Grund- und Teilurteil vom Landgericht Krefeld - 2 O 4/01
Tenor
Der Klageanspruch gegen die Beklagte zu 1) wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) wird abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der durch den Beklagten zu 2) zu vollstreckenden Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.700,00 vorläufig vollstreckbar. Dem Beklag-ten zu 2) wird nachgelassen, die Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung und unerlaubter Handlung.
3Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks F-straße in der Gemeinde G, dem Gebiet der Beklagten zu 1). Das Grundstück der Kläger befindet sich am südlichen Rand des Baugebietes F, das am südwestlichen Ortsrand von G gelegen ist. Westlich des Baugebiets liegt die L 39, jenseits dieser Straße befinden sich Felder. An den südlichen Rand des Baugebiets angrenzend verläuft der S-weg, der in westlicher Richtung die L 39 unterquert und dort als Wirtschaftsweg weiter geführt wird. Entlang dieses Weges fließt, aus westlicher Richtung kommend, das Gewässer 12.071, das der Entwässerung des Wirtschaftsweges und der Parzellen westlich der L 39 dient. Das Gewässer verläuft als offener Graben entlang des Wirtschaftsweges bis zur L 39, unterquert diese ebenfalls und mündet etwa 200 m hinter dem Grundstück F-straße 000 in den Entwässerungsgraben 12.7, der als verrohrtes Gewässer weiter geführt wird.
4Die Gewässer 12.071 und 12.7 sind dem Verbandsgebiet des Beklagten zu 2) zugehörig. Gemäß seiner Satzung vom 11.10.1995 (Bl. 134ff. GA), auf die Bezug genommen wird, obliegt innerhalb seines Verbandsgebietes dem Beklagten zu 2) die Aufgabe der Gewässerunterhaltung (§ 3 I a) der Satzung). Der Bau und die Unterhaltung von Anlagen sowie der Ausgleich der Wasserführung und die Sicherung des Hochwasserabflusses können gemäß § 3 I b) und c), III der Satzung dem Beklagten zu 2) übertragen werden, ansonsten verbleiben diese Aufgaben weiter bei der zuvor zuständigen Behörde.
5Die Bebauung des Gebietes F beruht auf dem Bebauungsplan "Nordkanal" der Beklagten zu 1) vom 18.12.1981 sowie späterer Änderungen. Ausweislich eines Vermerks des Bauamtes der Beklagten zu 1) vom 27.06.1977 beabsichtigte die Beklagte zu 1) zunächst die Anlegung eines Entwässerungskanals sowie eines Rückhaltebeckens; dieses Vorhaben wurde im weiteren Verlauf des Planungsverfahrens nicht umgesetzt. Im Rahmen des Bauplanungsverfahrens wurde auch der Beklagte zu 2) um Stellungnahme zu dem Bebauungsplan gebeten (§ 4 BauGB). Mit Schreiben vom 09.08.1977 (Bl. 379 GA) und vom 22.10.1980 (Bl. 380 GA) teilte der Beklagte zu 2) mit, im Bebauungsplan sei klarzustellen, dass ein bestimmter Zaunabstand zu dem Gewässer 12.071 einzuhalten und Anschüttungen und Geländeerhöhungen in dem Gewässer nicht gestattet seien. Weitere Bedenken gegen die Aufstellung des Bebauungsplanes äußerte der Beklagte zu 2) nicht.
