Urteil vom Landgericht Krefeld - 3 O 271/99
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 267,77 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 18.07.2001 zu zahlen. In Höhe eines Betrages von 5.530,35 EUR wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Das Teilurteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Kostenübernahme einer stationären Behandlung und weiterer medizinischer Leistungen aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag.
3Die Klägerin ist bei der Beklagten privat krankenversichert u.a. gemäß den Tarifen AS 1, P3, P2E. Der Tarif P3 gewährt einen Anspruch auf volle Kostenerstattung mit unbegrenzter Leistungsdauer in einem Mehrbettzimmer oder ein Krankenhaustagegeld von täglich 120,- DM. Nach dem Tarif P2E besteht ein Anspruch auf Erstattung von Wahlleistungen gemäß § 7 Bundespflegesatzverordnung bei stationärer Krankenhausbehandlung in einem Zweibettzimmer oder, sofern Wahlleistungen nicht in Anspruch genommen werden, ein Anspruch auf Krankenhaustagegeld in Höhe von 120,- DM pro Tag. Dem Vertrag liegen die Versicherungsbedingungen MB/KK 76 zugrunde.
4Seit Ende 1997 litt die Klägerin, die schwer hörgeschädigt ist, u.a. an einem inkompletten CFS Syndrom - Chronic Fatigue Syndroms -. Sie hatte zahlreiche Infekte / Entzündungen, insbesondere rezividierende Ohrenentzündungen und Vereiterungen mit Juckreiz. Ende Februar 1999 erhielt sie im Rahmen einer Behandlung bei der Schmerzambulanz des Klinikums X Akupunktur und chinesische Heilkräuter in Tablettenform, die kurzfristig Linderung brachten. Nach einem Hörsturz, der zu einem stationären Aufenthalt im Klinikum L2 führte, traten erneut Vereiterungen in beiden Ohren mit Furunkeln, Bakterien und dem Pilz Candida albicans auf..
5Ihr Hausarzt überwies sie aufgrund des "therapieresistenten" CFS-Syndroms und rezidivierender EBV-Viren (Eppstein-Barr-Viren) am 05.05.1999 in die TCM Klinik in L zur stationären Behandlung. Die TCM-Klinik ist die erste deutsche Klinik für Traditionelle Chinesische Medizin mit einer Zulassung entsprechend § 34 der Gewerbeordnung für Privatkliniken und einem mit der Arbeitsgemeinschaft der bayrischen Krankenkassenverbände abgeschlossenen Versorgungsvertrag für Krankenhausbehandlungen gemäß § 108 Abs.3 SGB V. Durch den Landesausschuss der privaten Krankenversicherer wurde die TCM Klinik nicht als Krankenhaus i.S.d. § 4 Abs.4 MB/KK eingestuft.
6In der Zeit vom 01.06.1999 bis 30.06.1999 befand sich die Klägerin dort in stationärer Heilbehandlung. Die Behandlung führte subjektiv zur Besserung des Allgemeinzustands, insbesondere des Juckreizes. Ein Teil der Wirkungen hielt über Monate an. Vor Aufnahme in die Klinik hatte die Klägerin die Beklagte angeschrieben. Die Beklagte hatte es abgelehnt, die Behandlungskosten in dieser Klinik zu übernehmen.
7Anfang Juli übersandte die Klägerin der Beklagten die Rechnung der TCM-Klinik vom 30.06.1999 in Höhe von 13.196,43 DM mit der Bitte um Erstattung zunächst bestimmter Positionen, die auch bei ambulanter Behandlung angefallen wären. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 09.07.1999 ab. Einen Betrag von 2.380,- DM wies die Beklagte laut Schreiben vom 30.07.1999 der Klägerin an.
8Mit Schriftsatz vom 29.03.2001 erweiterte die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag um 2.148,21 DM. Diesen Betrag stellte ihr Dr. med. Q, der zugleich Arzt für Naturheilverfahren sowie Homöopathie ist, mit Schreiben vom 30.11.2000 für Selen- und Zinkinfusionen und für eine HOT-Behandlung sowie eine Vitamin C - Therapie in Rechnung. Mit Schreiben vom 09.03.200 lehnte die Beklagte die Erstattung dieser Rechnung ab.
9Mit Schriftsatz vom 06.07.2001 erweiterte die Klägerin ihren Klageantrag erneut um weitere 523,71 DM. Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten eines Teleskopgestells im Rahmen einer prothetischen Versorgung.
