Urteil vom Landgericht Landau in der Pfalz (1. Zivilkammer) - 1 S 75/02
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Germersheim vom 20.12.2001, Aktenzeichen 1 C 446/99, wird kostenfällig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die klagende Telefongesellschaft verlangt Telefongebühren. Dagegen verteidigen sich die beklagten Anschlussinhaber mit der Behauptung unzutreffender Gebührenberechnung.
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Die Klägerin hat umfangreiche technische Untersuchungen durchgeführt, die nicht zur Feststellung von Leitungsfehlern oder dergleichen geführt haben. Die Beklagten berufen sich auf frühere, wesentlich niedrigere Rechnungen. Sie meinen, oder Ursache der hohen Telefongebühren seien technische Manipulationen, die ihnen in nicht zuzurechnen seien. Sie verteidigen sich auch damit, zu den fraglichen Zeiten zumindest teilweise nicht Zuhause gewesen zu sein.
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Das Amtsgericht hat die Klage im wesentlichen abgewiesen. Dagegen richtet sich die die Berufung der Telefongesellschaft. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Die Klägerin kann von den Beklagten die geltend gemachten Telefongebühren nicht verlangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme 2. Instanz ist nicht davon auszugehen, dass die Aufzeichnung der streitgegenständlichen Gebühren auf eine reguläre Nutzung des Telefonanschlusses der Beklagten zurückzuführen ist.
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Die Kammer verkennt keineswegs, dass der Klägerin der Nachweis gelungen ist, dass anlässlich der von ihr durchgeführten Sichtprüfung keinerlei Unregelmäßigkeiten festzustellen waren. Der Zeuge Jürgen O. hat nachvollziehbar dargestellt, dass der von ihm vorgenommene Zählervergleich zu dem Ergebnis führte, dass die Zähleinrichtungen ordnungsgemäß funktionierten. Ferner hat der Zeuge G. glaubhaft geschildert, dass er eine Überprüfung der kompletten Leitungsführung von der Vermittlungsstelle bis zum Anschlusspunkt durchgeführt hat, und hierbei keine Unregelmäßigkeiten festgestellt werden konnten. Außerdem hat der Zeuge Jürgen O. überzeugend ausgeführt, dass im Rahmen der Überprüfung im Monopolbereich, d.h. im Keller der Beklagten, am Abschlusspunkt keine Anzeichen für eine Aufschaltung festzustellen waren und auch eine Prüfung der Leitungsführung bis zur Telekommunikationseinrichtung keine Besonderheiten aufzeigte. Soweit der Sachverständige R. angegeben hat, dass zu einer ordnungsgemäßen Vollprüfung nicht nur die klägerseits durchgeführte Sichtprüfung, sondern auch eine elektrische Prüfung - bestehend aus Isolationsmessung und Schleifenmessung (ohmsch und kapazitiv) - gehört, ist dies im vorliegenden Fall ohne Belang. Der Sachverständige hat plausibel ausgeführt, dass auch bei einer elektrischen Prüfung nicht ohne weiteres festgestellt werden kann, ob es eine Aufschaltung gegeben hat oder nicht, da lediglich geprüft wird, ob die Leitung Isolationsfehler oder Kontaktfehler aufweist. Zwar können auch solche Isolationsfehler den überzeugenden Darstellungen des Sachverständigen zufolge zu fehlerhafter Gebührenerfassung - sogenannten Übersprechern - führen, jedoch werden derartige Fehler an der Leitung von den Beklagten noch nicht einmal behauptet. Die Beweisaufnahme kann nun aber nicht jede theoretische Möglichkeit einer fehlerhaften Gebührenerfassung zum Gegenstand haben, vielmehr bezieht sie sich allein auf die seitens der Beklagten konkret behauptete Manipulation im Bereich des Abschlusspunktes. Nach den einleuchtenden Schilderungen des Sachverständigen R. könnte eine Aufschaltung am Abschlusspunkt nur dann festgestellt werden, wenn die Aufschaltung fehlerhaft durchgeführt worden wäre, was der Sachverständige allerdings selbst als "weit hergeholt" bezeichnet, da man bei einer Aufschaltung nicht viel falsch machen könne. Da eine fehlerhafte Aufschaltung auch von den Beklagten nicht behauptet wird, sieht sich die Kammer nicht veranlasst, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, welches die elektrische Prüfung zum Gegenstand hat.
