiterten.
6Die Klägerin stützt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch sowie die Annexansprüche ausschließlich auf ihr Unternehmenskennzeichen „W Finanzmanagement AG“ und den nach ihrer Ansicht hieraus abgeleiteten Schutz des Firmenbestandteils „W“. Sie sieht sowohl bezogen auf die vollständige Firma der Beklagten wie auch die Kennzeichnung des Geschäftsbetriebs der Beklagten durch das schlagwortartig hervorgehobene Wort „Y“ in Alleinstellung wegen Verwechslungsgefahr eine Kennzeichenverletzung iSv. § 15 Abs. 2 MarkenG für gegeben. Sie behauptet ferner, dass ihr Tätigkeitsfeld nicht nur die Beratung von Versicherungsmaklern umfasse, sondern auch die Vermittlung von Versicherungen gegenüber Verbrauchern.
7Die Klägerin beantragt,
8wie erkannt.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie ist der Ansicht, dass der Unterlassungsantrag zu unbestimmt formuliert sei und zudem keine Verwechslungsgefahr von den streitgegenständlichen Kennzeichen ausgehe. So bestünden zwischen den Kennzeichen hinreichende Unterschiede, die zusätzlich durch den abweichenden Markenauftritt der Parteien mit unterschiedlicher Farbgestaltung und Logos und die Unterschiedlichkeit der Abnehmerkreise der Parteien eine Verwechslungsgefahr ausschlössen. Zudem sei der Aufmerksamkeitsgrad von Endkunden von Versicherungsdienstleistungen als sehr hoch einzustufen. Mit Nichtwissen bestreitet die Beklagte, dass die Klägerin die von ihr geltend gemachten Kennzeichen im Geschäftsverkehr tatsächlich nutzt.
12Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe
14Die Klage ist zulässig und begründet.
15I.
161.
17Das Landgericht Köln ist sowohl hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wie auch hinsichtlich der Annexansprüche nach §§ 140 MarkenG, 32 ZPO sachlich und örtlich zuständig.
182.
19Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist der Unterlassungsantrag (Klageantrag zu 1)) auch hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Hiernach darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. hierzu BGH, GRUR 2016, 705/706 – „ConText“).
20Dies ist beim vorliegenden Unterlassungsantrag indes nicht der Fall. Dieser ist gerichtet auf das Verbot, bei den im Antrag näher bezeichneten Dienstleistungen die Bezeichnung „Y Versicherung AG“ sowie die „schlagwortartig hervorgehobene Firmenbezeichnung ‚Y‘ in Alleinstellung“ zu verwenden.
21Soweit sich das begehrte Verbot gegen die Verwendung der aktuellen Firma der Beklagten in ihrer Gesamtheit richtet, ist die notwendige Bestimmtheit des Antrags ohne weiteres gegeben. Der Antrag ist aber auch insoweit hinreichend bestimmt, wie er sich gegen die Verwendung des Kennzeichens „Y“ richtet. Denn die Klägerin verfolgt hiermit ausdrücklich nicht ein Schlechthin-Verbot des Kennzeichens „Y“, sondern nur dessen schlagwortartige Benutzung in Alleinstellung. Hierbei wirft der im Antrag verwendete Begriff „schlagwortartig“ unter dem Aspekt der hinreichenden Bestimmtheit der Antragsfassung keine Bedenken auf (vgl. hierzu OLG Hamburg, NJW-RR 1998, 986/986 – „infas“; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 10. Aufl. [2011], Kap. 51 Rn. 8a, Fußn. 53; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. [2010], Vorbem. §§ 14–19d, Rn. 149). Gleiches gilt auch für die gewählte Formulierung „in Alleinstellung“. Diese Antragsfassung bringt zum Ausdruck, dass der Beklagten verboten werden soll, ihr Unternehmen im Geschäftsverkehr verkürzend als „Y“ zu bezeichnen. Die Klägerin hat darüber hinaus schriftsätzlich hinreichend deutlich gemacht – und zudem in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2019 noch einmal ausdrücklich klargestellt – dass sie mit dem Unterlassungsantrag kein darüber hinausgehendes Verbot des Kennzeichens „Y“ in dem Sinne verfolgt, dass der Beklagten pauschal auch andere Firmenverwendungen untersagt werden sollen, in denen das Kennzeichen „Y“ prägend wäre und die weiteren Bestandteile innerhalb dieser alternativen Firma rein beschreibend wären. Ein solches Schlechthin-Verbot wäre zu unbestimmt, weil die Würdigung, ob Bestandteile einer Gesamtbezeichnung gegenüber einem einzelnen prägenden Bestandteil zurücktreten, der konkreten Verwendung vorbehalten ist und deshalb nicht mit der Formulierung „in Alleinstellung“ vorweggenommen werden kann (vgl. BGH, GRUR 2016, 705/706 – „ConText“). Anders als in dem Verfahren, das von der von der Beklagten angeführten ConText-Entscheidung des BGH zugrunde lag, ist die Antragsfassung im vorliegenden Fall nicht in sich widersprüchlich formuliert und demzufolge auch hinreichend bestimmt.
