Urteil vom Landgericht Landau in der Pfalz (1. Zivilkammer) - 1 S 65/03

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 13.02.2003, Az.: 4 C 1866/02, abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Die zulässige Berufung führt in der Sache zu dem erstrebten Erfolg der Klageabweisung.

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Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass der Beklagte nur im Falle grober Fahrlässigkeit verpflichtet ist, den Klägern wegen der Beschädigung der Nachläuferspritze Schadensersatz zu leisten. Diese Voraussetzung der Haftung des Beklagten hat das Amtsgericht zu Unrecht als gegeben angesehen.

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Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte ein Grobe Fahrlässigkeit Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH NJW 2003, 1118, 1119 m.w.N.).

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Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, mit der das Amtsgericht im vorliegenden Fall das Vorliegen grober Fahrlässigkeit begründet hat (BGHZ 119, 147 ff.), betrifft den Fall eines Rotlichtverstoßes und ist auf den Streitfall nicht unmittelbar übertragbar. Deshalb kann auf sich beruhen, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Rotlichtverstoß in jüngster Zeit dahingehend konkretisiert hat, dass es keinen Grundsatz gibt, nach dem das Nichtbeachten das Rotlichts einer Verkehrsampel stets als grob fahrlässig anzusehen ist (vgl. BGH, NJW 2003, 1118).

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Die Situation beim Rotlichtverstoß ist deshalb differenziert zu beurteilen, weil beim Herannahen an eine rote Ampel vom Kraftfahrer ein leicht zu beherrschendes Fahrmanöver, nämlich das Abbremsen seines Fahrzeugs, verlangt wird. Es mag sein, dass das Überfahren des Rotlichts objektiv als grob fahrlässig zu bewerten ist, da es einen schweren Verstoß gegen die im konkreten Fall gebotene, einfach zu beherrschende Sorgfalt darstellt, die über das normale Maß deutlich hinausgeht. Dies gilt auch im Hinblick auf die Gefahren, die mit der Überquerung einer durch Rotlicht gesperrten Straßenkreuzung - auch für andere Verkehrsteilnehmer - verbunden sind.

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Im Streitfall liegen die Dinge indes anders. Es geht hier darum, dass der Beklagte im konkreten Fall ein schwieriges, auch von den Klägern selbst so eingeschätztes Fahrmanöver, nämlich den Wendevorgang des Traktors mit Nachläuferspritze an einer durch einen Graben verengten Stelle im Weinberg der Kläger, nicht beherrscht hat. Dies rechtfertigt schon aus objektiver Sicht nicht den Vorwurf eines grob fahrlässigen Fehlverhaltens. Auf die Tatsache, dass der Beklagte überhaupt an der fraglichen Stelle das Wendemanöver ausgeführt hat, kann insoweit nicht abgestellt werden, da gerade dieser Umstand auf der Anweisung der Kläger selbst beruht. Diesen war auch bekannt, dass die dem Beklagten zugewiesene Arbeit in ihrem Weinberg wegen des ausgehobenen Grabens mit Gefahren verbunden war, denn sonst hätten sie den Beklagten hierauf nicht besonders hingewiesen. Wenn der Beklagte bei dem hier fraglichen Wendevorgang einen Fahrfehler begangen hat, so kann dieses Fehlverhalten aus objektiver Sicht deshalb nicht als grob fahrlässig beurteilt werden. Der Beklagte hat damit die in Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt hat und unbeachtet gelassen, was in gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.

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Abgesehen hiervon ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte in subjektiver Hinsicht unentschuldbar gehandelt hat. Insoweit enthält der Sachvortrag der Kläger keinerlei Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Beklagte den fraglichen Wendevorgang nicht mit "äußerster Vorsicht" durchgeführt haben mag, belegt kein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt. Allenfalls ist hierin eine einfache Fahrlässigkeit zu sehen.

8

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit in verschiedenen Rechtsbereichen grundsätzlich einheitlich bestimmt wird (vgl. BGH, NJW 2003, 1118). Wollte man im Streitfall von grober Fahrlässigkeit auszugehen, so müsste jeder Fahrfehler in einer vom Fahrzeugführer als solche erkannten schwierigen Verkehrssituation als grob fahrlässig angesehen werden. Dies würde etwa in Kaskofällen zu einem weitgehenden Haftungsausschluss führen, welcher mit dem Grundgedanken des § 61 VVG (Haftungsausschluss bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit) nicht zu vereinbaren wäre. Durch diesen Haftungsausschluss soll lediglich erreicht werden, dass der Versicherungsnehmer, der sich in Bezug auf das versicherte Interesse völlig sorglos oder sogar unlauter verhält, eine unverdiente Vergünstigung erhält (vgl. BGH, NJW 2003, 1118, 1119). Sich bei dem fraglichen Wendemanöver in Bezug auf die Nachläuferspritze völlig sorglos oder sogar unlauter verhalten zu haben, werfen die Kläger dem Beklagten im Übrigen auch nicht vor.

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Ihre Klage ist nach alledem mit der sich aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO ergebenen Kostenfolge abzuweisen.

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Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 541 Abs. 2 ZPO).

11

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf einer analogen Anwendung von §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (vgl. LG Landau, NJW 2002, 973).

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