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Obgleich die Klägerin die Vollprüfung jedenfalls insoweit durchgeführt hat, als die im vorliegenden Fall allein relevante Sichtprüfung vorgenommen wurde, anlässlich derer keinerlei Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, ist letztlich der Nachweis, dass die Aufzeichnung der in Rede stehenden Gebühren auf eine reguläre Nutzung des Anschlusses der Beklagten zurückzuführen ist, nicht erbracht. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob ein Anscheinsbeweis für die Richtigkeit der automatischen Aufzeichnungen spricht, wenn bei der technisch-betrieblichen Vollprüfung ein Fehler nicht festgestellt wurde (so etwa LG Paderborn, Urteil vom 03.02.2000, Az. 3 O 420/98; LG Bielefeld, Urteil vom 08.04.1999, Az. 8 O 338/98; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.1997, Az. 5 U 39/97 - jeweils zitiert nach JURIS) oder ob für die Annahme eines Anscheinsbeweises zu verlangen ist, dass über die oben genannten Anforderungen hinaus eine unberechtigte Aufschaltung Dritter auszuschließen ist (so LG Bielefeld, Urteil vom 17.12.1998, Az. 20 S 130/98 - zitiert nach JURIS) oder ob ein Anscheinsbeweis im obigen Sinne mit Rücksicht auf die mannigfaltigen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Gebührenimpulse generell zu verneinen ist (so LG Landau, Urteil vom 09.12.1993, Az. 2 O 44/93, teilweise abgeändert durch Urteil des OLG Zweibrücken vom 08.01.1996, Az. 7 U 23/94; so auch LG Aachen NJW 1995 Seite 2364, abgeändert durch OLG Köln NJW-RR 1998, Seite 1363 - die Oberlandesgerichte Zweibrücken und Köln lassen die Frage des Anscheinsbeweises ausdrücklich offen). Im vorliegenden Fall wäre jedenfalls ein zugunsten der Klägerin sprechender Anscheinsbeweis durch das Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen in erheblicher Weise erschüttert. Die Beklagten vermochten nachzuweisen, dass der im Keller des Mehrfamilienhauses befindliche Abschlusspunkt für jedermann frei zugänglich war. Bereits der Zeuge Jürgen O. hat glaubhaft bekundet, dass der Abschlusskasten auch noch im Zeitpunkt seiner Prüftätigkeit lediglich verschraubt, aber nicht abgeschlossen war. Desweiteren haben die Zeugen Anja und Sven K. übereinstimmend und überzeugend geschildert, dass sie anlässlich der hohen Telefonrechnung der Beklagten den Abschlusskasten im Keller besichtigten und dieser weder verplombt noch verschlossen war, man den Deckel vielmehr einfach hochschieben konnte und dieser nicht fixiert war. Die Zeugen Anja und Sven K. haben darüber hinaus überzeugend geschildert, dass der Kellerraum, in dem sich der Abschlusskasten befindet, für jedermann frei zugänglich war. Nachvollziehbar hat der Zeuge Sven K. angegeben, dass aus demselben Raum zwei Fahrräder entwendet worden waren. Nach Maßgabe der Zeugenaussagen O. und K. konnte mithin ein Dritter problemlos im Bereich des Abschlusspunktes Manipulationen vornehmen, insbesondere eine Aufschaltung zu Lasten der Beklagten durchführen. Dafür, dass es tatsächlich nicht zu einer Aufschaltung am Abschlusspunkt gekommen ist, spricht auch nicht die Aussage des Zeugen Jürgen O., wonach dieser Spuren einer Aufschaltung nicht festgestellt hat. Diesbezüglich hat der Sachverständige R. plausibel erläutert, dass eine Aufschaltung mittels eines Telefonapparates nebst Verlängerungsleitung und Isolationsmessgerätes durchzuführen ist, welche freilich problemlos wieder entfernt werden können.