22II.
231.
24Der Klägerin steht unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 15, 5 MarkenG zu. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, dass sie die firmenmäßige Verwendung der Firma „Y Versicherung AG“ sowie des Zeichens „Y“ in dem im Tenor zu 1) bezeichneten Umfang unterlässt.
25Nach § 15 Abs. 4 u. 2 MarkenG kann der Inhaber einer geschäftlichen Bezeichnung bei Wiederholungsgefahr denjenigen auf Unterlassung in Anspruch nehmen, der im geschäftlichen Verkehr unbefugt ein ähnliches Zeichen benutzt, das geeignet ist, Verwechslungen mit dem geschützten Zeichen hervorzurufen.
26a)
27Die Klägerin verfügt mit der Unternehmensbezeichnung „W Finanzmanagement AG“ über ein gegenüber der Bezeichnung der Beklagten prioritätsälteres Kennzeichenrecht iSd. §§ 6 Abs. 3, 12 MarkenG. Ihr Unternehmen führt die Firma in der aktuellen Form seit dem Jahr 2008. Bereits seit Gründung des Unternehmens im Jahr 2006 führte die Klägerin in ihrer Firma den Bestandteil „W“. Die Priorität der vollständigen Firmenbezeichnung kommt dabei auch dem Firmenbestandteil „W“ zu (vgl. BGH, GRUR 2008, 1104/1107 – „Haus & Grund II“; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rn. 61). Die Beklagte demgegenüber führt ihre Firma ebenso wie den Firmenbestandteil „Y“ erst seit dem Jahr 2017. Auch ihre spanische Schwestergesellschaft Y Aseguradora, Compañía De Seguros Y Reaseguros S.A., die auch Inhaberin von Markenrechten in Bezug auf das Kennzeichen „Y“ ist, führt nach Vortrag der Beklagten das Zeichen Y erst seit 2011. Darüber hinaus sind keine Anhaltspunkte dafür dargetan oder sonst ersichtlich, dass die spanische Schwestergesellschaft ihren Handelsnamen im inländischen Geschäftsverkehr gebraucht hätte und daher Inlandsschutz für sich in Anspruch nehmen könnte.
