Urteil vom Landgericht Krefeld - 12 O 28/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Uhrwerke mit der Referenznummer Kaliber 770 und Kaliber 781 nicht die gleiche Konstruktion haben wie die Uhrwerke Kaliber 793 konstante Kraft, Kaliber 793 Tourbillon, Kaliber 794 konstante Kraft und Kaliber 794 Tourbillon.
Auf die Widerklage wird weiter festgestellt, dass die Uhrwerke mit der Referenznummer Kaliber 773 und Kaliber 776 nicht die gleiche Konstruktion haben wie die Uhrwerke Kaliber 793 konstante Kraft, Kaliber 793 Tourbillon, Kaliber 794 konstante Kraft und Kaliber 794 Tourbillon.
Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, soweit hierüber nicht im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 05.10.2011 (I – 20 U 29/11) entschieden worden ist.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger handelt neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt mit hochwertigen Uhren. Der Beklagte zu 2. ist Uhrmachermeister. Er hat Deutschland im Jahr 2005 verlassen und in Frankreich die Beklagte zu 1. gegründet, die sich mit der Entwicklung von Uhrwerken befasst. Im Jahr 2010, nach Eintritt der Rechtshängigkeit, hat der Beklagte zu 2. seinen Wohnsitz in die T verlegt.
3Der Kläger ließ in den Jahren 2005 bis 2008 Uhrwerke für hochwertige Armbanduhren von den Beklagten entwickeln, die später unter seinem Namen auf den Markt gebracht werden sollten. Der Beklagte zu 2. war ihm aus zuvor erteilten Uhrenreparaturaufträgen bekannt. Auftragsgegenstand war die Konstruktion und Entwicklung von zwei Uhrwerken Kaliber 793 Tourbillon und 793 konstante Kraft in runder Form sowie Kaliber 794 Tourbillon und 794 konstante Kraft in eckiger Form, die später in Serie produziert werden sollten, wobei die Parteien darüber streiten, zu welchen Bedingungen dies geschehen sollte. Die Bezahlung sämtlicher Kosten ist durch den Kläger erfolgt und zwar sowohl der Kosten der zu verbauenden Teile, die überwiegend spezialangefertigt und bei Drittfirmen bestellt werden mussten, die Kosten der zum Zusammenbau erforderlichen Arbeitsgeräte als auch die Vergütung des zeitlichen Aufwandes der Beklagten. Die Beklagten haben bislang drei Prototypen an den Kläger ausgeliefert.
4Die Beklagten haben parallel zu den vom Kläger finanzierten Entwicklungsarbeiten weitere Uhrwerke in runder Form mit den Kalibern 770 und 781, Gehäuse und Zifferblätter entwickelt, die sie für ihre eigene Firma auf der Messe in C im März/April 2009 vorgestellt haben. Zu ihrem Sortiment gehören noch die Kaliber 773 und 776. Zur Bewerbung ihrer Produkte unterhielten sie einen in deutscher und französischer Sprache verfassten Internetauftritt.
5Der Kläger sieht hierin eine Verletzung ihrer Vereinbarung, aber auch eine unerlaubte Handlung und zwar unter dem Gesichtspunkt der Vorlagenfreibeuterei, des Eingriffs in den Gewerbebetrieb, des Betruges und der Untreue. Er behauptet, es sei vereinbart gewesen, dass die Beklagten ausschließlich für ihn tätig seien. Gleichwohl hätte sie im fraglichen Zeitraum nicht nur Uhrwerke mit den Kalibern 770 und 781 entwickelt und präsentiert, sie hätten dabei auch die Konstruktionen der für ihn entwickelten Uhrwerke übernommen und ihnen so ihre Exklusivität genommen. Es handele sich bei den Uhrwerken „jeweils um die gleiche Konstruktion“.
6Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf die Darstellungen im Tatbestand des Teilurteils des Landgerichts Krefeld vom 08.12.2010 (damaliges Aktenzeichen 11 O 159/09, Bl. 297 und 298 d.A.) und auf I. der Gründe des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 05.10.2011 (I-20 U 29/11, Bl. 434b d.A.) und auf die Schriftsätze vom 27.03.2014 (Bl. 594 d.A.) und vom 14.05.2012 (Bl. 633 d.A.) Bezug genommen.
