Urteil vom Landgericht Krefeld - 26 Ns 110/14
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht - Krefeld vom 23.06.2014 wird aufgehoben.
Der Angeklagte B . T. wird freigesprochen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten in beiden Instanzen.
Der Angeklagte ist für die erlittene Untersuchungshaft (27.12.2013 bis 13.10.2014 und 04.12.2014 bis 17.12.2014) zu entschädigen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Durch Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Krefeld vom 23.06.2014 ist der Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung hat der Angeklagte – wie bereits in erster Instanz – einen Freispruch erstrebt. Die Berufung des Angeklagten hatte in der Sache Erfolg.
4II.
5Die Berufungshauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt:
61.)
7Mit Anklageschrift vom 17.04.2014 hat die Staatsanwaltschaft Krefeld dem Angeklagten zur Last gelegt, gemeinsam mit seinem Stiefvater, dem am 03.01.1968 in K. geborenen serbischen Staatsangehörigen N. Q., am 13.07.2012 gegen 23:10 Uhr das Wohnhaus der Geschädigten N. Q., geb. am 11. Mai 1923 in I., unter der Adresse I-weg in L. betreten zu haben, um dort, dem gemeinsamen, zuvor gefassten Tatplan folgend, Wertgegenstände zu suchen und mitzunehmen. Die Geschädigte habe zu diesem Zeitpunkt wach auf dem Sofa im Wohnzimmer gelegen, einer der beiden Angeklagten habe sich sofort zur Geschädigten begeben und diese am Hals festgehalten. Sodann habe er ihr mit einem Klebeband jedenfalls den Mund zugebunden und die Handgelenke zusammengebunden. Dann habe er zu ihr gesagt: „Ruhig bleiben und wehe, Du machst den Mund auf!“ Der andere der beiden Angeklagten habe die Geschädigte gefragt, wo ihr Geld sei. Unter dem Eindruck des Geschehens habe die Geschädigte sodann preisgegeben, dass sie ihr Geld in einem Schrank im Wohnzimmer verwahre, worauf einer der beiden Angeklagten diesen durchsucht habe, während der andere bei ihr verblieben sei und fortlaufend zu ihr gesagt habe: „Ruhig sein, ruhig sein, sonst passiert Dir was!“ In dem Schrank hätten die Angeklagten Bargeld in Höhe von mindestens 7.000 € gefunden, welches sie an sich genommen hätten und sodann das Haus auf dem gleichen Wege, wie sie es betreten hatten, wieder verlassen hätten, wobei sie zuvor das Klebeband vom Mund der Geschädigten entfernt hätten, da diese zu ihnen gesagt hätte, dass sie keine Luft bekomme. Das erbeutete Bargeld hätten die Angeklagten für sich verwendet.
8Das Amtsgericht hat die Anklage unverändert zugelassen; in der Hauptverhandlung vom 23.06.2014 ist das Verfahren hinsichtlich des Angeklagten Q. abgetrennt und an die 2. große Strafkammer des Landgerichts Krefeld abgegeben worden vor dem Hintergrund, dass im Falle eines Schuldspruches gegen den Angeklagten Q. die durch Urteil des Landgerichts Hagen vom 04.04.2013 rechtskräftig verhängte Einzelstrafe von 3 Jahren im Wege einer Gesamtstrafenbildung einzubeziehen sei, sodass die Strafgewalt des Amtsgericht nicht ausreiche.
9Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten Q. wird derzeit vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Krefeld durchgeführt.
102.)
11Die von der Kammer erhobenen Beweise konnten keine für eine Verurteilung des Angeklagten ausreichende, sichere Überzeugung der Kammer von einer Täterschaft und/oder Beteiligung des Angeklagten an der in der Anklageschrift dargestellten Straftat begründen; im Einzelnen:
12a.)
13Der Angeklagte ist in E. im L. geborenen worden. Er ist gemeinsam mit seiner Mutter, seinem älteren Bruder und 3 Schwestern in die Bundesrepublik Deutschland etwa im Jahr 1990/1991 eingereist und lebt seitdem im Wesentlichen in Deutschland. Hier hat er zunächst in C. den Kindergarten besucht, bevor er in S. die Grundschule besucht hat. Im Anschluss daran hat er bis zur 7. Klasse die Hauptschule besucht und ist von dort auf eine Förderschule gewechselt. Hier verblieb er bis zur 10. Klasse und erwarb den Hauptschulabschluss. Nach Beendigung seiner Schulzeit ist er im Jahr 2007/2008 im Rahmen einer berufsfördernden Maßnahme für etwa 1 Jahr im christlichen Jugenddorf in O. beschäftigt gewesen. Sodann hat er für etwa 1 Jahr als Metallbauer bei der Firma B+F in N. gearbeitet und hat bis etwa 2 Monate vor seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren in verschiedenen Jobs gearbeitet: in einer Bäckerei, als Reinigungskraft, auf dem Bau oder – insbesondere zur vorgeworfenen Tatzeit – bei B.. Etwa im Oktober 2013 ist der Angeklagte arbeitslos geworden.