28b)
29Nach § 5 Abs. 1 und 2 S. 1 MarkenG ist der Firmenbestandteil „W“ als Unternehmenskennzeichen geschützt. Hierbei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass der Verkehr grundsätzlich dazu neigt, längere Firmenbezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen und Bestandteile an Stelle der vollständigen Bezeichnung zu verwenden (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rn. 56). Für einen Teil einer Firmenbezeichnung kann der vom Schutz des vollständigen Firmennamens – hier also „W Finanzmanagement AG“ – abgeleitete Schutz als Unternehmenskennzeichen beansprucht werden, sofern es sich um einen unterscheidungskräftigen Firmenbestandteil handelt, der seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (vgl. BGH, GRUR 2018, 935/937 – „goFit“ mwN.). Dies ist vorliegend zu bejahen. Der Firmenbestandteil „W“ ist als Phantasiebezeichnung (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rn. 39) als kennzeichnungskräftig einzustufen. Für die gesamte Firma der Klägerin ist der Bestandteil auch prägend. So hat bei der Betrachtung der vollständigen Firma der Rechtsformzusatz in Firmennamen außer Betracht zu bleiben (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rn. 66). Aber auch der Bestandteil „Finanzmanagement“ tritt wegen seiner rein beschreibenden Art in der Gesamtwahrnehmung der klägerischen Firma zurück. Soweit die Beklagte anführt, dass es nicht den Verkehrsgepflogenheiten entspreche, Firmenbezeichnungen auf Bestandteile zu kürzen, die den Unternehmensgegenstand nicht kennzeichnen, kann dem bezogen auf das Unternehmenskennzeichen der Klägerin nicht gefolgt werden, da der Bestandteil „W“ bereits für sich genommen kennzeichnungskräftig ist und der rein beschreibende, weitgehend inhaltsleere Zusatz „Finanzmanagement“ die Kennzeichnungskraft nicht steigert. Bezogen auf die Gesamtfirma der Klägerin ist allein der Bestandteil „W“ prägend, während der Bestandteil „Finanzmanagement“ für den Verkehr dabei in den Hintergrund tritt.
30c)
31Die Klägerin hat ihr Unternehmenskennzeichen auch schutzbegründend im geschäftlichen Verkehr genutzt. Hierzu hat die Klägerin Auszüge aus dem Handelsregister und den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2007 (vgl. Anl. K8, Bl. 287 ff. d.A.) vorgelegt, in deren Lichte das pauschale Bestreiten der Beklagten unbeachtlich ist. Der Schutz des Unternehmenskennzeichens nach § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG entsteht bei von Haus aus unterscheidungskräftigen Bezeichnungen mit der Aufnahme der Benutzung im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung des Geschäftsbetriebs (vgl. BGH, GRUR 2009, 685/686 – „ahd.de“). Mit der Eintragung in das Handelsregister ist in der Regel eine schutzbegründende Benutzung des Unternehmenskennzeichens anzunehmen (vgl. BGH, GRUR 2008, 1104/1107 – „Haus & Grund II“; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rn. 33). Anhaltspunkte, die der Regelvermutung entgegenstehen, sind weder dargetan noch ersichtlich. Schließlich kommt es vorliegend nicht darauf an, ob von der Klägerin das Kennzeichen „W“ tatsächlich als Firmenschlagwort in Alleinstellung verwendet wird und ob die Kurzbezeichnung sich im Verkehr durchgesetzt hat, weil das Kennzeichen - wie oben ausgeführt - für die Firmenbezeichnung der Klägerin prägend ist und geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (vgl. BGH, GRUR 2018, 935/937 – „goFit“ mwN.; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rn. 59).
32d)
33Die Beklagte verwendet ihre Firmenbezeichnung „Y Versicherung AG“ kennzeichenmäßig iSd. § 15 Abs. 2 MarkenG. Nicht nur bei der geschützten, sondern auch bei der angegriffenen Bezeichnung ist für die Prüfung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen, ob für einen nicht unerheblichen Teil des Verkehrs die Verkürzung auf einen Firmenbestandteil naheliegt (vgl. BGH, GRUR 2008, 803/804 – „HEITEC“). Insoweit ist vorliegend auf den Firmenbestandteil „Y“ abzustellen, der dem klägerischen Firmenschlagwort „W“ gegenüber steht. Denn der Firmenbestandteil „Y“ – ebenfalls ein Phantasiebegriff – ist für die Gesamtfirma der Beklagten prägend. Sowohl der Rechtsformzusatz wie auch der für die Geschäftstätigkeit der Beklagten rein beschreibende Bestandteil „Versicherung“ treten hierhinter zurück und haben daher beim Zeichenvergleich außer Betracht zu bleiben. Dies wird zusätzlich durch den Umstand gestützt, dass die Beklagte in der Außendarstellung (wie etwa auf deren Internetseite mit der Formulierung „Über Y“, vgl. Bl. 5 d.A.) den Bestandteil „Y“ auch in Alleinstellung zur Bezeichnung ihres Firmennamens verwendet.
