Beschluss vom Landgericht Mainz (8. Zivilkammer) - 8 T 98/02
Tenor
1. Auf sofortige Beschwerde der Betreuerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Alzey vom 12. Februar 2002 teilweise abgeändert.
Der Betreuerin wird für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 20.2.2001 bis zum 25.1.2002 eine Vergütung in Höhe von 1.686,86 EUR bewilligt. Die Vergütung nebst Aufwendungen in Höhe von 190,92 EUR wird gegen die Staatskasse festgesetzt.
2. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
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Die Betroffene leidet an einem hirnorganischen Psychosyndrom bei bestehender Alkoholkrankheit. Mit Beschluss vom 11.9.2000 bestellte des Amtsgericht die Beteiligte zu 1) zur vorläufigen Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und Postangelegenheiten. Die einstweilige Anordnung galt bis zum 11.3.2001. Mit auf den 26.2.2001 datierten und am 14.12.2001 zur Geschäftsstelle gelangten Beschluss wurde die Anordnung der Betreuung verlängert und ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Mit ärztlicher Stellungnahme vom 23.2.2001 hatte Frau Dr. G. die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für erforderlich gehalten, da die Betroffene hinsichtlich ihrer finanziellen Situation wenig Problembewusstsein zeige. Die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts erfolgte im übrigen auf Anregung der Betreuerin, die mit Bericht vom 16.2.2001 deutlich gemacht hatte, dass die Betroffene als chronische Alkoholikerin nicht in der Lage sei, ihre finanziellen Angelegenheiten zu regeln. Ihr zur Verfügung stehendes Bargeld setze sie sofort in Alkohol um.
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Mit Schreiben vom 25.1.2002 machte die Betreuerin die Vergütung für die von ihr im Zeitraum vom 20.2.2001 bis 25.1.2002 erbrachte Tätigkeit sowie angefallenen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 1.877,78 EUR geltend. Das Amtsgericht setzte die Vergütung und den Aufwendungsersatzanspruch mit Beschluss vom 12.2.2002 auf 1.425,26 EUR fest. Dabei vertrat es die Auffassung, dass 720 Minuten, die innerhalb von 14 erfolgten Hausbesuchen angefallen sind, nicht ersatzfähig seien, da dies mit den Grundsätzen einer effizienten und kostengünstigen Tätigkeit des Betreuers nicht vereinbar sei. Die Betreuerin hat gegen den ihr am 16.2.2002 zugestellten Beschluss mit am 21.2.2002 bei Gericht eingegangenen Schreiben sofortige Beschwerde eingelegt, die sie mit Schreiben vom 22.2.2002 begründete. Sie führt im wesentlichen aus, dass die Betroffene sie sehr oft anrufe oder Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlasse. Dies mache es erforderlich, sich persönlich zu vergewissern, was tatsächlich anliege. Weitere Kontaktmöglichkeiten bestünden nicht, da die Betroffene telefonisch nicht erreichbar sei und Kontakte zur Nachbarschaft nicht bestünden. Daher seien auch keine Terminabsprachen möglich. Der zeitweise dramatisch schlechte Gesundheitszustand der Betroffene mache häufige Hausbesuche notwendig. Im Rahmen der Aufgabenkreise der Betreuung gebe es viele Angelegenheiten zu besprechen und zu regeln. Aufgrund der problematischen Persönlichkeit der Betroffenen und zahlreicher Beschwerden aus der Nachbarschaft über das Verhalten der Betroffenen seien regelmäßige Kontaktaufnahmen notwendig, um Kündigung und Obdachlosigkeit zu vermeiden.
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Die Bezirksrevisorin hat beantragt, den Zeitaufwand und die Auslagen für zwei weitere Besuche zu erstatten und im übrigen die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, und hat in der Sache Erfolg. Die von der Betreuerin im einzelnen dargestellten im Abrechnungszeitraum erbrachten Tätigkeiten sind im Rahmen des § 1836 BGB zu vergüten. Gleiches gilt für die in diesem Zusammenhang angefallenen Aufwendungen, die gemäß § 1835 BGB zu ersetzen sind. Da die Betroffene mittellos ist, richtet sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse.
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Es unterliegt keinem Zweifel, dass die von der Betreuerin abgerechneten Tätigkeiten von den Aufgabenkreisen der angeordneten Betreuung erfasst sind. Aus der Aufgabenstellung des Betreuers (§ 1902 BGB) ergibt sich, dass dieser grundsätzlich selbständig und in eigener Verantwortung handelt. Dabei hat er die Angelegenheit des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht (§ 1901 Abs. 2 S. 1 BGB). Daraus ergibt sich, dass es für die Frage, ob der Zeitaufwand für eine bestimmte Tätigkeit des Betreuers zu vergüten ist, grundsätzlich auf die Sicht des Betreuers ankommt. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit von faktischen Maßnahmen zur Rechtsfürsorge ist ein großzügiger Maßstabe anzulegen und insbesondere das Gebot persönlicher Betreuung zu beachten. Erst wenn die Maßnahmen des Betreuers diesen Rahmen überschreiten oder sogar jeglichen Zug der ihm obliegenden Rechtsfürsorge vermissen lassen, besteht keine Vergütungspflicht der Staatskasse (OLG Zweibrücken BTPrax 2000, 86, 87).