14Der Angeklagte hat bis zu seiner Festnahme im Haushalt seiner Mutter gewohnt auf der B-Straße in S.. Auf dieser Straße befinden sich – teilweise mit unterschiedlichen postalischen Hausnummern – verschiedene Wohnungen, in denen verschiedene Angehörige der Familie, u.a. der ältere Bruder des Angeklagten, wohnen; zeitweise hat der Angeklagte in der Wohnung seines Bruders gewohnt.
15Die Mutter des Angeklagten, die am 01.01.1965 in Q. geborene E. T. war in zweiter Ehe mit I. X., einem deutschen Staatsangehörigen, verheiratet (die Eheschließung erfolgte am 31.05.2000). Nachdem diese Ehe geschieden worden ist, hat sie den am 03.01.1968 in K. geborenen früheren Mitangeklagten N. Q., der die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit hat, geheiratet (16.06.2008). Dieser befindet sich seit dem 16.08.2013 in Strafhaft. Auch aus dieser Ehe der Mutter des Angeklagten sind mehrere Kinder hervorgegangen.
16b.)
17Der den Angeklagten betreffende Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 02.10.2014 enthält folgende Eintragungen:
181.
19XX
202.
21XX
223.
23XX
244.
25XX
26c.)
27Am 13.07.2012 befand sich die am 11.05.1923 in H/PQ. geborene N. Q. geborene L., in ihrem Haus I-weg 2 in L., in dem sie allein lebte. Der Pflegedienst, der Frau Q. morgens und abends mit Medikamenten versorgte, war an diesem Tag – wie üblich – bereits bei ihr gewesen. Durch die verschlossene, indessen nicht abgeschlossene, Wohnzimmer-Terrassen-Tür betraten zwei der Frau Q. unbekannte, männliche Personen das Wohnzimmer. Jedenfalls eine der Personen begab sich sogleich zu Frau Q. und forderte sie auf, ihnen zu sagen, wo sie „das Geld aufbewahre“. Nachdem Frau Q. zunächst erwiderte, sie habe ihr Geld auf der T. , erwiderte einer der Täter, es sei das Geld gemeint, das sie im Haus habe. Frau Q. gab unter dem Eindruck, dass jedenfalls einer der Täter ihr die Hände über Kreuz vor dem Oberkörper mit Klebeband gefesselt hatte und sich jedenfalls auch ein Klebestreifen in ihrem Mundbereich befand, preis, dass Bargeld, das sie in nicht feststellbarer Höhe in der Vergangenheit für die Durchführung einer Reparatur oder die Bezahlung einer durchgeführten Reparatur gesammelt hatte, und Bargeld, das aus einer von ihr ein oder zwei Tage zuvor vorgenommenen Barabhebung (2.000 €) in der ebenfalls auf dem I-weg gelegenen Filiale der T. stammte, in dem Schrank im Wohnzimmer sei, der sich direkt gegenüber dem Sitzplatz, den Frau Q. bereits eingenommen hatte, bevor die Täter das Wohnzimmer betraten, befinden würde. Einer der Täter begab sich daraufhin zum Wohnzimmerschrank und entnahm dort befindliches Bargeld, wobei ungeklärt blieb, ob sich dieses in einer schwarzen oder einer roten Geldbörse befand und in welcher Höhe genau Bargeld zu dieser Zeit noch vorhanden war. Nachdem Frau Q. darauf hingewiesen hatte, dass sie wegen des Klebebandes im Bereich des Mundes nicht genügend Luft bekommen würde, entfernte einer der Täter diesen Klebestreifen. Die Täter verließen daraufhin das Haus auf dem Wege, auf dem sie gekommen waren.