34e)
35Es besteht eine Verwechslungsgefahr iSd. § 15 Abs. 2 MarkenG zwischen den Kennzeichen „W“ und „Y“. Deren Beurteilung ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wobei von einer Wechselwirkung zwischen dem Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen, der Kennzeichnungskraft des prioritätsälteren Zeichens und dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete der Parteien auszugehen ist und ein größerer Abstand der Tätigkeitsgebiete durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. BGH, GRUR 2008, 803/804 – „HEITEC“).
36Die Kennzeichnungskraft des klägerischen Unternehmenskennzeichens „W“ ist von Hause aus als durchschnittlich einzustufen. Anhaltspunkte für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft bestehen nicht.
37Es besteht zwischen den Unternehmen der Parteien hohe Branchennähe. Hiervon ist auszugehen, wenn die beiderseitigen Waren unter Berücksichtigung aller Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, ausreichende sachliche Berührungspunkte aufweisen, so dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. BGH, GRUR 2002, 59/64 – „ISCO“; Ingerl/Rohnke, § 15 Rn. 88). Für die unternehmenskennzeichenrechtliche Beurteilung ist es nicht notwendig, dass die vertriebenen Produkte den Begriff der Warenähnlichkeit im markenrechtlichen Sinne erfüllen (vgl. BGH, GRUR 2006, 937/941 – „Ichthyol II“). Maßgeblich ist, ob Berührungspunkte auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege, aber auch der Verwendbarkeit der Waren/Dienstleistungen gibt (vgl. Ingerl/Rohnke, § 15 Rn. 88). Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist eine hochgradige Branchennähe anzunehmen. Zwar bietet die Klägerin anders als die Beklagte selbst keine Versicherungen an. Beide Parteien sind aber ausschließlich in der Versicherungsbranche aktiv. Unstreitig tritt die Klägerin im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Versicherungsmaklern gegenüber auf und erbringt diesen gegenüber Beratungsleistungen. Die Versicherungsmakler wiederum arbeiten mit Versicherungen – wie etwa der Beklagten – zusammen. Auch folgt aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen (vgl. etwa S. 6 des Schriftsatzes vom 04.10.2018, Bl. 271 d.A.), dass sie in einigen Fällen auf den für den Versicherungsnehmer ausgestellten Versicherungsunterlagen (wie z.B. Versicherungsscheinen) als Ansprechpartner für die Vertragsbetreuung ausgewiesen wird. Unabhängig davon also, ob die Klägerin wie von ihr behauptet auch unmittelbar gegenüber Verbrauchern Versicherungen vermittelt, tritt sie damit im Geschäftsverkehr zumindest gegenüber (potentiellen) Versicherungsnehmern auf. Demzufolge sind starke Berührungspunkte auf dem Versicherungsmarkt und insbesondere dem Vertriebsweg von Versicherungen festzustellen.
38Die sich gegenüberstehenden Zeichen „W“ und „Y“ sind sich in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht in mehrfacher Hinsicht ähnlich. Zwar verfügt das Kennzeichen „W“ über eine Silbe mehr als das Kennzeichen der Beklagten. Auch lässt sich der Begriff „W“ nicht im Sinne einer zergliedernden Lesart in die Einzelbestandteile „Y-“ und „-cus“ aufteilen, so dass die Endung „-cus“ weder in klanglicher, noch in schriftbildlicher Hinsicht gänzlich in den Hintergrund tritt. Beide Kennzeichen enthalten aber mit „Y-“ denselben Wortstamm. Das Kennzeichen der Beklagten geht dabei vollkommen im klägerischen Kennzeichen „W“ auf. Diese Teilidentität der gegenüberstehenden Zeichen wiegt umso schwerer, als dass Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet werden als die nachfolgenden Wortteile (vgl. BGH, GRUR 2002, 1067/1070 – „DKV/OKV“). Ein gegen eine Verwechslungsgefahr sprechender klar erkennbarer, eindeutiger Sinngehalt ist beiden Begriffen nicht zu entnehmen. Vielmehr ist den zu vergleichenden Phantasiebegriffen gemein, dass sie sich in klanglicher Hinsicht an die lateinische Sprache bzw. die romanischen Sprachen anlehnen. Ebenso wenig kann die Beklagte der Verwechslungsgefahr entgegenhalten, dass sich die Markenauftritte der Parteien hinsichtlich Farbgestaltung, Schriftart und enthaltender Bildelement unterscheiden. Die Klägerin wendet sich nämlich nicht gegen die markenmäßige Verwendung des Kennzeichens „Y“; diese ist auch vorliegend nicht Streitgegenstand. Vielmehr wendet sich die Klägerin allein wegen einer Verletzung ihres Unternehmenskennzeichens gegen die firmenmäßige Verwendung von „Y Versicherung AG“ bzw. „Y“ in Alleinstellung.