6Nach heftigen Regenfällen kam es am 30.06.1997 zu einer Überschwemmung in dem gesamten F-Gebiet, von der auch das Haus der Kläger betroffen war. Im Auftrag u.a. der Kläger erstellte zunächst der Sachverständige M ein Privatgutachten über die Ursache der Überschwemmung. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Überflutung sei zurückzuführen auf einen Stau von Wasser vor und in der Verrohrung, einen durch Verschlammung und gegebenenfalls Unterdimensionierung verursachten eingeschränkten Rohrquerschnitt und durch die Aufpflasterung der Straßenflächen. Im Rahmen eines von mehreren Bewohnern des betroffenen Gebietes, u.a. den Klägern, eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens (AZ 4 OH 15/97 Landgericht Krefeld) führte der beauftrage Sachverständige Prof. Dr. K zur Frage der Ursache der Überschwemmung aus, zum einen habe sich im Bereich des jetzigen Baugebietes ursprünglich eine Erdsenke befunden, die die Funktion eines natürlichen Retentionsbecken gehabt habe. In diesem Becken habe sich das von den Feldern westlich der L 39 kommende Regenwasser zunächst sammeln können, so dass das Volumen des je Zeiteinheit abfließenden Wassers vermindert worden sei. Durch die Bebauung des Gebietes sei diese Senke beseitigt worden, ohne dass ein Ersatz geschaffen worden sei. Das Fehlen eines Vorflutbeckens führe bei größeren Niederschlagsmengen zu Überschwemmungen des Gebietes. Zum Zweiten sei das Entwässerungssystem nicht hinreichend dimensioniert und nicht ordnungsgemäß gewartet worden. Es fehle zudem vor den Einläufen in die Verrohrung eine Ablagerungsmöglichkeit für angeschwemmten Schlamm. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten des Sachverständigen K vom Februar und August 2000 (Bl. 29ff. und 46ff. GA) verwiesen.
7Die Kläger begehren Ersatz des ihnen durch die Überschwemmung entstandenen Schadens.
8Der Beklagten zu 1) werfen sie ein Planungsverschulden vor. Sie hätte vor Ausweisung des Gebietes als Baugebiet prüfen müssen, inwieweit eine Bebauung zu einem Eingriff in die vorhandenen Entwässerungssysteme führen und gegebenenfalls eine Erweiterung des Systems erforderlich werden würde. Durch die fehlende Schaffung eines Ersatzes für das beseitigte natürliche Retentionsbecken sei der ohnehin nicht ausreichend dimensionierte Entwässerungsgraben 12.071 überflutet worden. Dass zur Verhinderung von Überschwemmungen des Baugebietes Maßnahmen zu treffen gewesen seien, sei für die Beklagte zu 1) auch erkennbar gewesen; so sei das in Rede stehende Gebiet, wie sich aus Zeitungsartikeln ergebe, bereits in den 50er Jahren häufig überschwemmt gewesen. Dass die Gefahr von Überschwemmungen von der Beklagten zu 1) zunächst gesehen worden sei, ergebe sich auch aus dem Vermerk des Bauamtes vom 27.06.1977.
9Der Beklagte zu 2) habe, wie sich aus den Ausführungen der Sachverständigen M und K zum Zustand und zur Dimensionierung des Gewässers 12.071 ergebe, sowohl die ihm obliegende Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung und der Sicherung des Hochwasserabflusses als auch seine Pflicht zu ordnungsgemäßen Unterhaltung des Gewässers verletzt. Der Beklagte zu 2) hätte bei der Planung des Baugebiets, an der er beteiligt worden war, zudem prüfen müssen, ob die Bebauung eine Veränderung der Wasserführung erforderlich machen könnte. Entsprechend dieser Pflicht habe der Beklagte zu 2) bereits vor der Überschwemmung vom 30.06.1997 Überlegungen angestellt, das Gewässer 12.071 zu verlegen, die Verlegung dann jedoch nicht durchgeführt.
10Die Kläger beantragen,
11die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 26.962,46 DM nebst 4 % Zinsen für den Zeitraum vom 15.04.1998 bis zum 30.04.2000 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2000 zu zahlen.