10Die Klägerin behauptet, täglich seien in der TCM-Klinik Zungendiagnostik und wiederholte Puls- und Temperaturkontrollen durchgeführt worden. Ihr seien chinesische Heilkräuter aufgebrüht und zu trinken gereicht worden (sog. Dekokte). Es seien täglich Visiten und Qi Gong - Übungen durchgeführt worden. Wöchentlich seien drei Akupunkturen mit anschließendem Schröpfen vorgenommen worden. Ferner seien ihr mehrere Spritzen aus dem Bereich der Neuraltherapie verabreicht worden. Sie ist der Auffassung, diese durchgeführten Maßnahmen seien als medizinisch notwendige Heilbehandlungsmaßnahmen i.S.d. § 1 MB/KK 76 zu qualifizieren. Ihre Krankheiten seien mit schulmedizinischen Maßnahmen nicht therapierbar gewesen. Eine stationäre Behandlung sei erforderlich gewesen. Die TCM-Klinik sei ein öffentliches Krankenhaus. Hinsichtlich der Behandlung bei Dr. Q behauptet sie, auch diese Maßnahmen seien erforderlich gewesen. Schulmedizinische Behandlungsmaßnahmen hätten nicht weitergeholfen.
11Sie beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.816,43 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung, weiterer 2.148,21 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung dieser Klageerweiterung sowie weiterer 523,71 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung dieser Klageerweiterung zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte behauptet, die TCM-Klinik sei kein Krankenhaus, sondern eine Kurklinik. Es habe sich demnach um einen Kur- bzw. Sanatoriumsaufenthalt gehandelt. Eine stationäre Behandlung sei nicht notwendig gewesen, da die Klägerin weder bettlägerig gewesen sei noch physikalische Maßnahmen und ein intensiver Einsatz des ärztlichen Personals im Vordergrund des Aufenthalts gestanden habe. Eine Fortsetzung der chinesischen Therapie mit chinesischen Heilkräutern und Akupunktur sei bei schon ambulanter therapeutischer Insuffizienz fraglich gewesen. Naturkräuter und Akupunktur reichen bei einer Otitis nicht aus. Für das CFS bedürfe es keiner stationären Therapieebene. Es hätten Befunde bzw. eindeutige Gründe gefehlt, die eine stationäre Therapie dieser Beschwerden unbedingt erforderlich machen würden. Es sei vielmehr von einer stationären Therapie abzuraten, da bei dem schon durchgeführten Behandlungsverfahren ambulant eine klare therapeutische Insuffizienz vorgelegen habe. Dass die Klägerin auch nach der Entlassung die chinesische Arzneimitteltherapie habe weiterführen sollen, zeige die fehlende Notwendigkeit einer stationären Behandlung. Sie ist daher der Auffassung, ein Leistungsanspruch der Klägerin bestehe nicht.
16Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F2 (Bl. 343ff.) verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die Sache ist teilweise zur Entscheidung reif, und zwar im Hinblick auf die geltend gemachten Kosten der Behandlung in der TCM - Klinik (10.816,43 DM = 5.530,35 EUR) und die Kosten des Teleskopgestells (523,71 DM = 267,77 EUR). Die noch offenen Kosten der Behandlung in der TCM - Klinik kann die Klägerin von der Beklagten nicht erstattet verlangen (I.). Demgegenüber hat sie einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Teleskopgestell (II.).
20I.
21Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung des noch offenen Teils der Rechnung der TCM - Klinik in Höhe von 10.816,43 DM (= 5.530,35 EUR) gemäß dem bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag i.V.m. § 4 Abs.1 MB/KK 76 und den entsprechenden Tarifen (P2E, P3).
221. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen ist gemäß § 1 Abs.1 MB/KK der Eintritt eines Versicherungsfalls. Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit und Unfallfolgen (§ 1 Abs.2 S.1 MB/KK). Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung hat die versicherte Person gemäß § 4 Abs. 3 MB/KK die freie Wahl unter den öffentlichen und privaten Krankenhäusern, die unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und Krankengeschichten führen.
23Zwar war aufgrund des zwischen den Parteien unstreitigen Krankheitsbilds der Klägerin im Mai 1999 eine stationäre Heilbehandlung medizinisch notwendig. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fest. Der Sachverständige führt in seinem Gutachten aus, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt an einer Somatisierungsstörung sowie einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion litt, die aufgrund der ausgeprägten häuslichen Belastungssituation ebenso wie der aufgrund der langen Dauer zunehmenden Schwere nur unter stationären Rahmenbedingungen behandelt werden konnte. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte, an den nachvollziehbaren Ausführungen des qualifizierten Sachverständigen zu zweifeln.
24Eine Leistungspflicht der Beklagten besteht allerdings nur dann, wenn es sich bei der TCM - Klinik um ein Krankenhaus i.S.d. § 4 Abs.3 MB/KK handelt und dieses die medizinisch notwendigen Behandlungen durchgeführt hat. Dies ist nicht der Fall.
