Urteil vom Landgericht Krefeld - 5 O 240/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Durch Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 26.10.2006 ist über das Vermögen der Frau N. L. aus U. das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
3Die Insolvenzschuldnerin hatte über etwa 15 Jahre hinweg bis August 2006 ein Installateurgeschäft als Einzelunternehmen geführt. Einzig Beschäftigter war ihr Ehemann I. L. Dieser hatte schon zuvor ein eigenes Installateurgeschäft betrieben, bis er den Betrieb aufgrund seiner Insolvenz hatte aufgeben müssen. Daneben war Frau L. noch in einem Produktionsbetrieb abhängig beschäftigt und erzielte aus dieser Tätigkeit Einnahmen.
4Etwa Mitte des Jahres 2006 trennten sich die Eheleute L. Am 26.07.2006 ging ein Insolvenzantrag der B. S. bei dem Amtsgericht Krefeld ein, der sich auf den Gewerbebetrieb der Insolvenzschuldnerin bezog. In dieser Situation entschloss diese sich, das auf sie angemeldete Gewerbe zum 31.07.2006 abzumelden und sich dem Insolvenzantrag der B. anzuschließen. Zahlungsunfähig war die Insolvenzschuldnerin spätestens ab dem 15.08.2006.
5Die Beklagte ist die langjährige Steuerberaterin der Insolvenzschuldnerin. Für den Betrieb der Insolvenzschuldnerin erledigte die Beklagte die Lohnbuchhaltung. Außerdem war sie mit der Erstellung der Einkommenssteuererklärungen betraut.
6Gegen den Einkommenssteuerschätzbescheid für das Jahr 2002, der gegen die Eheleute L. ergangen war, hatte die Beklagte Klage zu erheben; dabei versäumte sie eine Frist und der Prozess ging trotz guter Erfolgsaussichten im April 2006 verloren. Den Schaden, der sich auf EUR 6.196,02 belaufen hatte, regulierte der Haftpflichtversicherer der Beklagten. Dieser wies – unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes der Beklagten – am 06.10.2006 einen Betrag von EUR 4.696,02 auf deren Konto an.
7Am selben Tag trafen die Beklagte und die Eheleute L. eine Abfindungsvereinbarung über diesen Schadensersatzanspruch und zwar dergestalt, dass die Beklagte einen Betrag von EUR 6.196,02 an die Eheleute L. zahlt und diese sich im Gegenzuge wegen des Schadensereignisses für endgültig abgefunden erklären.
8Mit Schreiben vom 11.10.2006 erteilte die Beklagte den Eheleuten L. eine Abrechnung; hierin erklärte sie, mit eigenen Honorarforderungen in Höhe von EUR 3.068,32 gegen die Schadensersatzforderung von EUR 6.196,02 aufzurechnen.
9Zuletzt unter Fristsetzung zum 15.02.2007 hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, den vollen Betrag des Schadensersatzes zur Insolvenzmasse zu zahlen.
10Bereits mit Schreiben vom 16.01.2007 hatte die Beklagte den Kläger auf die erfolgte Aufrechnung hingewiesen und erklärt, den verbleibenden Restbetrag bar an Herrn I. L. ausgezahlt zu haben.
11Der Kläger behauptet, dass der Steuerrückerstattungsanspruch und damit auch die gegen die Beklagte begründete Schadensersatzforderung der Insolvenzschuldnerin in voller Höhe zugestanden habe. Er bestreitet, dass die Beklagte zur Erfüllung der gegen sie gerichteten Ansprüche Zahlungen an den Ehemann der Insolvenzschuldnerin erbracht habe; jedenfalls aber ist sie der Ansicht, dass eine solche Zahlung keine schuldbefreiende Wirkung gehabt haben könne. Außerdem bestreitet er, dass der Beklagten aufrechenbare Gegenforderungen aus Honorarrechnungen zugestanden haben. Schließlich ist er der Ansicht, dass die von der Beklagten erklärte Aufrechnung auch unzulässig sein würde. In diesem Zusammenhang behauptet er, dass der Beklagten die finanzielle Situation der Insolvenzschuldnerin bekannt gewesen sei und sie bereits im August 2006 von dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gewusst habe.
12Der Kläger beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 6.196,02 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2007 zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie behauptet, erst durch ein Schreiben des Klägers vom 21.11.2006 von der Zahlungsunfähigkeit der Frau L. und von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis erhalten zu haben. Infolgedessen meint sie, auch zur Verrechnung ihrer Honorarforderungen gegen die Schadensersatzforderung berechtigt gewesen zu sein. In diesem Zusammenhang behauptet sie, von der Insolvenzschuldnerin und deren Ehemann gemeinsam mandatiert gewesen zu sein. Für sie habe sie u.a. die Tätigkeiten ausgeführt, die Gegenstand ihrer unbeglichenen Rechnungen vom 16.12.2005 über EUR 1.512,06, vom 20.12.2005 über
17EUR 200,68, vom 03.04.2006 über EUR 1.205,94 und vom 11.10.2006 über
18EUR 149,64 gewesen seien. Abgerechnet habe sie mit Rechnung vom 16.12.2005 den betrieblichen Abschluss und die Einkommenssteuererklärung der Eheleute L. für das Kalenderjahr 2001, mit Rechnung vom 20.12.2005 Lohnarbeiten für das Kalenderjahr 2005, mit Rechnung vom 03.04.2006 den betrieblichen Abschluss und die Einkommenssteuererklärung der Eheleute L. für das Kalenderjahr 2002 und mit Rechnung vom 11.10.2006 über EUR 149,64 Lohnarbeiten für das Kalenderjahr 2006.