28Frau Q. gelang es, trotz der vor ihrem Oberkörper über kreuz gefesselten Hände von ihrem Festnetzanschluss die Polizei anzurufen und öffnete – nach wie vor mit gefesselten Händen – den kurze Zeit später eintreffenden Polizeibeamten die Haustür. Sie weigerte sich, sich im Krankenhaus medizinisch untersuchen zu lassen und wollte im Haus verbleiben. Es konnte nicht sicher festgestellt werden, ob von den Beamten bei Frau Q. festgestellte Schürfwunde auf dem Handrücken der linken Hand und Blutungen unter der Haut im Bereich der Handgelenke durch das Vorgehen der Täter unmittelbar oder durch die Versuche der Geschädigten, die Klebebänder von den Handgelenken zu entfernen, verursacht worden sind; kleine Schürfwunden im Bereich des Gesichtes, die die Beamten feststellten, stammten nicht von den Tätern; diese Verletzungen hatte die Zeugin bereits vor dem Eindringen der Täter in ihr Haus auf ungeklärte Weise erlitten.
29Insgesamt dauerte das Tatgeschehen nur wenige Minuten.
30Nachdem sodann DNA-Spuren auf den kriminaltechnisch untersuchten Klebebandstücken, die die Polizeibeamten vor Ort sichergestellt hatten, festgestellt worden waren und diese dem Stiefvater des Angeklagten, dem früheren Mitangeklagten Q. , durch Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf vom 28.01.2013 zugeordnet worden waren, und dieser am 21.11.2012 in anderer Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Hagen vom 22.11.2012 in Untersuchungshaft gekommen ist, wurde seitens des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen unter dem 17.10.2013 darauf hingewiesen, dass eine DNA-Spur der auf den Klebebandresten vorgefundenen Spuren eine Übereinstimmung aller vorliegenden DAD-Merkmalsysteme mit der DNA des Angeklagten B. T. aufweise. Daraufhin wurde bei dem Angeklagten B. T. eine Vergleichsprobe entnommen und diese Übereinstimmung von dem Sachverständigen Dr. L. bestätigt.
31Am 27.12.2013 wurde daraufhin der Angeklagte B. T. vorläufig festgenommen im Haushalt seiner Mutter B-straße 15 in S.; eine Tatbeteiligung hat er bestritten. Auf den Vorhalt, wie seine DNA-Spuren an den Tatort gekommen sein könnten, hat er angegeben, dass er dies nicht wisse, da müsse die Polizei „den Q. fragen“. Weitere Angaben zur Sache hat der Angeklagte nicht gemacht.
32d.)
33Es konnte nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Angeklagte einer dieser beiden Täter war oder an der Tat auf andere Weise beteiligt gewesen wäre.
34Eine Personenbeschreibung konnte die Geschädigte nur dahin abgeben, dass der eine Täter ganz groß, ca. 1,90 m gewesen sei und kaum gesprochen habe; der andere Täter sei auch ein Mann, aber kleiner gewesen und habe normales Deutsch gesprochen. Ob die Täter Handschuhe getragen hätten und deren sonstige Kleidung konnte von Frau Q. nicht beschrieben werden. Das Alter beider Männer schätzte sie auf 40 Jahre, beide hätten Mützen getragen, ob die Gesichter bedeckt gewesen seien, wisse sie nicht. Nachdem die Zeugin bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung unmittelbar nach dem Tatgeschehen auf dem Polizeipräsidium auf dem O-wall in L. gegen 01:00 Uhr angegeben hatte, der kleinere Mann habe sie festgehalten, ihr den Mund verklebt, dann die Augen zugebunden und die Hände ineinander verbunden, sodass sie weder habe sehen noch sprechen können, hat sie auf entsprechende Nachfragen angegeben, „so ein bisschen habe sie sprechen können, ganz zu sei das nicht gewesen. Der sei auch gleich zugegangen auf den Schrank, wo das Geld drin gewesen sei, sie habe nur gesagt „den Schrank“ und der Täter sei direkt auf den richtigen zugegangen“. Auf den Vorhalt, wie sie dies habe sehen können, wenn