39Obwohl somit Umstände gegeben sind, die in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht Unterschiede zwischen den Kennzeichen aufzeigen, verbleibt angesichts der festzustellenden Teilidentität der Zeichen eine Zeichenähnlichkeit, die in der Gesamtschau mit der normalen Kennzeichnungskraft des Klägerkennzeichens und der hohen Branchennähe dazu führt, dass zumindest eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nicht verneint werden kann. Der Verkehr – diesbezüglich ist im konkreten Fall nicht nur auf versierte Versicherungsmakler, sondern auch auf Verbraucher als potentielle Versicherungsnehmer abzustellen – kann aus den beiden gegenüberstehenden Firmenbezeichnungen zumindest schließen, zwischen beiden Unternehmen bestünden organisatorische oder wirtschaftliche Zusammenhänge.
40f)
41Ohne Erfolg macht die Beklagte schließlich geltend, dass dem Unterlassungsanspruch der Klägerin eine vermeintlich zweitweise geübte Koexistenz unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes entgegenstünde. Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Verwirkung iSd. § 21 Abs. 1, Abs. 3 MarkenG liegen nicht vor. Auch nach den – über § 21 Abs. 4 MarkenG grds. anwendbaren – allgemeinen Grundsätzen kommt eine Verwirkung nicht in Betracht, weil angesichts der erst im Jahr 2017 stattgefundenen Umfirmierung der Beklagten vorliegend nicht von einer „länger anhaltenden Dauer“ der Nutzung des angegriffenen Unternehmenskennzeichens auszugehen ist.
42II.
43Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten ferner aus § 19 Abs. 1, Abs. 3 MarkenG und – zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs – aus § 242 BGB einen Anspruch aus Auskunft im beantragten Umfang (Tenor zu 2)). Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (Tenor zu 4)) folgt aus § 15 Abs. 5 MarkenG iVm. § 256 ZPO. Diese Ansprüche folgen jeweils dem Unterlassungsanspruch. Soweit sie Verschulden voraussetzen, ist ein zumindest fahrlässiges Verhalten der Beklagten feststellbar. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sie erkennen können und müssen, dass die Verwendung der Firma in der Gesamtheit ebenso wie des Bestandteils „Y“ in Alleinstellung das klägerische Unternehmenskennzeichen verletzte.
44III.
45Daneben hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten (Tenor zu 3)) unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683, 670 BGB. Da die Abmahnung vom 07.12.2018 mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen gerechtfertigt war, sind die dadurch veranlassten anwaltlichen Kosten von der Beklagten zu ersetzen. Die hierzu von der Klägerin vorgenommene Bemessung (auf Basis einer 1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 100.000,00 € zzgl. 20,- € Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) in einer Gesamthöhe von 2.348,94 € ist nicht zu beanstanden. Im Lichte des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 21.12.2016 (=GRUR 2017, 826) kann die Klägerin in diesem Zusammenhang auch den auf die Rechtsanwaltskosten entfallenden Umsatzsteueranteil geltend machen.
46Die Zinsforderung folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 22.05.2018 zugestellt.
47IV.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
49Der Streitwert wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.
50Rechtsbehelfsbelehrung:
51Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
521. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
532. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
54Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
55Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
56Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
57Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
58Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
59Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
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Referenzen
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