Beschluss vom Landgericht Magdeburg (Jugendstrafkammer) - 22 Qs 81/12

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Halle gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aschersleben vom 23. Oktober 2012, Az.: 16 BRs 23/06, mit dem der Antrag der Staatsanwaltschaft Halle vom 27. Juli 2012 auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zurückgewiesen wurde, wird als unzulässig auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt,

verworfen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Merseburg – Jugendrichter – hat den Beschwerdegegner am 24. November 2005 im Verfahren 23 Cs 602 Js 14060/05 wegen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von neun Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom selben Tage wurde die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 13. März 2006.

2

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2008 hat das Amtsgericht Aschersleben die Bewährungszeit um ein Jahr und sechs Monate verlängert und die Unterstellung unter die Aufsicht eines Bewährungshelfers bis zum Abschluss der Bewährungszeit verlängert. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Verurteilte in der Bewährungszeit erneut straffällig geworden sei, wobei auf das Urteil des Amtsgerichts Aschersleben vom 13. Juni 2008 (Az.: 2 Ls 227 Js 4022/08) Bezug genommen wurde.

3

Nachdem das Amtsgericht Aschersleben am 2. November 2011 den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Halle vom 28. Juli 2011 zurückgewiesen hatte, belehrte das Amtsgericht Aschersleben dem Beschwerdegegner mit Verfügungsschreiben vom 17. Februar 2012 darüber, dass die Bewährungszeit zwar am 12. September 2010 abgelaufen sei, die Strafe jedoch gegenwärtig nicht erlassen werde, da ein Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 Ls 546 Js 16626/11 beim Amtsgericht Aschersleben anhängig sei, dessen Ausgang abgewartet werde. Zudem wies es den Verurteilten darauf hin, dass im Falle der Begehung neuer Straftaten Bewährungsmaßnahmen – auch der Bewährungswiderruf – in Betracht kämen. Das Gericht werde das Ergebnis des weiteren Verfahrens abwarten.

4

Am 27. Juli 2012 beantragte die Staatsanwaltschaft Halle, den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zu beschließen, da der Verurteilte durch das Amtsgericht Aschersleben am 3. Juli 2012 im Verfahren 2 Ls 546 Js 16626/11, rechtskräftig seit dem 11. Juli 2012, wegen gemeinschaftlichen Betruges in Tateinheit mit gemeinschaftlich begangener Urkundenfälschung in vier Fällen zu einer vorbehaltenen Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 5,00 € verurteilt worden sei. Zu diesem Antrag hörte das Amtsgericht Aschersleben den Verurteilten am 23. Oktober 2012 an.

5

Daraufhin beschloss es am 23. Oktober 2012, den Antrag der Staatsanwaltschaft Halle vom 27. Juli 2012 zurückzuweisen. Hinsichtlich der Begründung wird auf Bd. II, Bl. 358 b – 360 BewH Bezug genommen.

6

Gegen diesen Beschluss, der der Staatsanwaltschaft Halle am 7. November 2012 zugestellt wurde, wendet sie sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 13. November 2012. Hinsichtlich der Begründung wird auf Bd. II, Bl. 378 BewH Bezug genommen.

7

Der Verurteilte hatte Gelegenheit zur Gegenerklärung im Sinne von § 308 Abs. 1 S. 1 StPO, die er am 3. Dezember 2012 genutzt hat. Hinsichtlich der weiteren Begründung der Gegenerklärung wird auf Schriftsatz vom 3. Dezember 2012 Bezug genommen.

II.

8

Die "sofortige Beschwerde" der Staatsanwaltschaft Halle vom 13. November 2012 ist unzulässig.

9

Der Verurteilte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Merseburg vom 24. November 2005 wegen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von neun Monaten verurteilt, sodass maßgeblich für den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung bzw. für die Ablehnung des Widerrufs die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes sind.

10

Gemäß § 59 Abs. 3 JGG ist gegen den Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe im Sinne von § 26 Abs. 1 JGG die sofortige Beschwerde zulässig. Rechtsmittelberechtigt ist die Staatsanwaltschaft zwar zu Gunsten des Jugendlichen/Heranwachsenden im Falle des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung, jedoch besteht keine Anfechtungsmöglichkeit der Staatsanwaltschaft, wenn ihr Antrag auf Widerruf der Aussetzung abgelehnt wurde. Die Zulässigkeit einer gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossenen Beschwerde nach § 304 StPO widerspräche besonderen Zwecken und Bewertungen des jugendstrafrechtlichen Rechtsmittelrechts, wie sie sich – entgegen § 453 Abs. 2 S. 3 StPO – bezüglich der Unanfechtbarkeit aus § 59 Abs. 4 JGG (betreffend den Straferlass) und aus § 63 Abs. 1 JGG (betreffend den Beschluss über die Fortdauer der Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe) ergeben. Der Heranwachsende gewinnt mit Gewährung der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung eine Vertrauensposition, die durch die gerichtliche Ablehnung des Widerrufs bestätigt wird, sodass ein nachträglicher Eingriff in diese Position auch erzieherisch abträglich wäre (vgl. insgesamt mit weiteren Nachweisen Eisenberg, 15. Aufl., § 59 JGG, Rn. 27). Der Versagung einer Anfechtung steht nicht entgegen, dass die zeitlich vorhergehenden Entscheidungen im Zusammenhang mit der Bewährung anfechtbar sind (§ 59 Abs. 1, Abs. 2 JGG), denn § 59 JGG setzt die Anfechtungsmöglichkeiten der jugendrichterlichen Entscheidungen dem jeweiligen Kenntnisstand des Jugendrichters entsprechend fest. Dieser herrschenden Meinung in Literatur und in der Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.

11

Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass die Bewährungszeit mittlerweile am 12. September 2010 – nach erfolgter Verlängerung der Bewährungs- und Unterstellungszeit – abgelaufen ist und ein nunmehriger Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung – trotz erfolgter Belehrung über die grundsätzliche Möglichkeit eines Widerrufs durch das Amtsgericht Aschersleben am 1. März 2012 – treuwidrig erschiene. Das Amtsgericht Aschersleben sollte nunmehr über den Straferlass befinden.

12

Nach alledem war die "sofortige Beschwerde" der Staatsanwaltschaft Halle als unzulässig zu verwerfen.

III.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 2 StPO.


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