7Der Kläger beantragt,
8I.
9die Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) zu verpflichten, es zu unterlassen,
101.
11die Uhrwerke Kaliber 770 und 781 zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr zu verwenden;
122.
13die Konstruktion der Uhrwerke Kaliber 793 konstante Kraft, 793 Tourbillon, 794 konstante Kraft, 794 Tourbillon zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr ganz oder teilweise zu verwenden, insbesondere die Konstruktion ganz oder teilweise Dritten zum Kauf anzubieten bzw. an Dritte zu verkaufen und Teile der Konstruktion gemäß der nachfolgenden Bestandsliste „Werk Komplett" zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr zu verwenden mit Ausnahme der Teilereferenzen 5101-070, 5103-060, 5104-100, 5105-040, 5106-080, 5107-070, 5112-070, 5120-100, 5616-013-100, 906.20, 906.21, 9131-5863-12, 9131-5957, 93315880-9-R1, 5703-080, 5704-080, 5705-030, 5707-080 gemäß der in Anlage 1 zu diesem Urteil wiedergegebene Auflistung;
14II.
15der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) anzudrohen, dass für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in I. Ziffer 1 und 2 ausgesprochenen Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann;
16III.
17die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) zu verpflichten,
181.
19die Rechnungen der Beklagten zu 1) an den Kläger mit den laufenden Nummern 1505 v. Oktober 2005; 01 v. 15.2.06; 03 v. 15.3.06; 04 v. 15.3.06; 05 v. 15.3.06; 09 v. 15.6.06; 10 v. 15.6.06; 11 v. 15.6.06; 14 v. 10.8.06; 16 v. 5.9.06; 18 v. 8.10.06; 20 v. 2.11.06; 22 v. 2.12.06; 24 v. 3.01.07; 25 v. 17.01.07; 29 v. 22.03.07; 31 v. 5.05.07; 32 v. 8.05.07; 33 v. 10.05.07; 39 v. 18.08.07; 40 v. 25.08.07, gemäß der Anlage B 1 zu konkretisieren, indem die jeweiligen Stückzahlen der Teile beziffert werden und deren Einkauf durch die jeweiligen Herstellerrechnungen belegt werden;
202.
21die Beklagte zu 1) und den Beklagten zu 2) zu verpflichten, die Herstellerrechnungen der Firma FE, 00, DI-0000 MC, betreffend die Lieferung von Produktionsteilen bezüglich der Werke 793 Konstante Kraft und Tourbillon sowie 794 Konstante Kraft und Tourbillon aus den Jahren 2007 und 2008 vorzulegen;
22IV.
231.
24die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen angemessenen Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei der genaue Betrag des Schadensersatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und hierbei von einem Betrag nicht unter 330.000,00 Euro ausgegangen werden soll, hilfsweise auch von einem Betrag, der 330.000,00 Euro unterschreitet;
252.
26die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen weiteren Schadensersatz in Höhe von 311.801,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
273.
28festzustellen, dass die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, Schadensersatz zu leisten, dadurch dass
29-
30die Beklagten zu 1) und 2) die Produktion des Klägers blockieren, indem sie sich weigern, die im Eigentum des Klägers stehenden Produktionsteile vollständig herauszugeben (Produktionsausfall);
31-
32die Beklagten zu 1) und 2) Produktionsteile des Klägers nicht vollständig herausgegeben haben und der Kläger die Herstellung dieser Teile neu in Auftrag geben und bezahlen muss;
33-
34die Beklagten zu 1) und 2) im Mai 2009 die Bestellung des Klägers zur Herstellung von sechs Armbanduhren (5 konstante Kräfte, 1 Tourbillon) angenommen, als Liefertermin den September/Oktober 2009 bestätigt und bis heute nicht geliefert haben;
35V.