ihre Augen zugebunden gewesen wären, hat die Zeugin angegeben, ein bisschen habe sie doch sehen können und das sei direkt gegenüber von ihr gewesen. Beide Täter seien nur in dem Zimmer gewesen, in das sie das Haus betreten hätten und in keinem weiteren Zimmer. Die von den Polizeibeamten auf dem Wohnzimmertisch vorgefundene Rolle Klebeband sei ihre Rolle gewesen. Auf die Frage, woher die Täter das Klebeband gehabt hätten, hat die Zeugin angegeben „das haben die mitgebracht; und an den Augen war ein anderes Klebeband, das hatten die aber auch mitgebracht.“
35Am nächsten Tag bei ihrer ergänzenden Vernehmung vom 14.07.2012 hat Frau Q. dem Polizeibeamten I. gegenüber angegeben, einer der Täter habe sie mit dem Ellenbogen in den Sessel gedrückt und ihr Hände mit mitgebrachtem Klebeband gefesselt; als sie geschrien habe, habe der Täter ihr Ruhe befohlen. Der andere Täter sei direkt zum Wohnzimmerschrank gegangen und habe diesen durchsucht und gefragt, wo das Geld sei. Nachdem sie erwidert habe, dass sie das Geld auf der Sparkasse habe, habe der Mann gesagt, er meine nicht das Geld, sondern das, was sie im Hause habe. Nunmehr habe sie ihm gesagt, dass das Bargeld im Schrank sei, worauf der Täter diesen intensiv durchsucht habe. Währenddessen habe der andere Täter ihren Kopf gepackt und gegen seinen Bauch gedrückt, sodass sie nichts habe erkennen können. Außerdem sei ihr Mund mit Klebeband verklebt gewesen. Beide Täter hätten hochdeutsch ohne erkennbaren Akzent gesprochen, ihre Gesichter habe sie nicht gesehen, von dem bei ihr verwahrten Geld hätten keine anderen Personen Kenntnis.
36Zeugen, die den/die Angeklagten am Tatort gesehen hätten, existieren nicht. Die Geschädigte Q. hat bei ihren polizeilichen Vernehmungen angegeben, die Täter nicht näher als vorstehend festgestellt beschreiben zu können und daher auch nicht wiedererkennen zu können. Eine Vernehmung der Zeugin Q. war nicht möglich, da sie zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung – und unverändert zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung – an Demenz erkrankt war; so konnte sie bei der erneuten Befragung durch den Polizeibeamten I. am 22.11.2013 im Altenheim in L. auf der U-straße, in dem sie zu dieser Zeit bereits lebte, sich weder an die Tatsache des Überfalls noch an den Vernehmungsbeamten I. erinnern.
37Da auch die Untersuchung der von den Polizeibeamten am Tatabend in der Wohnung der Geschädigten sichergestellten Klebebandstücke und Klebebandrolle auf daktyloskopische Spuren nicht zu verwertbaren Spuren führte, stand der Kammer als einziges Beweismittel, das einen Bezug des Angeklagten zur Tat herstellen könnte, die von dem Sachverständen des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen, Dr. L., bei der Untersuchung der ihm zugeleiteten Klebebandstreifen und Klebebandrolle festgestellten DNA-Spuren des Angeklagten (und seines Stiefvaters) zur Verfügung. Die DNA-Spuren des Angeklagten befanden sich an zwei Klebebandstücken, die nach der polizeilichen Beschriftung von vier Umschlägen, in die die am Tatort vorgefundenen Klebebänder asserviert wurden, mit dem Umschlag mit der Beschriftung „Klebebänder Mund GS“ befanden; alle vor Ort asservierten Klebebandstücke nebst -rolle waren in insgesamt vier Umschlägen verteilt und mit der Beschriftung der Fundorte versehen worden: ein Umschlag mit der Ziffer 1 und der Beschriftung „Klebeband Handgelenke der GS“, ein Umschlag mit der Bezifferung 2 mit „Klebeband Mund der GS“, ein Umschlag mit der Ziffer 3 mit der Beschriftung „Klebeband Couch Wohnzimmer“ und ein Umschlag mit der Ziffer 4 mit der Beschriftung „Klebebandrolle Wohnzimmertisch“.