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Hinsichtlich der vorliegend abgerechneten vom Amtsgericht gekürzten Zeiten für durchgeführte Besuche bei der Betroffenen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Besuche und des damit verbundenen Zeitaufwands objektiv kaum messbar sind. Das Gericht ist zwar berechtigt und verpflichtet, jede Abrechnung des Betreuers hinsichtlich Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit kritisch zu überprüfen. Missbräuchliche, überzogene und sachlich ungerechtfertigte Forderungen sind von der Festsetzung der Vergütung auszunehmen (vgl. Beschluss der Kammer vom 6. 11.2001, 8 T 317/00). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich Sache des Betreuers ist, zu entscheiden, wie er seine Pflichten erfüllt. Seine Sicht der Dinge ist das vorrangige Kriterium für die Beurteilung der Notwendigkeit und der Zweckmäßigkeit der betreuungsrechtlichen Arbeit (vgl. BayObLG BTPrax 1996, 104). Dabei ist wiederum zu beachten, dass das Betreuungsgesetz vom Betreuer ein hohes Maß von persönlicher Zuwendung und einen intensiven Kontakt mit dem Betroffenen erwartet. Wie sich seine Arbeit inhaltlich und zeitlich gestaltet und wo die Grenzen des Notwendigen überschritten wird, ist vielfach eine objektiv überhaupt nicht überprüfbare Ermessensentscheidung und nicht zuletzt von jenen in der Person des Betroffenen oder seinem sozialen Umfeld liegenden Umständen abhängig, die die Betreuungsbedürftigkeit begründet haben (Knittel BetrG § 1836 BGB Rdnr. 19). Im Rahmen dessen ist zu berücksichtigen, dass dem Gericht dabei die konkreten Kenntnisse der Situation vor Ort und der Person des Betroffenen fehlen. Deshalb kann von den Angaben des Betreuers zum zeitlich notwendigen Arbeitsaufwand nur dann abgewichen werden, wenn ein missbräuchliches Verhalten klar zutage tritt, weil die geltend gemachten Ansprüche überzogen oder sachlich völlig ungerechtfertigt sind.
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Hinsichtlich der hier streitigen Frage der Häufigkeit und des zeitlichen Umfangs der Bezugskontakte hält die Kammer an ihrer Auffassung fest, dass im Regelfall ein bis zwei Besuche pro Monat ausreichend sind. Die Betreuerin hat im vorliegenden Fall jedoch hinreichend deutlich gemacht, dass ein Abweichen von diesem Regelfall geboten ist. Aufgrund der Persönlichkeit der Betroffenen und der durch ihre geistige Behinderung begründeten Unberechenbarkeit hat die Betreuerin hinreichend glaubhaft gemacht, dass die von ihr durchgeführten Besuche sowohl von der Zahl her als auch von der zeitlichen Abfolge her notwendig und angemessen waren, um den Aufgaben des Betreueramtes gerecht zu werden. Auf die durchaus plausiblen Ausführungen in der Beschwerdebegründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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Aus den o.g. Ausführungen ergibt sich im übrigen, dass auch hinsichtlich der Dauer eines Besuchs es dem Betreuer überlassen bleiben muss, welche Zeit dafür notwendig ist. Eine pauschale Kürzung, wie erfolgt, auf 45 Minuten pro Besuch, erscheint willkürlich und ist nicht näher begründbar. Auch hier muss gelten, dass es Sache des Betreuers bleiben muss, auf welche Art er seine Tätigkeit zum Wohle des Betroffenen durchführt. Durch eine pauschale Kürzung der Vergütungsansprüche würde die Arbeit eine inhaltliche Reglementierung durch das Gericht erfahren, die mit dem Betreuungsgesetz nicht vereinbar ist. Denn der Betreuer ist eigenverantwortlich tätig und unterliegt keiner Weisung des Vormundschaftsgerichts, auch nicht mittelbar über die Vergütungsabrechnung (Zimmermann FamRZ 1998, 521, 528). Die Kontrolle beschränkt sich daher im wesentlichen auf denkgesetzliche Unmöglichkeiten, missbräuchliche deutlich überzogene oder sachlich völlig ungerechtfertigte Forderungen (vgl. Zimmermann a.a.O.). Gemessen an diesen Kriterien ist eine Herabsetzung der Vergütung durch Kürzung der Zeitansätze nicht gerechtfertigt.
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Der amtsgerichtliche Beschluss ist daher entsprechend dem ursprünglich gestellten Vergütungsantrag abzuändern.
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Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen, da den zur Entscheidung stehenden Fragen grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt (§ 56 g Abs. 5 S. 2 FGG). Die Kammer sieht sich bei der von ihr vertretenen Rechtsauffassung in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung.
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