19Sie ist der Ansicht, den nach Verrechnung verbliebenen Restbetrag mit schuldbefreiender Wirkung an den Ehemann der Insolvenzschuldnerin gezahlt zu haben. Sie behauptet, dass der Steuererstattungsanspruch jedenfalls in dieser Höhe Herrn L. zugestanden habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
21Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.04.2009 und vom 03.02.2010. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.07.2009 und das Sachverständigengutachten der Steuerberaterin T. T. aus D. vom 16.12.2010 verwiesen.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage hat keinen Erfolg.
24Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einziehung der geltend gemachten Forderung in Höhe von EUR 6.196,02 gem. §§ 280, 281, 675 BGB, § 80 Abs. 1 InsO gegen die Beklagte. In Höhe von EUR 3.302,00 fällt der gegen die Beklagte entstandene Schadensersatzanspruch nicht in das zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen (1.), in Höhe restlicher EUR 2.894,02 ist der Anspruch durch Aufrechnung erloschen (2.).
251.
26Nach dem Gutachten der Sachverständigen T. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Anteil des Herrn L. am Steuer- und Zinserstattungsanspruch der Ehegatten EUR 3.302,00 beträgt und damit allein seinem Vermögen zuzuordnen ist. Die Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Eheleute L., soweit es die Einkommenssteuer für das Jahr 2002 angeht, zusammen veranlagt worden waren, wie es aus dem Einkommenssteuerschätzbescheid vom 08.04.2004 und auch der Einspruchsentscheidung des Finanzamtes L. vom 23.02.2006 eindeutig hervorgeht. Im Einklang mit der geltenden Rechtsprechung hat sie ausgeführt, dass zusammenveranlagte Ehegatten hinsichtlich der Einkommenssteuer Gesamtschuldner, für Erstattungsansprüche zu Unrecht eingezahlter Einkommensteuer aber nicht Gesamtgläubiger seien. Der Erstattungsanspruch stehe vielmehr demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Steuer gezahlt worden ist. Dabei sei es nicht entscheidend, welcher der Ehegatten den Zahlungsvorgang bewirkt habe, solange nicht die Willensrichtung des zahlenden Ehegatten erkennbar sei, nur die eigene Steuerschuld tilgen zu wollen. Tatsächlich geleistet wurden die Einkommenssteuervorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2002 nach den Feststellungen der Sachverständigen in 2002, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Eheleute jedenfalls äußerlich noch in intakter Ehe gelebt haben, so dass es den Feststellungen der Sachverständigen zufolge nicht darauf ankommt, welcher Ehegatte die Zahlungen letztlich tatsächlich erbracht hatte. Der Aufteilung des Gesamterstattungsanspruches durch die Sachverständige ist auch der Kläger nicht entgegen getreten. Sie orientiert sich nachvollziehbar an den auf die Ehegatten jeweils entfallenden Steueranteilen.
27Stand der Steuererstattungsanspruch in Höhe von EUR 3.302,00 Herrn L. zu, gilt nichts anderes für den gegen die Beklagte gerichteten Schadensersatzanspruch. Dies entspricht auch der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2011 geäußerten Ansicht. Nachdem feststeht, dass die Eheleute L. zusammen veranlagt worden waren, kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, die Beklagte sei allein von der späteren Insolvenzschuldnerin zur Klageerhebung beauftragt worden. Es liegt auf der Hand, dass die Mandatierung in einem solchen Fall durch beide Ehegatten erfolgt, weil sie auch beide als Steuerschuldner in Anspruch genommen worden waren. Umso mehr gilt dies im folgenden Fall, weil sie die Abfindungsvereinbarung mit der Beklagten auch beide unterschrieben und damit zum Ausdruck gebracht haben, gemeinsam Auftraggeber der Beklagten gewesen zu sein.
28(2.)
29In Höhe restlicher EUR 2.894,02 ist der Anspruch der Insolvenzschuldnerin durch Aufrechnung erloschen, § 389 BGB. Die Beklagte hat durch die Vorlage der Rechnungen vom 16.12.2005 über EUR 1.512,06, vom 20.12.2005 über
30EUR 200,68 und vom 03.04.2006 über EUR 1.205,94 schlüssig dargetan, Ansprüche aus Steuerberatertätigkeit gegen die Insolvenzschuldnerin in einer die restliche Klageforderung übersteigenden Höhe von EUR 2.918,68 erlangt zu haben. Dem ist der Kläger schon nicht substantiiert entgegengetreten. Jedenfalls aber hat die als Zeugin vernommene Insolvenzschuldnerin bestätigt, dass diese Forderungen entstanden und bis zum 11. Oktober 2006 noch nicht erfüllt waren.
31Die Beklagte war auch berechtigt, mit diesen Honoraransprüchen gegen die Forderung der Insolvenzschuldnerin aufzurechnen. Ein Aufrechnungsverbot bestand nicht, § 94 InsO. Die Aufrechnungslage bestand bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Denn die Forderung gegen die Beklagte war fällig mit Abweisung der Klage gegen den Einkommenssteuerbescheid im April 2006, die jüngste der hier in Rede stehenden Gegenforderungen war gleichfalls im April 2006 und damit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.
33Streitwert: EUR 6.196,02
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