12Die Beklagten beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte zu 1) bestreitet eine ursächliche Pflichtverletzung ihrerseits. Soweit die Kläger sich auf ein Planungsverschulden berufen, fehle es bereits an dem für eine Haftung erforderlichen drittschützenden Charakter der Amtspflichten im Rahmen der Bauleitplanung. Auch eine sonstige Pflichtverletzung sei ihr nicht vorzuwerfen, da die Überschwemmung auch bei pflichtgemäßem Verhalten nicht vermeidbar gewesen sei. Das von ihr bei der Schaffung des Baugebietes geplante Entwässerungssystem des Baugebietes selbst sei hinreichend dimensioniert. Bei den Niederschlägen, die zu der in Rede stehenden Überschwemmung geführt haben, handele es sich um einen sogenannten Jahrhundertregen, der bei der Dimensionierung außer Betracht zu bleiben habe. Das in die Häuser des Baugebietes eingedrungene Wasser sei zudem nicht aus dem Kanal 12.071 gekommen, es handele sich vielmehr um Wildwasser von den Parzellen jenseits der L 39, das von außerhalb des Planungsgebietes durch die Unterführung in das Baugebiet eingeströmt sei. Sollte sich tatsächlich an der Stelle des jetzigen F-Gebietes eine Senke mit der Funktion eines natürlichen Retentionsbeckens befunden haben, was die Beklagte zu 1) in Abrede stellt, wäre die Beseitigung dieser Senke daher nicht kausal für den Schaden. Die Überschwemmung sei für sie auch nicht vorhersehbar gewesen, zumal das Baugebiet F nie als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen worden sei. Auch der insoweit zuständige Beklagte zu 2) habe im Rahmen der Bauleitplanung Bedenken pflichtwidrig nicht geäußert. Schließlich habe die Beklagte zu 1) die technische Planung des Baugebiets nicht selbst durchgeführt; auf die Berechnungen des beauftragen Planungsbüros habe sie sich verlassen dürfen.
15Der Beklagte zu 2) ist der Auffassung, im Hinblick auf § 3 III seiner Satzung obliege ihm mangels Übernahme die Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung und der Sicherung des Hochwasserabflusses von vornherein nicht. Seiner Pflicht zur Unterhaltung sei er in hinreichendem Maße nachgekommen, wie sich aus dem genehmigten Gewässerunterhaltungsplan vom 01.03.1997 (Bl. 198 ff. GA) ergebe. Soweit nach der Überschwemmung die Rohre des Kanals verschlammt waren, sei das eine natürliche Folge der Überschwemmung; vorher seien die Rohre in ordnungsgemäßem Zustand gewesen.
16Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Der zulässige Klageantrag gegen die Beklagte zu 1) ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Hinsichtlich des Beklagten zu 2) war die Klage als unbegründet abzuweisen.
19A.
20Da der Rechtsstreit lediglich hinsichtlich des Beklagten zu 2) entscheidungsreif war, hatte insoweit die Kammer gemäß § 301 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden. Bezüglich der Beklagten zu 1) hat die Kammer durch Grundurteil gemäß § 304 ZPO entschieden, da die Höhe des Anspruchs noch der Aufklärung bedarf.
21B.
22Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist nicht begründet und war durch Teilurteil abzuweisen. Ansprüche stehen den Klägern gegen den Beklagten zu 2) aus keinem ersichtlichen Rechtsgrund zu.
23I.
24Eine Haftung des Beklagten zu 2) aufgrund der von den Sachverständigen bemängelten unzureichenden Dimensionierung der Gewässer 12.071 und 12.7 besteht nicht.
251) Ein Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist nicht begründet.
26Die ausreichenden Dimensionierung von Gewässern ist Teil der in §§ 87ff. LWG NW geregelten Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung. Im Rahmen dieser Pflicht obliegt dem Pflichtigen auch das Treffen von Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Solche Maßnahmen sind eine hoheitliche Tätigkeit mit drittschützendem Charakter, so dass eine Verletzung der Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung grundsätzlich Schadensersatzansprüche aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG begründen kann (BGH DVBL. 1983, 1055, 1056 m.w.N.). Die Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung kann gemäß § 87 III LWG NW auch auf Wasserverbände übertragen werden. Gemäß § 3 III der Satzung des Beklagten zu 2) ist für die Übertragung jedoch eine Pflichtenübernahme durch den Beklagten zu 2) erforderlich. Dass eine solche Übernahme, die der Beklagte zu 2) in Abrede stellt, erfolgt ist, haben die darlegungs- und beweispflichtigen Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Sie beschränken sich insoweit auf die Behauptung, eine Übernahme, die nicht zwingend in Form eines konkreten Übernahmeaktes vorzunehmen sei, sei erfolgt, ohne näher darzutun, durch welche wie auch immer rechtlich zu qualifizierende Handlung des Beklagten zu 2) die Übernahme erfolgt sein soll. Es kann daher dahinstehen, ob für eine Übernahme ein formeller Übernahmeakt erforderlich ist, da jedenfalls auch eine konkludente oder faktische Übernahme der Pflichten nicht ersichtlich ist. Soweit die Kläger vortragen, der Beklagte zu 2) habe sich schon immer mit dem Ausbau und der Erweiterung von Entwässerungssystemen im Gemeindegebiet der Beklagten zu 1) befasst, genügt diese pauschale Behauptung für die Annahme einer Übernahme nicht. Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 2) sich bereits vor den Überschwemmungen 1997 mit der Frage einer etwaigen Verlegung des Grabens 12.071 befasst hat, ist eine Übernahme der in Rede stehenden Pflicht nicht herzuleiten. Denn nach unwiderlegtem Vortrag des Beklagten zu 2) wurden diese Überlegungen nicht im Zusammenhang mit dem Schutz vor zu befürchtenden Überflutungen angestellt. Vielmehr sollte durch die Verlegung der Gewässer die Herstellung eines ökologisch wertvolleren Zustandes erreicht werden. Diese Intention des Beklagten zu 2) ist dem von ihm zu dem Akten gereichten Schriftwechsel zu entnehmen. Schließlich deutet auch das Einstehen des Beklagten zu 2) für ein Schadensereignis im Jahre 1996 nicht auf eine Pflichtenübernahme hin. Denn Ursache der seinerzeitigen Überschwemmung war nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien ein verstopfter Rechen vor der Gewässerverrohrung. Tangiert war daher die dem Beklagten zu 2) obliegende Pflicht der Gewässerunterhaltung, also ein anderer Aufgabenbereich.
27Nachdem eine Übernahme des in Rede stehenden Pflichtenbereichs nicht erfolgte, können die Kläger Ansprüche auch nicht auf den Umstand stützen, dass im Rahmen der Bauleitplanung der Beklagte zu 2) weitere Bedenken gegen den Bebauungsplan nicht geltend gemacht hat. Denn eine Anhörung erfolgt im Rahmen der Bauplanung nur in den Grenzen des jeweiligen Aufgabenbereiches des Anzuhörenden.
28Schließlich war der Beklagte zu 2) mangels Übernahme der entsprechenden Pflichten auch nicht verpflichtet, die von ihm unstreitig nicht erstellten Verrohrungseingänge mit Einrichtungen zur Schlammabsetzung zu versehen.
292) Schadensersatzansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff kommen nach obigen Ausführungen sowie dem Umstand, dass ein Eingriff des Beklagten zu 2) nicht ersichtlich ist, ebenfalls nicht in Betracht.
30II.
31Auch aus der von den Klägern behaupteten unzureichenden Gewässerunterhaltung durch den Beklagten zu 2) können Schadensersatzansprüche nicht hergeleitet werden. Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit nur § 823 I BGB in Betracht, da es sich bei der Pflicht zur Gewässerunterhaltung nicht um eine Dritten gegenüber bestehenden Rechtspflicht handelt (vgl. BGH DVBl. 1983, 1055/1057 m.w.N.; OLG Celle VersR 1989, 484/485). Eine Verletzung dieser dem Beklagten zu 2) unstreitig gemäß §§ 3 I a, 5 I a) der Satzung obliegenden Pflicht zur Gewässerunterhaltung, die für den Schaden ursächlich geworden wäre, ist jedoch nicht gegeben. Soweit die Kläger behaupten, zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes sei der Graben des Gewässers 12.071 verkrautet und verschlammt gewesen, haben sie diesen von dem Beklagten zu 2) in Abrede gestellten Umstand bereits nicht auf geeignete Weise unter Beweis gestellt. Zu Unrecht berufen sich die Kläger insoweit auf die Ausführungen bzw. das Zeugnis des Sachverständigen K, der lediglich den Zustand mehrere Monate nach dem Schadensereignis begutachtet hat und Angaben zum Zustand der Gewässer vor der Überschwemmung nicht machen kann. Dass Anlieger oder sonstige Personen hinreichend konkrete Angaben zum Umfang der Vegetation in dem Graben vor dem Schadensereignis machen könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich; entsprechendes gilt für die von der Beklagten zu 1) benannten Zeugen. Auch hat der Beklagte zu 2) durch Vorlage des genehmigten Gewässerunterhaltungsplans und der "Zusammenstellung der Unterhaltungsarbeiten der Gewässer im Bereich des F-gebietes" nachgewiesen, dass er seiner Unterhaltungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist. Die Richtigkeit der Zusammenstellung stellen die Kläger nicht in Abrede. Soweit die Beklagte zu 1) behauptet, in dem von dem Beklagten zu 2) angegebenen Zeitraum sei eine Rohrreinigung nicht möglich, ist diese bloße Behauptung unsubstantiiert, so dass auch den angebotenen Beweisantritten nicht nachzugehen war.