25Ob die TCM - Klinik L als Krankenhaus i.S.d. § 4 Abs.3 MB/KK zu qualifizieren ist, kann insoweit dahinstehen. Denn jedenfalls ist die TCM Klinik L kein Krankenhaus, das eine medizinisch notwendige Heilbehandlung an der Klägerin vornehmen kann und bei der Klägerin vorgenommen hat. Zwar schließen sich eine medizinisch notwendige Heilbehandlung und eine Kur- und Sanatoriumsbehandlung nicht aus (vgl. BGH, NJW 1995, 3057). Eine Heilbehandlung ist notwendig im Sinne des § 1 Abs.2 MB/KK, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen ex ante vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (vgl. z.B. OLG Köln, VersR 1997, 729). Ist die im konkreten Fall angewandte Behandlungsmethode allgemein anerkannt und geeignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken, ist der Versicherer eintrittspflichtig. Beurteilungsgrundlage bildet insoweit die Schulmedizin (OLG Düsseldorf, VersR 1995, 773). Dies gilt jedoch nicht für Krankheiten, für die es keine allgemein anerkannte und geeignete Behandlungsmethode gibt. In solchen Fällen kommt es darauf an, ob die Behandlung nach medizinischen Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme als wahrscheinlich geeignet angesehen werden konnte, auf eine Verhinderung oder Verschlimmerung der Erkrankung oder zumindest auf deren Verlangsamung hinzuwirken, wobei unerheblich ist, ob die Geeignetheit von schulmedizinischen Erwägungen abhängt oder auf Erkenntnissen der alternativen Medizin aufbaut. Entscheidend ist dann lediglich, dass die Methode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht (BGH, VersR 1996, 1224; OLG Köln, VersR 1997, 729). Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Eine über die Placeborate hinausgehende spezifische Wirksamkeit von TCM ist nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen für die in der Patientenindikation aufgelisteten Indikationsgebiete bisher wissenschaftlich nicht belegt. Eine adäquate Behandlung kann, so der Sachverständige, nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand ausschließlich in einer psychosomatischen Fachklinik durchgeführt werden. Die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen werden vom Sachverständigen als sehr unspezifisch beschrieben, welche kaum einen über die Placeborate hinausgehenden Effekt erwarten lassen. den Feststellungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer aufgrund eigener Würdigung an.
26Die Kammer sah angesichts des eindeutigen Ergebnisses des Gutachtens keine Notwendigkeit, ein Ergänzungsgutachten oder, wie von der Klägerin beantragt wurde, weitere ärztliche Stellungnahmen zur Qualifizierung der stationären Behandlung in der TCM - Klinik einzuholen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten die hier maßgeblichen Fragen klar und eindeutig beantwortet.
273.
28Eine Leistungspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht bereits aus § 5 Abs.1 lit d) 2.HS MB/KK. Danach ist eine Leistungspflicht für Kur- und Sanatoriumsbehandlung sowie für Rehabilitationsmaßnahmen der gesetzlichen Rehabilitationsträger ausgeschlossen, wenn der Tarif nichts anderes vorsieht. In den zwischen den Parteien abgeschlossenen Tarifen ist eine Kostenübernahme insbesondere für eine Kur- und Sanatoriumsbehandlung nicht vereinbart.
294.
30Schließlich scheidet auch eine Kostenübernahme nach § 4 Abs.5 S.1 MB/KK aus. Nach dieser Vorschrift werden die tariflichen Leistungen für medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, im übrigen aber die Voraussetzungen des Abs.4 erfüllen (sog. "gemischte Anstalten"), nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat (§ 4 Abs.5 S.1 MB/KK). Die Beklagte hatte die Übernahme von Kosten für die stationäre Behandlung in der TCM - Klinik vor Behandlungsbeginn ausdrücklich abgelehnt.
31Ein Erstattungsanspruch scheidet daher aus.
32II.
33Die Kosten des Teleskopgestells in Höhe von 523,71 DM (= 267,77 EUR) hat die Beklagte der Klägerin demgegenüber gemäß dem bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag zu erstatten. Zwar hat die Klägerin Korrespondenz der Bekagten vorgelegt, aus der sich ergibt, dass die Beklagte die Zahlung dieses Betrages unter Hinweis auf diverse gerichtliche Entscheidungen verweigert hat. Indes hat die Beklagte im Verfahren selbst zum Kostenerstattungsanspruch nicht vorgetragen und sich auch nicht auf die vorgerichtliche Korrespondenz bezogen, den schlüssigen Anspruch also nicht bestritten. Daher war antragsgemäß zu entscheiden.
34Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs.1, 291 BGB.
35III.
36Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 708 Nr.11, 711, 108 ZPO.
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