Beschluss vom Landgericht Lüneburg (4. Zivilkammer) - 4 T 32/08

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Soltau vom 28.01.2008 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 9.700,00 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Erteilung des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren über sein Grundeigentum.

2

Im Termin zur Versteigerung am 14.01.2008 bot Herr W.H. auf das Grundeigentum 97.001,00 EUR. Der Schuldner bot daraufhin 105.000,00 EUR. Die Gläubigerin verlangte sogleich die Beibringung einer erhöhten Sicherheit gemäß § 68 Abs. 3 ZVG, woraufhin der Schuldner die Aussetzung der Entscheidung über den Zuschlag verlangte (Bl. 30 Bd. II d.A.). Sodann wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 28.01.2008 anberaumt.

3

Eine Sicherheitsleistung blieb aus. Im Verkündungstermin wurde sodann dem Bieter H. das Grundeigentum als Meistbietender zugeschlagen (Bl. 52 d.A.). Am selben Tag wandte sich der Beschwerdeführer etwa zwei Stunden nach Verkündung der Entscheidung mit einer Email an das Vollstreckungsgericht, in der er einräumte, dass es ihm nicht gelungen war, die Sicherheit fristgerecht zu leisten. Er bat um Rücküberweisung einer bereits geleisteten Sicherheit (Bl. 55 f. d.A.).

4

Der Zuschlagsbeschluss wurde dem Schuldner am 31.01.2008 zugestellt (Bl. 58 R d.A.). Mit Email vom 11.02.2008 erhob der Schuldner Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss im eigenen Namen und für die Fa. J. & G. C. GmbH & Co. KG aus „abgetretenem Recht“ hinsichtlich des Gebots von 105.000,00 EUR (Bl. 55 f. d.A.). Am gleichen Tag ging ein unterschriebenes Fernschreiben (Bl. 71 d.A.) mit etwa gleichem Wortlaut ein. Eine angekündigte weitere Begründung erfolgte nicht.

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Mit Beschluss vom 22.02.2008 hat das Vollstreckungsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Vollstreckungsgericht hat dem Bieter H. zu Recht den Zuschlag erteilt.

7

Gemäß § 100 Abs. 1 ZVG kann die Beschwerde gegen die Zuschlagsentscheidung nur darauf gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85a ZVG verletzt wurde oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt ist. Solche Rechtsverletzungen sind aber nicht ersichtlich.

8

Der Zuschlag wurde dem Meistbietenden im Sinne des § 81 Abs. 1 ZVG erteilt. Meistbietender war der Ersteher H.. Dessen Gebot ist durch das Übergebot des Schuldners nicht gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 ZVG erloschen, sondern gemäß § 72 Abs. 4 ZVG wirksam geblieben. Dem gegenüber ist das Übergebot des Schuldners und Beschwerdeführers erloschen, weil er die angeordnete Sicherheitsleistung gemäß § 68 Abs. 4 ZVG nicht erbracht hat.

9

Die Sicherheitsleistung wurde angeordnet. Das Protokoll enthält hierzu zwar keinen besonderen Beschluss im Sinne des § 70 Abs. 1 ZVG. Die Anordnung der Sicherheitsleistung wird aber auch vom Schuldner nicht bestritten und ergibt sich zumindest mittelbar aus dem Ablauf des Versteigerungstermins und der Anberaumung eines Verkündungstermins.

10

Das Erlöschen eines Gebots bei unterbliebener Sicherheitsleistung wird nicht unmittelbar durch die Vorschriften des ZVG angeordnet. Es ergibt sich aber aus § 72 Abs. 4 ZVG. Danach bleibt ein zugelassenes Gebot wirksam, wenn für ein zugelassenes Übergebot die nach § 68 Abs. 2 und 3 ZVG zu erbringende Sicherheitsleistung nicht bis zur Entscheidung über den Zuschlag geleistet worden ist. § 72 Abs. 4 ZVG soll dafür Sorge tragen, dass, falls die Sicherheit nicht erbracht wird, auf das nächst niedrigere Gebot noch zurückgegriffen werden kann. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3038, S. 42 zu Nummer 9). Dass aber überhaupt auf das nächst niedrigere Gebot der Zuschlag erteilt werden kann, bedingt, dass das Übergebot, für das die angeordnete Sicherheit nicht erbracht wurde, erlischt.

11

Der Zuschlag muss - entgegen dem Gesetzeswortlaut - auch nicht gemäß § 83 Nr. 8 ZVG versagt werden. Zwar handelt es sich dabei nicht um einen von Amts wegen zu prüfende Vorschrift, § 100 Abs. 3 ZVG. Jedoch hat sich schon das Vollstreckungsgericht im Zuschlagsbeschluss mit dieser Norm befasst. An die Begründung des anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführers, der sich insgesamt gegen den Beschluss wendet, dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden.

12

Gemäß dem Wortlaut der Bestimmung des § 83 Nr. 8 ZVG, die erst durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416) eingeführt wurde, wäre der Zuschlag zu versagen, da der Schuldner die ihm auferlegte Sicherheitsleistung nicht erbracht hat. Gemäß § 86 ZVG hätte dies zur Folge, dass das Verfahren zumindest einstweilen eingestellt würde.

13

Diese Rechtsfolge ist nicht beabsichtigt. Die Kammer geht davon aus, dass die Vorschrift zu weit gefasst wurde. Dies ergibt sich aus der systematischen und teleologischen Auslegung der Norm.