38Nachdem die Stücke aus den Umschlägen 1, 2 und 3, die durch ihre Verwendung an verschiedenen Körperstellen der Geschädigten stark zerknittert und mehrlagig übereinander geklebt waren, zur weiteren Untersuchung auf daktyloskopische Spuren von der Kriminaltechnik bei der Polizei auseinandergerollt und geglättet worden waren, wurden aus dem Klebebandstück „Mund der Geschädigten“ 12 Klebebandstücke die dem Sachverständigen L. unter Ziffer 2 beschriftet – neben den anderen Stücken – zur Untersuchung zugeleitet wurden. Auf allen diesen Stücken befand sich Zellmaterial der Geschädigten, auf 2 Stücken (2.6 und 2.4) befanden sich DNA-Spuren des Angeklagten und DNA-Merkmale wie sie die Geschädigte aufwies; auf einem Endstück befand sich neben Merkmalen, wie sie die Geschädigte aufwies, Beimengungen von DNA-Material des früheren Mitangeklagten Q., das sich ebenfalls auf einem Endstück des unter Ziffer 3 asservierten Klebebandes „Couch“ befand. Am Endstück der asservierten Klebebandrolle befand sich keine humane DNA-Spur, an der restlichen Oberfläche der Klebebandrolle wurde DNA gefunden, die die Merkmale der DNA der Geschädigten aufwies und geringe Beimengungen, wobei die Beimengungen Merkmale aufwiesen, wie sie der Angeklagte in seiner DNA trägt, aufgrund des Mischcharakters der Beimengung eine konkrete Zuordnung indessen nicht möglich war.
39Diese Spuren reichen nicht aus, um den Angeklagten einer Täterschaft oder Tatbeteiligung zu überführen, denn aufgrund der sachverständigen Ausführungen des Dr. L. geht die Kammer davon aus, dass, (1) wenn Personen ein solches Klebeband, wie es bei der Geschädigten von den Tätern verwendet worden ist, anfassen, nicht zwangsläufig später feststellbare DNA-Spuren angetragen werden, (2) nicht feststellbar ist, welche von mehreren festgestellten DNA-Spuren auf einem solchen Klebeband früher oder zeitlich später angetragen wurde, (3) anhand des Untersuchungsablaufs eine konkrete und zuverlässige Aussage, in welcher Menge Zellmaterial an welcher Stelle der asservierten Klebebandstücke angetragen worden ist, nicht möglich ist und (4) die Art des Zellmaterials, das an den asservierten Klebebändern angetragen wurde, nachträglich – mit Ausnahme von Blut – nicht mehr bestimmt werden kann, da für eine DNA-Untersuchung die eigentlichen Zellen zerstört werden müssen, um an das DNA-Material zu kommen; es ist daher nicht möglich, festzustellen, ob die gefundenen DNA-Spuren aus Speichel, von Hautschuppen oder durch Schweiß etc. stammen, so dass ggfs. dann ein Rückschluss auf die Art und Weise, wie dieses Material an die Klebebandstücke angetragen worden ist, nicht möglich ist. Innerhalb der einzelnen Spurenbereiche, die der Sachverständige in seinem Gutachten unter einer arabischen Ziffer abgehandelt hat, kann, so die nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen gegenüber der Kammer, nicht unterschieden werden, von welchem Bereich des Klebebandes, ob also von einem seitlichen Kantenbereich, einem in der Nähe des Kantenbereiches gelegenen Bereich oder vom mittleren Klebebereich des Bandes das vorgefundene Zellmaterial stammte.
40Unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse war der Kammer die Gewinnung einer Überzeugung, dass der Angeklagte einer der beiden Täter in der Wohnung der Geschädigten Q. gewesen ist, nicht möglich. Es ist nicht nur nicht auszuschließen, sondern möglich, dass der Angeklagte T., der vor dem 13.07.2012 seit vielen Wochen und Monaten im selben Haushalt lebte wie der frühere Mitangeklagte Q., sein Stiefvater, die Klebebandrolle, die von den Tätern am Tatort verwendet und deren Rest – noch auf der Rolle befindlich – vor Ort zurückgelassen worden ist, im Rahmen dieses Zusammenlebens mit dem Angeklagten Q. die Rolle nebst Klebeband bereits vor der Tat angefasst/benutzt hat, und auf diese Weise an Kantenbereiche und an die äußerste Schicht der Klebebandrolle DNA-Spuren des Angeklagten gelangt sein können, die durch die Verwendung der Klebebandrolle am Tatort – durch welche Person auch immer - auf andere Teile, nämlich die beiden Klebebandstücke, die dem Verwendungsort „Mund der Geschädigten“ zugeordnet wurden, übertragen/angetragen worden sind, sog. Sekundärantragung. Hierzu hat der Sachverständige u.a. erklärt, wenn tatsächlich nur eine Person das Klebeband vor Ort benutzt haben sollte, die durch seine Untersuchungen gefundene DNA-Spur der zweiten Person über eine sogenannte Sekundärantragung erklärbar wäre.
41Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ war der Angeklagte daher freizusprechen.
42III.
43Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 467 StPO. Die Entscheidung über die Entschädigung beruht auf § 2 Abs. 1 StrEG.
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Referenzen
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