36die Beklagte zu 1) zu verurteilen, handelsübliche Rechnungen für die folgenden Zahlungen des Klägers zu erteilen:
37€ 23.000,- vom 01.01.2008, € 35.000,- vom 01.01.2008, € 10.000,- vom 21.04.2008, € 8.500,- vom 21.04.2008, € 8.500,- vom 07.05.2008, € 38.500,- vom 02.06.2008, € 8.500,- vom 02.07.2008, € 5.300,- vom 23.07.2008, € 20.900,- vom 04.08.2008, € 20.000,- vom 07.08.2008, € 20.550,- vom 16.09.2008, € 8.500,- vom 01.10.2008, € 20.000,- vom 15.10.2008, € 8.500,- vom 19.11.2008.
38Die Beklagten beantragen,
39die Klage abzuweisen.
40Widerklagend beantragen sie,
41festzustellen, dass die Uhrwerke mit der Referenznummer Kaliber 770 und Kaliber 781 eine andere Konstruktion haben als die Uhrwerke Kaliber 793 konstante Kraft, Kaliber 793 Tourbillon, Kaliber 794 konstante Kraft und Kaliber 794 Tourbillon;
42weiter festzustellen, dass die Uhrwerke mit der Referenznummer Kaliber 773 und Kaliber 776 eine andere Konstruktion haben als die Uhrwerke Kaliber 793 konstante Kraft, Kaliber 793 Tourbillon, Kaliber 794 konstante Kraft und Kaliber 794 Tourbillon.
43Der Kläger beantragt,
44die Widerklage abzuweisen.
45Die Beklagten sind der Auffassung, eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage sei nicht gegeben. Der Erfüllungsort sei in Frankreich, dort sei die vertragscharakteristische Leistung, die Herstellung der Uhrwerke, erfolgt. Auch Handlungs- und Erfolgsort seien in Frankreich belegen. Sie hätten den Kläger nie getäuscht; zur Entwicklung eigener Uhrwerke seien sie berechtigt gewesen.
46Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf die Darstellungen im Tatbestand des Teilurteils des Landgerichts Krefeld vom 08.12.2010 (damaliges Aktenzeichen 11 O 159/09, Bl. 307 d.A.) und auf I. der Gründe des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 05.10.2011 (I-20 U 29/11, Bl. 434b d.A.) und auf die Schriftsätze vom 06.05.2014 (Bl. 613 d.A.) und vom 18.07.2014 (Bl. 687 d.A.) Bezug genommen.
47Für die Beklagte zu 1. wurde in Frankreich eine Insolvenzverwalterin ernannt; das Insolvenzverfahren ist eröffnet. Die Insolvenzverwalterin, Frau C E, hat die Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorsorglich zur Fortsetzung des Verfahrens ermächtigt.
48Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen M vom 09.07.2011 (Bl. 382 d.A.), die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen M vom 09.10.2011 (Bl. 440 d.A.) und die Anhörung des Sachverständigen M im Termin vom 15.05.2012 (Bl. 488 d.A.) Bezug genommen.
49Das Landgericht Krefeld hat die Klage mit Teilurteil vom 08.12.2010 (Bl. 296 d.A.) mit der Begründung abgewiesen, das Landgericht Krefeld sei für die Klage international nicht zuständig. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 05.10.2011 (Bl. 434a d.A.) das Teilurteil des Landgerichts Krefeld vom 08.1.2010 aufgehoben und die Sache an das Landgericht Krefeld zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ausgeführt, dass zwar eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Krefeld für die vom Kläger geltend gemachten vertraglichen Ansprüche nicht gegeben sei, weil die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 1 EuGVVO nicht einschlägig sei (vgl. dazu Seiten 12 und 13 der Urteilsausfertigung, Bl. 434l und 434m d.A.). Allerdings sei für die vom Kläger behaupteten deliktischen Ansprüche, insbesondere für einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch aus Vorlagenfreibeuterei, die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Krefeld gegeben(vgl. dazu Seiten 10 und 11 der Urteilsausfertigung, Bl. 434j und 434k d.A.). Im Hinblick auf die noch anhängige Widerklage drohe bei dieser Sachlage die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, was die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertige (vgl. dazu Seiten 8 und 10 der Urteilsausfertigung, Bl. 434h und 434j d.A.).