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Die bloße Möglichkeit, dass ein Dritter problemlos eine Aufschaltung am Abschlusspunkt hätte vornehmen können, legt zwar noch nicht hinreichend nahe, dass es tatsächlich zu einer Manipulation gekommen ist, im vorliegenden Fall kommt jedoch hinzu, dass die Beklagten im Rahmen der Nutzung ihres Telefonapparates Auffälligkeiten wahrgenommen haben, welche auf die Durchführung einer Aufschaltung schließen lassen. Nach den unbestritten gebliebenen Darstellungen der Beklagten zu 2. in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2002 wurde sie häufig darauf angesprochen, dass ihr Anschluss besetzt gewesen sei, obgleich sie zur fraglichen Zeit nicht telefoniert hatte. Ferner hat die Beklagte zu 2. unwidersprochen dargelegt, dass sie des öfteren gewählt, sodann den Hörer ans Ohr gehalten hatte, jedoch kein Ton zu hören war, vielmehr erst verzögert das Freizeichen akustisch wahrnehmbar war. Diese Auffälligkeiten passen nun aber den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen R. zufolge genau zur Durchführung einer Fremdaufschaltung. Der Sachverständige hat nachvollziehbar erläutert, dass gerade das verzögerte Freizeichen darauf hindeuten könnte, dass jemand im Keller manipuliert und umgeschaltet hat, nachdem er bemerkt hat, dass man vom Anschluss der Beklagten aus ein Telefonat führen wollte. Vor dem Hintergrund, dass zum einen der Abschlusspunkt im Keller für jedermann frei zugänglich war und zum anderen die von der Beklagten zu 2. geschilderten Auffälligkeiten bei der Nutzung des Anschlusses mit der Durchführung einer Aufschaltung korrespondieren, hält die Kammer im vorliegenden Fall die Vornahme einer Manipulation am Abschlusspunkt für hinreichend nachgewiesen mit der Folge, dass ein mit Rücksicht auf die klägerseits vorgenommene technische Prüfung etwa zugunsten der Klägerin bestehender Anscheinsbeweis jedenfalls in erheblicher Weise erschüttert und damit ausgeräumt ist. Die Anforderungen an den beklagtenseits zu erbringenden Nachweis einer konkreten Manipulation dürfen nicht überspannt werden. Zwar würde allein die theoretische Möglichkeit einer Aufschaltung fraglos nicht ausreichen, jedoch kann es für den Nachweis einer Manipulation nicht nötig sein, dass die problemlos zu beseitigende und keinerlei Spuren hinterlassende Apparatur der Aufschaltung vor Ort aufgefunden wird. Vorliegend sprechen die oben genannten schwerwiegenden Indizien dafür, dass es zu einer Manipulation am Abschlusspunkt gekommen ist; hieran vermag auch nichts zu ändern, dass nach den Angaben des Sachverständigen R. das Auftreten eines verzögerten Freizeichens theoretisch auch eine andere Ursache haben kann als eine Aufschaltung.
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Im Übrigen vermochte die Klägerin keine Tatsachen nachzuweisen, die zwingend dafür gesprochen hätten, dass die Aufzeichnung der streitgegenständlichen Gebühren auf eine reguläre Nutzung des Anschlusses der Beklagten zurückzuführen ist. Insbesondere wurde die klägerische Behauptung, aus dem Umstand, dass die Anwahl der 0190er-Servicenummern in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Anwahl von Nummern von Familienangehörigen, Bekannten etc. stehen, folge, dass eine Manipulation auszuschließen ist, im Zuge der Beweisaufnahme 2. Instanz nicht bestätigt. Diesbezüglich hat der Sachverständige R. nachvollziehbar erläutert, dass der zeitliche Zusammenhang der Anwahl der 0190-Nummern zur Anwahl sonstiger Nummern ohne weiteres damit in Verbindung gebracht werden kann, dass ein am Abschlusspunkt manipulierender Dritter an dessen Messgerät festgestellt hat, dass am Anschluss der Beklagten der Telefonhörer abgenommen wurde und sodann eine Umschaltung vorgenommen hat. Demzufolge ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von entscheidender Bedeutung, dass bei der Prüfung der Einzelverbindungsdaten für den fraglichen Zeitraum enge zeitliche Zusammenhänge zwischen der Anwahl von 0190-Nummern einerseits und Gesprächsverbindungen mit Angehörigen bzw. Bekannten andererseits festgestellt wurden.
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Nach alledem ist nicht hinreichend belegt, dass die streitgegenständlichen Gebühren durch die ordnungsgemäße Nutzung des Anschlusses der Beklagten angefallen sind, ohne dass es darauf ankommt, ob den Beklagten der Nachweis ihrer Behauptung gelungen ist, sie seien jedenfalls zur Zeit zweier der fraglichen Telefonate überhaupt nicht zu Hause gewesen. Ausführungen zur Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen Daniela S., Nada S. und P. Soldo erübrigen sich somit.
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Im Ergebnis bleibt die Berufung der Klägerin ohne Erfolg.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht ersichtlich.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (vgl. LG Landau, NJW 2002, 973).
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