14

Bei einem solchen Verständnis würde nämlich die Vorschrift des § 72 Abs. 4 ZVG leer laufen. Es wäre bedeutungslos, ob bei nicht erbrachter Sicherheitsleistung ein weiteres Gebot wirksam wäre, wenn in diesem Falle der Zuschlag zwingend zu versagen wäre. Der geschilderte gesetzgeberische Zweck des § 72 Abs. 4 ZVG, zwar einerseits eine Sicherheitsleistung bis zum Zuschlagstermin zu ermöglichen, andererseits aber sicher zu stellen, dass bei unterbliebener Sicherheit der Zuschlag auf das nächste Gebot erteilt werden kann, könnte nicht erreicht werden.

15

Die Vorschrift des § 83 Nr. 8 ZVG muss zudem im Kontext mit den übrigen Änderungen der §§ 68 ff. ZVG durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung der Justiz betrachtet werden. Dem bietenden Schuldner sollte die Möglichkeit eröffnet werden, die Sicherheitsleistung nicht sofort im Termin zu erbringen, wie es § 70 Abs. 2 Satz 1 ZVG eigentlich vorsieht. Statt dessen kann er nunmehr gemäß § 68 Abs. 4 ZVG, als Ausnahme zu § 70 Abs. 2 Satz 1 ZVG, die Sicherheit noch bis zum Zuschlag erbringen. Daraus ergibt sich aber, dass im Versteigerungstermin noch nicht feststellbar ist, ob die Sicherheit geleistet wird. Demnach kann im Termin nicht das Gebot bei unterbliebener Leistung mit der Folge zurückgewiesen werden, dass es sofort erlischt, §§ 70 Abs. 2 Satz 3, 72 Abs. 2 ZVG. Diese Entscheidung wird bis zum Zuschlag vertagt. Wird die Sicherheit nicht geleistet, kann auf eventuelle niedrigere Gebote, die gemäß § 72 Abs. 4 ZVG schwebend wirksam bleiben, der Zuschlag erteilt werden.

16

Insbesondere ist im Termin auch keine Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 ZVG möglich. Danach kann das Verfahren zumindest einstweilen eingestellt werden, wenn alle abgegebenen Gebote gemäß § 72 ZVG erloschen sind. Ob diese Voraussetzung vorliegt, kann nunmehr erst im Zuschlagstermin festgestellt werden. Bis dahin ist nämlich zumindest das Gebot des zur Sicherheitsleistung gemäß § 68 Abs. 2, 3 ZVG Verpflichteten schwebend wirksam. § 83 Nr. 8 ZVG ermöglicht, die Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 ZVG, die im Versteigerungstermin noch nicht getroffen werden kann, im Zuschlagstermin nachzuholen.

17

Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 83 Nr. 8 ZVG demnach auch als bloße Folgeänderung zu § 68 Abs. 4 ZVG angesehen (BT-Drs. 16/3038, S. 42 zu Nummer 11).

18

Daraus ergibt sich aber auch, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 83 Nr. 8 ZVG keine Versagungs- bzw. Einstellungsmöglichkeit schaffen wollte, die unter gegenüber der Regelung des § 77 Abs. 1 ZVG erweiterten Voraussetzungen eingreifen sollte. Gemäß § 77 Abs.1 ZVG würde jedoch, wenn eine Sicherheitsleistung nicht erbracht würde, aber ein weiteres wirksames Gebot vorläge, das Verfahren nicht eingestellt, sondern nach Zurückweisung des Übergebots auf das verbliebene wirksame Gebot der Zuschlag erteilt.

19

Dem gemäß ist nach Auffassung der Kammer der Tatbestand des § 83 Nr. 8 ZVG teleologisch zu reduzieren. Eine Versagung des Zuschlags soll demnach nur dann erfolgen, wenn die nach § 68 Abs. 2 und 3 ZVG verlangte Sicherheitsleistung nicht bis zur Entscheidung über den Zuschlag geleistet worden ist und keine weiteren gemäß § 72 Abs. 4 ZVG wirksamen Gebote vorliegen.

20

Hier lag noch das Angebot des Bieters H. vor, so dass der Zuschlag nicht zu versagen, sondern diesem als Meistbietenden zu erteilen war.

21

Soweit der Schuldner die Beschwerde auch im Namen der J. & G. C. GmbH & Co. KG als erhoben ansehen will, ist die Beschwerde nicht wirksam erhoben. Der Schuldner hat seine Bevollmächtigung nicht gemäß § 80 Abs. 1 ZPO schriftlich nachgewiesen. Die Einreichung einer Kopie zu den Akten genügt nicht. Die Beschwerde wäre im Übrigen auch unzulässig, da es der vertretenen Firma an der Beschwerdebefugnis ermangelt. Die behauptete Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot über 105.000,00 EUR an die Firma ist nicht bis zum Zuschlagstermin in der Form des § 81 Abs. 2 Satz 2 ZVG nachgewiesen worden, so dass eine Zuschlagserteilung an die Firma unter keinen Umständen in Betracht kommt.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert ist gemäß § 3 ZPO am Interesse des Beschwerdeführers an der Versagung des Zuschlags zu bemessen. Die Kammer bemisst diesen Wert in ständiger Rechtsprechung auf 1/10 des Verkehrswerts, der hier mit 97.000,00 EUR festgesetzt wurde.

23

Gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Rechtssache wegen der von der Kammer angenommenen teleologischen Reduktion des § 83 Nr. 8 ZVG grundsätzliche Bedeutung hat.

 


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