32Nach alledem sind Schadensersatzansprüche der Kläger gegen den Beklagten zu 2) nicht ersichtlich.
33C.
34Der Anspruch gegen die Beklagte zu 1) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
35I.
36Eine Erledigung des Rechtsstreits durch den am 05.11.2001 geschlossenen Vergleich ist angesichts des Widerrufs des Beklagten zu 2) auch für die Beklagte zu 1) nicht eingetreten, da die Fortsetzung des Rechtsstreits durch alle Parteien nach dem Widerruf des Vergleichs und die Stellung der Anträge in der Sitzung vom 22.04.2002 als einverständliche Aufhebung des Vergleichs auszulegen ist.
37II.
38Den Klägern steht gegen die Beklagte zu 1) dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu. Die Beklagte zu 1) hat schuldhaft eine ihr gegenüber den Klägern obliegende Pflicht verletzt, ohne dass anderweitige Ersatzmöglichkeiten gegeben sind.
391) Auf eine etwaige Verletzung von Amtspflichten der Beklagten zu 1) im Rahmen der Bauleitplanung können Ansprüche zwar nicht gestützt werden. Wie die Beklagte zu 1) zutreffend ausführt, sind bezüglich dieser Pflichten die Kläger nicht geschützte Dritte im Sinne des § 839 BGB sind (vgl. BGHZ 140, 381/382ff.).
402) Die Beklagte zu 1) hat jedoch die ihr ebenfalls obliegende Pflicht zur Beseitigung der im Baugebiet anfallenden Abwässer verletzt.
41a) Gemäß § 53 I LWG NW ist die Beklagte zu 1) verpflichtet, die im Baugebiet anfallenden Abwässer zu beseitigen, wobei unter Abwasser sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser zu verstehen ist (§ 51 I LWG NW). Bei der Sammlung und Beseitigung von Abwässern innerhalb des Gemeindegebietes handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung, die der Gemeinde als hoheitliche Aufgabe obliegt. Daher haftet die Gemeinde für Fehler bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb einer solchen Anlage, die nicht lediglich die Allgemeinheit, sondern auch die Anlieger vor Überschwemmungsschäden bewahren soll und daher im Verhältnis zu den Anliegern drittschützend ist, nach den Grundsätzen der Amtshaftung (vgl. BGHZ 140, 381/384f.).
42b) Diese ihr obliegende Pflicht hat die Beklagte zu 1) verletzt, denn sie hat keine hinreichenden Maßnahmen zur Sammlung und Beseitigung von Abwässern des Baugebiets - sei es durch größere Dimensionierung des Entwässerungssystems des Baugebiets, sei es durch Schaffung eines ersatzweisen Retentionsbeckens, sei es durch andere, auf die anfallenden Wassermengen abgestimmte Maßnahmen - getroffen.
43Im Ergebnis offen bleiben kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich bei dem infolge der starken Regenfälle am 30.06.1997 in das Baugebiet einströmenden Wasser um solches handelt, das zunächst in den Graben 12.071 floss, von diesem nicht mehr aufgenommen werden konnte und dann wegen des nicht mehr vorhandenen Retentionsbeckens in das bebaute Gebiet floss, wie die Kläger behaupten, oder aber ob es sich entsprechend dem Vortrag der Beklagten zu 1) um Wasser handelte, das unmittelbar von den westlich der L 39 gelegenen Parzellen durch die Unterführung in das Baugebiet strömte, ohne vorher von dem Entwässerungsgraben 12.071 aufgenommen worden zu sein. Denn die Gemeinde haftet nicht nur für Schäden, die durch den Austritt von Wasser aus der Kanalisation verursacht werden, sondern gleichfalls für solche Schäden, die darauf zurückzuführen sind, dass Regenwasser infolge einer nicht ausreichenden Aufnahmekapazität gar nicht erst in die Rohrleitungen gelangt, sondern unmittelbar in die anliegenden Häuser fließt (BGH aaO 384f.).
