Beschluss vom Landgericht Magdeburg (2. Große Strafkammer) - 22 Qs 45/14, 22 Qs 366 Js 38796/13 (45/14)

Tenor

Auf die Beschwerde der Angeschuldigten 1. Juli 2014 wird der Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 24. Juni 2014 (Az.: 24 Ls 366 Js 38796/13 - 114/14), in dem Rechtsanwältin ... der Angeschuldigten als Pflichtverteidigerin beigeordnet wurde,

aufgehoben.

Der Angeschuldigten wird statt dessen Rechtsanwalt ... aus Braunschweig als Pflichtverteidiger

beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt die Staatskasse.

Gründe

1

Mit Datum vom 19. Dezember 2013 erhob die Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen die am … geborene Angeschuldigte Anklage mit dem Vorwurf, am 26. Oktober 2013 die Polizeibeamten K. und N. beleidigt zu haben. Die Angeschuldigte, die seit dem 10. März 2012 in Haft war, wurde aus der Haft am 16. September 2013 entlassen. Das Amtsgericht forderte die Angeschuldigte am 24. Januar 2014 auf, gegebenenfalls Stellung zu der übersandten Anklage zu nehmen. Ein Hinweis darauf, dass beabsichtigt sei, einen Pflichtverteidiger zu bestellen, erfolgte nicht, obwohl die Angeschuldigte offensichtlich rechtskräftig durch das Amtsgericht Lübben am 4. Juli 2012 zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden war. Nachdem die Angeschuldigte eine Weile nicht erreichbar war, konnte ihr letztlich die Aufforderung vom 24. Januar 2014 am 29. April 2014 zugestellt werden. Die Jugendrichterin des Amtsgerichts Magdeburg legte dann die Sache mit der Bitte um Übernahme dem Jugendschöffengericht vor. Das Jugendschöffengericht übernahm das Verfahren am 26. April 2014 und bestellte am 24. Juni 2014 der Angeschuldigten Rechtsanwältin R. als Pflichtverteidigerin, ohne dass zuvor noch eine Anhörung stattgefunden hätte. Dieser Beschluss wurde von der Kanzlei bearbeitet am 25. Juni 2014. Bereits am 24. Juni 2014 ging der Antrag der Angeschuldigten beim Amtsgericht Magdeburg ein, ihr Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger beizuordnen. Am 3. Juli 2014 ging die Beschwerde der Angeschuldigten vom 1. Juli 2014 gegen den Beiordnungsbeschluss vom 24. Juni 2014 beim Amtsgericht ein. Dieses half der Beschwerde nicht ab, da die unterbliebene Anhörung der Angeschuldigten durch den Beiordnungsbeschluss und die Erklärung des Verteidigers nachgeholt worden sei. Im Übrigen sei bereits Termin mit Rechtsanwältin R. für den 8. September 2014 sowie den 22. September 2014 abgestimmt worden. Diese habe die Angeschuldigte auch bereits zuvor vertreten. Gründe für die Umbestellung von Rechtsanwalt F. einer bereits terminierten Sache seien nicht ersichtlich.

2

Die Beschwerde der Angeschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 24. Juni 2014 ist erfolgreich. Gemäß §§ 68, 109 JGG in Verbindung mit § 140 StPO ist ein Pflichtverteidiger einem Angeschuldigten zu bestellen, wenn es die Schwere der Tat gebietet. Dies hat das Amtsgericht angenommen, davon soll hier ausgegangen werden. Allerdings hat das Amtsgericht entgegen § 142 StPO die Angeschuldigte vor der Bestellung der Pflichtverteidigerin nicht angehört, um ihr Gelegenheit zu geben, einen Pflichtverteidiger zu benennen. Dieser Verstoß wird nicht dadurch geheilt, dass das Amtsgericht der Angeschuldigten die Pflichtverteidigerbestellung zugestellt hat und diese bereits vor der Zustellung des Beschlusses sich über Rechtsanwalt F. als Verteidiger gemeldet hat. Die Anhörung soll dazu dienen, dass die Angeschuldigte eine Mitbestimmung bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers hat und ausüben kann, nicht das bereits getroffene Entscheidungen lediglich förmlich zur Kenntnis gegeben werden, ohne dass eine tatsächliche Einflussmöglichkeit besteht. Hier hat die Angeschuldigte bereits am 24. Juni 2014 (Eingang beim Gericht) gewünscht, dass ihr Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Zu diesem Zeitpunkt hat ersichtlich der Beschluss vom 24. Juni 2014 noch nicht das Amtsgericht verlassen.

3

Nun hat die Angeschuldigte auf der anderen Seite keinen Anspruch darauf, dass ihr der von ihr gewünschte Pflichtverteidiger tatsächlich beigeordnet wird, wenn dieser Beiordnung gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, § 142, Rz. 9). Solche gewichtigen Gründe können zum Beispiel sein, dass der gewünschte Pflichtverteidiger auf absehbare Zeit nicht in der Lage ist, an einer Verhandlung teilzunehmen. Dies gilt insbesondere in Haftsachen. Ein weiterer Grund könnte sein, wenn der gewünschte Pflichtverteidiger nicht hinreichend qualifiziert wäre.

4

Solche Gründe sind aber nicht ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass sowohl Rechtsanwältin R. als auch Rechtsanwalt F. hinreichend qualifiziert sind, um die Pflichtverteidigung auszuüben. Sie sind auch dem Beschwerdegericht aus einer Reihe von Verfahren bekannt.

5

Im Übrigen hat das Amtsgericht nicht dargelegt, dass Rechtsanwalt F. etwa auf absehbare Zeit verhindert wäre, an einer Verhandlung über die Anklage zu Lasten der Angeschuldigten teilzunehmen. Aus der Akte ergibt sich nicht, dass eine Terminsanfrage oder -absprache bisher durchgeführt oder versucht worden wäre. Dass Rechtsanwalt F. für längere Zeit vollständig verhindert sein sollte, ist nicht ersichtlich. Dass er eventuell an einem mit einem anderen Verteidiger abgestimmten Termin verhindert sein sollte, steht seiner Bestellung nicht entgegen. Allein der Umstand, dass das Amtsgericht die Absicht hat, mehrere Verfahren zusammen zu verhandeln und in diesen übrigen Verfahren offensichtlich Rechtsanwältin R. bereits beigeordnet ist, stellt keinen gewichtigen Grund dar, der Angeschuldigten den von ihr gewünschten Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger zu versagen. Zum Einen datiert die Ladung erst vom 9. Juli 2014 und zum Anderen ist nicht zu erkennen, warum eine gemeinsame Verhandlung bei entsprechender rechtzeitiger Terminsabsprache nicht möglich sein sollte, auch wenn zwei Verteidiger auftreten.

6

Sonstige Gründe, die einer Beiordnung von Rechtsanwalt F. entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich und auch nicht vereinzelt vom Amtsgericht in den Raum gestellt worden.

7

Nach alledem war die Pflichtverteidigerbeiordnung von Rechtsanwältin R. aufzuheben und der Angeschuldigten auf ihren Antrag hin, Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger beizuordnen (vgl. insoweit Meyer-Goßner a. a. O. § 142 Rz. 19 und den Hinweis auf OLG Naumburg StV 2005, S. 120).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 StPO, 74 JGG.


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