50Die Kammer hat die Sache sodann mit Beschluss vom 27.09.2012 (Bl. 527 d.A.) dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Frage vorgelegt, ob Art.5 Nr. 1 EuGVVO so auszulegen sei, dass ein Anspruchsteller, der behauptet, durch eine nach deutschem Recht als unerlaubte Handlung zu bewertende wettbewerbswidrige Handlung seines in einem anderen Vertragsstaat ansässigen Vertragspartners geschädigt worden zu sein, auch dann Ansprüche gegen diesen geltend macht, die an einen Vertrag anknüpfen, soweit er sich in seiner Klage auf deliktische Ansprüche stützt. Der Europäische Gerichtshof hat diese Frage durch Urteil vom 13.03.2014 (C-548/12, dort Rn 30, Bl. 627 d.A.) wie folgt beantwortet:
51„Klagen wegen zivilrechtlicher Haftung wie die des Ausgangsverfahrens, die nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur sind, knüpfen gleichwohl an eine „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. A der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen an, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen.“
52Entscheidungsgründe:
53Die Klage ist abzuweisen, weil das Landgericht Krefeld für die Entscheidung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche insgesamt – auch soweit es um die behaupteten deliktischen Ansprüche geht – international nicht zuständig ist. Demgegenüber ist der Widerklage überwiegend stattzugeben, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen ist, dass es sich bei den streitgegenständlichen, vom den Beklagten für eigene Zwecke gefertigte, im Tenor näher bezeichneten Uhrwerken nicht um die „gleichen“ Konstruktionen wie diejenigen handelt, die die Beklagten für den Kläger in dessen Auftrag entwickelt haben. Die weitergehende Widerklage ist in der Sache nicht begründet.
54Zur Klage:
55Soweit der Kläger mit der Klage gegen die Beklagten vertragliche Ansprüche geltend macht, ist die Klage schon deshalb abzuweisen, weil die Kammer gem. § 563 Abs. 2 ZPO analog an die – im Übrigen vom Landgericht geteilte - Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts im Urteil vom 05.10.2011 (Bl. 434a, 434l d.A.) gebunden ist, wonach „auch nach Ansicht des Senats eine internationale Zuständigkeit“ nicht besteht. Bei dieser Sachlage erübrigen sich weitergehende Ausführungen zu dieser Frage. Die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 27.03.2014 (Bl. 594 d.A.) rechtfertigen schon deshalb keine andere Beurteilung. Im Übrigen gilt auch hier das, was das Oberlandesgericht Düsseldorf zu dieser Frage in seiner Entscheidung vom 05.10.2011 (dort Seite 12, Bl. 434l d.A.) ausgeführt hat:
56„Die Beklagten schuldeten dem Kläger die Entwicklung neuer Uhrwerke. Auch wenn insoweit regelmäßig Besprechungen mit dem Kläger in Deutschland notwendig gewesen sind, haben die Beklagten diese für den Vertrag charakteristische Leistung zwangsläufig überwiegend an ihren Geschäfts- beziehungsweise Wohnsitz und mithin in Frankreich erbracht.“
57Aber auch für die vom Kläger geltend gemachten deliktischen Ansprüche ist die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Krefeld nicht gegeben. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann vorliegend nicht zur Begründung eines inländischen Gerichtsstands herangezogen werden, weil die vom Kläger insoweit geltend gemachten Ansprüche an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom22. Dezember 2000 anknüpfen.
58Die Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO für den Ort der unerlaubten Handlung gilt aufgrund der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geprägten Definition für alle Klagen, „mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpfen“ (Urteil vom 27.09.1988 – 198/87, „Kalfelis“).
59Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.03.2014 (dort Rn 24 und 25, Bl. 626 d.A.) knüpfen die Klageanträge dann an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 an, wenn eine Auslegung des Vertrages zwischen dem Beklagten und dem Kläger unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist. Wörtlich führt der Europäische Gerichtshof sodann aus (aaO Rn 26, Bl. 626 d.A.):
60„Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die Klageanträge des Klägers einen Ersatzanspruch zum Gegenstand haben, dessen Grund bei vernünftiger Betrachtungsweise in einem Verstoß gegen die Rechte und Pflichten aus dem zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens bestehenden Vertrag gesehen werden kann, so dass dessen Berücksichtigung für die Entscheidung über die Klage zwingend erforderlich gewesen wäre.“
61Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend festzustellen, dass auch die vom Kläger behaupteten deliktischen Ansprüche an die zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Absprachen anknüpfen. Ob die Beklagten sich – als sie für sich selbst Uhrwerke entwickelte, die, wie der Sachverständige M ausgeführt hat, zur gleichen Uhrenfamilie gehören wie die Uhrwerke, die die Beklagten für den Kläger entwickelt haben – in unzulässiger Weise in Rechte des Klägers eingegriffen hat, kann nicht ohne Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen beurteilt werden.
62Dies ergibt sich in aller Deutlichkeit aus den Ausführungen des Klägers zu den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, so wie sie in der Klageschrift wiedergegeben sind (dort Seiten 10 bis 13, Bl. 10 bis 13 d.A.). Wörtlich führt der Kläger dort aus: „Im Gegenzug war vereinbart, dass dem Kläger die alleinigen Rechte an der Entwicklung zustehen.“ Demgegenüber sind die Beklagte der Auffassung, aus den vertraglichen Absprachen der Parteien ergebe sich nicht, dass ausschließlich dem Kläger die alleinigen Verwertungsrechte zustehen sollten. Jedenfalls sei mit einer ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen, dass ein solches Verwertungsverbot, sollte es bestehen, auf einen Zeitraum von zwei Jahren nach Abschluss der Entwicklungsarbeiten und Übergabe der Entwicklungsergebnisse begrenzt sei (vgl. dazu Seite 17 der Klageerwiderung, Bl. 139 d.A.).
63Vorliegend knüpft der Vorwurf der deliktischen Handlung ausschließlich daran an, dass es dem Beklagten untersagt war, die für den Kläger erbrachten Entwicklungen – ganz oder teilweise – für eigene Entwicklungen zu nutzen. Ob die Beklagten dies durfte, setzt aber zwingend eine Auseinandersetzung mit den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien voraus. Damit knüpfen auch die hier geltend gemachten deliktischen Ansprüche „an einen Vertrag“ an, schließen mithin den deliktischen Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 aus.
64Soweit der Kläger geltend macht, eine Zuständigkeit des Landgerichts Krefeld auch für die Klage sei jedenfalls entsprechend der Regelung in Art 6 Nr. 3 EuGVVO zu bejahen, verkennt er, dass dort ausschließlich der Gerichtsstand einer Widerklage geregelt ist, um den es hier nicht geht (vgl. dazu auch Zöller-Geimer, ZPO 30. Auflage, Art. 6 EuGVVO Rn 8a).
65Die Kammer ist durch das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 05.10.2011 (I – 20 U 29/11, Bl. 434a d.A.) nicht an der Abweisung der Klage insgesamt gehindert. § 563 Abs. 2 ZPO entfaltet insoweit keine Bindungswirkung. Andernfalls würden die unmittelbar aus europäischem Recht folgenden Gerichtsstandsregelungen, die in vorliegender Sache einer Entscheidung nationaler Gerichte, hier des Landgerichts Krefeld, entgegenstehen, unterlaufen.
66Zur Widerklage:
67Die zulässige Widerklage ist in der Sache überwiegend begründet.
68Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass es sich bei den im Tenor näher bezeichneten Uhrwerken, die die Beklagten für eigene Zwecke konstruiert haben, nicht um die „gleiche Konstruktion“ wie bei den Uhrwerken, die die Beklagten für den Kläger entwickelt haben, handelt. Da der Kläger geltend macht, es handele sich bei sämtlichen Uhrwerken um die „gleiche Konstruktion“, haben die Beklagten auch ein hinreichendes rechtliches Interesse an dieser Feststellung.