44Zu Unrecht beruft sich die Beklagte zu 1) ferner darauf, sie habe bei der Dimensionierung des Entwässerungssystems des Baugebietes F etwa von außerhalb des Baugebietes eindringendes Wasser nicht berücksichtigen müssen. Denn entgegen ihrer Auffassung hatte die Beklagte zu 1) bei der Planung und Erstellung des Entwässerungssystems des Baugebietes nicht lediglich den innerhalb des Baugebietes liegenden Umstände Rechnung zu tragen, sondern war vielmehr dazu verpflichtet, auch jenseits der Grenzen des eigentlichen Planungsgebietes liegende Umstände in ihre Planung mit einzubeziehen. Sie hat bei der Planung und Dimensionierung der erforderlichen Entwässerungsmaßnahmen entscheidend auf die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere in abwasserwirtschaftlicher und -technischer sowie in topographischer Hinsicht abzustellen und muss daher bei ihren Planungen von der Gesamtmenge des im Baugebiet abzuführenden Wassers unabhängig von dessen Herkunft ausgehen (BGH aaO S. 387). Die Beklagte zu 1) hatte demzufolge auch das von westlich der L 39 eindringende Wasser, das nach Vermischung mit dem im Planungsgebiet selbst anfallenden Oberflächenwasser gemäß § 53 I LWG NW insgesamt abzuführen war, mit zu berücksichtigen. Insoweit traf die Beklagte zu 1), wie sie zutreffend geltend macht, zwar nicht die Pflicht, ein Entwässerungssystem zu errichten, das alle denkbaren Niederschlagsmengen, insbesondere auch nach äußerst selten auftretenden, außergewöhnlich heftigen Niederschlägen - sogenannten Jahrhundertregen - aufzunehmen vermag (BGH aaO S. 389). Dass es sich indes bei den Regenfällen vom 30.06.1997 um einen solchen Jahrhundert- oder Katastrophenregen gehandelt hat, der bei der Planung berechtigterweise unberücksichtigt gelassen werden konnte, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu 1) nicht bewiesen. Insbesondere ergibt sich aus dem zu Beweiszwecken von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) nicht zur hinreichenden Überzeugung der Kammer, dass die relevanten Niederschläge als Jahrhundertregen zu qualifizieren sind. Denn zum einen führt der DWD selbst aus, die Niederschläge am 30.06.1997 seien großen räumlichen und zeitlichen Schwankungen unterworfen gewesen. Diese starken Schwankungen sind auch den aufgeführten Messergebnissen zu entnehmen. So entsprach die gemessene Regenmenge im Bereich N zwar einem Jahrhundertregen, nicht aber der Niederschlag im Bereich der nähergelegenen Meßstelle Kläranlage G. Aus den Meßergebnissen sind daher keine sicheren Rückschlüsse über die Niederschlagsmenge in dem fraglichen Gebiet zu ziehen. Soweit das Gutachten sich über eine geschätzte Niederschlagsmenge von etwa 35 bis 45 mm binnen 2 Stunden in dem "Schadensgebiet" verhält, ist nach den weiteren Ausführungen erst ab einer Niederschlagsmenge von 40 mm von einem Jahrhundertregen auszugehen. Ob diese Niederschlagsmenge erreicht wurde, steht nicht fest. Darüber hinaus kommt es wie auch die Beklagte zu 1) zutreffend ausführt - zur Überzeugung der Kammer auf die Niederschlagsmenge im Schadensgebiet nicht an. Denn zwischen den Parteien herrscht Einigkeit, dass das Wasser von den Gebieten jenseits der L 39 in das Baugebiet hereinströmte, so dass entscheidend die Niederschlagsmenge in diesem Bereich ist. Hierüber enthält das Gutachten keine Angaben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es nach übereinstimmendem Parteivortrag nach dem streitgegenständlichen Ereignis zu weiteren Überschwemmungen infolge von Niederschlägen kam, die im Ausmaß lediglich deshalb nicht so gravierend waren, weil die Beklagte zu 1) inzwischen Präventivmaßnahmen, insbesondere die Verschließung der Unterführung der L 39 ergriffen hatte. Dass es sich auch bei den folgenden ursächlichen Niederschlägen um einen Jahrhundertregen gehandelt habe, trägt die Beklagte zu 1) nicht vor. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Gutachten. Soweit die Beklagte zu 1) behauptet, zu den weiteren Überflutungen auch bei nicht als Jahrhundertregen zu qualifizierenden Niederschlägen sei es nur deshalb gekommen, weil das Wasser auf den einmal gebahnten Weg zurückgreife, handelt es sich um eine nicht beweisbare Vermutung der Beklagten zu 1).