69Der Sachverständige M hat im Rahmen seiner Begutachtung festgestellt, dass die Entwicklung der von den Beklagten für eigene Zwecke hergestellten Uhrwerke im großen Maß auf der Konstruktion der für den Kläger entwickelten Werke aufbauen. In seiner Anhörung im Termin vom 15.05.2012 (Bl.488 d.A.) hat der Sachverständige seine Beurteilung dahingehend präzisiert, dass beide Uhrenreihen zur gleichen „Uhrenfamilie“ gehören.
70Wörtlich hat der Sachverständige ausgeführt (Seite 8 der Verhandlungsniederschrift, Bl. 495 d.A.):
71„Neben den jetzt angesprochenen Unterschieden gibt es aber viele ähnliche Konstruktionsmerkmale und viele ähnliche oder gleiche Teile, die bei den verschiedenen Uhrwerken Verwendung gefunden haben. Deshalb möchte ich bei meiner Beurteilung bleiben, dass es sich bei sämtlichen Uhren um Uhren aus der gleichen Uhrenfamilie handelt. Man kann aber nicht sagen, dass es sich jeweils um gleiche „Konstruktionen“ handelt. Wenn man von der Voraussetzung ausgeht, dass die Kaliber 793 und 794 zuerst konstruiert worden sind, dann bleibe ich bei meiner Feststellung, dass die dann nachfolgenden Uhrwerke Kaliber 770 und 781 so nicht hätten konstruiert werden können, weil sie auf der Konstruktion von 793 und 794 aufbauen. Die Konstruktion der Werke 793FC und 793 T ist eingeflossen in die Konstruktion der Werke 770 und 781T.“
72Bezogen auf den Gegenstand der Widerklage, bei der im Mittelpunkt die Frage der gleichen oder anderen Konstruktion der Uhrwerke geht, ist mithin festzustellen, dass es nach den Feststellungen des Sachverständig en nicht jeweils um „gleiche“ Konstruktionen geht. Es geht zwar um Konstruktionen, die, die der Sachverständige ausführlich und nachvollziehbar dargelegt hat, Ähnlichkeiten aufweisen, die aber eben nicht gleich sind, was Voraussetzung wäre, wenn man von einer gleichen Konstruktion sprechen wollte.
73Soweit der Beklagte darüber hinaus weitergehend die Feststellung begehrt, es handele bei den für eigene Zwecke entwickelten Uhrenreihen sogar um „eine andere Konstruktion“, ist die Widerklage nicht begründet. Denn die Feststellung des Sachverständigen M tragen diese Feststellung nicht. Vielmehr ist nach den Feststellungen des Sachverständigen M, dem die Kammer folgt, davon auszugehen, dass sich viele neu- und einzigartige Konstruktionsmerkmale der einen Uhrenreihe in der anderen Uhrenreihe wiederfinden, mithin beide Uhrenreihen in einer konstruktiven Wechselbeziehung zueinander stehen. Dies widerspricht der Vorstellung, es handele sich bei beiden Uhrenreihen in der Sache um „andere Konstruktionen“, mithin um Uhrenreihen, die nichts miteinander zu tun haben.
74Die Kammer entscheidend in der Besetzung nur durch den Vorsitzenden, nachdem die Parteien im Termin vom 15.05.2012 (Bl. 497 d.A.) vor dem Vorsitzenden verhandelt haben und sich damit stillschweigend mit einer Entscheidung nur durch den Vorsitzenden gem. § 349 Abs. 3 ZPO einverstanden erklärt haben (vgl. dazu ausführlich und überzeugend Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 98, 145, 153). Folgerichtig hat der Kläger auch im Termin vom 03.06.2014 erneut nur vor dem Vorsitzenden verhandelt, sich umfangreich zur Sache eingelassen und ohne jeden Vorbehalt die Anträge gestellt (vgl. die Verhandlungsniederschrift vom 03.06.2014, Bl. 628 bis 632 d.A.).
75Die Nebenentscheidungen folgten aus §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.
76Streitwert: 1.000.000,00 Euro
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 349 Vorsitzender der Kammer für Handelssachen 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- ZPO § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung 2x
- 11 O 159/09 2x (nicht zugeordnet)
- 20 U 29/11 4x (nicht zugeordnet)