45Die Kammer sah sich nicht veranlasst, den weiteren Beweisangeboten der Beklagten zu 1) in der Klageerwiderung vom 19.03.2002 (Bl. 122 GA) zu der Frage des Jahrhundertregens nachzugehen. Denn dem Vortrag der Beklagten zu 1) lässt sich nicht entnehmen, auf welche Weise die benannten Zeugen sich hinsichtlich der von der Beklagten zu 1) behaupteten Wassermengen und des Zeitraums des Eindringens des Wassers vergewissert haben wollen. Die Beklagte zu 1) trägt nicht vor, dass die benannten Zeugen von Beginn der Überschwemmung an mit Messeinrichtungen an der in Rede stehenden Unterführung standen. Aufgrund bloßer Schätzungen kann jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt werden, ob die eingedrungene Wassermenge einen Rückschluss auf einen Jahrhundertregen erlaubt, so dass der Beweisantritt ungeeignet ist.
463) Die Beklagten zu 1) verletzte die ihr obliegende Pflicht auch zumindest fahrlässig und damit schuldhaft. Denn die Überflutung des F-gebietes bei heftigen Regenfällen war für sie nicht nur vorhersehbar, sondern wurde, wie den Planungsunterlagen zu entnehmen ist, auch tatsächlich von der Beklagten zu 1) erkannt. Wie sich nämlich aus dem Vermerk der Beklagten zu 1) im Rahmen der Bauplanung ergibt, plante die Beklagte zu 1) ursprünglich die Errichtung eines Retentionsbeckens für das Planungsgebiet. Diese ursprüngliche Planung spricht dafür, dass sich die Beklagte zu 1) der durch Überschwemmungen drohenden Gefahren gegenwärtig war, denn nur dann musste sie sich zum Bau eines Retentionsbeckens veranlasst sehen. Hinzu kommt, dass, wie sich aus einem in dem Parallelverfahren 2 O 184/01 zu den Akten gereichten Zeitungsartikel vom 28.09.1956, auf den die Parteien auch in diesem Verfahren Bezug nehmen, ergibt, das spätere Baugebiet bereits zu dieser Zeit unabhängig von der konkreten Ursache - häufig überflutet wurde. Die Überschwemmungsgefahr war also ersichtlich allgemein erkannt. Dass unstreitig das Gebiet nicht offiziell als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen war, entlastet die Beklagte zu 1), die sich nicht nur auf die Einbeziehung bereits förmlich festgesetzter Umstände beschränken darf, nicht.
47Soweit die Beklagte zu 1) sich darauf beruft, im Rahmen der Bauleitplanung die Beklagte zu 2) sowie die anderen Träger öffentlicher Belange ordnungsgemäß beteiligt zu haben, ohne dass Einwände gegen die Planung erhoben worden seien, vermag sie dieser Umstand nicht zu entlasten. Denn nach obigen Ausführungen lag die Prüfung weiterer Umstände nicht im Pflichtenbereich des Beklagten zu 2).
48Unerheblich für die Frage des Verschuldens der Beklagten zu 1) ist, ob und in welchem Umfang sie die Planung des Baugebietes durch ein beauftragtes Planungsbüro hat durchführen lassen. Denn etwaige Fehler dieses Büros muss sie sich zurechnen lassen.
494) Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ist nicht ersichtlich, so dass die Haftung der Beklagten zu 1) nicht aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes entfällt.
50Den Klägern steht nach alledem dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
51Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 91 I 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1 ZPO.
52Die weiteren Nebenentscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
53Streitwert: bis 16.000,00 .
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